Fragen zu Recurve und Backing

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Big Daddy

Fragen zu Recurve und Backing

Beitrag von Big Daddy »

Sehr geehrte, weise FC-Gemeinde!
Nachdem die SuFu des Öfteren recht kryptische Ergebnisse zu sehr speziellen Themen liefert, muss ich auf diesem Wege meinen Wissensdurst stillen.
Mal angenommen, man plant einen Recurvebogen, stellt aber fest, dass das Holz dringend ein Backing benötigt.
Bringt man ein Backing auf, bevor man die Recurves biegt? Wenn ja, wie soll das dann gehen? Die Recurvingmethoden, die ich hier bisher gelesen habe, arbeiten alle mit Dampf oder nem Heißluftfön. Geht dann nicht der Kleber (Epoxy, Birkenpech, Hautleim, weißdergeierwas) ab?
Und welches Backingmaterial bietet sich für was an? Backen kann man ja mit vielem, von anderen (zugfesten) Hölzern bis zu Horn, Seide und Haut. Aber wann holt man mit was das meiste aus dem Bogen raus?

Und nun meine letzte, und wohl idiotischste Frage: Wann braucht man überhaupt ein Backing?
Entschuldigt meine Unwissenheit, ich arbeite daran.

Pfiads eich,
Benni
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Squid (✝)
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Re: Fragen zu Recurve und Backing

Beitrag von Squid (✝) »

1. Das Backing kommt immer erst auf die fertigen Recurves. Wenn man mit harten Backings - Holz - arbeitet, dann werden die Leisten entweder vorgeformt oder eben in einer Form verleimt.
Weiche Backings (Rohhaut, Leinen, etc.) kommen ebenfalls erst drauf, wenn die Recurves gebogen sind, denn wie du selber sagst: Der Kleber macht das nicht mit, ausserdem verliert das Backing an den Biegestellen seine Wirkung, wirft im schlimmsten Fall sogar Falten.

2. Die Frage des optimalen Backings kann man nicht abschließend beantworten. Es hängt davon ab, was man will bzw. was nötig ist. Das kann z. B. sein
- Bruchschutz bei schwachem Holz oder durchschnittenen Ringen bzw. Fasern oder Astlöchern
- Leistungssteigerung
- Designvorgabe
- Optik / Ästhetik
- allgemeine Sicherheit
- Notwendigkeit (z. B. wegen der Eigenschaften des Bellyholzes)

Reinen Bruchschutz erreicht man z. B. am besten mit Rohhaut: Die ist zwar relativ schwer, überlastet durch ihre Flexibilität aber nicht den Belly. Natürlich gehen auch Seide, Leinen, Sehne. Aber alle haben eben so ihre Nachteile, Leinen belastet aufgrund seiner Festigkeit dem Belly mehr, Sehne zieht den Bogen beim Tocknen reflex und führt u. U. auch zu Überlastung.
Leistungssteigerung erzielt man mit Holz und Sehne. Aber bei beiden Materialien kommt auch der Punkt Designvorgabe ins spiel: Denn ein Holz- oder Sehnenbacking passiert ja meist nicht zufällig...
Schlangenhaut ist ein Fall für Optik / Ästhetik sowie minimalen Bruchschutz.
Und schließlich kann man ein Backing einfach deswegen aufpappen, weil man damit glaubt, eine gewisse Sicherheit und Steigerung der Lebensdauer zu erzielen.

3. Backing wann? - Wenn es nötig ist... ;)
Bei durchtrennten Jahresringen, schlechtem Faserverlauf, zu dünnem Rückenring, zugschwachem Bellyholz, Perryreflex-Design, wenn mans schön findet, Baufehlern, etc. etc.

