Hi benz!
Hm, ich glaube, wir muessen doch noch mal gucken, was denn nun eigentlich unser Thema ist (und ob wir beide das gleiche haben):
Mir geht es darum, deutlich zu machen, dass eine spirituelle Praxis ohne Beruecksichtigung ihres kulturellen Rahmens sehr schnell Humbug wird.
Und als Du wissen wolltest, wie ich denn das im Zusammenhang mit dem Christentum sehe, habe ich mich bemueht, die Unterschiede zwischen dem Christentum und einem tibetanischen Teppichritual zu formulieren.
Und das immer noch im Hinblick auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen ich christliche Sakramente im Tibet fuer wirkmaechtig halte und tibetanische Rituale in Muenster nicht.
Mir ging es nicht darum, die Qualitaeten und das Versagen des Christentums zu diskutieren und schon gar nicht darum, in die allgemeine und leicht vorgebrachte Christentumsschelte einzustimmen.
Und die eine Frage hat mit der anderen wirklich nichts zu tun.
Wenn ich vom boesen Christentum enttaeuscht mein Heil in tibetanischen Teppichritualen (im folgenden als tT abgekurzt) suche, dann werden diese tT weder wirksamer noch weniger wirksam, wenn das Christentum gut oder schlecht ist. Dass eine Suche verstaendlich ist, heisst ja
noch lange nicht, dass das Gefundene sinnvoll ist.
Ich stimmme Dir allerdings uneingeschränkt zu, daß es einer langen und tiefgehenden Auseinandersetzung mit dem Kulturkreis und der "Religion" bedarf.
Prima - dann haben wir doch in dem, was ich fuer unser Thema halte, grundlegende Uebereinstimmung. Eigentlich koennten wir hier aufhoeren.
Wollen wir?
Daß Du das Wort "Bekehrungsarbeit" benutzt, und das ohne irgendeinen Zusatz, trifft mich hart, sehr hart, und enttäuscht mich
auch, wenn ich ehrlich sein darf. Bekehrung heißt für mich nach wie vor: bekehren von etwas Falschem zu etwas Richtigem.
Hm, wie haette ich es denn sonst formulieren sollen?
Bekehrung heisst natuerlich von etwas, dass ich fuer falsch halte zu etwas, dass ich fuer richtig halte, wechseln. Deswegen habe ich
"Bekehrungsarbeit" geschrieben und nicht "Missionierung" oder so etwas.
Wenn unsere hypothetische Mongolin nicht ueberzeugt waere, dass das Christentum der richtige Weg ist, sollte sie doch gar nicht Christin werden.
Da, genau da, steckt der Absolutheitsanspruch der Christen,
der mich ihnen weitgehend den Rücken hat kehren lassen.
Warum? Weil ChristInnen glauben, dass das, was sie glauben, richtig ist?
Warum sollten wir es denn sonst glauben?
Und das Beispiel mit der Mongolin, die Christin wird, stammt doch von Dir - und es macht ueberhaupt nur dann Sinn, wenn sie ueberzeugt ist, dass das Christentum das Richtige ist.
Ob ein mongolischer Schamanismus (oder was auch immer) als ganzer Weg (nicht nur einzelne Rituale) auch unabhaengig von mongolischer Natur, Kultur und Gesellschaftsform wirkmaechtig und heilbringend ist, dass weiss ich nicht.
Aber beim Christentum bist Du Dir da sicher, nicht wahr? Wenn ja WARUM? Da reicht mir die Antwort "Weil es eine Weltreligion ist"
nicht aus, schon garnicht, wenn man außer acht läßt, wie sie zu dieser geworden ist und ob das Ergebnis nun gut oder schlecht ist.
Ich versuche es nochmal:
Wenn ich ohne jegliche Kenntnis tibetanischer Kultur ein tT durchfuehren wuerde, waere das Humbug.
Wenn unsere Mongolin ohne jeglichen christlichen Hintergrund eine Krankensalbung durchfuehren wuerde, waere das auch Humbug.
WENN ich mich tief in die tibetanische Kultur einfuehlen und einarbeiten wuerde, mich davon ueberzeugen (sozusagen bekehren) liesse, dass die tibetanische Religion und Weltanschauung die richtige ist, wuerde ich wissen, ob ein tT von mir in Muenster durchgefuehrt Humbug ist oder nicht und es dementsprechend durchfuehren oder nicht.
Es koennte ja auch sein, dass tTs nur von Maennern oder nur von Jungfrauen oder nur in Anwesenheit der Berggeister oder was weiss ich
durchgefuehrt werden koennen.
Da ICH nicht in der tibetanischen Kultur zuhause bin, weiss ICH das aber nicht.
WENN unsere Mongolin sich tief in die christliche Kultur und Religion einfuehlen und einarbeiten wuerde, sich davon ueberzeugen (sozusagen bekehren) liesse, dass sie die richtige ist (die Religion, nicht die Kirche, bevor wir jetzt noch darueber diskutieren), dann wuerde sie wissen, dass eine Krankensalbung auch in der Mongolei wirkmaechtig ist.
Da ICH im Christentum zuhause bin, weiss ICH das.
Um es mit einem anderen Bild auszudruecken: Ich sehe Religion als Sprache und spirituelle Praktiken als Worte darin. Und die Worte
machen nur dann Sinn, wenn ich die Sprache als Ganzes spreche.
Christentum ist eine Sprache, die Krankensalbung ein Wort. Ich weiss, was dieses Wort bedeutet, welche Konnotationen es hat, wie es richtig ausgesprochen wird, ich kann es deklinieren ...
Bei einem tT weiss ich nicht einmal, mit welchen Schriftzeichen man es schreibt...
Liebe Gruesse
Susanne
Pfeile wollen Katjes.
- Traditioneller Gruss aller mit Shewolf trainierenden Bogensch?tzinnen. -