Sehnenbacking

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zerobuster
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Sehnenbacking

Beitrag von zerobuster »

Hallo liebe Gemeinde,

ich baue gerade einen Flachbogen aus Ulme mit einer Länge von 154cm bei 28" Auszug ohne geflippte Enden.
Das ist natürlich schon ein bisserl gewagt, aber ich möchte es probieren und meine Erfahrungen sammeln.
Jetzt habe ich mir überlegt ein Backing aus Hirschsehne draufzugeben.
Nun zu meinen 2 Fragen:

Soll ich das Backing nach dem Tillern oder vorher aufbringen?
und
Bei einer Bogenlänge von 154cm und einer Breite von 3,5cm, wieviel Hirschsehnen brauche ich da, wenn eine
Hirschsehne um die 20cm lang ist?

Von der Länge her würde ich 7-8 Stück brauchen, aber die Breite ist ja auch zu berücksichtigen und eventuell eine zweite Schicht.

Kann mir jemand von euch diese Fragen beantworten.
Danke.

Lg
Christoph
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Heidjer
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von Heidjer »

Als Bruchschutz sollten 7-8 Beinsehnen vom Hirschen schon reichlich sein. Aber da tut es Rohhaut auch und die ist günstiger zu bekommen und leichter aufgebracht. ;)


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.
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Squid (✝)
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von Squid (✝) »

154 cm ist ganz schön kurz.
Wenn der nicht aus qualitativ hochwertigen Holz besteht und gut getillert ist / wird, dann macht die Sehne die Ulme tot.

Ach ja, zur Technik: Der Bogen wird zunächst einmal so weit getillert, dass er auf Standhöhe ganz anständig aussieht. Dann kommt die Sehne drauf. Sinnvollerweise mit Hautleim verklebt. Sie wird den Bogen beim Trocknen ein wenig reflex biegen.

Und dann geht das Tillern von vorne los.
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.
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Heidjer
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von Heidjer »

Squid hat geschrieben: ...dann macht die Sehne die Ulme tot...
Nö warum, Sehne ist hochelastisch und gibt mehr nach wie der Bogenbauch Druck aufbaut. Es ist letztlich alles eine Frage der Dimensionierung, wieviel Zugkraft soll der Bogen bringen?
Bei der Länge und den damit verbundenen Biegeradien darf die Ulme höchstens 13-14mm dick im Biegebereich sein, sonst wirds ein Nullpfünder, 1mm Holz ab und 1mm Sehne drauf ändert nicht viel. ::)


Gruß Dirk
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zerobuster
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von zerobuster »

Er soll eine Zugkraft um die 35-40 Pfund bekommen.
Rohhaut wäre natürlich auch eine Möglichkeit.
Wird Rohhaut auch mit Hautleim aufgeklebt?
Danke schon mal für eure Hilfe.

Lg
Christoph
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SchmidBogen
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von SchmidBogen »

Nun, einmal habe ich flachsfasern genommen. war noch interessant als Bruchschutz und Pfundverstärkung. :D
So als alternative zu Tiersehne und Rohhaut. :)
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Arry
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von Arry »

Heidjer hat geschrieben: Nö warum, Sehne ist hochelastisch und gibt mehr nach wie der Bogenbauch Druck aufbaut.
Oh weh, jetzt muss ich dem Dirk widersprechen - tue ich nicht gerne! Aber, here we go: Sehne ist extrem zugfest, aber nicht elastisch und gibt auch nicht nach. Wenn das der Fall wäre, dann könnten Mensch und Tier die Kraft ihrer Muckis gar nicht auf den jeweiligen Bewegungsapparat übertragen.
Wenn ich groß bin, will ich ne richtige Werkstatt.
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kra
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von kra »

Arry, da muß ich dem Dirk aber beipflichten - schon aus eigener Anschauung.
Sehne ist nicht starr in Zugrichtung sondern hat eine Bruchdehnung von 5%-10%.
Das kannst du gut erleiden, wenn du einen Sehnenbelag schön dick mit nicht-flexibler Farbe bemalst. An den Hauptbiegezonen wird die Farbe reißen (Acrylfarbe z.B.) - eigene leidvolle Erfahrung.
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von Bowster »

