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Zuggewicht

Verfasst: 20.10.2004, 09:45
von doralf.vom.wald
@broken arrow
Aus Skelettfunden kann die Archäologie interessante Dinge ableiten. Unter anderm wurden massive Deformationen in Schulter und Armknochen/Gelenken entdeckt, die wahrscheinlich durch die Benutzung von Kriegsbögen mit hohen Zuggewichten entstanden sind. Das passt recht gut zu den ermittelten Gewichten der Mary Rose Bögen, daß der Gebrauch derselben keinesfalls gesund war. Weder für den Gegener noch für den Schützen. Zudem hat der Gebrauch eines Kriegsbogen wenig gemein mit dem jagdlichen (zielgenauen) Bogenschiessen, so daß die "Horrorzugewichte" sehr wahrscheinlich sind und durch Daten belegt werden können.
Wir schiessen doch heute aus Spaß an der Freude und wenn man sich an einem zu starken Bogen vergriffen hat, merkt man das sehr schnell. D.h. daß ich bestimmt nicht gerne Kriegsbogenschütze gewesen wäre (Scheiß Job).;-)

Grüßle

Doralf

Verfasst: 20.10.2004, 11:41
von Archiv
Bogenschiessen hat nicht nur etwas mit Kraft, sondern vor allem mit Technik zu tun. Ich habe mal ein Turnier mit ein paar englischen Archern geschossen und die haben tatsächlich 90 lbs; 120lbs; und sogar 158lbs bei dem Turnier geschossen. Der Mensch mit den 158 lbs war nur so ca. 175 cm groß, er hat den Bogen aber trotzdem auf 29 Zoll ausgezogen. Sein Kreuz war schon ordentlich breit und er trainiert seine Muskeln jeden Tag mit einem selbstentwickelten Gerät.
Mit entsprechendem Training der infrage kommenden Muskeln und mit der richtigen Technik ist es auch heute gut möglich solche Bögen zu schiessen.

Mir persönlich reichen aber die Zuggewichte, die ich momentan habe (45-65lbs ) völlig aus, die 65 sind dabei schon eine Zumutung auf einem Turnier.

Belege?

Verfasst: 20.10.2004, 18:32
von Snake-Jo
@Rabe: Gibt es irgendwelche Belege oder Funde, dass auf den schweren Kriegsbögen des Mittelalters Hornnocken waren? Es gibt einige alte Wandteppiche und Abbildungen, auf denen eindeutig Eibenbögen zu erkennen sind, aber Hornnocken?
Solange mir nicht einer das Gegenteil beweist, bleibe ich dabei:
Hornnocken sind reiner Schmuck , es geht auch ohne sie. Sie schützen und stärken natürlich auch das Bogenende, ohne Zweifel, aber nötig sind sie nicht.

Verfasst: 20.10.2004, 19:21
von Tower
@ Snake-Jo: Jawohl!!! Dem schliesse ich mich an!!

Verfasst: 20.10.2004, 20:39
von locksley
@Snake-Jo
Belege dürften ziemlich schwer zu finden sein, da wie Horsebow ja schon sagte, keinerlei Bogenfunde aus dem Hochmittelalter vorhanden sind. Auch die englischen Chroniken schweigen sich darüber aus, sie listen nur die Anzahl der im Tower gelagerten Pfeile und ähnliches auf, allerdings keine detailierten Beschreibungen der Kriegsbögen.
Den einzigen Anhaltspunkt, den wir haben sind leider nur die "Mary Rose" Bögen die aber aus dem 16. Jhd. stammen und noch dazu Paradebögen auf dem königlichen Flagschiff waren.

Man kann nur mutmassen, daß Horntips üblich waren, da sie eben schon auf früheren Funden waren und auch auf den späteren, warum nicht auch im HMA?

Zuggewichte

Verfasst: 20.10.2004, 21:13
von Broken Arrow
Hi

Ich wollte ja nur die Diskussion anregen;(

Für die deformierungen am Skelett kann durchaus die schlechte Ernährung eine Rolle spielen.
Was ist mit einem einigermassen Spine??
Hab hier gelesen dass Leute Probleme haben einen 80 er Spine zu bekommen.

Wie gesagt:
Kein Statement sondern ehrliche Neugier:-) :-)

Ich hab mich ja teilweise schon überzeugen lassen.

