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von Heidjer » 08.02.2021, 22:19
Mal kurz?
Über Wurfarmgeometrie kann man Bücher schreiben.
1. Jeder Wurfarm ist ein Hebel dessen Drehpunkt im Bogengriff liegt und die Länge des Hebels ist vom Pivotpunkt (Druckpunkt der Bogenhand) bis zur Nockkerbe am Bogentip.
2. Jedes Stück Wurfarm das sich biegt, ist ein Hebel. Die Hebellänge und damit die Hebelkräfte nehmen von der Sehnenkerbe her kontinuierlich zum Griff hin zu. Direkt unter der Sehne ist die Hebelkraft noch Null und nimmt dann immer mehr zu, darum funktionieren zum Beispiel Needletips.
3. Mit jeden Zentimeter dem man sich dem Griff nähert, wächst damit die Hebelkraft die auf den Wurfarm wirkt.
4. Will man einen guten Tiller erreichen, muss der Wurfarm zunehmend fester werden, je näher man den Griff kommt.
5. Daraus folgt, ein Wurfarm muss zum Griff hin breiter oder dicker oder beides werden.
So weit, so einfach, jetzt ein wenig Geometrie.
Eine Leiste zB 180cm lang, wird zu einen Kreissegment gebogen. Jetzt ändert sich die Länge der Leiste, sie wird auf der Außenseite länger und auf der Innenseite kürzer, nur in der Mitte (der neutralen Faser) bleibt sie 180cm lang. Die Außenseite (der Bogenrücken) wird lang gezogen und Innenseite (der Bogenbauch) wird gestaucht.
Und nun die Physik, biegt man ein Material ändern sich die Längen der Ober- und Unterseite, abhängig von der Dicke des Materials. Holz lässt sich nur sehr wenig in die Länge ziehen, dafür aber in Grenzen reversibel komprimieren.
Weiter, die Stärke der Wurfarme, oder richtiger der Widerstand gegen das Biegen, ist im Verhältnis Breite zu Dicke 1 zu 8. Also doppelte Breite bringt doppelte Stärke, doppelte Dicke sind achtfache Stärke. Dabei wird die Innenseite der Biegung aber doppelt soviel komprimiert.
Esche ist für eine sehr gute Zugfestigkeit bekannt, aber die Drucktoleranz von Esche ist nicht so berühmt und schwankt sehr stark nach Qualität des Holzes.
Voll- Halb- oder 1/3 Pyramidal gebaute Bögen müssen damit jeweils anders getillert werden. Um die Belastung des Bogenbauches nahe an die Grenze der maximalen Drucktoleranz zu bringen, damit er Leistungsfähig wird, darf er sich nur soviel biegen, wie es die Wurfarmdicke an der Stelle zu lässt, das ist sehr schwer abzuschätzen.
Bei Esche, dessen Holz sehr große Unterschiede in der Festigkeit innerhalb eines Jahrringes hat, bin ich ein Fan von Vollpyramidal da dort die Wurfarmdicke für den gesamten Biegebereich nahezu gleich bleibt und damit die Zone der höchsten Belastung für den Wurfarm immer in der gleichen Holzschicht liegt.
Bei Anteilen von Wurfarmen die zunächst Parallel verlaufen muss sich die Wurfarmdicke ändern und man muss höllisch auf das Frühholz und den "Treppeneffekt" aufpassen.
Die meisten Halbpyramidalen Eschen- und Haselbögen die ich kenne, entwickeln im Parallelen Bereich früher oder Später Knitterfalten. Für Halbpyramidale Bauweisen eignen sich Hölzer die gleichmäßiger in der Festigkeit sind wie Hartriegel, Osage, Robinie oder auch Eibe.
Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.