Für alle, die auf einen ausführlichen Bericht mit ein paar Ergebnissen gewartet haben, nachfolgend der offiziellen Pressetext zur EOCHA, viel Spaß beim Lesen!
Trossenfurt bei Bamberg
Europameisterschaft der berittenen Bogenschützen feierte Premiere
Ein Event der Spitzenklasse lockte am 6. und 7. September über 3.500 Besucher auf das
idyllische Anwesen des Hummelhofs bei Trossenfurt. Mitten im Steigerwald hatte der Bund berittener Bogenschützen, „Die Steppenreiter e.V.“, Freunde aus dem In- und Ausland zur ersten offen ausgeschriebenen Europameisterschaft der berittenen Bogenschützen eingeladen. Aus zwölf Nationen waren Teilnehmer angereist. Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Italien, Österreich, Polen, Schweiz und Ungarn stellten dabei ebenso Teilnehmer wie Japan, Südkorea und sogar die Mongolei. Ein farbenfrohes internationales Bild zeigte den Zuschauern die ganze Bandbreite des Sports: Japanische Samurais und koreanische Blumenritter in ihren bunten Gewändern waren in Bamberg ebenso zu sehen wie historische Gewänder der alten Magyaren, Osmanen oder Polen.
Dass eine Vielzahl internationaler Kontakte zustande kam und Teilnehmer die teils sehr weiten Wege nach Bamberg in Kauf nahmen, zeigt, wie groß die Faszination dieses archaischen Sports auch in anderen Ländern ist. Die internationale Familie der Steppenreiter wächst zusammen - die auf der ganzen Welt bisher verstreut und einzeln agierenden Clubs und Interessengemeinschaften sind mehr und mehr an einer Zusammenarbeit und an einem Austausch interessiert und planen künftig verstärkt gemeinsame Aktivitäten. So verwunderte es auch nicht, dass sich jeder der Teilnehmer auch gleich in die Familie der Steppenreiter aufgenommen sah. Bereits Mitte der Woche waren die ersten Teilnehmer angereist und so entstand neben den Pferdepaddocks ein
buntes Zeltlager.
Internationaler Zusammenhalt
„Besonders begeistert hat mich der Zusammenhalt der Teilnehmer aus so unterschiedlichen Nationen“, erzählt Volker Schimpf aus Herrenberg. „Als wir unser Zelte aufbauten tauchten beispielsweise die mongolischen Teilnehmer auf und halfen einfach ganz selbstverständlich mit, das Lager schnell vor dem herannahenden Regenguss aufzubauen. So eine Verbundenheit findet man nicht überall.“ Auch sonst stand der Austausch von Wissen, Erfahrungen und Fertigkeiten ganz im Mittelpunkt der vielsprachigen Steppenreitergemeinschaft. Hier wurden Ausrüstungsgegenstände gezeigt und erläutert, dort probierten die Schützen verschiedenste Techniken des Bogenschießens zu Pferd aus. Und ganz natürlich: Wo Reiter sich treffen wird über Pferde gefachsimpelt.
Eine Besonderheit des noch jungen Sportes Berittenes Bogenschießen ist, dass - im Gegensatz zu anderen reitsportlichen Disziplinen – für weit angereiste Teilnehmer in der Regel Pferde gestellt werden. Für 55 Starter, mehr als die Hälfte davon aus dem Ausland ohne Pferde angereist, Pferde zur Verfügung zu stellen war keine leichte Aufgabe. Dank des Einsatzes deutscher Steppenreiter, die ihre Reitpferde ausländischen Freunden verliehen, war allerdings auch diese Hürde schnell genommen. Und bereits beim Training auf der Wettkampfbahn am Freitag zeigte sich schnell, wer zu welchem Pferd passt. Und auch hier wieder stand ein kollegiales Miteinander über Grenzen hinweg vor übertriebenem sportlichem Ehrgeiz der Vertreter der einzelnen Nationen.
Die Location
Der Hummelhof bietet auf einem großen Areal etwa 30 Kilometer entfernt von Bamberg
hervorragende Gastronomie verbunden mit künstlerischem Ambiente und Natur pur. Das
Außengelände des malerisch inmitten des Steigerwaldes gelegenen Hofs ist eine ideale
Naturarena mit weiter Grasbahn. Gut erreichbar mitten in Deutschland gelegen war Trossenfurt daher die erste Wahl zur Durchführung der ersten Europäischen Meisterschaft. Die Wettkämpfe der Steppenreiter auf der 90 und der 120 Meter langen Bahn konnten von den leicht erhöht stehenden oder sitzenden Zuschauern gut eingesehen werden. Die verschiedenen Disziplinen wurden fachmännisch kommentiert und erläutert, so dass die Zuschauer schnell einen Einblick in den faszinierenden Bogensport zu Pferd bekamen. Komplettiert wurde das Ambiente durch verschiedenste Marktstände, die sich optisch ansprechend in den ungewöhnlichen bunten Rahmen des Events eingliederten.
