Die "Trompeten" der Wikingerbögen

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Wilfrid (✝)
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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von Wilfrid (✝) » 10.05.2008, 18:52

was ich noch vergass
Wie bauen denn heutzutage Nordjütländische Opas ihren Enkeln Bögen?
Bogenschützen sind irgendwo alle Spanner, aber das Schießen entspannt definitiv
Der schönste Pfeil ist der im Centerkill

jerryhill
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Re: Die

Beitrag von jerryhill » 10.05.2008, 19:26

Die Enden sind erst hinter der Sehnenkerbe zurückgebogen und bewirken keinen Deflex.
lg, jerryhill
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datenmetz
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Re: Die

Beitrag von datenmetz » 10.05.2008, 19:34

Jo, die langen Enden sind wirklich hilfreich beim Spannen des Bogens, ... mit meinem Wikingerbogen hab ichs Bogenschießen ja überhaupt erst angefangen, er ist mir immer noch lieb und teuer, wenn auch mittlerweile zu schwach (50#@29")
;)
Gruß
Datenmetz
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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 10.05.2008, 20:24

Also...

Ich habe mir mal die Datei von Mützes Link angeguckt:

http://www.ffc1066.de/pdf_ffc/KG_BGS_V1.pdf

Da ist in den Bildern zu sehen, dass die Tips nur ein einer SEITE eine Sehnenkerbe hatten.
Nicht etwa am Rücken des Bogens. Oder an beiden Seiten.
Ein interessanter Aspekt, sofern ich die Bilder korrekt interpretiere.

Betrachtet man jede Einzelheit der Bögen losgelöst voneinander wird man sich ziemlich lange fragen warum die jeweiligen Elemente so gestaltet wurden wie sie gestaltet wurden.
Es macht daher Sinn sich mal zurück zu lehnen und das Gesamtbild zu betrachten.

Bedenkt man das verwendete Grundmaterial, relativ dünne Stämme, die bereits Maße, nahe an den geplanten Endmaßen der Bögen, hatten, dann ergibt sich folgendes Gesamtbild:

Eine Sehnenkerbe auf dem Rücken würde dafür sorgen, dass sich der Splint vom Bogen löst und der Bogen damit bricht.
Zwei Sehnenkerben auf den Seiten des Bogens würden den Bogen ebenso stärker schwächen als nötig. Was somit eine ebenso erhöhte Bruchgefahr bedeuten würde.
Bringt man eine Sehnenkerbe einseitg am Bogen an kann man eine eventuelle Verdrehung des Holzes korrgieren.
Eine einseitige Sehnenkerbe erfordert eine sich unter Last zuziehende Lasche.
Ein Sehnenohr, welches sich nicht zuzieht würde bei einer einseitig angebrachten Sehnenkerbe scheuern, abrutschen und nach wenigen Schuss reißen oder sich verdrehen
Ein Griff am Bogenende erleichtert die Handhabung des Bogens, wenn man eine unter Zug zuziehende Lasche lösen oder befestigen möchte.
Bei den relativ schweren Pfeilen, die damals wohl verwendet wurden, machen die zusätzlichen Gewichte an den Tips nur sehr wenig aus.

Alles in allem halte ich die Wickingerbögen durchaus für ein in sich stimmiges Konzept, welches nicht nur allein aus einer Mode oder Laune heraus entstanden sein kann.
Zuletzt geändert von the_Toaster (✝) am 10.05.2008, 21:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von Ravenheart » 13.05.2008, 15:29

the_Toaster hat geschrieben:Eine einseitige Sehnenkerbe erfordert eine sich unter Last zuziehende Lasche.
Ein Sehnenohr, welches sich nicht zuzieht würde bei einer einseitig angebrachten Sehnenkerbe scheuern, abrutschen und nach wenigen Schuss reißen oder sich verdrehen...


Tut mir leid, aber das ist "total unzutreffend", um es mal nett zu sagen!

Ich habe schon mehrere Bogen mit einseitigen Kerben gebaut, und alle halten zuverlässig. Da rutscht nix und dreht nix.

Rabe

Bild

(Bild von Schattenwolf, Bogen von mir!)
Zuletzt geändert von Ravenheart am 13.05.2008, 15:30, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 13.05.2008, 17:01

Okeyyyyyy...

Aus welchem Material sind Deine Sehnen? Da die Sehne auf dem Foto glänzt ist das wohl Dacron.
Wie ist der Bogen endbearbeitet?
Mit Schleifpapier jenseits 300er Korn endgeschliffen?
Dann lackiert oder geölt?
Was ist das für ein weißer Ring am Bogen?

Um meine Aussage verifizieren zu können müsste man eigentlich mal mit damaligen Mitteln und Materialien bauen.

