Sorry, ich muss jetzt mal Partei für die Deppen der Nation - die Apotheker - ergreifen! Diese Spielverderber sind gemäß aktueller Rechtssprechung
voll verantwortlich für jeden Mist und Unfall, der mit
bei ihnen gekauften Chemikalien passiert. Es sei denn, der Erwerber konnte sich vorher als sachkundig ausweisen. Dazu kommt, dass für Apotheker scheinbar ein Haufen Gesetze gelten, die für alle anderen Menschen in diesem Land nicht gelten. Beispiel?
Aceton: Das ist nicht nur ein super Fettlösemittel, sondern wird auch gerne als Lösemittel bei organischen Synthesen und Aufreinigungsprozessen verwendet. Hier sei mal "Drogenherstellung" erwähnt. Außerdem bildet Aceton hochexplosive Gemische mit Luft, was auf Grund der sehr geringen Siedetemperatur verdammt schnell geschieht. Aceton unterliegt dem
Grundstoffüberwachungsgesetz, auch GÜG genannt, Kategorie 3. Nun ist erst eine Handelsmenge ab 50kg "strafwürdig", aber ich gehe jede Wette, dass es die Apotheker hart treffen wird, wenn irgendein Pseudochemiker in 50 Apotheken jeweils 1kg erwirbt, und dann anschließend damit z.B. nen Bahnhof anzündet.
Diethylether: siehe Aceton, bloß schon ab 20kg. Ether ist zu dem auch noch einschläfernd bei passender Exposition in der Atemluft.
H2O2 30%: Auch Wasserstoffperoxid 30% unterliegt meines Wissens nach in der Zwischenzeit dem GÜG, weil irgend ein Idiot mal versucht hat, mit größeren Mengen einen Bahnhof in die Luft zu sprengen. Seit dem handeln auch Baumärkte nicht mehr damit - wie mit allem, was dem GÜG unterliegt oder was bei Abgabe in ein Gefahrstoffbuch eingetragen werden müsse. (z.B. Reinstoffe der ehemaligen Kategarie T und T+). Sowas kostet nämlich Aufwand, Zeit, geschulte Mitarbeiter und damit GELD. Son Baumarkt will aber Geld verdienen und nicht ausgeben.
Mal ein paar Beispiele aus meiner täglichen Arbeitspraxis gefällig?
- 1 Liter konzentrierte Phosphorsäure (96%)
zum Cola machen. Im Verlaufe eines längeren Gesprächs kam dann raus, dass damit
ein Brunnen desinfiziert werden sollte.
-
Salzsäure 99% für Lötarbeiten. HCl kann man unter Normalbedingungen nur auf max. 36% bringen, und dann raucht sie schon und ist schweinegefährlich.
- 5kg Kaliumnitrat (auch "Salpeter" genannt)
für ein Experiment, der Chemielehrer schickt uns, sagten die zwei ca. 14-Jährigen.
- Bariumchlorid (hochgiftig)
zum Einfärben der Kaminflammen. [Hier sei erwähnt, dass ein Kamin wohl kaum die erforderlichen 2000°C erreicht, die eine solche Flammenfärbung erfordert. Und auch, dass Holz als Brennstoff viel zu viel "Natriumflamme" produziert, um überhaupt was grünes erkennen zu können.]
- Kaliumpermanganat in kristalliner Form,
weil man damit so toll violett malen kann. KMnO4 zersetzt sich zu Braunstein, auch unter längerer Lichteinwirkung. Im passenden Lösungsmittel und auf passendem Maluntergrund hat man auch noch gute Chancen auf einen
brandheißen Kunsterfolg.
Die Liste läßt sich locker fortsetzten.
Ja, ich bin so ein Apotheker-Spielverderber. Und wenn mir jemand erklärt, H2O2 setzt Wasserstoff frei, zeigt er mir -
dafür, dass ich für seine anschließenden Unfälle verantwortlich sein soll - nicht genug chemisches Grundwissen zum Verkauf. Hierzu muss man wissen, dass eine Apotheke bei Chemikalien keinen "Belieferungszwang" hat wie z.B. bei Rezepten. Ganz im Gegenteil - ICH BIN VOLL VERANTWORTLICH!
So, und nun noch mal zu H2O2: Wasserstoffperoxid zerfällt in Wasser und ein freies Sauerstoff-
Radikal - ein Atom mit einem ungepaarten, freien Elektron. Wenn letzteres keinen anderen Partner findet, sucht es sich ein zweites und sie verbinden sich zu einen Sauerstoffmolekül (unter Wärmeentwicklung). Ansonsten ist es eines der effektivsten Oxidationsmittel überhaupt, worauf ja auch die Bleichwirkung zurückzuführen ist. Blöder Weise zersetzt sich (auch stabilisiertes) H2O2 unter Wärmeeinwirkung spontan und explosionsartig. Der dabei frei werdende Sauerstoff dient dann in Zweifelsfall bei der Wärmequelle als weitere Sauerstoff-Zuführung, so dass ein eventueller Brand BESCHLEUNIGT wird. Bei der explosionsartigen Freisetzung werden Flüssigkeitsspritzer im ganzen Raum verteilt, und diese verätzen dann gerne Dinge wie Wandvorhänge, Haustiere und Augen unkonzentrierter Hobbychemiker. Mindestens alle zwei Jahre warnt die Apothekenkammer vor der Abgabe von H2O2 30%, da es immer wieder zu Explosionen der Lagerungsgefäße aufgrund unsachgerechter Lagerung sowie Nichtvorhandensein eines Druckausgleichsventils an der Flasche (ja, solch Deckel gibt es wirklich!) kommt. Die Stabilisierung hat halt auch ihre Grenzen.
Und als allerletztes: Ich war ja nicht dabei gewesen, aber wie man in den Wald rein ruft, so schallt es auch oft heraus. Wer mir die Welt und meine "Pflichten" erklärt, und das auch noch hahnebüchen falsch, dem zeige ich halt auch die kalte Schulter. Wir Apotheker sind IMMER die Bösen. Aber wenn jemand weder das GÜG, noch die
GefStoffV oder die
ChemVerbotsV kennt, und nicht mal weiß, wie viel Macht in H2O2 steckt - damit kann man ganze
U-Boote betreiben! -der wird bei mir auch auf Granit beißen. Und mehr Tipps als in meiner ersten Antwort kann ich dazu nicht geben, nur dies: Wenn man eine schlüssige "Bedienungsanleitung" dabei hat, zeigt man zumindest schon mal, dass man sich mit dem Unsinn ne Weile auseinander gesetzt hat, und nicht völlig ahnungslos in das Experiment geht. So ein Vorgehen wirkt durchaus wie ein Katalysator.
Und noch ne Anekdote zum Schluss: Ich wollte mal 100g einer Fotochemikalie bei SigmaAldrich kaufen (via Apotheke), die nicht mal unter das Gefahrstoffrecht fällt. Meine Sachkenntnis reichte so weit, dass man mir vorschlug, ich solle erst mal eine notariell beglaubigte Verwendungserklärung einreichen, dann würde man über meine Bestellung nachdenken.
Sorry, das mußte jetzt mal raus. Ich bitte alle Kunden und Hobbychemiker in meinem Namen und im Namen aller Apotheker um Verzeihung, dass wir unseren Job erst nehmen.