Der Sport
Die Läufe zur Europäischen Meisterschaft begannen am Samstag nach dem Einmarsch der Nationen in die Hummelhofarena mit den koreanischen Disziplinen Single Shot, Double Shot und Multiple Shot. Beim Single Shot gilt es, im Galopp auf der 90-Meter Bahn einen einzelnen Pfeil auf die Scheibe möglichst präzise zu platzieren. Zwei Galopps hat jeder Teilnehmer, Zeitund Trefferpunkte werden addiert. Dass er mit seinem Kabardiner Sezon nicht nur ein wundervolles und schnelles Steppenreiterpferd besitzt, sondern zudem auch noch schnell reiten und präzise treffen kann, zeigte in dieser Disziplin das Steppenreiter-Vorstandsmitglied Rolf Kretzschmann aus Pforzheim, der sich mit 18,1 Punkten vor dem Ausbilder der Polizeireiterstaffel Frankfurt, Rudolf Liller (17,7 Punkte), setzte und den Sieg für sich verbuchte. Auf Platz drei folgte Norbert Kopczynski aus Polen, der in seinem traditionellen Zupan, der Tracht polnischer Adliger des 17. Jahrhunderts, nicht nur eine gute Figur zu Pferd macht, sondern bekannt ist für schnelles und sicheres Bogenschießen zu Pferd.
Weiter ging es mit dem Double Shot - hier gilt es auf der gleichen Bahn gleich zwei Ziele zu treffen. Ein Schuß wird dabei idealerweise leicht nach vorne abgegeben, ein Schuß leicht nach hinten. Schnelles Ziehen und Einlegen des Pfeils ist dabei - wie auch in allen anderen Disziplinen des berittenen Bogenschießens - eine entscheidende Notwendigkeit. Den Double Shot- Wettbewerb entschied Norbert Kopczynski auf dem Araberhengst Appollo mit 21,2 Punkten für sich. Auf Platz zwei folgte Christian Prestin (Müncheberg) mit 18,8 Punkten knapp vor Tobias Schmid (Messkirch) mit 18,1 Punkten.
Eine Besonderheit der koreanischen Wettkämpfe ist, dass im Gegensatz zum weit verbreiteten ungarischen Wettkampf die Pfeile nicht in der Bogenhand gehalten werden dürfen, sondern aus dem Köcher, dem Gürtel, dem Stiefel oder einer anderen Stelle gezogen werden müssen. Das bedarf eines völlig verschiedenen Trainings und macht die als Einsteigerwettkämpfe angesehenen Single und Double Shot-Läufe auch für Profis unter den Bogenreitern zu einer attraktiven Variante. Besonders einfallsreich löste hier Christian Prestin, in der Szene als Tsa Wa Ke bekannt, das Problem der Unterbringung seiner Pfeile: Traditionell im Indianeroutfit trug Prestin am linken Arm einen kleinen Indianerschild aus Rohhaut, an dessen Rückseite eine Vorrichtung angebracht war, die ihm schnelles und unkompliziertes Ziehen der Pfeile ermöglichte.
Noch anspruchsvoller wurde es schließlich beim Multiple Shot, bei dem auf einer Strecke von 120 Metern fünf Ziele auf den Schützen warten, von denen mindestens vier getroffen werden müssen. Hier zeigten sich deutliche Leistungsunterschiede der einzelnen Nationen. Gerade für Japaner beispielsweise ist es beim traditionellen berittenen Bogenschießen Yabusame nicht üblich viele Pfeile hintereinander in schneller Folge zu schießen, Genauigkeit und Präzision stehen dort an erster Stelle. Kein Problem stellte der Multiple Shot für den Ungarn Christoph Nêmethy dar, der sich mit 28,6 Punkten auf Platz eins setzte. Auf den Plätzen folgten Andrea Seidel mit 23,9 Punkten und ein weiteres Steppenreitervorstandsmitglied, Oliver Omar Obst, auf seinem Kabardiner Harun mit 23,2 Punkten.
