Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Bogenschiessen in der Praxis, mediterran, Daumentechnik u.a.
Sateless
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Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von Sateless » 16.11.2012, 16:20

Hallo liebe Däumlinge und Interessierte!
Ich hatts ja schon im Technikfortschritte-Thread angedroht ... ich hab was verstanden, glaub ich :).

Ich dacht ich stell das ganze mal zur Diskussion, um
a) meine Interprätation dazu zu Überprüfen
b) Fragen besser zu beantworten
c) weils den Daumentechnikveränderungen Beiträg sprengt.

Ich übersetze mir momentan Stück für Stück das Werk „Arab Archery“ von Faris und Elmer. Ich beziehe mich dabei auf die Kapitel 6, 15 und 20 (bzw meine Übersetzung) – und hier im Beitrag ausschließlich auf die Technik von abu-Hasim al-Marwadi (Schreibweise in anderen Werken abweichend) ein. Zitate und frei zitiertes ist ausschließlich aus der von mir eingedeutschten Fassung von Arab Achery und zur kenntlichmachung kursiv gedruckt.

I. „Hä, was das fürn Typ?“ Apu vom Kwik-E-Mart hieß anders ...

Der Typ heißt „abu-Hashim al-Mawardi“ [wörtlich: Der Vater von Hashim, der Mann, der Rosenwasser verkauft]. Er für sein Wissen über das Bogenschießen berühmt und sein Ruhm reicht weit. Jeder, der das Bogenschießen meistern will sollte auch in seine Arbeiten schauen und für sich heraussuchen, was für einen selbst passt, wie es auch al-Tabari in seinem Buch al-Wadih [Das klare Buch] tat.
Wenn er Rosenwasser verkauft, wird er wohl eine Weile umherreisen. Diese Wahre war und ist Speisezusatz, also Gewürz, also ist ein nomadisches und reisendes Verhalten anzunehmen. Sein Name schließt, im Gegensatz zu den zwei anderen genannten Meisterschützen, deren namen eindeutig einem Ort und einer Stadt zugeordnet werden können, das Reisen nicht aus. Auch sind seine sonstigen Techniken älter, als die der beiden anderen.

II. „Wie greift man die Sehne? Und was hat das mit dem Typ zu tun?“

Es gibt sechs Griffe über die sich die Experten einig sind: 63, 69, 73, 83, 24 (nennt man Khusurwani [nach Chosores, König von Persien] und 72, den man Reserve nennt. 63, 69, 73 und 83 kommen für den „twist“ in Frage. Bei der 24 ist der Zeigefinger gerade ausgestreckt, was es zwar nicht unmöglich, aber untauglicher macht. Der 72er hat Zeige- und Mittelfinger über dem Daumen, was das Lösen generell erschwert. Das behindert das saubere Lösen ohnehin, und das ist auch für diese Lösetechnik nicht förderlich, also weg damit. Die 83 muss ich auch ausschließen, weil ich die nicht verstehe.
Getestet, erprobt und für gut befunden sind also 63, 69 und 73.

Einschub Fingerrechnen:
Die Araber haben ein System (gehabt?), um mit einer Hand die Zahlen von 0 bis 100 zu Zählen. Da diese Zahlen 2 Ziffern haben ist die Hand unterteilt. Daumen und Zeigefinger sorgen für die Zehnerschritte, und Mittel- bis kleiner Finger für die Einserschritte. Hier die relevanten Auszüge:

50: Der Daumen wird so gebogen, dass er die Handfläche, nahe dem Zeigefingergrundgelenk, berührt;
60: Der Daumen bleibt in der Position von
50, und der Zeigefinger wird um den Daumen herumgelegt, das er komplett umschlossen ist;
70: Daumennagelspitze an das mittlere Zeigefingerglied, und dann die Zeigefingerspitze um den Daumen legen, dass die Innenseite des Zeigefingers an der Seite der Daumenspitze liegt;
80: Zeigefingerspitze über den Daumennagel legen.


In Bildern:
50 Bild
60 Bild
70 Bild
80 Bild

3: Mittel- bis kleiner Finger eingekrümmt/eingefaltet, so dass ihre Spitze das Fingerkissen (Das weiche Gewebe an den Körperinnersten Fingergelenken) berühren.
9: Mittel- bis kleiner Finger eingekrümmt/eingefaltet, so dass ihre Spitze das Daumenkissen berühren.


In Bildern:
3 Bild
9 Bild

Man Formt also mit Zeigefinger und Daumen den Zehnerschritt, und gleichzeitig mit Mittel- bis kleinem Finger die Einserziffer, und fertig ist die Zahl!
Klar soweit?

Also: Griff... Ich nehme mal die 63 als Beispiel.

