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Verfasst: 17.01.2005, 18:25
von Archiv
In der TBB III S.44-48 wird der orginal Holmegaard sehr gut beschrieben. Das Design ist sehr gut, aber ein Holmegaard ist nicht einfach zu tillern. Das Orginal wurde auch erst in der 40iger Jahren des letzten Jahrhunderts entdeckt. Dann gibt es noch die Theorie das ein Holmegaard backwards getillert war (siehe TBB I). Dies führte vielleicht dazu, daß der Holmegaard Stil in der angelsächsich/amerikanisch geprägten Bogenkultur kaum Beachtung fand. Man baute lieber lange Stecken im D-Profil:D. (die haben bei schweren Kriegspfeilen auch Vorteile, aber mit leichteren Jagdpfeilen oder aber auch für dreide hat ein Holmegaard eine tolle Performance)
Es muß auch nicht immer Ulme sein - Robinie, Ahorn, Esche, ... bis hin zu Eibe sind auch für dieses Design geeignet.
@Trifolium
Wenn dich dein Weg mal wieder bei mir vorbei führt, zeige ich dir gerne ein paar Bögen im Holmegaard Design (mein erster war z.B. auch einer).
Verfasst: 18.01.2005, 14:38
von Snake-Jo
@Snake: Ja, irgendwie spukte mir diese Abbildung auch im Kopfe herum. Hier ist sie aus der TBB: ein Nachbau, sehr gelungen, finde ich.
@trifolium: Der Holmegaard war eher etwas kürzer, der abgebildete hat ungefähr 130 cm, das Original hatte 155 cm, also wohl etwas unter Körperlänge, wenn man bedenkt, dass die Leute früher kürzer waren. Breite der Wurfarme im Original 4,39 cm max. Das Verhältnis war beim Original 1:0,625 (Pivotpunkt bis Schulter: schmales Ende)
@Rabe: Du hast recht, bei dieser kurzen Biegezone muss alles sehr gleichmäßig biegen.
@snake-jo:
Verfasst: 19.01.2005, 02:12
von Ravenheart
...wow, bilderbuchmäßig!
@Trifolium:
- Wie lang ist so ein Holmegaard? Wie ein "normaler" Langbogen, also ca. Größe des Schützen?
[navy](s. snake-jo' Antwort)[/navy]
- wie muß das (Längen-) Verhältnis des breiten Teils der Wurfarme zum schmalen Teil der Wurfarme sein?
[navy]Muss? Muss gibt's nicht, dafür gibt es zu wenig historische Funde; ich würd's nicht über 25 cm machen, eher weniger...[/navy]
- Biegt der Bogen im Griff mit? (ich habe auf einer amerikanischen Webpage einen gesehen mit lediglich 1" Griffstückdicke)
[navy]1", also 2,54 cm biegen bis ca. 35# nicht ein Stück mit (natürlich noch breiten-abhängig); aber auch dazu s.o.; ICH würde ihn LEICHT mitbiegen lassen, um die relativ kurzen arbeitenden Bereiche etwas zu entlasten...[/navy]
- Wenn die langen Enden nicht mitbiegen dürfen, aber trotzdem so schmal sind, gehe ich dann recht in der Annahme, daß sie dann im Vergleich mit den biegenden, breiten Armen wieder an Stärke zunehmen müssen?
[navy](s. snake-jo's Bild!): ja![/navy]
- Gibt es einen Grund warum dieses Design "ausgestorben" ist? Vielleicht doch mangelnde Performance? Oder schwieriger "Produktionsprozess", verglichen mit einfachen Details?
[navy]Na ja, SO ausgestorben ist er gar nicht, denn ein Reiterbogen ist eigentlich nix Anderes als die Weiterentwicklung dieser Bogenform!
Der engl. Langbogen hat Vorteile als Kriegswaffe; er wirft schwere Pfeile auf große Distanzen besser, daher hat er "phasenweise" die Oberhand gehabt; ein Holmegaard ist hingegen ein äußerst effektiver Jagdbogen...[/navy]
Rabe
Holmegaard und Holmegaard
Verfasst: 19.01.2005, 10:19
von Archiv
Hallo Ihr,
nachdem ich diesen thread schon eine ganze Zeit mit sehr viel Interesse verfolge, möchte ich auch einige Anmerkungen machen.
Es gibt eine ganze Reihe von Bogenfunden aus dem Mesolithikum, "etwa 2 Dutzend Funde kommen aus Dänemark" (Junkmanns). Die Archäologie ist nun geneigt, eben diese Funde zu klassifizieren und bezeichnet die mesolithischen Flachbögen als Holmegaard-Typ.
