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Mittelalterliche Pfeilspitzen

Verfasst: 08.05.2006, 07:39
von Pathgalen
Ich hab vor demnächst auf Märkten ein Spitzenbrett zu machen, um den Besuchern verschiedene Spitzenformen zu zeigen.
Dabei möchte ich soweit möglich mich nicht nur auf einen engen Zeitraum
festlegen sondern mir einen möglichst weites Spektrum zeigen. Um
quasie auch die Entwicklung und Anwendung der Spitzen zu zeigen.

Was ich dafür nun suche sind 2 Sachen. Natürlich die Spitzen, aber auch
Informationen zur Anwendung bzw. Wirkung der Pfeile.
Kennt wer von euch Quellen speziel für dieses Thema?

Verfasst: 08.05.2006, 09:12
von Juergen Becht
IM mal den Horsebow an, der ist da der 'Specialist'.

Verfasst: 08.05.2006, 14:57
von Bogi
Hi Path,
wenn es auch Geld kosten darf, kann ich dir dieses Werk ans Herz legen http://www.antikmakler.de/catalog/produ ... ts_id/5820

Sehr gute Infos, regional stark auf die Schweiz gewichtet, was der Sache aber keinen Abbruch tut.

Verfasst: 08.05.2006, 21:24
von horsebow
Hallo,

das ist natürlich ein weites Gebiet!

Ohne Festlegung auf eine bestimmte Zeit mußt Du dann das Frühmittelalter mit der Völkerwanderungszeit, das Hochmittelalter und das Spätmittelalter bis ins 15. Jh. abdecken.
Die Frage ist dann noch, welche Region Du behandeln willst. Allein auf deutschem Boden waren unter anderem die Awaren, die Ungarn und die Mongolen, also reiternomadische Völker mit dreiflügeligen Pfeilspitzen oder Blattspitzen mit Schaftdorn. Fränkische Spitzen zeichnen sich durch große Typenvielfalt aus, allen ist aber eine Tülle gemein. Allerdings wurden in fränkisch-alamannischen Gräbern auch Pfeilspitzen mediterraner Herkunft gefunden, die wohl über Handelsbeziehungen nach Deutschland gelangten.
Und das war erst das Frühmittelalter...

Eingehendere Informationen mit Literaturhinweisen habe ich mal in

diesem thread

gepostet, da findest Du eine Menge Infos.

Locksley hat diese Literaturhinweise in der

Literatursammlung auf FC

auch nochmal gesammelt.

Holger Riesch hat in seinem sehr empfehlenswerten Buch "Pfeil und Bogen zur Merowingerzeit" (Wald-Michelbach: Karfunkel Verlag 2002) zur Verwendung und Wirkung von Pfeilspitzen sowie zu der Vielfalt der frühmittelalterlichen Typen ein sehr gelungenes Werk geschrieben.
Das Buch "Mittelalterliche Geschoßspitzen" von Bernd Zimmermann, das Bogi oben (zu einem übrigens sehr günstigen Preis) empfiehlt, befaßt sich mehr mit dem HochMA und damit zwangsläufig auch mehr mit Bolzen- als mit Pfeilspitzen, ist aber dennoch sehr empfehlenswert.

Du siehst, das Thema ist komplex. Ich besitze inzwischen annähernd 300 originale Pfeilspitzen und stoße immer noch regelmäßig auf Typen, die ich noch nicht habe oder noch nicht einmal kannte.

Um Dir aber wenigstens einen konkreten Tip für Dein "Pfeilspitzenbrett" (eine gute Idee übrigens, wie ich finde), zu geben:

Beschränke Dich auf gängige Formen, die auch ein Laie auf den ersten Blick als Pfeilspitze identifizieren kann. Stelle die verschiedenen Schäftungsformen gegenüber: Tülle und Schaftdorn. Tüllenspitzen stehen eher im fränkisch-germanischen Kontext, Schaftdornspitzen eher im reiternomadischen (bevor Harbadr jetzt aufschreit: ja, auch die Wikinger und die Slawen haben Schaftdornspitzen benutzt).
Unterscheide dann zwischen Jagd- und Kriegsspitzen: Jagdspitzen sind allgemein breit-schneidend, häufig breite Blattspitzen, häufig auch mit Widerhaken. Kriegsspitzen sind eher schmale, lanzettförmige Blattspitzen, aus Stabilitätsgründen häufig mit Mittelgrat. Eine Sonderform der Kriegsspitzen sind die panzerbrechenden Typen mit quadratischem oder rautenförmigem Vierkantquerschnitt, die von der Römerzeit bis in die Renaissance verwendet wurden. Daneben gibt es noch Sonderformen, wie Brandpfeile mit gelochtem Blatt zur Befestigung des Brandmaterials oder die häufig (falsch) als Sehnenschneider oder Seilschneider bezeichneten querschneidenden Typen, die entweder spachtelförmig oder gabel- bis halbmondförmig aussehen: sie alle sind Jagdspitzen.
Ein wichtiger Spitzentyp wird sehr stiefmütterlich behandelt, nämlich die blunts oder Kobenpfeile. Sie waren häufig aus einem einzigen, nach vorne verdickten Stück Holz hergestellt und dienten zur (balgschonenden) Jagd auf Vögel und auf kleinere Pelztiere. Diese Spitzen sind bei den Hunnen, den Wikingern, im Rußland des 13. und im Frankreich des 15. Jahrhunderts nachzuweisen, man kann von einer noch weiteren Verbreitung ausgehen.

