mentales Training

Bogenschiessen in der Praxis, mediterran, Daumentechnik u.a.
benz

mentales Training

Beitrag von benz »

Hallo zusammen,

viele kennen es, die auf Turnieren schiessen, es läuft ganz gut, dann kommt die Nullerscheibe, anstatt den Kopf für die nächste Scheibe frei zu haben, kreisen die Gedanken um das "warum", egal ob Wut oder Unsicherheit, wir haben den Kopf nicht frei und versauen die nächsten 5 Scheiben, obwohl wie es eigentlich besser können. Kommt Publikum und/oder ein Pferd dazu, wird alles u.U. noch schlimmer.

Was habt Ihr für Strategien dagegen? Wie gelingt es Euch über ein Tief möglichst schnell hinweg zu kommen? Wie läuft mentales Training in anderen Sportarten?

liebe Grüße benzi
Finrod
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Re: mentales Training

Beitrag von Finrod »

cool von dir. Habe gerade ein Buch darüber fertiggelesen.

Also als Ursachen für schlechte Ergebnissen wurden unter anderem "verurteilen" -man nimmt es nicht so an wie es ist, sondern wertet seine Schüsse und identifiziert sich mit denen,
"loben" -versteckte Kritik. Man versucht dann das was man getan hat, zu wiederholen.
Und ganz allgemein schießt man dann schlecht, wenn man sein Bewusstsein, sein Ego einschleust und nicht lediglich das Unterbewusstsein die Arbeit machen lässt.

Noch anzumerken wäre Konzentration. Denn darum ginge es. Ist man konzentriert, ist man im hier und jetzt und nicht IN seinem Kopf.

Um die zu steigern und zu lenken, soll man sich auf einen Punkt konzentrieren und zwar so genau wie möglich.

Gefährlich seien die Pausen. In denen sollte man sich, sobald man merkt, dass der Kopf wieder anfängt zu brabbeln oder abdriftet, auf die Atmung konzentrieren.

Training wurde auch angeschnitten. Man sucht sich ein Vorbild und macht Rollenspiel.  Dann wurde noch strikt von den konventionellen Trainingsmethoden abgeraten, bei denen man eine Bewegung ausführt und dann anhand dieser Anpassungen macht. Das würde einen aus dem Hier und Jetzt holen und würde wieder das Bewusstsein reinholen (und mit ihm verbale Erklärungen). Stattdessen sollen die Bewegung "erlebt" werden.
Das heißt, man verlagert alle Aufmerksamkeit auf das Fühlen. Oder auf das Sehen. Oder auf das Hören. Besonders das Hören hat er empfohlen, da es oft vernachlässigt wird.

Um nochmal auf ein Problem einzugehen. Der Autor stellte fest, dass verbale Erklärungen zur Technik zu negativen Folgen führte.
Besonders interessant war ein "Tipp" von ihm: Sollte ein Gegner eine überraschend gute Serie abliefern, frage man ihm nach seinem Geheimnis. Sobald er dann anfängt zu grübeln, hört die Serie auch schon auf.

Das Buch ist mit vielen Anekdoten gefüllt und für sich auch sehr plausibel und logisch. Ich konnte es noch nicht ausprobieren, empfehle es aber trotzdem. Sehr unterhaltsam. Man sagt ihm übrigens nach revolutionär gewesen zu sein.

Das Buch: Timothy Gallwey. The Inner Game of Tennis.
Vom gleichen Autor ein Nachfolger namens: The Inner Game of Golf. (nicht gelesen).

PS:
Ja, mir ist aufgefallen, dass es über Tennis geht. Ich selber habe nie was damit zutun gehabt und kann versichern, dass jedes Prinzip zu 100% auf das Bogenschießen und auch auf jeden anderen Bereich des Lebens angewandt werden kann. Tennis ist hier nur ein Medium.
atitude
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Re: mentales Training

Beitrag von atitude »

Guckst du: Jay Kidwell-Instinctive Archery Insights!
Ich habe einiges gelesen:Asbell,Tuchan,Herrigel und sogar den Bodnik, aber Kidwell bringt es absolut auf den Punkt!
Gruss Peter
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Angela
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Re: mentales Training

