Recurve am Baum wachsen lassen
Recurve am Baum wachsen lassen
Hallo allerseits!
Ich beschäftige mich noch nicht lange mit dem Bogenbau, könnte mir aber vorstellen, dies länger zu tun.
Auf der Suche nach geeigneten Rohlingen stört hier ein Ast, da eine Krümmung, dort eine Verdrehung. So habe ich mir vorgenommen, mindestens in meinem Garten bereits dem Holz am Baum etwas über sein zukünftiges Leben zu erzählen.
Wie ich mir das vorstelle: Mit dämpfen erreicht man anscheinend nur statische Recurves. Deshalb habe ich die Haselrute, Ø ca. 25mm diesen Winter an eine Form gebunden. Im nächsten Winter befreie ich den Zweig wieder von seiner "Stütze". Ich schaue, dass diese Rute möglichst wenig Konkurrenz und Schatten hat. So wird sie vermutlich in 5-6 Jahren ein passabler Bogenrohling.
Ich könnte mir vorstellen, dass das z.B mit Stockausschlägen von Esche auch geht.
Hat jemand schon Erfahrung damit?
Wäre schade, erst in fünf Jahren zu merken, dass der Griff deflexer hätte wachsen sollen....
Gruss Anvil
Ich beschäftige mich noch nicht lange mit dem Bogenbau, könnte mir aber vorstellen, dies länger zu tun.
Auf der Suche nach geeigneten Rohlingen stört hier ein Ast, da eine Krümmung, dort eine Verdrehung. So habe ich mir vorgenommen, mindestens in meinem Garten bereits dem Holz am Baum etwas über sein zukünftiges Leben zu erzählen.
Wie ich mir das vorstelle: Mit dämpfen erreicht man anscheinend nur statische Recurves. Deshalb habe ich die Haselrute, Ø ca. 25mm diesen Winter an eine Form gebunden. Im nächsten Winter befreie ich den Zweig wieder von seiner "Stütze". Ich schaue, dass diese Rute möglichst wenig Konkurrenz und Schatten hat. So wird sie vermutlich in 5-6 Jahren ein passabler Bogenrohling.
Ich könnte mir vorstellen, dass das z.B mit Stockausschlägen von Esche auch geht.
Hat jemand schon Erfahrung damit?
Wäre schade, erst in fünf Jahren zu merken, dass der Griff deflexer hätte wachsen sollen....
Gruss Anvil
Zitat eines erfahrenen Ingenieurs: "Holz ist ein geduldiger Werkstoff!"
- klausmann84
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Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Interessante Idee. Bin mal gespannt ob es da schon Erfahrungen zu gibt. Ich persönlich würde mich wundern, wenn du beim Bauen über "zu wenig Deflex" stolperst. Es gibt ja auch Bögen mit Reflex im Griff und alle Abstufungen dazwischen. Ich habe das beim Reflex Deflex Design noch nie verstanden, warum man den Deflex nicht einfach weglässt. Liegt vielleicht auch daran, dass ich diese Form bisher weder gebaut noch geschossen habe und mir ein paar Grundlagen dazu fehlen. Zuviel Reflex insgesamt kann natürlich das Holz in Biegebereich überlasten. Vielleicht soll der deflexe Griffbereich das auffangen? Kein Plan. Auf jeden Fall ein zeigenswertes Projekt wenn du ihn erntest und die Form geblieben ist.
Im Tannenwald, in klammem Spalt, stellen die Mannen bald die Hannen Alt Kannen kalt.
- Ravenheart
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Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Interessantes Projekt, bin sehr gespannt!
Egal ob beim Ziehen oder sogar schon um so mehr beim Aufspannen:
Liegen die Enden, an denen die Sehne befestigt bist, höher als der Druckpunkt im Griff, und Du beginnst in der Mitte der Sehne zu ziehen, muss der Zug nur MINIMAL aus der Line der Sehnenlage (Bogen-Längsachse) geraten, und der ganze Bogen dreht sich um, weil die nach oben stehenden Enden als Hebel wirken!
Ist der Griff hingegen deflex, liegen oder kommen die Enden schnell unter den/m Druckpunkt und der Bogen kann sich nicht mehr drehen!