Bis Du die alle zusammenhast, wird sowieso eine Weile vergehen...

Hast Du vor, Originale oder nachgeschmiedete Spitzen auszustellen?

Gruß, horsebow

Verfasst: 08.05.2006, 21:57
von locksley
Oder Du beschränkst Dich auf die klassischen englischen Spitzen, wie sie unter Anderem hier zu sehen sind Pfeilspitzen

Die englische Klassifizierung findest Du auch in Horsebows Galerie

Verfasst: 08.05.2006, 21:59
von Pathgalen
ist für mich ein Projet was langsam anwachsen wird.
Habe vor das ganze mit Repliken zu machen, da ich nicht
Glaube an Funde ranzukommen und was mir fast wichtiger ist,
wenn ich die Wirkung des Pfeils, einem Besucher, erklären will
ist es einfacher mit einer Replick die quasie wie "neu" aussieht.
Ein paar Infos hab ich sogar schon ;-) . Zum einem einen Grabungsbericht
über Bogenfunde in Haitabu (von da kenn ich die Holzblunts) und eine Dizzertaion zum Thema Pfeilwunden. Und das was man sich halt so mitbekommt.

Ne Frage am Rande hat wer von euch Erfahrung im Form Schlagen von
Feuerstein.

Hat wer von euch schon mal auf Gelantineblöcke geschossen?

@Loksley sind auf jedenfall schöne Spitzen dabei.
Momentan versuche ich mir mit hilfe dieses Threades,
überblick zuverschafen um dann das ganze mit ausgewählten
Markanten Spitzen aufzubauen.

Verfasst: 08.05.2006, 23:18
von horsebow
Zur englischen Klassifikation:
Sie ist von Ward-Perkins in den 40er Jahren erstellt worden, und zwar allein aufgrund von Funden aus dem Stadtgebiet Londons, in erster Linie aus Funden aus der Themse und von "bomb sites", also von Stätten der Bombardierung. Die Klassifikation ist also sicher nicht repräsentativ für alle englischen Pfeilspitzen ...
... aber das soll Ward-Perkins' Verdienst nicht schmälern. Seine Klassifikation ist zwar teilweise unvollständig, hat sich aber allgemein eingebürgert, und die "neue" Klassifikation, die Jessop vorgeschlagen hat (Jessop, O.: A New Artifact Typology for the Study of Medieval Arrowheads. In: Medieval Archaeology, 40, 1996, pp. 192-205) ist alles andere als ausgegoren.

Gruß, horsebow

Verfasst: 09.05.2006, 08:13
von Pathgalen
Ich will dabei auf jedenfall auch einen Bluntspitze haben.
Weil man mit der in der Erklärung glaube ich einen Ahah-Effekt erzielen
kann (von wegen aber das ist doch stumpf). Hat jemand von euch
Ratschälge wie ich mir eine Bluntspitze machen kann?

Verfasst: 09.05.2006, 18:50
von Pathgalen
die Haitabuer Kolben kenn ich schon, hab dazu einen Grabungsberricht.
Meine Frage zum Thema Kolben gerade bezog sich darauf ob wer weiß
wie ich so eine Kolbenspitze nachbaue.

da ich bisher nur Tüllenspitzen in der Hand hatte,
wie montiere ich Spitzen mit Schaftdorn?

Verfasst: 09.05.2006, 19:12
von Rutzi
Ein kleines Loch in den Schaft bohren, eine stabile Wicklung aus Sehnen, Hanf, Sterzwirn etc... drum machen und dann den Schaftdorn rein drehen/schlagen.

Verfasst: 09.05.2006, 20:00
von Pathgalen
doch so einfach... das war mir wohl einfach zu offensichtlich...
un noch mit Birkenteer zu kleistern?
Und wie mach ich Blunts?

Verfasst: 09.05.2006, 20:13
von Rutzi
Die Wicklung kannst du noch mit Leim oder Birkenpech sichern. Ich denke auch dass es nicht schaden kann den Schaftdorn vorher mit Leim einzustreichen. Er geht leicht rein und schwerer raus :-)

Verfasst: 09.05.2006, 20:17
von Pathgalen
würde das versuchen möglichst genau zu rekonstruieren von daher lass ich den Leim (wenn es moderner ist) weg.

Verfasst: 10.05.2006, 05:51
von Sanvean
Nimm doch Haut- oder Fischleim. Z.B bei www.dick.biz kriegst Du sowohl das Granulat zum selbstkochen und zumindest auch Hautleim in der Flasche.
Gruß
Martin

Kolbenpfeile und Panzerbrecher

Verfasst: 08.07.2006, 20:23
von Lord Bane
Ich schoss mal mit nem Kolbenpfeil auf einem Feld(lag brach) und wollte die Distanzen mal klären...jedenfalls kam mir ein Ast im Weg (um die 3cm dick) und der Pfeil zerschoss das Teil in 3 rotierende Stücke, ohne davon behindert zu werden. Da schoss ich ein 20# Laminatbogen.
Der Pfeil war aus Buche mit einem Kiefernzylinder mit 3cm Durchmesser.
Mit 2 Panzerbrecherspitzen habe ich mit einem Eschenbogen(40#) mit 2 Schuss 2cm Massivholzplatte zerschossen(gespalten), obwohl die Spitzen nicht scharf waren. Aber selbst die Jagdspitzdurchdrangen die Holzscheibe 2cm (ungecshärft). Die Pfeilspitzen sind, so oder so, sehr Wirkungsvoll...und eine Spanplatte für die kolbenpfeile kriegt man auch ran.