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Verfasst: 15.01.2005, 20:19
von horsebow
Original geschrieben von Papierdrache
Kannst du eventuell noch erläutern, woher die Meinung mit dem Niederwild kommt?
Kann ich jetzt konkret keine Quelle angeben, aber broadheads (flachschneidige, widerhakenbewehrte, breite Pfeilspitzen) sind traditionell zur Hochwildjagd eingesetzt worden (und werden es heute noch), weil sie eine stark blutende Wunde verursachen und durch ihr Steckenbleiben auch unterhalten. Dies ist wichtig, weil bei der Bogenjagd in der Regel eine Verfolgung/Nachsuche erforderlich wird und so eine Schweißfährte gewährleistet wird. Sowohl spachtelförmige Querschneider als auch Gabelspitzen bleiben wohl nicht stecken (auch nicht in Bäumen, wenn man z.B. auf einen Marder oder Vogel schießt), was eher für eine Verwendung gegen schwächeres Wild spricht.
Kann mal bitte jemand in "Maximilian I. von Habsburg - Kaiser, Ritter, Bogenschütze" in Ausgabe 29 der Zeitschrift "Traditionell Bogenschießen" kucken, ob in den Abbildungen dort eine gabel-/sichel-/mondförmige Pfeilspitze mit dabei ist.
Jawohl, ist dabei, allerdings als Jagdspitze einer Hornarmbrust, nicht eines Handbogens.
Bei Tempus-Vivit war das ungefähre Ergebnis, das die gegabelten Spitzen für eine größere Trefferwahrscheinlichkeit waren. Also Kleinwild und Vögel.
Und Blunts sind für die Jagd auf Tiere in Bäumen da, man will das Tier ja nicht am Baum festnageln, sondern dass es runterfällt. Und wenn man nicht mal das Tier trifft haste ev. 'nen wertvollen Pfeil in der Baumkrone stecken
Das ist sicher ein wichtiges Argument, dem ich zustimme.
In meiner usergallerie ist die Abbildung einer Hasenjagd mit Kolbenpfeilen aus dem Jagdbuch von Gaston Phoebus zu sehen. Nachdem Hasen selten auf Bäume klettern

, folgt daraus, daß Blunts/Kolbenpfeile generell zur Jagd auf Kleinwild eingesetzt wurden, weil der Schockeffekt der aufprallenden Spitze zur Tötung ausreicht. Dies besonders wohl auch dann, wenn ein Tier wegen seines Pelzes erlegt wurde.
Gruß, horsebow
Verfasst: 15.01.2005, 21:08
von Papierdrache
die man bislang in der archäologischen Literatur als im Flug pfeifende oder auch als Brandpfeile interpretierte. [Hampel, Joseph: Alterthümer des Frühen Mittelalters in Ungarn, Bd. 1, Braunschweig 1905, S. 171]
Joseph Hampel ist also der Schuldige, danke für diesen Literaturfund horsebow!

Da liegen 84 Jahre zwischen Hampel und Bálint. Eigentlich hätte man annehmen müssen, dass er diese Interpretation nicht so einfach übernimmt.
Für die 2. Fliege hätte ich auch noch eine Klatsche im Angebot:
Titel: Europa und seine Randgebiete : mit 43 Tafeln, 708 Abbildungen und 6 Völker-, Sprachen- und Hausformenkarten / von A. Byhan; A. Haberlandt; M. Haberlandt
Beteiligt: Arthur Byhan ; Arthur Haberlandt ; Michael Haberlandt *1860-1940* ; Georg Buschan *1863-1942*
Ausgabe: 2. u. 3., vollst. umgeord. u. wesentl. verm. Aufl.
Erschienen: Stuttgart : Strecker & Schröder, 1926
Umfang: XXIV, 1154 S. : Ill., Ktn. ; 22 cm
Gesamttitel: Illustrierte Völkerkunde / unter Mitw. von ... hrsg. von Georg Buschan ; 2, Teil 2
Unser guter alter Károly Sebestyén verweist auf dieses Werk in seinem alten Aufsatz über die ungarische Bogenausrüstung. Hatte dort eben nachgekuckt und siehe da, er erwähnt die mondförmigen Spitzen.
