Mittel zur Oberflächenbehandlung
Verfasst: 03.10.2006, 20:07
Nachdem ich mich unter „Vermischtes“ mal vorgestellt habe, mache ich hier mal einen längeren Thread auf, um mal etwas Licht in den Irrgarten der Öle, Harze, Wachse etc. zu bringen. ALLES weiß ich darüber natürlich auch nicht, ist ja auch ein FORUM und das hier ist, hoffentlich, Diskussionsgrundlage. Aber was ich weiß, ist durch viele Rezepte und maltechnische Experimente meinerseits erprobt.
Da es bei den meisten Dingen, die Ihr so baut, um Wasserfestigkeit geht, lasse ich die wasserlöslichen Mittelchen mal aus.
Es gibt Öle (trocknende und nicht trocknende); Balsame und Harze (rezente und fossile); Gummen (also „Gummis“); natürliche und künstliche Wachse, die entsprechenden Löse-/ Verdünnungsmittel und jedwede Art von Rezepten, die alles irgendwie zusammenpanschen.
;-) 1. Öle: Die ungesättigten Fettsäuren kennt jeder aus der Werbung. Öle, die genug davon haben, sind nicht nur gesund, sondern sie trocknen auch. Das heißt, eigentlich oxidieren sie. Durch Sauerstoffaufnahme an den chemisch ungesättigten Molekülenden bildet sich ein fester, aber (erstmal) elastischer Film. Dazu gehören Sonnenblumenöl, Mohnöl, Walnußöl und Leinöl. Bis auf Leinöl (Trocknungszeit 2-8 Tage je nach Filmdicke) trocknen diese Öle relativ bis sehr langsam durch. Leinöl ist für die (Holz-)Oberflächenbehandlung eigentlich immer brauchbar, ob pigmentiert oder nicht. Pigmentiert lassen sich auch beizähnliche Lasuren herstellen.
Durch die Sauerstoffaufnahme werden trocknende Öle schwerer (ich glaube, hier irgendwo das Gegenteil gelesen zu haben). Aber ich glaube so geringfügig, daß es für ein Pfeilgewicht nicht weiter tragisch ist.
Reines Leinöl harzt nicht. Was dort harzen könnte sind Verunreinigungen durch zu warme Pressung oder Zusätze, die Hersteller nicht immer angeben. Daß sich Leinöl selbst entzündet, habe ich noch nie erlebt und kann ich mir auch nicht vorstellen.[red][edit] sorry, aber hier muss ich meine Funktion als Moderator wahrnehmen und die Ausführungen korrigieren! Fraglos wird reines Leinöl im Topf sich nicht so leicht entzünden, aber mit Leinöl getränkte Lappen oder gar Schwämme sind sehr wohl leicht selbstentzündlich - sogar ohne Flamme!Thorstein hat die Sache weiter unten erklärt - ich habe es hier eingefügt, damit kein Leichtgläubiger durch diese Aussagen seine Bude abfackelt. Im Zweifel bessser den Sicherheitshinweisen auf der Flasche vertrauen, bei meinem "100% reines Leinöl" steht´s drauf und beim Tungöl... ;-)[/edit][/red] Immerhin wird es in manchen Verarbeitungsverfahren auch gekocht, früher auch auf offenem Feuer. Was sich sehr wohl entzünden kann, sind entsprechende Lösemittel, mit denen das Öl vielleicht verdünnt war (Terpentinöl, Terpentinersatz). Auch möglich, daß mit einem Lappen, der vorher Terpentin enthielt, Ölreste weggewischt wurden und eine spätere Entzündung des Lappens aufs Öl geschoben wurde. Nachdem ich solche Erfahrungen gemacht habe, bewahre ich solche Lappen in einer Metallbox auf. Was das reine Öl angeht, lasse ich mich auch eines besseren belehren, aber ungern: denn sonst würde ich hier auf einem Pulverfaß wohnen.