Bild

Nun kommt abu-Hashim al-Marwadi ins Spiel: 63 Sagt nur ungefähr, wie die Finger für die Zahl geformt werden. Das ist keine Anleitung für den Sehnengriff, sondern nur eine grobe Kategorisierung für die Sehengriffe.
Wenn man die exakte Weise der Griffe betrachtet, so haben die Experten Differenzen, wo die Sehne in Relation zum Daumen, und auch wo sich die Daumenspitze und der Zeigefinger befinden soll.
Einige lehren, dass die Sehne in der Mitte des Äußeren Daumengliedes liegen soll, schräg Richtung Daumenspitze, während die Daumenspitze auf dem mittleren Fingerglied des Mittelfingers liegt und das mittlere Fingerglied des Zeigefingers auf dem äußeren Daumenglied, mit dem äußeren Fingerglied des Zeigefingers um den Daumen herumgebogen und dem Zeigefinger nahe dem äußersten Gelenk des Daumens und neben der Nocke. Beim Ausziehen vergrößerst du den Abstand zwischen Daumen und Mittelfinger während die Zeigefingerspitze außerhalb des Bogens liegt. Dies ist die Methode von abu-Hasim al-Marwadi.


Bild

Bild

III. Let's twist (again ...)

Der gedrehte Ablass (mafruk) besteht aus dem Auszug des Pfeils bis zu seiner vollen Länge. Dann wird pausiert, bis bis zwei gezählt wurde. Dann gibt man dem Pfeil eine Drehung mit der rechten Hand an der Innsenseite der Sehne. Dann löst man Zeigefinger und Daumen und entspannt die Hände. Die Drehung (twist/farkah) besteht aus einem leichten drücken gegen die Bogensehne mit dem körperinnersten Gelenk des Zeigefingers und dem Drehen der rechten Hand ein wenig, bis der Freiraum von Daumen und Zeigefinger an der Seite vom Hals befindet und diesen auch berührt oder auch daran reibt.
Vollauszug
Bild
Mit "twist"
Bild

IV. Warum macht man das?

Es ermöglicht (mir) ein sauberes und starkes Lösen. Je schneller man löst, desto schneller wird auch der Pfeil. Je gleichmäßiger es ist, desto besser trifft man. Der Witz ist, dass durch das Verdrehen der Daumen auch von der Bogensehne aus der Flugbahn gedrückt wird. Darüberhinaus geht die Pfeilbeschleunigung nicht sofort los, sondern um die Zeit verzögert, bis die Sehne vom Wurfarm gerade gezogen, und dann gerade in Schussrichtung losschnellt. Dadurch kann der Daumen schon einen Tacken weiteraus dem Weg sein, als ohne das. Und ... es ist soo toll! :)

V. Was verbindet es denn?

So eine Drehung findet man in Korea, Japan und der Türkei. Sicher auch an anderen Orten der Welt. Gleichzeitig gibts eine Verbindung in der Befiederungsweise! Im Orient wird mit der Leitfeder oben befiedert. Im Okzident mit der Leitfeder außen. Beim twist dreht sich nämlich die Leitfeder genau so, dass sie den gleichen Winkel wie die links daneben, zum Bogen steht, und die rechts von der Leitfeder, wie bei eine Leitfeder von den Fitas vom Bogen absteht. So wird es wie ein Bindeglied zwischen Compound und Elb, mit dem Flair des Elb und dem Speed des Compound (vor 20 Jahren :D ).
Es wurde im FA mal geäußert, dass es nicht ginge, was hier gezeigt wird, aber genau das ist der Twist! (auf koreanisch, fernsehcineastisch)
http://www.youtube.com/watch?v=TGmdeHLABRk&feature=player_detailpage#t=29s
Und ich kann es, bis 66#. Etwas anders, weil ich die Sehne anders greife, aber es geht.

Frohes diskutieren und so,
Sateless
Zuletzt geändert von Sateless am 16.11.2012, 18:17, insgesamt 1-mal geändert.
Ich schreibe ohne Autokorrektur lesenswerter. Du etwa auch?
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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von corto » 16.11.2012, 17:04

oha, da scheint was gefallen zu sein. ich tippe auf nen großen Groschen :D

ich hab auf fa aber nicht den twist selbst als unfug bezeichnet, glaub ich - ich meinte das schießen um die ecke - das ist mumpitz.

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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von Sateless » 16.11.2012, 17:11

Ich hatte da eher wen anders im Kopf, aber hey - is egal, denn im Vollauszug geht es. Wenn ich Schreibtischzombie das leicht mit 66# schaffe, geht das sicher auch mit 80#.
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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von Arry » 16.11.2012, 21:06

Ok, ich danke Dir für diese ausführliche Darstellung! Bei Adam Swoboda gibt es auch einen Abschnitt dazu, aber den habe ich ehrlich gesagt jetzt erst begriffen... Nun bin ich gespannt, das auszuprobieren!
Wenn ich groß bin, will ich ne richtige Werkstatt.

