Nun schnell die Komfortzonen-Survival-Situation simulieren (irgendeinen Grund, um sich vor der Arbeit zu drücken, muss es ja geben) und nichts wie hinaus in den Garten. Ach ja, vorher habe ich ein paar Kriterien definiert, die ich an mein "Survival-Projekt" stellen wollte:
- Der Bogen (oder was immer dabei herauskommt) darf nicht viel Arbeit verursachen, muss schnell und leicht herzustellen sein.
- Ich muss direkt verfügbares Material verwenden können. Was könnte verfügbarer sein als grasgrüner Hasel?
- Funktionieren sollte das Ergebnis dann schon.
- Wertige Ausführung, exakte Maße
- Rinde entfernen
- Pfeilbau (hätte zwar dazu gehört, aber so viel Zeit für den Kampf um mein Survival mochte ich dann doch nicht aufbringen)
- Naturmaterial für die Sehne (davon habe ich nicht die geringste Ahnung)
- Mittelwicklung für die Sehne
- Authentischer Nachbau eines Bogens
- Ein Schweizer Taschenmesser aus dem Nachlass meiner Tante
- Feuerzeug für das Anschmelzen der Sehne
Da steht der Hasel noch in seiner gewohnten Umgebung.
Der geerntete Sapling
Aufgespannter Bogen, nachdem ich die Nocks grob hineingesägt habe
Sehne (zweiter Vesuch; beim ersten Versuch habe ich die Bogenlänge zu gering eingeschätzt.
Schusstest 1: 5 m Distanz
Schusstest 2: 5 m Distanz
Schusstest 3: 10 m Distanz
Schusstest 4: 10 m Distanz
Schusstest 5: 10 m Distanz
Schusstest 6: 10 m Distanz
Entwicklung von 4 cm Set während der bisherigen Prozedur
Beginn: 10.04.2014, 9:40 Uhr
Ende: 10.04.2014, 10:50 Uhr
Daten (nach meinem "erfolgreichen Survival" ermittelt):
Afrika-liker Bogen, Hasel mit Rinde, komplett unbehandelt
Länge: 1,68m (66")
Länge NtN ungespannt: 1,58m (62")
Länge NtN gespannt: 1,55m (61")
Zuggewicht: 25#@26", 27#@ca. 28"
Standhöhe: 14,8 cm (5,8")
Durchmesser oberer Wurfarm: 2cm (0,8")
Durchmesser unterer Wurfarm: 3 cm (1,2")
Set: 4 cm
Holzfeuchte: >44% (Messbereich meines Messgerätes überschritten)
Bewertung des Bogens:
- Primitivbogen in des Wortes doppelter Bedeutung
- Kein Nockpunkt festgelegt; die Pfeile reiten und wedeln lustig vor sich hin, allerdings weniger als ich erwartet habe
- Langsamer Pfeilflug; Vorhalt nach rechts und nach oben wäre notwendig
- Alles in allem kein präzises Trefferbild. Das kann aber heute auch sehr an meiner Schießtechnik gelegen haben.
- Ich bin verblüfft, dass dennoch Pfeile im Ziel gelandet sind. Eindringtiefe ca. 7 cm.
Das war ein äußerst intuitiver Bogenbau. Jegliches Ermitteln von Messwerten erfolgte erst nach Abschluss der Probeschüsse. Alle Arbeitsgänge habe ich gröbstens Pi mal Daumen durchgeführt und immerhin eine Flitsche produziert, deren Pfeilwurf eine gewisse Ähnlichkeit mit einem üblichen Pfeilflug hat.
Mit einem brauchbaren Taschenmesser und vernünftigem Sehnenmaterial kann man durchaus einen Bogen bauen. Wie ich der Literatur entnommen habe, sind die afrikanischen Bögen ohnehin nicht gerade Performance-Wunder. Für größere Distanzen ist so ein Bogen offenbar nicht besonders geeignet. Meine Frau war jedenfalls erheitert, als sie das Schmuckstück gesehen hat.
Für mich hat der Bogen aber auf jeden Fall Perspektive. Ich habe heute mitgenommen, dass ich mit meinen bisherigen Kenntnissen durchaus mit meinem Enkel ein wenig Abenteuer spielen kann. Vielleicht kann ich ihm für den Bogensport ja die Nase lang machen. Außerdem habe ich heute den Bogen mit der Durchsteige-Technik aufgespannt. Das würde ich mit meinen anderen Bögen eher nicht machen; dazu liegen sie mir zu sehr am Herzen. Jetzt lasse ich den Hasel eine Zeitlang in Ruhe trocknen und schaue dann, was er macht. Vielleicht gibt es dann noch ein wenig Finish.
Ich hoffe, Ihr habt ein wenig Spaß mit meinem Beitrag und grüße Euch ganz herzlich.
Macht Späne
Ralf