Warum Horntips auf engl. Lanbogen?

Themen zum Bogenbau
Bogi
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Beitrag von Bogi »

Snake,
natürlich ist es ein erheblicher Aufwand eine Hornnock anzubringen. Etwa genauso aufwändig wir Hornnocks in Pfeile einzuspleißen, oder eine Kriegsspitze zu schmieden (Arbeitsszeit ca. 40-60 Min.) Haben "sie" das damals dann auch gelassen und die Pfeile ohne Spitze verschossen? O.K. eine etwas provokante Antwort, ich möchte nur darauf verweisen, dass a) die Arbeitszeit "damals" nichts zählte, im Gegensatz zu heute. Und b) Ein Bogner aus einem vorbereiteten Stave innerhalb von vier Stunden einen Bogen bauen konnte.
Auf der anderen Seite ist leider kein Bogen aus dem MA erhalten geblieben, somit sind wir "verdammt" uns an diesen Bildern zu orientieren, welche mit Sicherheit auch der "künstlerischen Freiheit" unterliegen.
Ich habe nochmal hier :SMA-Bögen
nachgesehen und doch mehrere Bögen ohne Hornnocks entdeckt. Wer weiß schon wie es "wirklich" war ...?
Gut Schuss und allzeit blauer Himmel
Bogi
der_prinz
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Beitrag von der_prinz »

Natürlich ist es etwas aufwendig Horntips herzustellen, aber die werden für die Kriegsprügel vielleicht auch nicht gerade hochglanz polierte Edelteile gemacht haben. Dennoch schätze ich mal, dass Kriegsbögen, wenn auch Massenware, durchaus auch Präzisionsgeräte waren (so wie heutige Kriegswaffen wohl meistens auch), die sich vor allem durch zwei Dinge auszeichneten:

1. sie sind tödlich wirkungsvoll
2. sie sind wiederstandsfähig

Und gerade Punkt 2 spricht für Horntips, um den Bogen gegen Witterungseinflüsse zu schützen.

Aber im Grunde muss ich Bogi zustimmen: Wer weiss es schon genau...
Gott zum Gru?e
Gawain of Greenwood
horsebow
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Beitrag von horsebow »

Auch ich muß Bogi zustimmen, der Mann hat nämlich wirklich Ahnung von der Materie!

In meiner usergalerie findet ihr u.a. Darstellungen englischer Bogenschützen des hundertjährigen Krieges aus der Chronik von Jean Froissart, die als sehr detailgetreu gilt. Alle abgebildeten Eibenbögen (Wie Rabe schon sagte, die Eibenbögen werden zweifarbig dargestellt, dunkler Bauch und heller Rücken, entsprechend Eibenkern- und Splintholz) haben Hornnocken.

Gruß, horsebow
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Longfellow, Oct. 16, 1845
Bogi
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Beitrag von Bogi »

@Snake,
Das die damals aufgestellten Bogentruppen nur mit "Schießknüppeln" ausgestattet waren, wage ich ebenfalls in Zweifel zu ziehen. Selbstverständlich kann man bei Truppenverbänden von bis zu 9000 Bognern von "Massenware" sprechen. Aber ein Bogner bekam damals laut engl. Soldliste 6 Schilling, im Gegensatz dazu gab es für die Infantrie lediglich max. 3 Schilling.(English Longbowman 1350- 1515, Osprey Verlag) Somit kann man mit etwas wohlwollen gar von einer "Elitetruppe" sprechen, die garantiert nicht mit minderwertigen Waffen ausgestattet waren.

@Horsebow
Danke für die Blumen :knuddel
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Bogi
Erbschenk
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Beitrag von Erbschenk »

@Bogi
Ich glaube du meinst 6 Pence pro Tag an Sold,
dieses auch nur wenn beritten.
Ritter bzw.gepanzerte Infantrie lag bei 1Shilling und 2-4 Pence.