Gabelförmig oder zweizackig nenne ich die Form von D, von welchen wir im ganzen 14 Stück kennen. Es ist eine ungewöhnlich Form, bei der gewiss nicht die Spitze von Wichtigkeit war, sondern die zwischen den Spitzen befindliche konkave Schneide. Pfeilspitzen dieser Form kommen schon in der Eisenzeit in Sibirien vor,(Buschan, Völkerkunde, II, 336) man findet sie auch im Kaukazus,(Arch. Ert. XXXIII, 375) dann bei den Wogulen und Ostyaken.((Buschan, Völkerkunde, II, 297) Bei den Tschuktschen und Korjäken wird diese Pfeilspitze noch heute gebraucht bei der Jagd grösseren Wildes.(Buschan, Völkerkunde, II, 303)
Der Text ist zwar auch staubalt, aber wenn auf damals lebende Völker verwiesen wird, die die mondförmige Spitze zum Zwecke des starken Blutverlustes einsetzen, dann ist das endlich mal was handfestes. Das Werk liegt im Lesesaal der Berliner Staatsbibliothek, ich versuch es in die Hand zu bekommen.
Mit Grüßen, Florian!
RE:
Verfasst: 17.02.2005, 17:03
von Alamannic_Michael
Das ist sicher ein wichtiges Argument, dem ich zustimme.
In meiner usergallerie ist die Abbildung einer Hasenjagd mit Kolbenpfeilen aus dem Jagdbuch von Gaston Phoebus zu sehen. Nachdem Hasen selten auf Bäume klettern

, folgt daraus, daß Blunts/Kolbenpfeile generell zur Jagd auf Kleinwild eingesetzt wurden, weil der Schockeffekt der aufprallenden Spitze zur Tötung ausreicht. Dies besonders wohl auch dann, wenn ein Tier wegen seines Pelzes erlegt wurde.
Gruß, horsebow
Zum Thema Schoneffekt eines Kolbenpfeils:
Ich war live dabei wie ein Archäologe auf mitllere Distanz mit so nem "Schonpfeil" ne ~5cm dicke Sperrholzplatte schön kreisrund durchgestanzt hat!
Also könnt ihr euch vorstellen wie das arme Kaninchen ausgesehen hätte!
RE:
Verfasst: 18.02.2005, 08:41
von Archiv
Original geschrieben von Papierdrache
... Der Text ist zwar auch staubalt, aber wenn auf damals lebende Völker verwiesen wird, die die mondförmige Spitze zum Zwecke des starken Blutverlustes einsetzen, dann ist das endlich mal was handfestes. Das Werk liegt im Lesesaal der Berliner Staatsbibliothek, ich versuch es in die Hand zu bekommen.
Mit Grüßen, Florian!
In dem Zusammenhang, Verletzungen der Mond bzw. Sichelförmigen Spitze empfehle ich die Dissortation von McBumm.
Link
Dort wird recht anschaulich der Schusskanal den eine solche Spitze hinterlässt dargestellt.
Mit besten Grüßen vom Niederrhein
Volker ;-)
Pfeilspitzen aus China
Verfasst: 23.02.2005, 12:49
von silent
Hallo Leute,
da habe ich ja eine ganz fruchtbare Diskusion ausgelöst. Nun habe ich mal wieder ein Problem, bei dem Ihr mir hoffentlich helfen könnt.
Mir wurden 2 Pfeilspitzen angeboten, angeblich aus China/Shanxi ca. 500 Jahre alt.
So sehen sie aus.
Habt Ihr eine Ahnung
1. ob es wirklich Pfeilspitzen sind?
2. wofür man sie verwendet hat?
3. ob das Alter hinkommen kann?
Als anregung zur Verwendung wurde mir gesagt das die Pfeile zur Nachrichenübermittlung oder zur Vogeljagt verwendet wurden. Zur Nachrichenübermittlung könnte ich mir ewentuel Vorstellen.