Beitrag von Angela »

benz hat geschrieben: viele kennen es, die auf Turnieren schiessen, es läuft ganz gut, dann kommt die Nullerscheibe, anstatt den Kopf für die nächste Scheibe frei zu haben, kreisen die Gedanken um das "warum", egal ob Wut oder Unsicherheit, wir haben den Kopf nicht frei und versauen die nächsten 5 Scheiben, obwohl wie es eigentlich besser können. Kommt Publikum und/oder ein Pferd dazu, wird alles u.U. noch schlimmer.
kenne ich nur allzugut, das Wochenende war ja mal wieder ein Klassiker in dieser Hinsicht  ;) Bei mir kommt (im übertragenen Sinne  ;D) die "Torschlusspanik" dazu: Wenn's mal nicht so gut läuft, denke ich mir "Mist, nur noch 3 Galopps, jetzt musste unbedingt mal Punkte machen", man stresst sich selbst - und dann geht erst recht nichts mehr. Oder umgekehrt, wie in Radebeul, bis zum 6. läuft's gut, und man fängt an zu rechnen, was man punkten KÖNNTE wenn man jetzt noch trifft - und prompt trifft man (bzw ich) nicht mehr.

Wenn man wirklich so sehr den Kopf frei bekommen könnte, dass man einen verpatzten Schuss/Galopp sofort verdrängen könnte, um für den nächsten frei zu sein, wäre das ein immenser Vorteil. Aber bis jetzt habe ich auch keine Lösung gefunden (außer immer Treffen, damit man sich gar nicht erst ärgern muss  ;))
benz

Re: mentales Training

Beitrag von benz »

mh, zunächst mal bin ich etwas überrascht wie wenig Antworten hier kommen, reden die Krieger nicht gerne über ihre inneren Angelegenheiten?  ;D

Ich fange Jagdturniere oft sehr gut an, irgendwann, so ab Scheibe 7-10 fang ich dann an mir Gedanken zu machen wie das Ergebnis aussehen könnte wenn ich so weiterschiessen würde, dadurch kommt dann ein Loch, das erst wieder überwunden ist, wenn ich denke, ok nun kannst eh nicht mehr gewinnen....

Erst wenige Male ist es mir gelungen 28 Scheiben durchzuschiessen, ohne in ein solches Loch zu fallen.
In Radebeul, meinem ersten Turnier mit meiner Rika, hab ich nach den ersten beiden Galopps Steppi die Punkte sagen hören, ich konnte nicht anders als sie hochzurechnen, ich hab nicht ein mal mehr getroffen und meine Rika hat mir die Rechnung für meine negativen Gedanken präsentiert, indem sie losgerannt ist oder garnicht mehr auf die Bahn wollte....

Ich denke weit über 60% unserer Erfolge, bzw Misserfolge spielen sich im Kopf ab.

@Finrod
gibts den Timothy Gallwey auch auf Deutsch? Ist ein bischen ein komplexes Thema für meine Englischkenntnisse...
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Peter O. Stecher
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Re: mentales Training

Beitrag von Peter O. Stecher »

Zitat atitude: Guckst du: Jay Kidwell-Instinctive Archery Insights!
Ich habe einiges gelesen:Asbell,Tuchan,Herrigel und sogar den Bodnik, aber Kidwell bringt es absolut auf den Punkt!


Gibt's jetzt auch auf Deutsch, mein gefiederter Freund, bei Vorderegger!!

LG
Peter
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Niels

Re: mentales Training

Beitrag von Niels »

Tja Benzi, was soll man dazu schreiben, wenn genau das das eigene Problem ist, für das man einfach noch keine Lösung gefunden hat. Im Training läuft es halt einigermaßen und im Wettkampf nie. Ich fange langsam an, mich damit einfach abzufinden, die Treffen zu genießen, Spass zu haben und gut ist es. Schwierig gestaltet es sich dabei nur, sich von dem allgemeinen, ja durch durchaus nachvollziehbaren Ehrgeiz der anderen nicht anstecken zu lassen. Gerade wenn man vor dem eigenen Start als Moderator für die Zuschauer die Spannung aufbaut, die man selbst eigentlich tunlichst vermeiden will.