Dennoch denke ich, muß man unterscheiden: die beiden ältesten Funde, die tatsächlich im Holmegaard-Moor gefunden wurden, weisen eine Länge von 155cm (vollständiger Bogen) und eine geschätzte Länge von etwa 170cm (Fragment) auf. Diese beiden Bögen weisen keine extreme Verschmälerung der Wurfarme im letzten Drittel auf, sondern eher einen weichen Übergang zum schmalen Teil. Dementsprechend nimmt auch die Stärke im letzten Wurfarmdrittel nicht zu, sondern ab.
Deshalb würde ich behaupten, daß der berühmte Holmegaard-Tiller mit steifen Wurfarmenden bei den genuinen Holmegaardbögen nur mit einiger Vorsicht vorausgesetzt werden kann.
Snake-Jos Abbildung dagegen scheint mir den ungefähr 1000 Jahre jüngeren Bogen von Mollegabet zu zeigen, auf den die beschriebenen Kriterien zutreffen: vom Mollegabet-Bogen (geschätzte Länge 115cm) ist allerdings nur ein etwa 34cm langes Fragment gefunden worden, das den Übergang vom breiten zum schmalen Teil eines Wurfarms zeigt.
Dieses Charakteristikum gilt also für einige Bögen des Holmegaard-Typs, für die Holmegaard Funde hingegen nicht.
hraban
RE: Holmegaard und Holmegaard
Verfasst: 19.01.2005, 10:29
von Archiv
Hallo zusammen,
Original geschrieben von hraban
Snake-Jos Abbildung dagegen scheint mir den ungefähr 1000 Jahre jüngeren Bogen von Mollegabet zu zeigen, auf den die beschriebenen Kriterien zutreffen: vom Mollegabet-Bogen (geschätzte Länge 115cm) ist allerdings nur ein etwa 34cm langes Fragment gefunden worden, das den Übergang vom breiten zum schmalen Teil eines Wurfarms zeigt.
hraban
Was denkt Ihr wie groß ist der maximale Auszug bei einem Bogen solchen Typs und einer Länge von nur 115cm?
liebe Grüße benzi
Spekulation
Verfasst: 19.01.2005, 10:45
von Archiv
@benz: aufgrund seiner Länge - das hätte ich wohl noch sagen sollen - wird angenommen, daß der Bogen von Mollegabet ein Jugendbogen gewesen sei.
Tja, wie weit man so'n Ding ziehen kann, weiß ich nicht, allerdings war mein bescheidener Auszug von 27" für etwa 150cm lange Nachbauten des Holmegaard-Typs für Kinder (schätzungsweise 15# - 20#) kein Problem.
Hilft Dir das?
Holmegaard-Nachbau
Verfasst: 19.01.2005, 10:52
von Snake-Jo
Die Abbildung oben war diejenige aus der TBB, ein Nachbau von Callahan.
@Rabe: hier nun das Tillerbild zu dem genannten Bogen. Als ich schrieb: "... der Holmegaard- biegt sich stark direkt hinter dem Griff" hatte ich dieses Bild vor Augen. Grundsätzlich bin ich eher vorsichtig und neige genau wie Du zu einem gleichmäßig runden Tiller. Nun beachte mal den Text unter dem Bild! Bitte Kommentar.
@Benzi: Wenn Du ihn aus Rattan machst: rund 28" 8-) aus Ulme bei einem Zuggewicht von 24 lbs rund 23-24"
Verfasst: 19.01.2005, 11:16
von Ravenheart
@snake-jo: Leider kann ich den Text nicht vollständig lesen! Kannst Du ihn mal abschreiben?
Rabe
bin zwar nicht snake-jo...
Verfasst: 19.01.2005, 12:02
von Archiv
Original geschrieben von ravenheartKannst Du ihn mal abschreiben?
ich versuch mich mal (mit zusammengekniffenen augen):
"Callahan´s replica at 24" draw: The tiller looks wrong, seeming too round-in-the-handle. But this is proper tiller for a bow with narrowed outer limbs. The more extreme the bend in a bow´s mid and outer limbs the more straight-line tip-totip bow length shortens at full draw, increasing string angle and, therefore, stack. This tiller shape diminishes this effect."
Übersetzung (frei Schnauze):
"Callahans Replika bei 24" Auszug: Der Tiller sieht falsch aus und scheint sich zu weit in den Griff zu biegen. Aber dies ist ein richtiger Tiller für einen Bogen mit sich verjüngenden Wurfarmenden. Je extremer die Biegung in den mittleren und äußeren Wurfarmbereichen, desto mehr Bogenlänge (zwischen den Sehnenkerben in gerader Linie gemessenen)verkürzt sich bei vollem Auszug, erhöht den Sehnenwinkel und stackt demzufolge. Dieser Tiller verringert diesen Effekt."
Ich werde daraus jedenfalls nicht schlau; kann mir aber ungefähr denken, was ausgesagt werden soll. Wurde ja alles schon angesprochen.