;-) 2. Harze / Balsame: Harze sind nicht nur die Gnubbel an verletzten Bäumen, aber die hier wichtigen (fast) ausschließlich. Außer Schellack: Ein Exkret der Lacklaus (alkohol-/spirituslöslich). Balsame sind zähflüssige Harze von Nadelbäumen und heißen Terpentine (im Gegensatz zu den aus dessen Destillation gewonnenen flüchtigen Terpentinölen). Balsame kleben in den meisten Mischungen sehr lange nach, sollten wohl besser zur Oberflächenbehandlung vermieden werden. Besser sind da schon Harze wie Kolophonium oder Dammar (Mastix hat sehr ähnliche Eigenschaften, ist aber viel zu teuer). Beide sind terpentinöllöslich.
3. Gummen: Braucht man hier nicht, weil wasserlöslich. Trotzdem habe ich hier irgendwo gelesen, daß jemand „Harz“ von einem Kirschbaum in Terpentinöl lösen wollte. Hmm... das wird nichts werden, denn alle Steinobstbaumausflüsse sind Gummen. Falls sich dort die eine oder andere Schliere gelöst haben sollte, dann waren das die Verunreinigungen des reinen Naturprodukts.
;-) 4. Wachse: Bienenwachs ist klasse, überall günstig zu bekommen und einfach zu verarbeiten. Da das handelsübliche Wachs ziemlich fest ist, kann man eine brauchbare Paste herstellen, indem man vorsichtig im Wasserbad geschmolzene Bienenwachsstückchen mit Terpentinöl mischt. Ähnliches müßte auch für Carnaubawachs gelten (Schmelzpunkt höher), habe ich aber keine Erfahrungen mit.
Leinölfirnis übrigens (jedenfalls im eigentlichen Sinne) ist ein sikkativiertes Leinöl. D.h., Leinöl wird mit Sikkativen (chemische Trocknungsbeschleuniger wie Cobalt-, Mangan- ,früher auch Bleiverbindungen) verkocht. Da bei einer Bogenholzbehandlung das Öl auch in das Holz eindringen soll, ist reines Leinöl in seinen natürlichen Trocknungszeiten eigentlich ausreichend, vielleicht sogar mit etwas Terpentinöl verdünnt.
Am besten bezieht man solche Materialien im Küntlerbedarfshandel, Leinöl auch im Reformhaus oder meinetwegen im Supermarkt (kaltgepreßt sollte draufstehen, hat dann weniger wäßrige und faserige Rückstände). Alkohole und Terpentinöl gibt’s in der Apotheke. Am schlechtesten bezieht man sie beim Baumarkt: Dort gibt es gerade noch die massenhaft billig hergestellten Materialien, die mit verschmutzenden Methoden und unberechenbaren Mitteln (Sikkative, Konservierungs/-Stabilisierungsstoffen) hergestellt wurden. Damit kann man prima Wohnungen renovieren und Gartenzäune anstreichen. Aber vielleicht nicht unbedingt liebevoll hergestellte Einzelstücke.
Zu den Mischungen: Öl allein trocknet – relativ – langsam. Zugabe von Harzlösung beschleunigt das etwas, Oberflächen werden auch glänzender. Bei zuviel Harz wird das getrocknete Endprodukt spröder, u.U. auch rissig. Außerdem sind reine getrocknete Harzlösungen durch Lösemittel reversibel, was je nach Zweck stört oder erwünscht sein kann. Wachse machen einen Film matter, bei zuviel klebt die Oberfläche nach. Man kann das alles natürlich für eine farbliche Gestaltung auch pigmentieren.
Zu den Puristen: Leinöl selbst zu pressen, Harz von den Bäumen kratzen, Bienen berauben (autsch!) oder Terpentinöl selber destillieren zu wollen ist bestimmt übertrieben, sowas kann die Industrie besser (im Gegensatz zu vielen Jahrzehnten früher). Und für künstlerische Zwecke hergestellte Materialien sind durchaus rein, schonend hergestellt und vor allem durch immer gleiche Produkte berechenbar.
Durchaus kann man hier auch mal über Produkte wie Acryl oder Alkydharze nachdenken. Dadurch, daß diese Stoffe lediglich durch Polymerisation einen wasserfesten Film bilden, bleiben sie auch immer flexibel und sind unanfälliger gegen Rißbildung, Abschlagen durch Stöße etc.
