16. Juli anno domini 2006: mein Filz-und-Pelzkaftan ist mörderisch heiß, ich sitze bei 30 Grad in praller Mittagssonne auf dem Pferd. Auf der Wiese tummelt sich frühmittelalterlich Gewandetes Dorfvolk um einen Wagen, Männer und Frauen arbeiten, streiten und lachen.

Doch da kommt ein Bote des Königs, Ungarn wurden gesichtet: "Sie brennen und morden, und trinken das Blut ihrer Feinde!" Unruhe bricht aus, Gerüchte machen die runde. Hinter uns steckt die örtliche Feuerwehr eine Rauchfackel an, schon kommt unser Signal „Die Ungarn kommen!“ und also geht’s los!



Im Galopp den Berg hoch, Pfeile verschießend über die schreienden und fliehenden Bauern (-darsteller) hinweg. Auf die vorderen Reiter achten (nicht die Schussbahn kreuzen) auf die Darsteller achten (keinen umreiten) auf die Waffe achten (sauber einnocken, ballistische Schüsse), dabei das Pferd gerade halten, die Mütze nicht verlieren und das Kampfgeschrei nicht vergessen, bitteschön.

Oben angekommen reicht uns unser freundlicher "Hilfsungar“ noch mehr Bluntpfeile, also Pferde wenden, zurückgallopieren, schreien, schießen, Wagen umkreisen - Pfeile alle weg? Dann Säbel raus...

... und hussa um die (nun schon wunderbar theathralisch gemeuchelte) Darstellertruppe gallopieren. An den Zuschauern entlang, die hastig die Füße einziehen, Säbel schwenken und zurück.

Die Gefangennahme der Geiseln nicht vergessen, denn schließlich galt es ja noch Tribut einzufordern!

Zwischendurch wird dem Pferd zu warm, es fällt in Trab, also treibentreibentreiben ...uff wir gallopieren wieder. Der Hauptmann gibt das Signal zum Rückzug, also holterdiepolter den Abhang hinunter hinters frühmittelalterliche Bauernhaus, dort versteckt warten bis zur zweiten Attacke und bis die Gegner eintreffen.
Der König hat nach unserm ersten Angriff seine Truppen aufgestellt, im Kampf gegen slawische Stämme geschult und ist nun bereit für uns Ungarn. Wir also wieder raus, vor zum Haupttor, und dort rücken nun die Fußtruppen aus und bilden einen scheppernden Schildwall.

Die Darstellung der Truppe ist so überzeugend, das unsere Pferde in geschlossener Formation ausrücken und flüchten. Hoppla, Pferd zügeln, umdrehen, und Schildwall umkreisen. Na ja, „umeiern“ reicht auch.

Schließlich kommen die beiden ottonischen Panzerreiter, die wir eigentlich frontal anreiten wollten.

Doch irgendwie landen wir ständig alle fünf im Drubbel auf einer Seite, also gibt es ein wildes Hauen und Stechen und Brüllen und Getümmel – wer hat nur dieses Drehbuch geschrieben?!?
So langsam droht mein Pferd mit Generalstreik, und mir der Hitzetod. Endlich haben wir genug getümmelt, und erleichtert dürfen wir fliehen. Das publikumwirksame ich-verliere-meinen-Mantel fällt aus, weil meine verschwitzen Hände den Knoten im Rücken nicht aufbekommen.
Aber egal, das Publikum war begeistert, unzählige Kinder wollten anschließend noch die Kampfhaflinger streicheln bzw. mal aufsitzen. Die Museumsleitung war zufrieden, und wir waren alle völlig erschöpft: das war also der Ungarnüberfall auf der Pfalz Tilleda.
Ein Dickes Lob an die roten Adler vom Franko Flämischen Kontingent, deren Truppe hervorragend geflohen und gestorben ist. Danke für Euer Vertrauen, das Ihr Euch als „Toter Mann“ bzw. „Tote Frau“ auf die Wiese gelegt habt, wo wir mit unseren Pferden kreuz und quer galoppiert sind. Danke für Euren Mut, sich unserem Beschuß auszusetzen – trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht ungefährlich und ich hätte fast noch meinen Mann – unterwegs als ungarischer Pfeilesammler auf dem Schlachtfeld – abgeschossen.
Weiteren Dank an Maik für seine Nachsicht mit uns Rekruten und seine FFC-Truppe für die Übungseinheiten mit Karotteneimer, in denen wir den Pferden den Schildwall zeigen konnten.
... an Alex & Thomas für die souveräne Lanzenführung auf ihren Pferden– im vollen Gallop von einem entgegenkommenden Reiter mit dessen Lanz nur ganz sanft touchiert zu werden, wenn man schon glaubt „gleich hauts mich aus dem Sattel“ ist schon ein besonderes Erlebnis!
... an alle Familienmitglieder und Freunde, die mit ins Mittelalter gezogen sind und uns unterstützt haben.
... an Horst, der seine Indianerfedern gegen Pumphosen tauschte und mit viel Rat und Tat zum Gelingen entscheidend beitrug: er hatte als einziger Showerfahrung mit Pferden, und hatte viele gute Tips.
Tja, und wie ich Niels das wiedergutmache, das er mir sein Pferd anvertraute, nie die Geduld verlor und trotz 1000 Fragen ein netter Kerl blieb, weiß ich auch noch nicht...
Und hier noch mal der ungarische Hauptmann, wie er vor seiner Jurte (Danke fürs mitbringen, Andrew :bussi) steht und in den Sonnenuntergang blickt, und dabei schon den nächsten Überfall plant...