Rabe
Oh, das ist einfach erklärt!klausmann84 hat geschrieben: ↑07.04.2022, 07:50Ich habe das beim Reflex Deflex Design noch nie verstanden, warum man den Deflex nicht einfach weglässt. Liegt vielleicht auch daran, dass ich diese Form bisher weder gebaut noch geschossen habe und mir ein paar Grundlagen dazu fehlen.
Egal ob beim Ziehen oder sogar schon um so mehr beim Aufspannen:
Liegen die Enden, an denen die Sehne befestigt bist, höher als der Druckpunkt im Griff, und Du beginnst in der Mitte der Sehne zu ziehen, muss der Zug nur MINIMAL aus der Line der Sehnenlage (Bogen-Längsachse) geraten, und der ganze Bogen dreht sich um, weil die nach oben stehenden Enden als Hebel wirken!
Ist der Griff hingegen deflex, liegen oder kommen die Enden schnell unter den/m Druckpunkt und der Bogen kann sich nicht mehr drehen!
Rabe
Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Trotzdem interessante Idee. Die Form wird er sicher halten. Ein Bekannter aus meinem Verein hat auf seinem Grundstück eine Fläche für seine Hühner abgezäunt, auf der mehrere hohe Haselbüsche mit vielen Trieben stehen. Benachbarte Triebe wickelt er regelmäßig umeinander. Ich glaube, er hat auch mindestens an einem Busch 3 Triebe wie einen Zopf miteinander verflochten. Die halten sich natürlich durch die Verflechtung gegenseitig in diesem Konstrukt. Aber auch die nur verdrehten Doppeltriebe wachsen umschlungen weiter.
Hat bei ihm allerdings nix mit Bogenbau zu tun; er ist einfach ein netter, bogenschießender Rentner dem das so gefällt. Irgendwie hat ja jeder seinen Spleen...
Was mir bei Deiner Idee durch den Kopf geht, ist die Frage, ob die Innenseite der Biegung zugfest genug ist als Rücken eines arbeitenden recurves. Irgendwo hab ich mal gelesen, dass es bei krumm gewachsenen Haseln eigentlich nicht ratsam ist, die reflexe Seite zum Bogenrücken zu machen, da sie nicht auf Zug, sondern auf Druck konditioniert ist. Andersherum will man es zwar auch nicht, denn wer will schon einen bereits ungespannt zum Schützen hin gekrümmten Bogen, der dann auch noch Set annimmt...
Vielleicht gilt das auch nur für Triebe, die über Jahre vom Wind gedrückt und daher auf dieser Seite schon am Strauch permanent gestaucht wurden. Aber letztlich ist Deine Biegung nichts anderes, nur das sie schneller vonstatten geht als das, als was der Wind sonst über Jahre verursacht. Nur dass sie durch die Fixierung nicht mit permanenten weiteren Stauchungen einhergeht. Hat da jemand Erfahrungen?
Grüße - Steffen
Hat bei ihm allerdings nix mit Bogenbau zu tun; er ist einfach ein netter, bogenschießender Rentner dem das so gefällt. Irgendwie hat ja jeder seinen Spleen...
Was mir bei Deiner Idee durch den Kopf geht, ist die Frage, ob die Innenseite der Biegung zugfest genug ist als Rücken eines arbeitenden recurves. Irgendwo hab ich mal gelesen, dass es bei krumm gewachsenen Haseln eigentlich nicht ratsam ist, die reflexe Seite zum Bogenrücken zu machen, da sie nicht auf Zug, sondern auf Druck konditioniert ist. Andersherum will man es zwar auch nicht, denn wer will schon einen bereits ungespannt zum Schützen hin gekrümmten Bogen, der dann auch noch Set annimmt...
Vielleicht gilt das auch nur für Triebe, die über Jahre vom Wind gedrückt und daher auf dieser Seite schon am Strauch permanent gestaucht wurden. Aber letztlich ist Deine Biegung nichts anderes, nur das sie schneller vonstatten geht als das, als was der Wind sonst über Jahre verursacht. Nur dass sie durch die Fixierung nicht mit permanenten weiteren Stauchungen einhergeht. Hat da jemand Erfahrungen?
Grüße - Steffen
Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Ganz klares Nein, das stimmt nicht. Hasel ist ein Laubbaum (Strauch) und bildet Zugholz und kein Druckholz (Druckholz bleibt den Nadelbäumen vorbehalten, mit Ausnahme von Buchsbaum, der in der Lage ist druckholzähnliche Strukturen zu bilden).