Vielen Dank für eure Bemühungen schon mal vorweg
LG Silent
[royalblue](edit: Bild verkleinert! Bitte beim Einfügen auf den roten Rand achten, dann "Thumb" klicken! Rabe)[/royalblue]
Verfasst: 23.02.2005, 12:53
von locksley
Die unteren vier schauen aus wie Heulspitzen. Durch das kleien Loch pfeift der Wind, sozusagen.
Die oberen vier Spitzen sind dann wohl Bluntspitzen, wie sie auch in Europa und Amerika zur Vogel- und Kleintierjagd eingesetz werden.
Verfasst: 23.02.2005, 13:21
von Steinmann
Das Loch in der unteren Spitze könnte aber auch eine Beschädigung der Tülle sein.
Das Loch ist nicht sauber gearbeitet und liegt zudem noch an einer strömungstechnisch ungünstigen Stelle.
Bluntspitzen?
Verfasst: 23.02.2005, 17:37
von silent
Wenn es sich doch um Bluntspitzen handelt; was macht dann der Dorn für einen Sinn?
An eine Heulspitze bei der zweiten kann ich auch nicht glauben da fehlt mir doch ein Resonantskörper oder?
@Rabe
Danke ich werde mich mal mit dem einfügen von Bildern auseinandersetzen. Ich habe keinen roten rahmen bemerkt.
RE: Bluntspitzen?
Verfasst: 23.02.2005, 23:19
von Alamannic_Michael
Original geschrieben von silent
Wenn es sich doch um Bluntspitzen handelt; was macht dann der Dorn für einen Sinn?
Genau die gleiche frage stell ich mir auch schon die ganze Zeit über!
Ich weiß nicht, ob das wirklich Pfeilspitzen sind.......
Die Chinesen haben ne Menge seltsam aussehender Waffen entwickelt, da kann man sich nie sicher sein!
Vielleicht waren die Pfeile dafür gedacht Brandsätze (Pech etc an dem Haken befestigt) oder noch eher Seile und co. zu befördern!
Ich weiß nich ob des Realitätsnah ist? eine dünne Schnur zu verschießen, an der ein Seil befestigt ist!
Aber ne andere Idee, die mir warscheinlicher erscheint:
rituelle Grabbeigaben, o.ä.? Also keine funtktionellen Spitzen, sonderen welche mit rein ideellem Wert!
Den Haken kann man auch erklären:
Die Dinger sind aus Bronze so scheint mir.
Bronze wird gegossen.
Da die Dinger ne Tülle haben muß dort ein "Kern" gewesen sein, der den Hohlraum beim Gießen freihielt.
Lange Rede kurzer Sinn: könnten diese Haken noch der Anguß sein, von dem das Material gekommen ist? Und dieser Anguß wurde einfach nicht entfernt, weil die Dinger Ausschuß waren oder man es nicht für nötig erachtete ihn zu entfernen? (Warum auch immer!)
Wer sich das verbildlichen möchte suche mal Bilder zum Thema Feinguß, insbesondere die so genannte Feingußtraube. (Hab dazu ein bild, müßte ich aber erst einscannen, zudem schlechte Qualität)
Ist halt nur ne Idee!;-)
Verfasst: 24.02.2005, 05:16
von Moonshadow
Hm, kommt mir so vor, als wenn ich so was schon mal irgendwo gesehen habe.
Kann es sein, dass die beiden Teile zusammen gehören? Die Endstücke von einem Stab, vielleicht zum Messen von irgend was. Mir der Haken zu gleichmäßig und sieht gar nicht nach einem Anguss aus. Zumindest beim oberen Teil. Eher als ob er für irgendwas zum aufhängen gedacht war. Die vier Einkerbungen könnten dünnen Schnüren als Führung gedient haben.
Ein Sehnengalgen wird es wohl nicht gewesen sein, aber vielleicht irgend etwas ähnliches. Das breite Teil als Fuß und das obere abgerundet, damit es nicht in die hand piekt.
Nix genaues weis man nicht, nur mal so eine Vermutung.
RE: RE: Bluntspitzen?