Ganz schön lang geworden, aber vielleicht sind ja nicht ALLE gelangweilt und können das eine oder andere ergänzen.
Meine Fragen zum Bogenschießen kommen dann noch früh genug...
Gruß, Matthias
:engel :schlecht
Da es bei den meisten Dingen, die Ihr so baut, um Wasserfestigkeit geht, lasse ich die wasserlöslichen Mittelchen mal aus.
Es gibt Öle (trocknende und nicht trocknende); Balsame und Harze (rezente und fossile); Gummen (also „Gummis“); natürliche und künstliche Wachse, die entsprechenden Löse-/ Verdünnungsmittel und jedwede Art von Rezepten, die alles irgendwie zusammenpanschen.
;-) 1. Öle: Die ungesättigten Fettsäuren kennt jeder aus der Werbung. Öle, die genug davon haben, sind nicht nur gesund, sondern sie trocknen auch. Das heißt, eigentlich oxidieren sie. Durch Sauerstoffaufnahme an den chemisch ungesättigten Molekülenden bildet sich ein fester, aber (erstmal) elastischer Film. Dazu gehören Sonnenblumenöl, Mohnöl, Walnußöl und Leinöl. Bis auf Leinöl (Trocknungszeit 2-8 Tage je nach Filmdicke) trocknen diese Öle relativ bis sehr langsam durch. Leinöl ist für die (Holz-)Oberflächenbehandlung eigentlich immer brauchbar, ob pigmentiert oder nicht. Pigmentiert lassen sich auch beizähnliche Lasuren herstellen.
Durch die Sauerstoffaufnahme werden trocknende Öle schwerer (ich glaube, hier irgendwo das Gegenteil gelesen zu haben). Aber ich glaube so geringfügig, daß es für ein Pfeilgewicht nicht weiter tragisch ist.
Reines Leinöl harzt nicht. Was dort harzen könnte sind Verunreinigungen durch zu warme Pressung oder Zusätze, die Hersteller nicht immer angeben. Daß sich Leinöl selbst entzündet, habe ich noch nie erlebt und kann ich mir auch nicht vorstellen.[red][edit] sorry, aber hier muss ich meine Funktion als Moderator wahrnehmen und die Ausführungen korrigieren! Fraglos wird reines Leinöl im Topf sich nicht so leicht entzünden, aber mit Leinöl getränkte Lappen oder gar Schwämme sind sehr wohl leicht selbstentzündlich - sogar ohne Flamme!Thorstein hat die Sache weiter unten erklärt - ich habe es hier eingefügt, damit kein Leichtgläubiger durch diese Aussagen seine Bude abfackelt. Im Zweifel bessser den Sicherheitshinweisen auf der Flasche vertrauen, bei meinem "100% reines Leinöl" steht´s drauf und beim Tungöl... ;-)[/edit][/red] Immerhin wird es in manchen Verarbeitungsverfahren auch gekocht, früher auch auf offenem Feuer. Was sich sehr wohl entzünden kann, sind entsprechende Lösemittel, mit denen das Öl vielleicht verdünnt war (Terpentinöl, Terpentinersatz). Auch möglich, daß mit einem Lappen, der vorher Terpentin enthielt, Ölreste weggewischt wurden und eine spätere Entzündung des Lappens aufs Öl geschoben wurde. Nachdem ich solche Erfahrungen gemacht habe, bewahre ich solche Lappen in einer Metallbox auf. Was das reine Öl angeht, lasse ich mich auch eines besseren belehren, aber ungern: denn sonst würde ich hier auf einem Pulverfaß wohnen.
;-) 2. Harze / Balsame: Harze sind nicht nur die Gnubbel an verletzten Bäumen, aber die hier wichtigen (fast) ausschließlich. Außer Schellack: Ein Exkret der Lacklaus (alkohol-/spirituslöslich). Balsame sind zähflüssige Harze von Nadelbäumen und heißen Terpentine (im Gegensatz zu den aus dessen Destillation gewonnenen flüchtigen Terpentinölen). Balsame kleben in den meisten Mischungen sehr lange nach, sollten wohl besser zur Oberflächenbehandlung vermieden werden. Besser sind da schon Harze wie Kolophonium oder Dammar (Mastix hat sehr ähnliche Eigenschaften, ist aber viel zu teuer). Beide sind terpentinöllöslich.
