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Protest

Verfasst: 23.06.2005, 11:35
von shewolf
Original geschrieben von ravenheart
Original geschrieben von Steini

Klärt einen Anfänger bitte auf: Warum kann ein Linksschütze nicht den Pfeil eines Rechtsschützen (Maserungsverlauf) benutzen?
Ganz einfach: Wenn der Pfeil dann im Abschuss bricht, steckt die Spitze des Bruch-Keils in der Hand!!!

Rabe
Autsch, so eine Pfeilgurke würde ich nicht mal mit rechts schießen... davon abgesehen schieße ich alle meine (Reiterbogen-) Pfeile mit rechts und links, und mir ist noch nie einer beim Schuß zerbröselt!

Stellt Euch doch mal einen Kampf vor: ein Trupp Reiter überfällt einen Trupp Fußsoldaten. Wenn alle schön zusammen bleiben, kein Problem: Willi, Max und Hans reiten rechts rum, Feinde sind ein Haufen in der Mitte, Franz, Peter und Uwe reiten links rum.

Aber wehe die Reiter treffen auf eine offene Formation - da ist dann ganz schnell ein Gewusel ohne Ende. Und dann? "Hey Willi, da kommt einer von rechts!" "Ooops, ich habe meinen Bogen aber in der linken Hand..." oder: "Ooops, ich habe nur noch linke Pfeile im Köcher..."

Versucht mal, vom Pferd mit dem Bogen in EINER Hand nach beiden Seiten abwechselnd zu schießen - no go! Man kommt einfach nicht weit genug mit dem Oberkörper rum, um die 180 Grad der rechten Seite abzudecken.

Also: Bogen in die andere Hand. Nur so gehts. Ist ein bißchen gewöhnungsbedürftig, aber blitzschnell machbar. Und schon kriegen alle, die unvorhergesehen von rechts kommen, auch ihr Fett weg...

Macht so einen Feldzug auch besser planbar. Wie sollte denn ein Heerführer denn seine Reitertruppe auswählen & aufstellen, nach Bogenhand geordnet?

Wer den ganzen Tag nur mit Reiten und Schießen verbrachte, war 100% auf beiden Seiten schießfit. Oder schnell tot.

Und die Pfeile mußten sich rechts, links, vom Pferd herunter und über Kopf aus dem Sattel runterhängend, bei Regen & Sonne schießen lassen. Rechts/links Pfeile sind mir weder bei den historischen Funden noch in der Literatur jemals untergekommen - was an sich kein Beweis ist, aber die praktische Anwendung schließt sie schon aus.

Verfasst: 23.06.2005, 12:05
von Steini
Aber wie war das mit dem Spine?? Da hatte doch nicht jeder seine persönlichen Pfeile??
Egal ob Bogenreiter oder in Crecy.

Steini

Verfasst: 23.06.2005, 12:07
von Peter O. Stecher
Shewolf, das mit linken und rechten Pfeilen ist sicher logistisch nur schwer durführbar.

Im Nofall wird man sicher sehr schnell eine "Zweihändigkeit" entwickeln, das glaub ich auch.

Jedoch gab es immer schon eine gewisse Schlachtordnung, die decken die rechte Flanke, die anderen die Linke, wer sichert den Rückzug, etc.
Da war schon klar dass einer die natürlichen LH-Schützen eher auf die rechte Seite der Truppen stellte, auch bei den Reitern.

Wenn die Formationen einmal aufgelöst sind (Crecy, Agincourt z.B.) musste jeder danach trachten die ihm vorgegebene Postiton zu halten und seinen Auftrag zu erfüllen - wenn dann das Chaos ausbricht vermischten sich die Truppenteile sicher. Aber naturgemäß würde ich als RH sicher versuchen links zu bleiben um meine Fähigkeit optimal zu nutzen.

Speziell bei den Enländern waren ja Bogenschützen eigentlich Hilfstruppen und sicher nicht beidhändige Superkämpfer...

RE:

Verfasst: 23.06.2005, 12:16
von shewolf
Original geschrieben von Steini

Aber wie war das mit dem Spine?? Da hatte doch nicht jeder seine persönlichen Pfeile??
Egal ob Bogenreiter oder in Crecy.

Steini
Ich kann mir nicht vorstellen, das Spinewerte eine Rolle spielten. Wenn Du "hauptberuflich" im Krieg schießt, dann schießt Du alles, was irgendwie auf die Sehne paßt. Im Gefecht mußt Du ja auch andere Pfeile aufsammeln verwenden.

Bei Sport & im zivilen Wettkampf ist das wieder anders, da kann man sich seine "Lieblingspfeile" raussuchen, und das dürften dann u.a. die mit dem passendsten Spine sein.

Die Pfeilehersteller in den Truppen waren Handwerker, die mußten - mangels Spinetester - einen Blick & Griff füt taugliche Schäfte haben. So wie ein Sattler ein Stück Leder greift, und es für "tauglich" oder "nicht tauglich" befindet.