Rolf

Verfasst: 20.10.2004, 22:01
von Bogi
Zu den Hornnocken kann ich nur sagen, auf den Bildern des Spät-MA, die ich bislang gesehen habe, sind (fast) ausnahmslos alle Langbögen mit Horn versehen.
Ein weiterer Grund könnte sein, dass Holz nie wirklich tot ist. Es beginnt durch die Kapillarwirkung sofort wieder Wasser zu ziehen, wenn es auf den Boden steht. Das kommt regelmäßig vor, wenn Bogenschützen auf etwas warten :o :o

Zum Spine, die Hölzer waren früher nicht Kammergetrocknet und daher fester in der Struktur und darüberhinaus sind die Schäfte häufig in der "Barreld" Form gewesen, d.h. in der Mitte dicker, als an den Enden. Damit kann man schon höhere Spinewerte hinbekommen. Außerdem fand Zeder im euröpäischen Raum damals kaum Verwendung. :o :o Hölzer, wie Esche, Birke, Pappel und Buche wurden eher verwendet. Da ein Kriegspfeil ein gewisses "Mindestgewicht" auf die Waage bringen musste (1/4 Pfund) dürfte der Spine nicht allzuschwer erreichbar gewesen sein.
Zu guter Letzt waren Kriegspfeile ja eher "Einwegware", weshalb man sich über die Passung zum Bogen wohl weniger Gedanken gemacht hat, das ist aber reine Mutmaßung.

Verfasst: 21.10.2004, 14:29
von Snake-Jo
@Bogi: dann her mit den Bildern. Ich selbst habe schon mal alte Wandbilder und Teppiche mit Eibenbögen aus dem MA gesehen, kann mich aber nicht an Hornnocken erinnern.

Entgegen aller Mutmaßungen:
Ich habe noch nie gesehen, dass eine reine Selfnocke eines schweren Eibenbogens kollabiert ist und denke auch, dass man die Nocke entsprechend gestalten kann, dass selbst bei 180 lbs nichts passiert. Was zu beweisen wäre.... :o

RE: Zuggewichte

Verfasst: 21.10.2004, 14:55
von Jojo
[quote]Original geschrieben von Broken Arrow

Für die deformierungen am Skelett kann durchaus die schlechte Ernährung eine Rolle spielen. e]

Ja, schlechte Ernährung kann Dein Skelett deformieren, keine Frage. Aber den Unterschied festzustellen zwischen krankhaften Veränderungen aufgrund von Mangelernährung (z.B. Rachitis) und monstermäßigen Muskelansatzmarken aufgrund übermäßiger Belastung ist für einen Fachmann kein Problem...

Verfasst: 21.10.2004, 16:30
von Bogi
Snake,
schau doch mal in meiner Galerie nach, da hab ich einige hochgeladen.
Zu finden unter "Langbogner" nicht unter Bogi -hab' mich später umbenannt.

RE: Zuggewicht

Verfasst: 21.10.2004, 17:19
von Gropi
Original geschrieben von doralf.vom.wald

@broken arrow
Aus Skelettfunden kann die Archäologie interessante Dinge ableiten. Unter anderm wurden massive Deformationen in Schulter und Armknochen/Gelenken entdeckt, die wahrscheinlich durch die Benutzung von Kriegsbögen mit hohen Zuggewichten entstanden sind.
Öhhmm..also ich hab da mal einen recht interessanten Doku-Film über die Schlacht von Towton gesehen, der sich ebenfalls mit den Auswirkungen schwerer Kriegsbögen auf die Physis des Schützen befasst hat. Dabei wurde u.a. ein Vergleich zwischen ausgegrabenen Bogenschützen-Skeletten und dem eines Mannes durchgeführt der seit seiner (frühen?) Kindheit
Bogen schießt und mit einem schweren Kriegsbogen umgehen kann. (Letzterer lebte übrigens noch, zwecks Vergleich haben sie ihn in einen Computertomographen gesteck. ;-) )

Der Befund lautete daß die Armknochen des Bogenarms dicker und dichter ausgefallen waren, als die des Zugarms. Eigentschaften wie sie auch besagte Skelette aufwiesen. Von deförmierten Schultern und Gelenken war aber zu keiner Zeit die Rede. Den Bogenschützen konnte man dann in Aktion beobachten und er machte nicht gerade den Eindruck als ab er durch Bogenschießen mit Horrorgwichten halbinvalide geworden wäre...