Finrods Ausführungen klingen mir ganz nachvollziehbar, aber ob ich sie je umsetzen könnte, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls ist es ein sehr spannendes Thema, gerade weil ich überhaupt keine Antwort habe.
Zuletzt geändert von Niels am 20.05.2008, 13:51, insgesamt 1-mal geändert.
benz

Re: mentales Training

Beitrag von benz »

schade Niels, auf Deine Antworten hatte ich gehofft, ich dachte Du hast vielleicht in anderen Sportarten vom Trainer entsprechende Anleitungen bekommen, z.B. nach einem verschossenen Elfmeter, den Kopf wieder frei zu bekommen.........
Steppenreiter hat geschrieben:

Das mit dem Krieger kann ich nicht nachvollziehen, dendn dieses Problem, das du beschreibst hat jeder, der sich einem Wettkampf oder einer Prüfung stellt, also jeder Pennäler bei einer Klassenarbeit, verkrampft er - verhaut er alles.
Ich sehe das etwas anders und würde zwei verschiedene Abschnitte unterschieden:

1. grundsätzliche Nervosität vor einem Wettkampf (da stimmt Steppis Beispiel)

2. die Gedanken die einen beschäftigen, wenn etwas schief gegangen ist
Zuletzt geändert von benz am 20.05.2008, 14:28, insgesamt 1-mal geändert.
Polvarinho
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Re: mentales Training

Beitrag von Polvarinho »

benz hat geschrieben: mh, zunächst mal bin ich etwas überrascht wie wenig Antworten hier kommen, reden die Krieger nicht gerne über ihre inneren Angelegenheiten?  ;D
Doch, Benz, das tun sie.

Aber sie haben eben auch weder die Zeit, noch die Lust sich permanent bezüglich der immer gleichen Themen zu wiederholen.....
Claus
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benz

Re: mentales Training

Beitrag von benz »

Das Golfbuch, Inner Game Golf - von W. Timothy Gallwey, ist 2007 in der zweiten Auflage in deutsch erschienen:


Inner Game Golf - von W. Timothy Gallwey
ISBN: 3-9809167-0-7alles im fluss – Verlag
Hardcover, gebunden, 282 Seiten, 5 Illustrationen und 2 Tabellen
24,80
Finrod
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Re: mentales Training

Beitrag von Finrod »

Wobei das Englische wirklich nicht schwer war. Ist ja kein Psychologe oder Akademiker, der es schrieb, sondern ein Sportler. Dazu sollte ich sagen, dass es ein weeenig philosophisch ist und klar in Richtung Osten. Sprich: Zen.

Einmal wurde sogar Herrigels Kyudobuch erwähnt.
Im Allgemeinen könnte ich mir beim Kyudokas( ?_? ) sehr gut vorstellen, dass sie auch mental trainieren. Vielleicht äußert sich mal jemand
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Peter O. Stecher
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Re: mentales Training

Beitrag von Peter O. Stecher »

Benzi, Dir fehlt etwas, wie vielen von uns, das Hemingway: "Grace under Pressure" nannte...

Das muss nicht durch Training kommen.
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benz

Re: mentales Training

Beitrag von benz »

Negley hat geschrieben: Benzi, Dir fehlt etwas, wie vielen von uns, das Hemingway: "Grace under Pressure" nannte...

Das muss nicht durch Training kommen.
ok für Grace hab ich folgende Übersetzungen:

die Anmut 
die Gnade 
die Grazie 
die Gunst 
die Huld 
der Liebreiz 
die Verzierung 

Wobei ich schon einige weggelassen habe, die in diesem Zusammenhang keinen Sinn ergeben.
Polvarinho
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Re: mentales Training

Beitrag von Polvarinho »

-> Grace under pressure Cool sein und bleiben, auch in besonderen Situationen Cool bleiben und seinen Fokus finden<- ist vielleicht eine etwas freiere und noch weiter reichende Übersetzung.....
Claus
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benz

Re: mentales Training

Beitrag von benz »

danke Claus!

je mehr ich im IN komuniziere, desto mehr merke ich, dass Menschen unter verschiedenen Begriffen völlig verschiedene Dinge verstehen und daher oft komplett aneinander vorbei reden oder schreiben.

Ineinem anderen thread wurde deutlich, dass Fokus direkt verbunden wurde mit der Farbe oder der Größe des zu treffenden Zieles.

Claus, ich denke Du verstehst etwas anderes darunter?
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