4. In Bezug auf die Ausgangsfrage ist ein nachträgliches Holzbacking (wie auch ein Facing) mit sehr viel Arbeit verbunden. Denn der Bogen "steht" ja schon und plötzlich will man das Layout komplett umkrempeln. Es kann zu einem guten Ergebnis führen, genau so gut aber auch zu Brennholz. Ein weiches Backing lässt sich nachträglich besser aufbringen, wenn man z. B. Defekte feststellt.

5. Fazit: Es hängt vom Einzelfall ab, ein Patentrezept gibt es nicht.


EDIT: Solange du in der PLANUNGSphase bist, spielt ja die überraschende Notwendigkeit eines Backings keine Rolle und du kannst Selbiges in die Planung mit einbeziehen. Interessant wird es, wenn während des Bauens Probleme auftreten und man sich entscheiden muss, ob man weiterbaut oder aufgibt.
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.
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Ravenheart
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Re: Fragen zu Recurve und Backing

Beitrag von Ravenheart »

...ergänzend:

Bei Recurvebogen steht man vor einem Grundsatz-Problem:

Biegt man Holz mit Hitze "gewalttätig" in eine Reflexform, und belastet diese dann mit Biegung, geht in der Regel der Reflex wieder raus, sprich: er wird wieder gerade. Zumindest größtenteils. AUCH wenn es gelegentlich anders klappt, meistens aber nicht...

Um dem Dilemma zu entgehen, gibt es 2 Wege:

1. Man baut die Recurves so, dass sie sich NICHT mit biegen.
Das führt allerdings zu verminderter Effektivität, oft wird der Vorteil der Recurve-Form dadurch fast ganz wieder "aufgefressen", dass dieses dicke, nicht-arbeitende Holz ja mit bewegt werden muss. Man hat also einen Bogen mit unnötig schweren Enden...

2. Man baut die Recurves in Schichten. So werden alle industrieell gefertigten Bogen gebaut, ein Kernholz, auch schon aus 2 oder 3 Schichten, wird mit einem Bauch- und Rücken-Glaslaminat in einer Form krumm verleimt. So lässt sich ein arbeitender Recurve herstellen, der tatsächlich Mehrleistung bringt.

Um sich im Vollholz-Bereich da hin zu tricksen, gibt es wiederum 2 Wege:

a) Das Bogenende wird horizontal eingesägt, so dass 2 Lagen entstehen. Die Lücke durch die Säge wird mit einem Furnierstreifen ausgefüllt. Das Furnier wird mit Kleber eingebracht, dann der Endbereich komplett mit trockener Hitze in Form gebogen, so aushärten lassen. Sehr aufwändig und fummelig, aber wenn es gelingt hat man einen "Perry-Reflex-Recurve" gebaut, der tatsächlich auch auf Biegung belastbar ist, und bei dem das Holz an bauch und Rücken durch geht. Bei der Holzauswahl muss man drauf achten, dass man Holz wählt, das das trockene Biegen auch verträgt!

b) Der Recurvebereich wird (bauchseitig!) auf ca. die Hälfte dünn geschnitten, dann in Form gebogen, ob trocken oder nass ist hier egal. Danach wird ein 2. Streifen Holz der selben Dicke, bauchgeeignet, in der selben Form in die selbe Krümmung gebogen. Nun werden beide verklebt, der Streifen ersetzt also den weggeschnittenen Bauchbereich. Auch so ein Recurve ist auf Biegung belastbar, er verliert zwar 30- bis max. 50% der Krümmung, aber ein Teil bleibt. (Der Übergang, also das Ende des angeklebten Bauchbereichs sollte zusätzlich gewickelt werden!)

Allgemein:
Recurves sind bzgl. der Holzuauswahl UND bautechnisch wesentlich schwieriger. Der echte Leistungsgewinn, (abgesehen von der Laminatbauweise, s.o.) ist gering, der Aufwand hoch, und die Gefahr, gerade für Bogenbau-Anfänger, dass sich der Bogen schief verzieht ist extrem hoch. Anfängern würde ich daher immer davon abraten.

Rabe
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