Zu den Knochendeformationen, es ist noch nicht lange her das in den USA ein geübter Pistolenschütze vermisst wurde.
Als die Leiche auf gefunden wurde wurde er über
eine übermässige Kalkablagerung im Handgelenk
identifiziert.
Wie gesagt es war ein geübter Pistolenschütze.

mfg. Erbschenk
Bogi
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Sorry

Beitrag von Bogi »

@Erbschenk
stimmt, ich habs jetzt noch mal nachgeschlagen. Meinen Beitrag habe ich in der Mittagspause verfasst und aus dem Gedächtnis mit Zahlen um mich geworfen. Soll nicht wieder vorkommen.

Ab dem 15. Jhdt. war es egal, ob beritten, oder nicht - es gab 6d (Pence) pro Tag. Vorher wurde unterschieden zwischen berittenen und Fußschützen. Da war es wie du schon sagtest 3d pro Tag.
Selbst wenn man bei 3d von 220 Arbeitstagen pro Jahr ausgeht, wobei nicht anzunehmen ist, das es eine 5-Tagewoche gab, käme ein Schütze auf 55 Schilling im Jahr!
12d sind ein Schilling und 20 Schilling waren ein Pfund.
Da diese Zahlen so kaum einen Vergleich zulassen, ist der Lohn eines Landarbeiters (Pflüger) nach der Pest (1351) zum Vergleich genannt. Der lag bei 10 Schilling pro Jahr!

Ich habe übrigens noch ein Bild vom "Archery Festival 1493" erhalten. Zu sehen im Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerp. Viele Bogenschützen und der Bogen ganz vorne - mit Hornnocks. Weiter hinten verliert sich dir Detailtreue leider etwas, so dass ich nicht mit Sicherheit sagen kann, dass welche drauf sind.

So, jetzt habe ich mal wieder gelernt nicht einfach aus dem Kopf etwas aufzuschreiben, sondern erst mal wieder nachzuschlagen. Danke für den Hinweis!
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Erbschenk
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Beitrag von Erbschenk »

@Bogi
Das sollte keine Zurechtweisung sein.
Ich war halt nur der Meinung da bist du etwas in der hier zulande nicht üblichen Währung verrutscht.

:-)

mfg. Erbschenk
Bogi
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Beitrag von Bogi »

Das habe ich auch nicht so verstanden.
Es ist aber so, das der nächste hier liest sich wohl nicht die Quelle dazu durchliest. Dann wird wieder einmal duch "Hörensagen" falsches Wissen weitergetragen und gerade im Bereich Mittelalter ist das nicht tot zu kriegen.
Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass ich mich zukünftig erst in die Quelle begebe und dann poste! Nichts ist schlimmer als die Aussage - " Also ich habe da irgendwo mal gelesen ..."
Gut Schuss und allzeit blauer Himmel
Bogi
der_prinz
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Beitrag von der_prinz »

Ich habe übrigens noch ein Bild vom "Archery Festival 1493" erhalten.
@bogi: hast Du das schon in Deiner Gallerie ?
Gott zum Gru?e
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Bogi
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Beitrag von Bogi »

Habs noch nicht hochgeladen, weil ich mir nicht sicher bin, ob der Paltz des Servers wieder ausreicht. Ich finde nämlich den Thread nicht wieder, wo das besprochen wurde....
Ansonsten lade ich es hoch, sobald grünes Licht gegeben wird.
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Beitrag von Bogi »

Ich habs jetzt einfach mal reingesetzt, ist ja nur ein ganz kleines...
Zu finden unter Langbogner
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Snake-Jo
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Beitrag von Snake-Jo »

@Bogi: danke noch für den Hinweis auf die Bilder. Habe sie alle angeschaut und ein Lesezeichen gesetzt:-)