Arry hat geschrieben:
Heidjer hat geschrieben: Nö warum, Sehne ist hochelastisch und gibt mehr nach wie der Bogenbauch Druck aufbaut.
Oh weh, jetzt muss ich dem Dirk widersprechen - tue ich nicht gerne! Aber, here we go: Sehne ist extrem zugfest, aber nicht elastisch und gibt auch nicht nach. Wenn das der Fall wäre, dann könnten Mensch und Tier die Kraft ihrer Muckis gar nicht auf den jeweiligen Bewegungsapparat übertragen.
der Dirk hat schon recht, Sehne ist sogar hochelastisch und wird auch in der Natur gerne verwendet um Energie zu speichern und wieder abzugeben. Nur ein, aber dafür auch ein wirklich spektakuläres Beispiel hierfür ist das Känguruh. In der unbelebten Natur könnten wir Deinen wirklich gelungenen Bogen anführen.
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zwirn
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von zwirn »

Warens nicht die niedlichen australischen Tiere, die einen Großteil der Energie des Sprunges bei der Landung wieder aufnehmen? :)
Ich glaube es lohnt nicht mit Dirk zu streiten ;D .

LG Zwirn
Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!

Wenn einer, der mit Mühe kaum, gekrochen ist auf einen Baum,
schon meint, daß er ein Vogel wär, so irrt sich der.
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Arry
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von Arry »

Da musste ich mal nachlesen, denn im (wirklich gut gemachten) Biologieunterricht in der Schule kam das Thema dran und ich habe es mir so gemerkt. Ergebnis der Recherche - unentschieden, es gibt nämlich beides:

https://en.wikipedia.org/wiki/Tendon
"Tendons have been traditionally considered to simply be a mechanism by which muscles connect to bone, functioning simply to transmit forces. This connection allows tendons to passively modulate forces during locomotion, providing additional stability with no active work. However, over the past two decades, much research focused on the elastic properties of some tendons and their ability to function as springs. Not all tendons are required to perform the same functional role, with some predominantly positioning limbs, such as the fingers when writing (positional tendons) and others acting as springs to make locomotion more efficient (energy storing tendons).[17] Energy storing tendons can store and recover energy at high efficiency. For example, during a human stride, the Achilles tendon stretches as the ankle joint dorsiflexes. "

Hier fängt es auch an, interessant zu werden. Wenn die Achillessehne zu den elastischen Sehnen gehört, erklärt das, warum sie gerne im Bogenbau Verwendung findet. Aber was ist mit den Rückensehnen, welche die koreanischen Bogenbauer verwenden?
Wenn ich groß bin, will ich ne richtige Werkstatt.
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Heidjer
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Re: Sehnenbacking

Beitrag von Heidjer »

Eine vernümpftig getrocknete Sehne kann wenigstens 5% Längendehnung ab, bevor auch nur die Gefahr des reißens besteht. Eine Holzfaser reißt spätestens wenn sie 2% gedehnt wird. ;)

Von daher macht es keinen Sinn, Sehne auf ein gerades Stück Holz zu kleben, Sehne mit Hautleim ist schwerer wie Holz pur, es bringt nur Gewicht auf den Bogen ohne das die Sehne auch nur 40% ihrer Leistungsfähigkeit erreicht.
Von daher muß man die Sehne mit starken Reflex verarbeiten, dann kann die Sehne ihren Vorteil ausspielen. ;)
Ersatzweise kann man auch den Biegeradius herunter setzen, also die Biegezone verkürzen, nur ein Langbogen mit 20cm Biegezone je Wurfarm macht auch nicht viel Sinn. ::)

Nur kein Holz läßt sich mehr wie 2% komprimieren ohne Schäden zu erleiden, darum muß dann ein Material auf den Bogenbauch kommen das mehr ab kann, zB Horn, das kann 5% ab. ;)

Wenn man jetzt noch an die Grenzen der Belastung gehen will, gibt es nur ein Design das in Frage kommt, der Krabbenbogen. ;D

Ein gerader Bogen mit Sehne und oder Horn ist nur schwer und träge, das Material wird einfach nicht optimal ausgenutzt bzw belastet. ;)


Gruß Dirk
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