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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von Sateless » 16.11.2012, 21:23

Oh wie ich jetzt gespannt bin, was der Adam dazu schreibt ...
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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von bowa » 16.11.2012, 21:33

Ich hab den Film (War of Arrows) Anfang der Woche gesehen und wollte schon fragen ob das nur für den Film gemacht wurde oder es sowas wirklich gibt und es einen Sinn hat. Das hat sich ja jetzt erledigt :D
Neun von zehn Stimmen in meinem Kopf sagen ich bin nicht verrückt.
Die zehnte summt die Melodie von Tetris.

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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von Faenwulf » 17.11.2012, 00:57

Ich glaube, nachdem du die neuen Bilder hinzugefügt hast, verstehe ich, was du meinst..vorher fand ich es etwas seltsam, weil es so aussah, als ob man den Zeigefinger wirklich Krass über die Sehne drüber legen würde. Das hätte für mich keinen Sinn ergeben.

So sieht das aber wirklich nicht uninteressant aus, auch wenn ich noch immer Probleme habe, mir den Vorgang und das Ergebnis so richtig vorzustellen. :D
Trotzdem Danke für die Info, wenn das Swoboda Buch da ist erhellt mich das vielleicht noch zusätzlich. Man kann ja nie gengu Vorschläge und Ideen haben, wenn man Technik umstellen möchte.

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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von benzi » 17.11.2012, 12:15

hab gespielt, bot sich bei der schönen Kameraposition an:

http://www.youtube.com/watch?v=ZwXQZi4fBsM&feature=youtu.be

Grüße benzi
"Du hast den Verstand verloren, weißt Du das?" "Dafür hab ich ein Leben lang üben müssen"
(Peaceful Warrior, Film)

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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von Faenwulf » 17.11.2012, 13:15

Ja, das ergibt irgendwie Sinn. Muss ich mal austesten, wenn es so weit ist. :D

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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von Arquerine » 18.11.2012, 16:57

Nachdem ich es jetzt ausprobiert habe, meine ich, es auch verstanden zu haben. Ohne Ausprobieren hatte ich die ganze Zeit nur Fragezeichen im Kopf. Danke für die ausführliche Darstellung. Ich meine aber auch, dass da mal jemand draufkucken sollte, ob du das wirklich so gemeint hast, wie ich das umgesetzt habe. Ich hatte das Gefühl, dass der Pfeil damit schneller wird und dass das Lösen irgendwie kraftvoller ist. Das Trefferbild war aber nicht so gut, dass ich restlos überzeugt wäre. Es war aber auch nicht schlechter, als normal.

@Benzi: Danke für das Zusammenschneiden der Bilder. Da hat es bei mir vollständig Klick gemacht. Schauen wir uns das am Dienstag mal an.

Grüße
Martina

EddieDean

Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von EddieDean » 18.11.2012, 19:21

Sehr schön beschrieben Simon.
Dankeschön.

Den beschriebenen twist, hab ich seit Jahren im KOpf, nur wurde er bisher nicht prägnant.
Erstmal beim ersten Daumentreffen in Alfeld - benzi du erinnerst dich?
Da war das Eindrehen der Kyudoka Grundlage für die Überlegungen
Zwischenzeitlich hatte ich ihn auch komplett über Bord geworfen.
Und im Malmukenwerk von benzi, ist der twist leider zu wenig beschrieben bzw vemute ich dass das Originalwort die Sachlage schon von alleine ausdrückt und daher keiner Erklärung bedarf. Ähnlich wie das griechische Logos auch nur minderwertig mit Wort zu übersetzen ist.

Aber es klingt alles erstmal schlüßig.

Da muss ich wohl morgen ein paar Pfeile in die Garage schießen.

Gruß
Stephan

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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von Faenwulf » 18.11.2012, 23:55

Nachdem ich heute meine erste Runde Daumentechnik mit und ohne Twist hatte muss ich sagen: Der Twist machts! Hilft mir persönlich wirklich enorm und macht ein weitaus saubereres Schussbild und einen besseren Pfeilflug. Beim nächsten Training wird das weiterverfolgt. :)

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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von benzi » 19.11.2012, 12:07

@Simon vllt im Threadtitel "twist der Zughand" oder so, ergänzen, irgendwann, wenn der thread länger wird, könnte es sonst Verwirrungen geben, da wir ja auch beim Drehen des Bogen in der Bogenhand von "twist" reden......... *warum eigentlich, "Drehung" kling doch auch schön?!*

Grüße benzi
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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von Sateless » 19.11.2012, 12:28

Benzi, ich finde das nicht nötig, da es hier ausdrücklich um eine arabische Technik geht, die nicht zur Gruppe der Bogenbeimschussaudrehstile gehört.
Ich schreibe ohne Autokorrektur lesenswerter. Du etwa auch?
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Re: Vorsicht, Daumentechnik! - „Der Twist“

Beitrag von Warbeast » 19.11.2012, 15:03

ich halte da nichts von, ich lege einfach weniger zeigefinger über den daumen, damit ich den zeigefinger nicht in der sehne habe

der twist behebt ein problem was garnicht da sein sollte , meinermeinung nach

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