Hat da schon jemand Erfahrungen in der Richtung?
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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von Ravenheart » 14.05.2008, 09:18

Ja sicher ist die Sehne Dacron, sind die Kerben gut geglättet, und der "weiße Ring" ist die stilistisch korrekte Leinenwicklung.

Rabe

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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von captainplanet » 14.05.2008, 09:45

Ich denke auch daß ein höheres Gewicht an den Tips dazu führt daß es weniger Unterschied im Schußverhalten macht ob ein einzelner Pfeil jetzt etwas leichter oder schwerer ist. Für jemanden der viele Pfeile baut ohne auf industriell vorgefertigte Schäfte und Spitzen zurückgreifen zu können bzw. in der Schlacht schon auch mal einen gegnerischen Pfeil zurückschießt kann das durchaus wichtig sein.

Wie ist das eigentlich mit den einseitigen Sehnenkerben? Ist das nur ein Stilelement ohne praktischen Nutzen? Und soll man die Kerben entgegengesetzt anbringen (unten links/oben rechts oder umgekehrt) damit die Sehne mittig über den Griff läuft oder ist das egal?

Mfg Georg
Zuletzt geändert von captainplanet am 14.05.2008, 09:53, insgesamt 1-mal geändert.
Bester Rindengrapscher von FC!!!

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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von Ravenheart » 14.05.2008, 11:08

Also wie schon oben steht, war die Sehne an einem Ende ohne Kerbe fest verknotet. 2 Kerben sind nicht ganz "A"...

Eine einseitige Kerbe reicht völlig aus, und lässt sich zudem für 2 "Effekte" verwenden:

1. um leichte Verdrehungen oder Schiefstellungen auszugleichen,
und/oder
2. um die Sehne etwas außermittig zur Anlegeseite zu legen, und so die Empfindlichkeit gegenüber Spineunterschieden der Pfeile zu reduzieren.

Rabe

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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 14.05.2008, 21:56

ravenheart hat geschrieben:Ja sicher ist die Sehne Dacron, sind die Kerben gut geglättet, und der "weiße Ring" ist die stilistisch korrekte Leinenwicklung.

Rabe


Ja genau...

Und wie sähe das aus, wenn die Sehne aus Flachs wäre und der Bogen nicht ganz so perfekt verarbeitet wäre, wie es mit heutigen Mitteln möglich wäre?
Flachs ist rauer als Dacron, es neigt eher dazu sich an Oberflächen zu verhaken, vor allem, wenn sie nicht gaaaaanz glatt sind. Und dann scheuerts halt.
Wie ist Dein Bogen endbehandelt? Mit einem Lack, der eine relativ harte und glatte Oberfläche gewährleistet?
Solcher Lack exisiterte damals wohl nicht.
Die haben die Bögen wohl eher geölt oder/und gewachst. Diese Materialien sind leider nicht so haltbar wie heutige Kunstharzlacke.

Ich denke daher, dass eine Naturfasersehne am Bogen scheuern und nach einigen Schuss reißen würde, wenn sie nicht selbst zuziehend befestigt wäre.

Daher nochmal meine Frage:

Hat jemand irgendwelche Erfahrungen mit sehr nahe am Original gebauten Bögen?
Also nicht nur die Materialien sondern auch die Methoden und Werkzeuge betreffend.
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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von Squid (✝) » 14.05.2008, 22:23

Eigentlich  sollte ich noch gar nicht antworten, weil noch keine 24 Std. vergangen sind  ;D

Aber dennoch: Meiner Meinung nach unterschätzt du die Fähigkeiten unserer Vorfahren. Geölte bzw. gewachste Oberflächen haben auch damals schon relativ reibungsfreie Gefüge zwischen Sehne und Bogen gewährleistet. Sehnenbruch an den Enden war niemals ein relavantes Thema, über das in Quellen umfangreich "genöööölt" wurde.Zumindest hab ich eine solche Quelle noch nicht gesehen....

Ich lackiere gar nicht, sondern öle und wachse nur - aber Abriebprobleme sind mir noch nicht untergekommen, obwohl auch beidseitige oder umlaufende Kerben bei Bewegung der Sehne eine gewisse Reibung nach sich ziehen.

Glattschleifen mit Schlämmkreide, aufgeschwämmten Feinstäuben oder einfach gewachsten Lederriemen, die einige hundert mal durch den Schlitz gezogen werden, gab es sicher auch bei den alten Wikingern.
Die wussten bei Kriegsgerät ziemlich genau, wo die Stulle gebuttert ist.

By the Way: Dacron ist ziemlich faserig. Wenn man das aufdröselt kommen da ultrafeine sehr klebrige Fasern zum vorschein....
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 15.05.2008, 06:57

Es sei Dir gegönnt...