Jetzt lese ich regelmässig von Zuggewichten bei 100#-150# Wenn ich so bedenke, dass unsere MA Leute nur 160cm max gross waren und ausserdem schlechteres Essen bekommen haben (wenn überhaup) frage ich mich schon wie das sein kann. War der Auszug nur 20" was bei der grösse damals wahrscheinlich war.
Afaik schossen die damals so wie Mark Stretton seinen 160# LB (Bild Mitte). D.h. mit der Zughand bis zum Ohr...damit dürfte man selbst mit 1,60 wenigstens auf 30" kommen. Mark scheint nicht besonders hoch gewaschen zu sein und hat trotzdem eine Auszuglänge von 32".

Die Technik die Mark auf dem Photo anwendet scheint mit derjenigen identisch zu sein die HIER beschrieben wird:
There was a trick for snapping such a bow "open" which appears to be analogous to weight lifters that have special tricks for pressing the largest weights ? you shot "in" your bow. Hardy says that in 1967 in central Africa there were natives who could perform this ?shooting in the bow.? In describing their technique Hardy says ?[This] is a perfect description of how the medieval archers of Britain drew their bows. They did their pushing and pulling from a lowered arm position, raising them to the position of the full draw, until they were framed by bow and bowstring. That is why the action was, and is, called ?shooting in a longbow?.?

Frage: Hat sich schon mal jemand mit dem "shooting in a bow befasst" und kann von seinen Erfahrungen berichten? Ich glaube zwar nicht, aber vielleicht...

Die 1,60 waren ansonsten die Durchschnittsgröße, trotzdem wird's auch Individuen von 1,80 und mehr gegeben haben...
Edward I. wurde bestimmt nicht umsonst "Longshanks" genannt...

Und daß mit der schlechten Ernährung halte ich für ein Klischee, daß man so nicht verallgemeinern kann.

Mfg, Gropi

(edit: Link repariert! Rabe)

Auslegeware...

Verfasst: 22.10.2004, 08:39
von der_prinz
Es gibt einige alte Wandteppiche und Abbildungen, auf denen eindeutig Eibenbögen zu erkennen sind, aber Hornnocken?
Wie bitte erkennt man auf einem Teppich (!!!), dass ein Bogen auch nur annähernd zweifelsfrei aus Eibe ist???

Verfasst: 22.10.2004, 09:14
von Ravenheart
@prinz: an der zweifarbigen Darstellung: Splintholz-Rücken hell, Kernholz-Bauch dunkel; das gibt es so (von den damals für Kriegsbogen verwendeten Hölzern) nur bei Eibe!

Rabe

Zum Schluss

Verfasst: 22.10.2004, 15:10
von Broken Arrow
Hallo

hab den unten aufgeführten Bericht gelesen und möchte auch diesen zur Diskussion stellen.

Vielleicht noch etwas anderes Interessantes über Bögen:

Die Zugkraft
Sie muss bei den Langbögen enorm gewesen sein, so wird zum Beispiel behauptet, die Bögen, die auf dem Flaggschiff Heinrich VIII., der Mary Rose gefunden wurden, hätten 180 Pfund und mehr gehabt. Aus dem Bericht des Expeditionsleiters Alexander McKee geht allerdings ganz klar eine Zugkraft von bis zu 40 kg hervor (4 Seite 152), das entspricht bei Umrechnung auf das englische Pfund einem Zuggewicht von 88,18 pounds (Umrechnung: 1 pound = 0.4536 Kilogramm).


Gefunden Hier.
http://www.sherwood-forest.de/Wissenswe ... hichte.htm


Gruss
Rolf

nochmal zu den Hornnocken

Verfasst: 24.10.2004, 10:21
von Snake-Jo
@Bogi: danke, ja, da sind Hornnocken auf 2 Bildern zu erkennen.
Also gehe ich mal davon aus, dass es im Mittelalter (genauer Zeitraum kann man sicher auch anhand der Bilder feststellen) Hornnocken auf den Eibenbogen gegeben hat.
Zu überlegen ist folgendes: Das Anbringen und das Herstellen einer Hornnocke war und ist immer ein ziemlicher Aufwand. Die damaligen Kriegsbögen waren jedoch Massenware, eher mit dem (abwertenden) Ausdruck "Schießknüppel" vereinbar.
Man könnte spekulieren, dass die aufwändigen Hornnocken eher auf den Jagdbögen der Adligen saßen und diese den Malern (sie bewegten sich damals eher in diesen Kreisen) als Vorlage dienten.