RE: Holmegaard und Holmegaard
Verfasst: 19.01.2005, 15:40
von Botjer
Original geschrieben von hraban
... die beiden ältesten Funde, die tatsächlich im Holmegaard-Moor gefunden wurden, weisen eine Länge von 155cm (vollständiger Bogen) und eine geschätzte Länge von etwa 170cm (Fragment) auf. Diese beiden Bögen weisen keine extreme Verschmälerung der Wurfarme im letzten Drittel auf, sondern eher einen weichen Übergang zum schmalen Teil. Dementsprechend nimmt auch die Stärke im letzten Wurfarmdrittel nicht zu, sondern ab...
hm, also wenn ich das richtig verstehe haben wir dann einen breiten Wurfarm, der sich langsam verschmälert und am Ende "weich" in einen noch schmaler werdenden Teil übergeht. Ist man dann nicht schon auf einem 3/4-Weg zu einem Pyramidalbogen-ähnlichen Design, bei dem die Stärke der WAs dann halt nicht gleichbleibend ist?
Verfasst: 19.01.2005, 16:46
von Ravenheart
@jonny winter: Danke für die Sehhilfe, lach! Ja, meine Brille is dick...
8-)
Gemeint ist also dies:
Der gleichmäßig biegende Bogen "verliert" dadurch mehr Länge, was den Sehnenwinkel verkleinert...
Wie aber schon die Skizze zeigt, ist die Winkeländerung eher klein; für MICH kein schlaghaltiges Argument!! ICH finde, der Nachteil (Gefahr der Überlastung an der stark biegenden Stelle) überwiegt!
Rabe
spekulieren
Verfasst: 19.01.2005, 16:50
von Snake-Jo
@Johnny: danke für das Lesen und übersetzen, hatte leider nach dem Einscannen keine Zeit mehr für den Text; in der Breite von 400 Pix schlecht zu erkennen.
@Botjer und hrabran: Nun kann man spekulieren, was diese etwas anderen "Holmegaards ohne Schultern" bedeuten oder was die Schultern sollen. Sicher kann man einen Bogen mit einem genau gleichen Effekt auch ohne Schultern bauen. Die Schultern könnten aber ("könnten") bedeuten: Bis hier wird gebogen (getillert ) und weiter nicht.
@Rabe: Da sieht man nun am gleichen Bogen bei wenig Auszug einen perfekten Tiller und bei mehr Auszug dann diesen starken Bogen nahe dem Griff.
Diskussionsstoff
Verfasst: 20.01.2005, 09:20
von Archiv
Eins nochmal vorweg: ich gehöre nicht, wie etwa rabe oder snake-jo zu den tillerexperten, die schon hundert oder mehr bögen gebaut haben, trotzdem finde ich diese diskussion hochinteressant. Denn unsere Ahnen waren schließlich weder dumm, noch haben sie - so wie wir - Bögen gebaut, um sich von den Alltagsplagen abzulenken. Vielmehr waren sie auf hocheffiziente Jagd- und Kriegsgeräte angewiesen, die ihr Überleben sicherten. Ich schweife ab...
Jürgen Junkmanns schreibt in seiner Abhandlung über prähist. Bogen, dass das Holmegard-Design erstens perfekt war (in Anbetracht der Tatsache, dass wohl "nur" Ulme zur Verfügung stand) und zweitens aus Gründen der Bruchsicherheit der Bogenrücken die Außenseite des ehemaligen Baumes bildete. Belegt durch entsprechende Funde. Leuchtet ein und war auch so zu erwarten.
In der TBB Bd.2 steht jedoch, dass Holmegaardbögen sog. "backward bows" gewesen seien, was so ziemlich das genaue Gegenteil von dem ist, was J. schreibt.
Was wird wohl stimmen? Vielleicht beides?
Verfasst: 20.01.2005, 09:27
von Ravenheart
@snake-jo: ? Die Zeichnung ist so gemeint, dass 2 unterschiedlich getillerte Bogen "übereinander gelegt" sind, um den Unterschied zu zeigen!
@johnny winter: Meines Wissens handelt es sich bei der "backward"-Theorie um einen Irrtum, der daher kam, dass man den D-profilierten engl. LB im "Hinterkopf" hatte...
Rabe
Photos
Verfasst: 20.01.2005, 11:17
von Archiv
@Botjer und alle: ich habe zum besseren Verständnis mal zwei Bilder des im Holmegaard-Moor gefundenen Bogens in meine Usergalerie geladen. Man erkennt im Photo - wenn auch nur schwer - den leichten Schulterabsatz.
Ich habe mal einen Kunstharz-Abguß des Originals in der Hand gehabt; da ließ sich der Absatz besser erkennen, wenngleich er wirklich nur sehr wenig ausgeprägt ist.
@johnny winter: die backwards-Theorie (vielmehr noch die Vermutung) geht, soweit ich weiß, auf C.J. Becker zurück, der die Holmegaard-Funde 1945 als erster beschrieben hat. Tatsächlich ist sie größtenteils verworfen.
hraban