Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Sättel, Zaumzeug, Reiterbogen, Kompositbogenbau, usw.
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Snake-Jo
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Snake-Jo »

@Feanor: Was das Wärmetillern angeht: Je mehr Erfahrung man mit einem bestimmten Bogentyp hat, umso mehr kann man darauf verzichten. ich habe schon Komposits gehabt, die nach dem ersten Aufspannen schon ziemlich korrekt aussahen und dann wieder andere, die wollten einfach nicht und brauchten viel Liebe ähem...Wärme. ;D Bei einem asymmetrischen ist es schwierig, ohne Wärmebehandlung auszukommen.
Ich will auch garnicht lange lobhudeln. Was mir auffällt ist, dass die Kommentare von Penumbra von einem tiefen Verständnis für die Materie sprechen. ich denk dann oft: Ja, so hätt ich es auch gemacht. Also Zustimmung bis zum Ende! :)
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Penumbra
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Penumbra »

Danke für die Komplimente, aber genug Zucker in den Ar... geblasen, das verfälscht dann nur meine Autopsie :D
Um noch mal zum Tillerprozess: Wenn der Holzrahmen fertig getillert ist, kann ich den ganzen Bogen später über das Horn und den Sehnenbelag wieder in die ursprüngliche Form des Holzrahmens tillern. Kompliziert wird es erst, wenn der Bogen einen zusätzlichen Reflex durch den Sehnenbelag und Horn aufweist (siehe osmanische Bögen, usw.) Der Reflex bewirkt ja dann mehr Biegung in Richtung Griff und das muß ich dann alles vorher einberechnen, auch wenn es bei den meisten Bögen (meist parallele breite WA´s) so sein soll. Man muß das Bogendesign als solches verstehen und die Gesamtheit in der Funktion. Bei dem Hunnen wäre das Material völlig überbelastet, wenn sich die Biegung nicht über die ganzen WA´s verteilen würde, deswegen sind WA´s ja auch in der Breite getapert. Duch den enormen setback im Griff machen die Wurfarme einen enormen Weg, bevor sie die Standhöhe erreichen, was bei einem geraden Bogendesign schon Vollauszug bedeuten kann. Beim Hunnen kommt ja bedingt durch das Design ein Auszug von mindesten 32" eher Richtung 35" in Frage. Was wiederum Rückschlüsse zum Pfeil aufweist, hier gehe ich schon von fliegenden Besenstielen aus, ähnlich der Engländer. Denn die Frage ist ja auch, konnten die Hunnen die sehr guten Rüstungen und Schilde der Römmer durchschlagen? War das das Erfolgsrezept?

Es wird sich noch einiges klären und viele Fragen beantwortet werden können durch den Bau.
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Sjaunja
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Sjaunja »

Penumbra hat geschrieben: Denn die Frage ist ja auch, konnten die Hunnen die sehr guten Rüstungen und Schilde der Römmer durchschlagen? War das das Erfolgsrezept?

Es wird sich noch einiges klären und viele Fragen beantwortet werden können durch den Bau.

Ziemlich OT: Als die Hunnen auf die Römer stiessen, waren die römischen Legionäre im Vergleich zur späten Republik und dem frühen Kaiserreich fast nicht mehr oder nur noch sehr wenig gepanzert, maximal mit der lorica hamata, wenn überhaupt. Die Schilde waren oval oder rund und flach, also nicht gewölbt, der gladius war durch die spatha ersetzt und das pilum war weitestgehend durch Speer ersetzt. Die typischen Römerhelme aus Asterix gab's auch nicht mehr. Die germanischen 'Hilfstruppen' sollen sich bei der Schlacht auf den katalaunischen Feldern ja auch ziemlich über die eigentlichen römischen Truppen und deren Kampfkraft amüsiert haben (Quelle: Fall of the Roman Army: The Military Explanation, Arther Ferrill).

Grüsse,
Sjaunja
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Snake-Jo
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Snake-Jo »

Um den Work-along von Penumbra nicht zu sehr mit Nebenfragen ausufern zu lassen, habe ich mal einen eigenen Thread aufgemacht und alles zum Thema gehörige hinkopiert.
Thread: Fragen zur Bogensehne und zu Pfeilen beim Kompositbogen

viewtopic.php?f=10&t=17493&p=294955#p294955
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Penumbra
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Penumbra »

Nach einer weiteren Woche tillern, ein paar schnelle Werte zum Bogen:
Leistung: 20“ = 38lbs, 22“ = 44lbs, 24“ = 50lbs, 26“ = 55lbs, 28“ = 61lbs, 30“ = 66lbs, 32“ = 72lbs (alles gemessen mit einer Personenwaage, also auf oder abgerundet)

• Geschwindigkeit: Pfeil 500grs, 30“Zoll lang = 7,7 grs/lbs = 196-197 fps (Auszug:29,5“)
• Geschwindigkeit: Pfeil 650grs, 32“Zoll lang = 9,2 grs/lbs = 185-187 fps (Auszug:31,5“)
• Bogengewicht gesamt: 817 gramm, Sehne: 20 strang fastflight

Bis 32“ zieht der Bogen ziemlich linear weich aus, die nächsten Tage werde ich auf 34“ oder weiter gehen, je nach Sehnenwinkel. Die Leistungsdaten sind auf dem ersten Blick ziemlich identisch bei 9-10 grs/lbs mit den osmanischen/türkischen Kompositbögen, was doch recht überraschend ist. Dies wird ein leichter Kriegsbogen, wobei bei 70 lbs/28“ und mehr bei fast gleichem Bogengewicht der Wirkungsgrad gut steigen wird. Hier würde schon 1/2mm mehr WA-Dicke im Holz ausreichen. Bei niedrigeren Zuggewichten wird der Wirkungsgrad recht rapide fallen.
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mablung
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von mablung »

