Bezüglich der schon mal gestellten Frage nach den Zuggewichten chinesischer Kompositbögen hatten wir ja schon mal die Angabe bei Selby von um die 30 kg erwähnt.
Darüberhinaus ist sicher die Aussage bekannt, dass die chinesischen Bögen in der Regel mit hohen Zuggewichten aufwarteten. Diesbezüglich genaue Angaben werden diesen Ausführungen oft nicht beigefügt.
Ich habe jetzt mal versucht, mich etwas schlauer zu machen und fand folgende Angaben, bezüglich derer ich aber ausdrücklich darauf hinweisen möchte, dass sie nicht auf meinem Mist gewachsen sind, sondern quellenbelegt bei Selby, Chinese Archery zu finden sind. Da das aber nicht unbedingt jeder wird lesen wollen oder gelesen hat, sind die Angaben vielleicht als Schnellinfo ganz hilfreich (oder eben auch nicht

):
*Altchinesische Bögen (hier Shang-Dynastie, 1700-1100 v. Chr.) – über 30 kg (Selby S. 90 mwN)
*Bögen der schweren Kavallerie/„Spearmen“ (hier Liao-Jin-Dynastie 907-1227) – 47 bzw. über 47 kg (Selby, S.236 mwN)
*Bögen der Infanterieschützen bei Examinationsübungen (hier Song - Dynastie 960 – 1279) - 73 kg, selber Zeitraum/Anlaß: Bögen der Kavallerie 54 kg (Selby S. 249 mwN);
Standard-Bögen der ländlichen Milizen (hier späte Tang (923-936) und Song-Dynastie) – Fußtruppen 83 kg, Reiterei 68 kg.
Leider habe ich noch nichts Dahingehendes gefunden, wie das Schießen damit trainiert wurde. Selbys Quellen führen hinsichtlich der Examinationsübungen in der Songdynastie (S. 250 wN) nur aus, dass man bzgl. Training/Examen unterschieden habe bzgl. Accuratesse des Schießens und Treffens einer und der physischen Fähigkeiten andererseits, mit zunehmenden Schwerpunkt auf Letzterem. Ungeachtet dessen sei bei Examen im im Endergebnis nicht isoliert auf Zuggewicht oder Trefferzahl geachtet worden, sondern auf die bogenschützenspezifischen Fähigkeiten des Schützen insgesamt.
*In der Ming-Dynastie (1368-1644) nach entsprechenden, historischen Illustrationen sind die Bögen kleiner als die der nachfolgenden Qingdynastie und wohl auch kleiner, als die der vorangegangenen Epoche gewesen, entsprachen wohl der Größe nach denen, die man heute als traditionelle, koreanische Bögen verwendet. Damit korrepondierend waren die Zuggewichte niedriger, wie sich aus einer Betrachtung, betreffend die Relationen von Zuggewichten, Pfeilhgewichten und Pfeillänge ergibt: Dort ist nur die Rede von Bögen mit (nur) 16,4 – 43,7 kg Zuggewicht (Selby S. 283, 311 mwN).
*In der Qing-Dynastie (Mandschu, 1644-1911) – von der Bauart schwerere Bögen, als in der Dynastie zuvor mit einem Zuggewicht von allgemein rund 30 kg; Trainings-Bögen der Kavallerie (?) mit 43,68 kg sowie „Gymnastik-Bögen“ zum testen der physischen Fitness von Examenskandidaten (nicht zum Schießen gedacht) mit 47 – 70 kg Zuggewicht (Selby S. 346, 348, 352 mwN).
Ursache für die hohen Zuggewichte dürfte zumindest in der frühen Zeit ggf. auch die, zum Teil mythisch unterlegte, Notwendigkeit des „richtigen Treffenmüssens“ sein:
Will heißen, dass es nicht reichte, wie etwa bei heutigen Schießübungen, ein Kill zu treffen. Vielmehr mußte so getroffen werden, dass man „Sieben Lagen Leder“ mit seinem Pfeil durchschossen hätte. Die bezeichnete Dicke war in diesen frühen Zeiten die maximale Panzerungsdicke von Kriegsrüstungen (unklar ist hier, ob man normales Leder meinte, oder Gekochtes). Diese Anforderung an das Treffens wurde immer dann als erreicht angesehen, wenn der Pfeil bis zur Befiederung im Ziel steckte (vgl. so etwa die Geschichte des mythischen Yang Youji (im 6 Jh. v. Chr. angesiedelt): Der hatte „richtig“ auf ein vermeintliches Nashorn geschossen. Als er aber zu seiner „erschossenen“ Jagdbeute kam, stellte er fest, dass er nicht ein Nashorn, sondern einen Fels „erschossen“ hatte – zumindest aber richtig, denn der Pfeil steckte bis zur Befiederung im Fels….) – Selby, S. 131f. mwN.
Ich denke jetzt mal lieber nicht nach, wie ich aussehen würde, wenn ich nur annähernd versuchen würde, mit einem Mittelwert der vorgenannten zuggewichte arbeiten zu wollen.
Ralph