Verfasst: 24.02.2005, 17:50
von horsebow
Original geschrieben von Alamannic_Michael
Ich weiß nich ob des Realitätsnah ist? eine dünne Schnur zu verschießen, an der ein Seil befestigt ist!
Nee, nicht wirklich, sogar eine dünne Schnur bremst den Pfeil erheblich, wie jeder Bogenfischer bestätigen kann.
rituelle Grabbeigaben, o.ä.? Also keine funtktionellen Spitzen, sonderen welche mit rein ideellem Wert!
Die hätte man extra zu dem Zweck herstellen müssen, das halte ich für unwahrscheinlich, zumal bei den Bogenvölkern der Bronzezeit Pfeilspitzen zu Millionen gegossen wurden und auch als Grabbeigabe zur Verfügung standen.
Lange Rede kurzer Sinn: könnten diese Haken noch der Anguß sein, von dem das Material gekommen ist? Und dieser Anguß wurde einfach nicht entfernt, weil die Dinger Ausschuß waren oder man es nicht für nötig erachtete ihn zu entfernen? (Warum auch immer!)
Könnten - ja! Wie bei der hier abgebildeten urnenfelderzeitlichen Pfeilspitze:
oder dieser skythischen hier:
Aber die beiden benutzen den "Anguß" als Widerhaken, dann macht es Sinn, ihn nicht zu entfernen.
Bei den beiden hier in Frage stehenden Objekten würde der Widerhaken aber gegen die Schußrichtung verlaufen, das macht absolut keinen Sinn.
Ich bin kein Experte für chinesische Spitzen, aber ich glaube nicht, daß es sich bei den beiden Teilen überhaupt um Pfeilspitzen handelt.
Gruß, horsebow
RE: RE: RE: Bluntspitzen?
Verfasst: 24.02.2005, 20:14
von Alamannic_Michael
Original geschrieben von horsebow
Aber die beiden benutzen den "Anguß" als Widerhaken, dann macht es Sinn, ihn nicht zu entfernen.
Bei den beiden hier in Frage stehenden Objekten würde der Widerhaken aber gegen die Schußrichtung verlaufen, das macht absolut keinen Sinn.
Ich bin kein Experte für chinesische Spitzen, aber ich glaube nicht, daß es sich bei den beiden Teilen überhaupt um Pfeilspitzen handelt.
Gruß, horsebow
Das mit dem Widerhaken würde bei nem Blunt ohnehin keinen Sinn machen, oder?
In diese Richtung unterstützt er die Wirkung des Blunts nicht einzudringen ja!
Aber ich geb dir Recht, ich zweifel auch immer mehr daran, daß es Pfeilspitzen sind!
Ich könnte mir Vortsellen, daß es auf einem der Zahlreichen Märkte, oder in einem Kloster benutzt, um Dinge wie Lampen, o.ä. in Überkopfhöhe aufzuhängen!
Versteht ihr?
Diese "Spitzen" an nem langen Stab, mit dem dann der Mönch Abends die Laternen runter holte, um sie anzuzünden. Sowas in etwa könnt ich mir vorstellen!
Römischer Pfeilspitze
Verfasst: 18.04.2011, 14:39
von Rubus
Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich diesen alten Thread noch mal ausgrabe, aber hier scheint mir der beste Ort meine Frage zu stellen:
Zur Zeit schreibe ich einen Aufsatz über eine mögliche römische Brandpfeilspitze (gelochtes Blatt, "Widerhaken"), aber wie ihr euch vielleicht denken könnt, ist die Literatur- und Quellenlage alles andere als optimal.
Kann mir jemand vielleicht ein paar Werke nennen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Bisher habe ich nur etwas über die allgemein bekannte korbförmige Spitze gefunden, doch etwas, das an meinen Typ herankommt, ist mir noch nicht in die Hände gekommen.
Mich würde es schon freuen, wenn ich einen Fund aus einer anderen Epoche hätte, von dem ich sagen könnte, dass er doch eine entfernte Ähnlichkeit aufweist.
Funktionieren tut die Spitze nämlich wunderbar!
Ich wäre euch sehr dankbar!