Hallo
ich war letzte Woche bei Andre zum Kompositbogenbaukurs und hatte da das Vergnügen den "Hunnen" mal zu schießen.
Ich denke ich habe ihn nur auf 28" gezogen, er ließ sich total leicht ziehen trotz des für mich hohen Zuggewichtes. Die geweihbelegten Siyahs sehen absolut genial aus. Der Bogen liegt gut und schwer in der Hand, Handschock war keiner zu spüren.
Ich habe ja am eigenen Leib erfahren wie mühsam es ist Sehne aufzufasern :'( , Respekt vor Andre (und seiner Frau), die breiten Wurfarme des Hunnen brauchen ja im Vergleich zu meinem Bogen bestimmt das dreifache an Sehne.
Ich konnte auch noch einige andere Bögen von Ihm schießen, das ganz neue Model ist aber mein absoluter Favorit, leicht, kurz und geschmeidig und absolut schnell. ;D
Danke nochmal an Andre für die sehr lehrreichen Tage ( und das leckere Essen)
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benzi
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von benzi »

Sateless hat geschrieben:könnte man dieses "kettenhemd hält was aus" bitte von der tollen rekonstruierenden interprätation des hunnenbogens abtrennen und dann meinen post löschen?

ich fand das so schön, aber dieses geseier passt da nicht zu, auch wenn es ebenfalls interessant ist.
diese Bitte möchte ich unterstützen!

benzi

PS Anubis, poste Deine Beiträge doch hier, Du kannst sie auch selber dahin kopieren!

http://www.fletchers-corner.de/viewforum.php?f=21
"Du hast den Verstand verloren, weißt Du das?" "Dafür hab ich ein Leben lang üben müssen"
(Peaceful Warrior, Film)
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Snake-Jo »

Dem Wunsch wurde entsprochen. :)
Das durchaus interessante Thema "Kettenhemd" sollte in einem anderen Faden, wie von Benz vorgeschlagen, gepostet werden. Da die wesentlichen Eingaben von Anubis schon selbst gelöscht wurden, habe ich mir erlaubt, die Folge-Antworten herauszunehmen und somit den Faden etwas "bereinigt". Dies ist keine Mißachtung gegenüber den Schreibern, sondern dient nur der Übersichtlichkeit.
Dazu noch an Penumbra die Bitte, seinen Build along-als Pdf zu speichern und als Anhang einzustellen. Damit haben wir dann beim nächsten Hack die Sache auf Dauer gesichert. ;)
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Snake-Jo »

Paßt hier ganz gut in den Faden und daher mein Hinweis:
Demnächst erscheint endlich unser Rekonstruktionsversuch eines Hunnenbogens in Publikation. Wer den Artikel haben möchte (ca. 45 Seiten) sollte sich möglichst die Zeitschrift besorgen. Das kommt sicher billiger, als wenn man Kopier- und Rücksendekosten einrechnet. Ich stelle bei Erscheinen des Artikels dann das Literaturzitat ein.
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von kra »

besser geht es noch mit Felgenbändern (aus Gummi) vom Fahrad. Damit kann man eine definierte Spannung aufbringen, sie sind breit genug (damit das Wickeln nicht zur Qual wird), haben eine scharfe Kante (sonst bekommt man keine glatte Sehnen-Lage) und man kann sie leicht mit der HLP anwärmen, um noch etwas überflüssigen Leim ausfließen zu lassen, was den Sehnenanteil erhöht und das blöde "Knacken" :o beim ersten aufspannen vermeiden hilt.

Zudem lassen sie sich nach dem Gelieren ziemlich leicht wieder abwickeln. Allerdings aknn man den Belag nicht darunter trocknen lassen
“Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.”
– George Bernard Shaw
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Snake-Jo »

@kra:
Mmmh, ja, aber wo ist der Hinweis/ Zitat? Hab ich da aus Versehen was gelöscht? ??? ???
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konni1960
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von konni1960 »

hallo !! ein frage zu diesem bogen ?
warum baut man ihn asymetrisch und was hat das für vorteile oder sinn gegenüber symetrischen bogen !

gruss konni
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Squid (✝)
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Squid (✝) »

Da gibts verschiedene Gründe.
Ganz praktisch: Je kürzer der untere Arm, desto besser lässt sich das Ding zu Pferd bedienen. Das mag für Hunnen durchaus von Belang sein... ;)
Dann ist ein kurzer Wurfarm oftmals schneller als ein langer - damit ist dann der beim Schuss leicht abhebende Pfeil gewährleistet. Vermeidet Schrammen beim Schießen über den Handrücken...
Und schließlich: Irgendwo muss der Griff ja positioniert sein. Die Debatte ist so alt wie der Bogen (vermute ich): Mittiger Griff oder mittige Pfeilauf-/anlage mit nach unten versetztem Griff?
Der Hunne an sich hat sich offenbar für den nach unten versetzten Griff mit mittiger Pfeilanlage entschieden.
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.
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konni1960
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von konni1960 »

aber man kann ihn auch symetrisch bauen ? ???
ich will ihn ja auch nicht vom pferd ausschiesen !

grus konni
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Squid (✝)
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Squid (✝) »

Dann ist es halt nicht mehr die "Rekonstruktion eines hunnischen Kompositbogens" sondern "nur" ein Kompositbogen.
Aber die werden sich bei der Bauweise schon irgendwas gedacht haben... zwecks Eroberung eines Weltreiches...
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.
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