Zugholz ist zugstärker als "Normalholz" und somit ganz besonders für den Bogenrücken geeignet.
Grüße - Neumi
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...
Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Ich weiß leider nicht mehr, wo ich das gelesen habe, und es ging da auch nur um die reflexe Seite, nicht um die allgemeinen Eigenschaften von Haselholz. Dass das kein Druckholz ist, steht außer Frage.
Ich selbst habe auch noch keine negativen Erfahrungen gemacht, wenn ich einen krummen Hasel andersherum zum Bogen gemacht habe und den äußeren Jahresring am Rücken nicht verletzt habe. Aber gelesen habe ich das irgendwo. Ging darum, dass das Holz auf der reflexen Seite andere Eigenschaften aufweist. Wenn es nicht stimmt - umso besser.
Grüße - Steffen
Ich selbst habe auch noch keine negativen Erfahrungen gemacht, wenn ich einen krummen Hasel andersherum zum Bogen gemacht habe und den äußeren Jahresring am Rücken nicht verletzt habe. Aber gelesen habe ich das irgendwo. Ging darum, dass das Holz auf der reflexen Seite andere Eigenschaften aufweist. Wenn es nicht stimmt - umso besser.
Grüße - Steffen
Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Das stimmt schon, so wie ich es erklärt habe. Die reflexe Seite ist die auf Zug stärker belastbare Seite.
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...
- klausmann84
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Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Vielen Dank. Das Prinzip des Umschlagens ist mir schon relativ klar, weil ich zumindest im ersten Tillerstadium immer reflexe Rohlinge hatte die schnnell umschlugen. Dennoch gibt es ja genug Beispiele, dass man deshalb nicht überall in Bögen mit reflexen WA nen Deflex im Griff einbaut. Spätestens auf Standhöhe sind ja auch reflexe Bögen doch recht stabil, wenn die Sehnenlage halbwegs passt. Und dann macht der Set ja auch den Reflex gerne teilweise wieder weg. Daher meine ich, dass man das nicht unbedingt braucht. Dass er überhaupt deshalb genutzt wird, wusste ich nicht. Langsam macht es in meinem Gehirn aber Sinn. So, genug geschwafelt.Ravenheart hat geschrieben: ↑07.04.2022, 08:55Interessantes Projekt, bin sehr gespannt!
Oh, das ist einfach erklärt!klausmann84 hat geschrieben: ↑07.04.2022, 07:50Ich habe das beim Reflex Deflex Design noch nie verstanden, warum man den Deflex nicht einfach weglässt. Liegt vielleicht auch daran, dass ich diese Form bisher weder gebaut noch geschossen habe und mir ein paar Grundlagen dazu fehlen.
(...)
Rabe
Im Tannenwald, in klammem Spalt, stellen die Mannen bald die Hannen Alt Kannen kalt.
Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Danke für die vielseitigen Kommentare!
...so genau hatte ich mir das gar nicht alles überlegt. Ich wollte möglichst schnell einen Versuchsballon steigen lassen.
Wegen gedämpften dynamischen Recurves: Ich weiss nicht, wie man das richtig macht. Aber ich habe von vielen Leuten gelesen, die jetzt wissen, wie man es falsch machen kann... Die Gefahr soll bestehen, dass sich die gedämpften Recurves mit der Zeit wieder ergeben.
Zu Reflex, Deflex, Zug und Druck:
Ich habe das mal versucht auf Papier zu bringen. Die zwei Äste rechts sind einmal Reflex und einmal Deflex. Den Zugkräften (blau) ist diese leichte Krümmung egal, sie suchen sich den höchsten Punkt im Profil und rücken dort dicht zusammen. Die grössten Druckkräfte (rot) findet man entsprechend im tiefsten Punkt vom Profil.
Ob in einem reflexen Stück also Zugkräfte herrschen, ist eine Frage des Biegemoments. (z.B. Gewichtskraft x mittlere Ausladung)
Aber was haben die vorhandenen Kräfte für einen Einfluss auf die Holzbildung? (...für mich völlig Neuland)
Mein Bogenrohling soll in 1-2 Jahren ohne Stütze auskommen. Die Ringe, welche dann später den Bogenrücken bilden sollen, wachsen mit ihren natürlichen Lasten. Sollte also der Bogenrücken während des Wachstums bereits Zugkräfte aufnehmen, muss ich schauen, dass die laubtragenden Äste auf die andere Seite kommen...