Und selbst Die Skythen hatten 400 vor Chr. schon regelrechte "Fabriken", in denen z.B. Pfeilspitzen in Massen gegossen wurden: eine Qualitätskontrolle sortierte auch hier die defekten Spitzen gleich aus...

RE:

Verfasst: 23.06.2005, 12:19
von shewolf
Original geschrieben von Negley

Speziell bei den Enländern waren ja Bogenschützen eigentlich Hilfstruppen und sicher nicht beidhändige Superkämpfer...
Stimmt, als Fußschütze kannst du Dich ja auch frei nach rechts und links drehen. Du hast eigentlich 360 Grad Schußfläche, weil Du beweglich bist.

Als Reiterbogenschütze dauerts, bis Du Dein Roß herumgedreht hast (ist auch eine Tempo- und Platzfrage).

Also ich spezifizier das noch mal: die beidhänge Bogenbeherrschung gilt für Reitervölker, nicht für Fußtruppen.

RE: Protest

Verfasst: 23.06.2005, 12:20
von Ravenheart
Original geschrieben von shewolf
"Ooops, ich habe meinen Bogen aber in der linken Hand..." oder: "Ooops, ich habe nur noch linke Pfeile im Köcher..."
Witzweibchen!

Als noch mit Pfeil und Bogen gekämpft wurde, haben die sicher vieles schon gehabt, was wir heute auch haben; aber bestimmt keine aus Vollholz gedrechselten Schäfte!!

Nee, nee, das waren alles Schösslinge oder aus Spaltholz Gehobelte, die damit logischer Weise einen weitgehend linearen Faserverlauf hatten; und somit beiderseitig geeignet waren!

Aber WENN Du tatsächlich wechselst: Bitte nur geraden Maserungsverlauf oder eben auch Schösslinge nehmen! Alles Andere wäre stäflicher Leichtsinn; dass es bisher gut gegangen ist, heißt leider NICHT, dass es auch morgen....
:o

Rabe

Verfasst: 23.06.2005, 13:47
von Peter O. Stecher
Shewolf - Als Schütze zu Fuß kann einer auch nur begrenzt in seine (RH/LH) Richtung schießen. Er kann sich zwar drehen, aber wenn die RH links von der Truppe stehen kann er auch nur nach links(grob gesagt) schießen solange die Schlachtornung aufrecht ist("Nachbarn").
Und ist die einmal aufgelöst kann auch der Reiter sein Pferd wenden.

Woher stammt die Annahme/Information dass Reitervöker beidhändig schossen ??

RE:

Verfasst: 23.06.2005, 21:04
von shewolf
Original geschrieben von Negley

Und ist die einmal aufgelöst kann auch der Reiter sein Pferd wenden.

Woher stammt die Annahme/Information dass Reitervöker beidhändig schossen ??
Pferd im vollen Galopp geht ca. 45 - 50 km/h, stoppen, wenden, erneut starten - geübte Westernreiter machen das im Sliding Stop mit anschließendem Spin beim Reining auf ca. 7 Metern, Spezialbeschlag und Sandboden vorausgesetzt. Bei Wiese ohne Eisen rechne noch mal 2/3 Meter dazu... Dauer des Manövers ca. 4 Sekunden.

Mhm, also da ist ein Fußsoldat, der sich nur in die andere Richtung dreht schneller...

Herodot beschrieb das beidhändige Schießen bei den Skythen (deren Köcher mit Aufkommen der Langschwerter übrigens von der linken auf die rechte Seite wanderten...). Diverse römische Geschichtsschreiber erwähnen den Kampfstil der Sarmatischen Stämme & der Parther (Partherschuß heißt übrigens heute noch der nach hinten geschossene Pfeil!).

Dann gabs da noch mal was zeitgenössisches über die Ungarn, ... Quelle weiß ich aber nicht mehr.

Verfasst: 24.06.2005, 07:56
von Peter O. Stecher
Partherschuss kenn ich...

Das mit dem Wenden ist klar, aber immer ritten die ja auch nicht im vollen Galopp.

Vielleicht kommt von diesem beidhändigen Schießen die Konfusion bzgl. Pfeil links oder Pfeil rechts am Bogen:D :D :D

Verfasst: 24.06.2005, 11:27
von mbf
Zu den "Fußtruppen": Nun eigentlich kann man es schon herausfinden, ob es Links- oder Beidhändige Schützen gab: ein Blick auf das Skelett gibt hier eine klare Auskunft. Wenn ich mich recht erinnere, meine ich, irgendwo gelesen zu haben, daß bei Funden aus der "Großen Zeit des Langbogens" Schützen mit klar erkennbar deformierten Knochen gefunden worden, was auf die Bevorzugung einer "Händigkeit" zumindest bei diesen Schützen schließen läßt. Und bei 100 lbs ist es unwahrscheinlich, daß der Schütze mit der anderen Hand vernünftig hätte schießen können. Ich weiß leider nicht, wie viele entdeckte Skelette für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung stehen, aber hier könnte man anfangen.

Mit den abgeschätzten (natürlichen) Verhältnissen RH/LH geht an in die Skelette. So, und dann ist die Frage, ob die Fundstücke im Rahmen der Statistik dieses Verhältnis bestätigen oder nicht.