Also von unterschätzen kann keine Rede sein.
Ganz im Gegenteil!
Ich weiß eher, dass vor noch nicht mal so langer Zeit mit "primitiven" Mitteln Produkte erzeugt wurden, die wir heute nicht mehr hinbekommen, was ich sehr schade finde.
Schon allein aus dem Grund, dass die Hersteller den Anspruch hatten, dass die Produkte auch lange - laaaaaaaaange - halten sollten.
Kleidung, die über mehrere Generationen benutzt wird kann sich heute kaum noch einer vorstellen...
In der TBB steht ein interessanter Artikel über Sehnenfertigung, da steht, glaube ich drin, dass mit der Hand gefertigtes Flachsgarn und Stoff viel feinere und haltbarere Qualitäten erreichen kann, als das was man mit Maschinen produzieren kann.

Dacron ist eine seeeehr lange Faser. Sie kann mehrere duzend Meter lang werden. Verhält sich also auf jeden Fall anders als jede natürliche Faser, die maximal so lang werden kann wie es die Pflanze mal war.
Natürliche Fasern haben aber eine raue Oberfläche, wodurch sie sich haltbarer verspinnen lassen als eine gleichlange glatte Kunstfaser. Die Kunstfaser gleicht das durch ihre größere Länge wieder aus.
Ein Sonderfall ist die Seide. Eine glatte und seeeehr lange Naturfaser. Da kommt noch keine Kunstfaser ran.
Eine Sehne aus Spinnenseide muss echt der Hammer sein...

Meine Frage bleibt also bestehen...
Es hat keinen Sinn zu versuchen einen Sinn im Versuchen des Menschen zu erkennen.

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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von Ravenheart » 15.05.2008, 10:31

Ach nee...

Dass Sehnen aus Naturfasern eine geringere Lebensdauer haben als Dacron gilt allgemein und hat nix mit dem hier behandelten Thema zu tun!

Allerdings ist mir noch NIE eine Sehne an den Öhrchen kaputt gegangen! Nicht mal ansatzweise! Wenn ich Sehnen auswechsle, dann, weil sie nach tausenden von Schüssen unterhalb der Mittelwicklung durch Reibung am Ärmel rau gescheuert sind!
Im Altertum dürfte das Durchscheuern im Nockpunkt-Bereich das Hauptproblem gewesen sein.....

Außerdem:

1. ist Eibe von Natur aus glatt und weich. Jede gut gewachste Sehne, egal aus welchem Material, hat die in kürzester Zeit blitzblank und a****glatt poliert, selbst wenn sie unvolkommen geglättet war!

2. waren schon die Menschen der Steinzeit in der Lage, Holzoberflächen, und Eibe besonders, (wg. sh. oben), perfekt zu glätten!
Tipp: Nimm ein Stück Eibe und eine Feuersteinklinge.
Schnitze damit eine Kerbe. Schon so ist sie glatt!
Nimm nun einen feinen Sandstein und runde damit die Kanten ab.
Poliere die Schleifflächen mit einen Stück knochen, wachse sie, und poliere noch mal nach.

Glatter geht's auch mit modernen Methoden nicht!! Deine Bedenken sind unbegründet!

Rabe

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Heiner
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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von Heiner » 15.05.2008, 12:22

ravenheart hat geschrieben:Deine Bedenken sind unbegründet!


So sehe ich das auch.

Ich schieße auf einem 50lbs Hickory-Bogen im Haithabu-Stil (die mit den Trompeten ;)) einen Sehne aus Bockens-Leinengarn. Das klappt wunderbar.
Die Sehne ist gewachst mit Bienenwachs. Oben eine feste Schlaufe, unten ein mehrfacher Roringstek. Scheuern, abrutschen oder reissen habe ich alles nicht festgestellt.

Zur "primitiv" erzielbaren Oberflächenglätte möchte ich anmerken, dass es mit Schachtelhalm ohne weiteres möglich ist, "spiegelnde" Oberflächen zu erzielen (siehe "Pfeil und Bogen" von Jürgen Junkmanns). Glatte Sehnenkerben sind also machbar.

Gruß,
Heiner
Zuletzt geändert von Heiner am 15.05.2008, 12:24, insgesamt 1-mal geändert.
"Gegen Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens."

jerryhill
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Re: Die "Trompeten" der Wikingerbögen

Beitrag von jerryhill » 19.05.2008, 20:08

Mal kurz zu der Verschleißstelle der Sehne bei mir: Bemerke ich an veränderten Vibrationen. Jedesmal einzelne Fasern unter der Mittelwicklung gerissen. Nur dort, nie woanders. Deshalb wickle ich auch die Enden schon lange nicht mehr.
lg, jerryhill
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