Ich hatte hier noch einen halbfertigen Robinienbogen mit einem Splintring am Rücken rumstehen seit nunmehr so 9-10 Jahren. Der wurde eigtl. ausgemustert, da das die Qualität an Robinie ist, die mir gern knittert (etwas jüngerer Stamm, 6-8mm Jahresringe), und ich damals dumm war und den auf Standhöhe packen wollte, als er noch weit jenseits der 100# war, was mir zurecht mit etwas Knitter an den Fades beantwortet wurde. Beim Aufspannversuch hats mir auch ein Overlay weggehauen, und das war dann alles in allem genug Frust, um das Ding in die Ecke zu stellen. Bis vorgestern

Zu Beginn mal einige unorthodoxe Überlegungen: Sowohl bei Robinie als auch bei Esche findet man hier im Forum über die Jahre immer mal wieder Annekdoten, dass die Holzqualitäten mit sehr dicken Jahresringen eher zu viel Set und Knitteritis neigen. Meine persönlichen Erfahrungen mit diesen beiden Hölzern bestätigen das. Meine Theorie: Die ganzen Hölzer, die gut auf Zug und net so gut auf Druck sind, vertragen keinen zu dicken Rückenring, da der durch die Zugfestigkeit einfach den Bauch quetscht. Ähnlich wie Bambus, den man zu dick belassen hat.
Also, wat mach ich mit dem dickringigen Kollegen, um bestehende Knitter nicht zu verschlimmern oder gar neue anzuziehen? Erstmal ordentlich trappen dachte ich mir, dass mein 6mm Splintring am Rücken auch gedehnt wird und mir den Bauch nicht zerquetscht. Gesagt, getan. Da der in den 9 Jahren ein wenig nachgedunkelt ist, erkennt man das gut auf dem Bild (noch so 100 Pfeile rausjagen und Tiller nochmal checken steht noch aus, deswegen ist der auch noch ungeschliffen):
Die Form hat mehr was von nem sehr plattgedrückten Brotleib und weniger von nem Trapez. Mein Bogenbauerbauchgefühl sagt mir, das gibt weniger Spannungsspitzen im Wurfarm.
Hat auch soweit schön funktioniert. Gab keine neuen Knitter, nach Tiller und den ersten 100 Pfeilen war ich bei so ~50#@28" und guten 1 1/2" Set. Jetzt nochmal was unorthodoxes, das ich mit Robinie noch nie gemacht hatte:
Bauch tempern

Also Bogen in den Schraubstock, am Ende n Eimer mit so 5kg an Gewicht drin drangehängt, um gleich noch das Set rauszuföhnen, und gib ihm. Danach hatte ich stolze 8cm Reflex, ca. 7# mehr und auf einmal eine Rückstellkraft, die ich so nicht von Robinie kenne. Ein Hauch Reflex ist sogar jetzt noch (ca. 100 Pfeile seitdem) drinnen:
Ich wollte das einmal teilen, auch wenn der noch nicht komplett fertig ist, weil ich ehrlich gesagt selbst total überrascht bin. Ich hatte noch nie ne Robinie, die so geil geschossen hat. Ich hab leider keinen Chrono, aber nach Gefühl ist das zusammen mit meinem 150cm Parcour-Osage der schnellste Bogen, den ich bisher produziert hab (gut, der Osage hat die Hälfte der Breite, aber wir wollen ja auch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen

Summa summarum: Ich kann für die typischen Flachbogenhölzer diese Behandlung wärmstens empfehlen


Länge ntn: 62 1/2"
geflippte Enden
Breite WA an den Fades 4cm, ursprünglich semipyramidal angelegt, aber ich hab auch über Seiten und Rückenkanten getillert, deswegen isser jetzt wohl eher irgendein Zwischending
aktuell bei 57#@28"
Gewicht inkl. Sehne bei knapp über 400g

Präsi folgt dann irgendwann. Hab gestern mal Eisenacetatbeize angesetzt, nachdem ich schon n Splintring da drinnen hab und n hellen Ahorngriff. Dann sieht man auch die Temperoptik nichmehr (also glaub ich, bin gespannt wie sich Tempern auf die Gerbsäure und damit die Farbreaktion auswirkt), bin persönlich net soooo der größte Fan davon

Feedback, ähnliche Erfahrungen, weiterführende Überlegungen und so immer gern