Ist nur die Frage, ob die Anzahl der vorhandenen Schützenskelette dafür ausreicht.

Verfasst: 24.06.2005, 12:02
von Peter O. Stecher
MBF - nein, ernsthaft war/ist eine Beidhändigkeit sicher die Ausnahme. Wie gesagt, im Notfall wird auch ein geübter re. Schütze einen halbwegsen Schuss mit links hinkriegen und umgekehrt....

Ein Beidhänder war, in einer anderen Sportart der Boxer Rocky Marciano, mühsam antrainiert um seine Gegner zu überraschen.
Sein Onkel, der im Krieg seine Rechte verloren hatte gab dem kleinen "Brockton Blockbuster" den Tip alles beidhändig zu lernen-man wisse ja nie wie das Schicksal einem künftig mitspielt. Das funktioniert aber nur solange bis es bekannt wird - trotzdem war Marciano dadurch ein doppelt gefährlicher Bursche.

Verfasst: 03.08.2005, 19:23
von Pictor Lucis
Wusste ich doch, das ich da mal was gelesen hatte :D
Zu den Meistern der Meisterschützen in diesem Land zählten die „Solaci“, die Linkshänder . Sie gehörten zur Kerntruppe des türkischen Heeres, gingen stets zur Rechten des Sultans und schossen aus der Rechtslage, da laut höfischem Zeremoniell es verboten war, dem Grossherrn den Rücken zuzuwenden, was ja beim rechtshändigen Schießen passiert wäre.

Das Zitat aus dem Buch von Katja Heim und K.M. Wendlandt „Pfeil und Bogen“ 1986, Heinrich Hugendubel Verlag, München, leuchtet ein. Die Brust des Schützen war also dem Sultan zugewandt, da beim LH-Schießen der Körper um ca. 90° nach links, der Kopf nach rechts, gedreht werden
@Steini: Ich geh jetzt meine und Annettes Pfeile duchkucken

rinks oder lechs...

Verfasst: 26.08.2005, 17:34
von Captain Spaulding
...soll man bekanntlich nicht velwechsern.

Ich weiß nicht ob euch das weiterhilft aber
bei Blasinstrumenten wie Flöten und Schalmeien war es üblich das Kleinfingerloch, das der besseren Erreichbarkeit wegen seitlich versetzt ist, doppelt zu bohren, je nachdem ob man mit der linken oder rechten Hand unten greift.

Das nichtbenötigte Loch hat er Spieler einfach mit Wachs zugepappt.
Die Festlegung auf "linke Hand oben" gabs erst recht spät, mit dem aufkommenden Klappenwerk.
Vorher galt "jeder wie er mag oder kann".

Könnte mir vorstellen daß das beim Schießen auch so war.

Verfasst: 26.08.2005, 20:22
von hugin
mal ne blöde frage: gibt es wirklich jemanden, der hier pfeilschäfte schießt, die keinen graden faserverlauf haben? ich würde im traum nicht mir die mühe machen , aus was anderem mir pfeile zu schnitzen. das mit dem spine ist so ne sache. ich muß ja kewinwen spinetester haben ich kann ja auch solange gruppen schießen bis ich die faulen eier aussortiert habe. es gibt schießtechniken, bei denen man früher grundsätzlich zu steife pfeile hatte und beim abschuß dem bogenseitlch etwas rausdreht, damit das pfeilende nicht am griff anschlägt. das war ein asiatisches reitervolk. frag mich nicht hundertprozentig welches. bevor ich jetzt ad hoc was falsches sage.ich denke man muß schon sehr unterscheiden wenn man fragt welches land und welchr zeit gemeint ist. Mittelalter ist vage. im frühmittelalter siehts schon anders aus als im spätmittelalter. in englan auch anders als in norddeutschland.
Ach so,shewolf,ich hab hier grad mal bei den skythen nachgeschlagen:ein handwerker mit mehreren helfern war in einer woche im ernstfall in der lage, etwa 5000-10000 spitzen herzustellen. pro gußform waren es ja bis 4 spitzen gleichzeitig von den schicken 3 flüglern. man merkt auch bei den grabfunden, das jahundeert spitzen als grabbeigabe keine seltenheit ist. ansonsten geb ich dir, shewolf zu deinen obigen antworten völlig recht.

RE:

Verfasst: 26.08.2005, 20:46
von Authomas
Original geschrieben von hugin

mal ne blöde frage: gibt es wirklich jemanden, der hier pfeilschäfte schießt, die keinen graden faserverlauf haben?
Ja.

- meine Schäfte kommen meistens per Post. Ich kenne keinen Händler, der mir die Dinger vorsortiert und wo ich sie dann noch bezahlen könnte.

- mir ist noch nie ein Schaft wegen dem Faserverlauf gebrochen. Dürfte am verhältnismäßig geringen Zuggewicht liegen.

- bei geradem Faserverlauf kann ja niemand an meinem Beachten des schrägen Verlaufs erkennen, wieviel Ahnung ich hab :D.

Jo