3. Gummen: Braucht man hier nicht, weil wasserlöslich. Trotzdem habe ich hier irgendwo gelesen, daß jemand „Harz“ von einem Kirschbaum in Terpentinöl lösen wollte. Hmm... das wird nichts werden, denn alle Steinobstbaumausflüsse sind Gummen. Falls sich dort die eine oder andere Schliere gelöst haben sollte, dann waren das die Verunreinigungen des reinen Naturprodukts.
;-) 4. Wachse: Bienenwachs ist klasse, überall günstig zu bekommen und einfach zu verarbeiten. Da das handelsübliche Wachs ziemlich fest ist, kann man eine brauchbare Paste herstellen, indem man vorsichtig im Wasserbad geschmolzene Bienenwachsstückchen mit Terpentinöl mischt. Ähnliches müßte auch für Carnaubawachs gelten (Schmelzpunkt höher), habe ich aber keine Erfahrungen mit.
Leinölfirnis übrigens (jedenfalls im eigentlichen Sinne) ist ein sikkativiertes Leinöl. D.h., Leinöl wird mit Sikkativen (chemische Trocknungsbeschleuniger wie Cobalt-, Mangan- ,früher auch Bleiverbindungen) verkocht. Da bei einer Bogenholzbehandlung das Öl auch in das Holz eindringen soll, ist reines Leinöl in seinen natürlichen Trocknungszeiten eigentlich ausreichend, vielleicht sogar mit etwas Terpentinöl verdünnt.
Am besten bezieht man solche Materialien im Küntlerbedarfshandel, Leinöl auch im Reformhaus oder meinetwegen im Supermarkt (kaltgepreßt sollte draufstehen, hat dann weniger wäßrige und faserige Rückstände). Alkohole und Terpentinöl gibt’s in der Apotheke. Am schlechtesten bezieht man sie beim Baumarkt: Dort gibt es gerade noch die massenhaft billig hergestellten Materialien, die mit verschmutzenden Methoden und unberechenbaren Mitteln (Sikkative, Konservierungs/-Stabilisierungsstoffen) hergestellt wurden. Damit kann man prima Wohnungen renovieren und Gartenzäune anstreichen. Aber vielleicht nicht unbedingt liebevoll hergestellte Einzelstücke.
Zu den Mischungen: Öl allein trocknet – relativ – langsam. Zugabe von Harzlösung beschleunigt das etwas, Oberflächen werden auch glänzender. Bei zuviel Harz wird das getrocknete Endprodukt spröder, u.U. auch rissig. Außerdem sind reine getrocknete Harzlösungen durch Lösemittel reversibel, was je nach Zweck stört oder erwünscht sein kann. Wachse machen einen Film matter, bei zuviel klebt die Oberfläche nach. Man kann das alles natürlich für eine farbliche Gestaltung auch pigmentieren.
Zu den Puristen: Leinöl selbst zu pressen, Harz von den Bäumen kratzen, Bienen berauben (autsch!) oder Terpentinöl selber destillieren zu wollen ist bestimmt übertrieben, sowas kann die Industrie besser (im Gegensatz zu vielen Jahrzehnten früher). Und für künstlerische Zwecke hergestellte Materialien sind durchaus rein, schonend hergestellt und vor allem durch immer gleiche Produkte berechenbar.
Durchaus kann man hier auch mal über Produkte wie Acryl oder Alkydharze nachdenken. Dadurch, daß diese Stoffe lediglich durch Polymerisation einen wasserfesten Film bilden, bleiben sie auch immer flexibel und sind unanfälliger gegen Rißbildung, Abschlagen durch Stöße etc.
Ganz schön lang geworden, aber vielleicht sind ja nicht ALLE gelangweilt und können das eine oder andere ergänzen.
Meine Fragen zum Bogenschießen kommen dann noch früh genug...
Gruß, Matthias
:engel :schlecht