Nun wissen wir also, dass es auf mittelalterlichen Bögen Horntipps gab, dass aber auch Langbögen ohne Horntipps geschossen wurden. Nun könnte man sicherlich auf den alten Gemälden noch eine Auswertung vornehmen, ob die Horntipps eher auf Jagdwaffen (Jagdszenen), bei Schießwettbewerben, oder bei großen Schießschamützeln zu sehen sind. Außerdem wäre noch eine Auswertung möglich, welche Bevölkerungsgruppen nun Horntipps drauf hatten. Immer vorrrausgesetzt, die Maler haben halbwegs korrekt wiedergegeben.
Noch mal eine allgemeine Frage: Ist denn in den Waffenkammern der alten Burgen aus dem Mittelalter niemals ein Bogen stehengeblieben?
horsebow
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Beitrag von horsebow »

@Snake-Jo: Tatsächlich gibt es keinen einzigen erhaltenen Langbogen aus der Zeit des Hoch- und Spätmittelalters. Es gibt auch meines Wissens nur einen einzigen erhaltenen Pfeil.
Das hängt zum einen natürlich mit der Vergänglichkeit von Holz zusammen, zum anderen sicherlich mit der plötzlichen Geringschätzung der Waffe während der fast gewaltsamen Umstellung vom Bogen auf Feuerwaffen, wobei sicherlich Arsenalbestände vernichtet oder verscherbelt worden sind. Einer der Gegner der Feuerwaffen wurde damals kurzerhand 10 Jahre in den Tower gesperrt...
Erhalten sind aus dem Frühmittelalter z.B. Wikinger- und Alamannenbögen und englische Langbögen aus der Renaissance, nämlich die Mary-Rose-Bögen aus dem Flaggschiff Heinrich VIII. , das 1545 vor Portsmouth gesunken ist. Diese sind allerdings sehr genau untersucht (siehe Hardy, Longbow).

Gruß, horsebow
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der_prinz
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Dann werde ich mal ketzerisch...

Beitrag von der_prinz »

...und behaupte, dass Ihr alle ziemlich gute Augen oder eine blühende Phantasie haben müsst. Oder Ihr seht, was Ihr sehen wollt.

Ja, auf den Zeichnungen könnten Horntips zu sehen sein, aber wirklich sicher ist es nicht (zumindest auf keinem der Bilder, die bisher als "Beweis" angeführt wurden) und ja, es könnten helle Splintholzrücken und dunkle Kernholzbäuche sein, aber es könnten auch Licht und Schatten sein, die der Maler eingetzt hat, die einen Eibenbogen suggerieren.

Ist es nicht waghalsig, sich auf solch diffuse Quellen zu verlassen. Ja, es sind die Einzigen, die wir haben, aber mal im Ernst. Das beweist doch blos, dass wir schlichtweg garnix über englische Langbögen des Hoch- und Spätmittelalters wissen.

Vielleicht würden sich die alten Archers totlachen über das, was wir zu wissen glauben...

Nur mal so zum Nachdenken ;-)
Gott zum Gru?e
Gawain of Greenwood
Bogi
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Beitrag von Bogi »

Die alten Handelsverzeichnisse, sowie die Zollgesetze geben einen guten Überblick über den Handel mit dem begehrten Eibenholz . Die Venizier haben lange Jahre fast exklusiv mit erstklassiger Eibe gehandelt. Später haben die Engländer einige Einfuhrbestimmungen "erfunden", um an die Eiben- Staves heranzukommen.
1472 Edward IV Für jede Tonne Güter gleich welcher Art mussten 4 gute Staves als Zoll geliefert werden
1482 Richard III Für jedes Fass Wein aus Spanien sind 10 gute Staves als Zoll zu entrichten. (Zu der Zeit galten die spanischen Eiben als die erstklassigsten der noch verbliebenen Eibenbestände)

Und zu den Hornnocks: Soooo gute Augen brauche ich nicht, um die dunklen Enden an den Bögen als Horn zu identifizieren. Außerdem haben Bogenschützen immer gute Augen, gelle?
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Bogi
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