Rasantes Spiel mit passender Begleitmusik
Richtig spannend wurde es für die Zuschauer schließlich beim nachfolgenden Mogu-Spiel. Dieses Spiel hat seinen Ursprung in Korea. Ein Leitreiter zieht an einer langen Leine einen großen Ball aus leinenummantelten Weidengeflecht. Zwei Schützen zu Pferd verfolgen in schnellem Galopp und versuchen, den Ball mit ihren stumpfen Pfeilen, die zuvor in Farbe getaucht wurden, zu treffen. 17 Zweiergruppen hatten sich für diesen Riesenspaß angemeldet, der den Zuschauern die Reitkunst und ursprüngliche Wildheit der Steppenvölker ein Stück näher brachte. Stilgerecht begleitet wurde das Spiel durch Musik der international bekannten mongolischen Musikgruppe Egschiglen, die eigens für das Festival engagiert waren. Und so klang der Nachmittag mit wilden Reiterspielen bei den traumhaften Klängen der mongolischen Pferdekopfgeige aus.
Abendprogramm: Die Schamanin, der Drache und der Krieger
Die Steppenreiter sind bekannt für opulente Veranstaltungen mit vielen Highlights. So auch in Trossenfurt. Nach Einbruch der Dämmerung flackerte vor den im Hintergrund der Bahn aufgebauten Jurten ein Fackelkreis auf und ein Reiter rief die Besucher zum Theaterstück der Steppenreiter. Die Geschichte handelte um einen im Kampf gefallenen Krieger, der zu einer Schamanin gebracht wird, um seine Seele zu retten. Die Schamanin trägt einen Kampf mit Dämonen und bösen Geistern aus und muss schließlich mit Unterstützung einer aus dem Dunkel auf die Bühne galoppierenden Reiterschar einen fürchterlichen feuerspeienden Drachen besiegen. Ihr Kampf lohnt sich, der Krieger kann wieder zum Leben erweckt werden. Musikalisch begleitet wurde das von der Künstlerin und Steppenreiterin Simone Fezer inszenierte und mit Hilfe vieler engagierter Steppenreiter zelebrierte Theaterstück von dem Didgeridoospieler Matthias Kiel und
der Gruppe Egschiglen.
Tag der Entscheidung: Der ungarische Wettkampf
Für Viele ist der ungarische Wettkampf das Sahnestück der Bogenreiterei. Und so begann nach einer regnerischen Nacht recht früh am Sonntag der Tag der Entscheidung. 50 Reiter hatten sich zum ungarischen Wettkampf auf der 90-Meter Bahn gemeldet und hatten je sechsmal die Bahn zu durchreiten, um Punkte auf ihrem Konto zu sammeln. Bis etwa 16 Uhr erlebten die erneut zahlreich erschienenen Zuschauer berittenes Bogenschießen der Extraklasse. Koreaner in ihren traditionellen Gewändern der sogenannten Blumenritter mit malerischen Fasanenfedern am Kopfschmuck, japanische Samurais, polnische Krieger des 17. Jahrhunderts, Steppenkrieger aus der Mongolei, Deutsche, Engländer, Franzosen - sie alle ritten um den Sieg in der ungarischen Disziplin.
Den Hauptpreis, einen Bogen des eigens zur Europäischen Meisterschaft angereisten ungarischen Bogenbauers Csaba Grozer, konnte nur der Sieger entgegennehmen, der in beiden Wettkämpfen, dem koreanischen und dem ungarischen hervorragende Leistungen zeigte. Und dieser hieß Christoph Nêmethy (Ungarn). Mit herausragenden Leistungen konnte der sympathische Ungar mit deutscher Mutter den Titel des ersten europäischen Meisters im berittenen Bogenschießen entgegen nehmen. Eine tolle Leistung. Auf Platz zwei rangierte der sympathische Pferdetrainer aus Müncheberg, Christian Tsa Wa Ke Prestin vor dem koreanischen Champion Kim Dae Wan, der bereits im vergangenen Jahr an einem Wettkampf der Steppenreiter teilnahm.
Ein anstrengendes und programmreiches Wochenende ging zu Ende, als nach der Siegerehrung Hände geschüttelt, Verabredungen für die kommenden Wettkämpfe getroffen sowie alte und neue Freunde verabschiedet wurden. Fairer Sport, spannende Unterhaltung – die EOCHA 2008, die erste Europäische Meisterschaft im berittenen Bogenschießen, hat alle Erwartungen übertroffen. Und so wurde von Vielen auch bereits das erste Septemberwochenende des Jahres 2009 dick im Terminkalender markiert, wenn es heißt „auf zur EOCHA 2009!“.
Alle Ergebnisse gibt es unter
www.diesteppenreiter.de, mehr Informationen zur ersten
Europäischen Meisterschaft im berittenen Bogenschießen unter
www.eocha.org.
Michael Woisetschläger
Maxime peccantes, quia nihil peccare conantur.