...so genau hatte ich mir das gar nicht alles überlegt. Ich wollte möglichst schnell einen Versuchsballon steigen lassen.
Wegen gedämpften dynamischen Recurves: Ich weiss nicht, wie man das richtig macht. Aber ich habe von vielen Leuten gelesen, die jetzt wissen, wie man es falsch machen kann... Die Gefahr soll bestehen, dass sich die gedämpften Recurves mit der Zeit wieder ergeben.
Zu Reflex, Deflex, Zug und Druck:
Ich habe das mal versucht auf Papier zu bringen. Die zwei Äste rechts sind einmal Reflex und einmal Deflex. Den Zugkräften (blau) ist diese leichte Krümmung egal, sie suchen sich den höchsten Punkt im Profil und rücken dort dicht zusammen. Die grössten Druckkräfte (rot) findet man entsprechend im tiefsten Punkt vom Profil.
Ob in einem reflexen Stück also Zugkräfte herrschen, ist eine Frage des Biegemoments. (z.B. Gewichtskraft x mittlere Ausladung)
Aber was haben die vorhandenen Kräfte für einen Einfluss auf die Holzbildung? (...für mich völlig Neuland)
Mein Bogenrohling soll in 1-2 Jahren ohne Stütze auskommen. Die Ringe, welche dann später den Bogenrücken bilden sollen, wachsen mit ihren natürlichen Lasten. Sollte also der Bogenrücken während des Wachstums bereits Zugkräfte aufnehmen, muss ich schauen, dass die laubtragenden Äste auf die andere Seite kommen...
Zitat eines erfahrenen Ingenieurs: "Holz ist ein geduldiger Werkstoff!"
Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Die Idee, lebende Bäume und Büsche in Form zu ziehen, ist ja schon uralt. Wurde meist für Brücken verwendet oder aber im modernen Städtebau. Warum also nicht für den Bogenbau verwenden?
Hasel erscheint mir sehr geeignet, da schnellwüchsig und es sind in jedem Busch auch geeignete Stäbe vorhanden.
Mmmh, werde mir mal einen Wanderstab heranziehen mit dreifach tordierten Stäben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Lebende_Br%C3%BCcke
Hasel erscheint mir sehr geeignet, da schnellwüchsig und es sind in jedem Busch auch geeignete Stäbe vorhanden.
Mmmh, werde mir mal einen Wanderstab heranziehen mit dreifach tordierten Stäben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Lebende_Br%C3%BCcke
- klausmann84
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Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Auf jeden Fall cool dass du deine Gedanken und Ideen teilst. Mit diesem Zug und Druckholz je nach Wuchs und deren Auswirkungen, kenne ich mich auch 0 aus. Ich glaube aber jetzt noch anzufangen zu überlegen wie die Äste im Gewicht verteilt sind, sprengt doch etwas die Relationen zwischen Nutzen und Aufwand. Was dich nicht abhalten sollte auch hier rumzuprobieren. Ich glaube..., jetzt bleibt uns wohl nur Warten, was du in einem halben Jahrzehnt berichtest.
Im Tannenwald, in klammem Spalt, stellen die Mannen bald die Hannen Alt Kannen kalt.
Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Das Problem was ich da sehe, sind Verletzungen der Rinde. Am Bogenruecken eher unguenstig. Ausserdem: Fuer was braucht man Recurves nochmal?
Haben ist besser als brauchen.
- Spanmacher
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- Registriert: 29.04.2012, 15:01
Re: Recurve am Baum wachsen lassen
Ausgezeichnete Idee!!! Danke.
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.
Re: Recurve am Baum wachsen lassen
...das mit den Verletzungen habe ich mir auch schon gedacht. Mal sehen, ob die Druckstellen aus dem ersten Jahr in den nächsten Jahren sauber verwachsen. Ist halt ein Teil des Experimentes.
Recurves helfen mit, dass der Bogen eine degressive Kennlinie bekommt. D.h bei gleichem Auszug und Zuggewicht kann er mehr Energie speichern. Wenn man dann die Recurves so leicht wie möglich baut, wirft er schneller.
...und mir gefallen sie!!!
Zitat eines erfahrenen Ingenieurs: "Holz ist ein geduldiger Werkstoff!"