Natternhemd-Belag

Sammlung von Bauanleitungen zum Thema Bogenbau
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Natternhemd-Belag

Beitrag von Snake-Jo » 11.09.2010, 13:42

Ich hatte mich ja schon einmal geäußert, dass der Raubbau an manchen Schlangenarten, insbesondere Klapperschlangen in USA und Wassernattern in Asien vom verantwortungsbewußten Bogenbauer nicht gerade gefördert werden muss.
Eine Alternative wäre die Belegung des Bogens mit einem Natternhemd, also "das Häutungsprodukt" einer Schlange.
Natternhemden sind jedoch nicht einfach aufzuziehen, weil sie teilweise hauchdünn und pergamentartig erscheinen und leicht beim Aufziehen zerreißen, krumpeln oder einfach hinterher nicht stabil halten, sondern wieder abbröseln.
Bei meinem Legolas (s. Präsithread) hatte ich das schon erfolgreich exerziert.
Falls Interesse besteht, kann ich gerne eine Arbeitsanleitung einstellen.

Vorteile bei der Verwendung von Natternhemden:
- Man bekommt sie kostenlos in fast unbegrenzten Mengen vom Schlangenzüchter
- Es muss keine Schlange dafür sterben
- Man kann mit diesen Natternhemden unbegrenzt üben, weil das Material eben nichts kostet
- Das Aufziehen dauert auch nicht länger als mit echten Häuten

Nachteile:
- Schwierig zu verarbeiten, aber machbar
- Weniger farbig wie ganze Häute, aber färbbar

Techniken sind von jedem Bogenbauer leicht nachvollziehbar, man benötigt:
- Erfahrung beim Wäschebügeln ;D
- Erfahrung in der Verwendung von Epoxy-Klebern
- Ruhige, nicht zittrige und klebstoffreie Hände ;D

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Re: Natternhemd-Belag

Beitrag von Snake-Jo » 12.09.2010, 09:06

@Botjer: Eine Köpy hat u.U. schon zu große Schuppen für eine erfolgreiche Aufziehtechnik. Probieren kannst du es.
Er soll die Schlange ordentlich wässern vor der Häutung, dann klappt das auch mit dem ganzen Stück. Ich stelle immer ein großes Wasserband rein und dann sprüh ich noch die Einrichtung ab jeden Tag. Sowas klappt immer. Bei meiner Vierstreifennatter, die sich nur einmal pro Jahr häutet, ist das schon sinnvoll - Hautlänge immerhin 218 cm. Da man aber am Griff stückeln kann, braucht man eigentlich nur rund 80 cm lange Stücke.
Dateianhänge
Natternhemden.jpg
Natternhemden unterschiedlicher Größe sind beim Schlangenzüchter erhältlich

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Re: Natternhemd-Belag

Beitrag von Snake-Jo » 12.09.2010, 13:31

@Squid: Klar, so ist das! Wenn ich auf einer Party bin, hab ich immer jede Menge Ausreden zum Verschwinden, wenn es langweilig wird.
- Meine Heuschrecken brauchen unbedingt noch frisches Gras!
- Der Marder kommt, huch, meine Hühner sind noch nicht zu!
- Ich muss noch das Blaue Ordensband am Köder um 23 Uhr fotografieren.
...............endlose Liste............ ;)

@Hairun: Die halten sich je nach Größe und Stärke auch mal 2 Jahre, bis sie bröseln. In der Regel sind Staubmilben daran schuld. Also dieses Papier mit einlegen, welches die gute Hausfrau in den Wäscheschrank legt.
Alternative: Aufrollen und Einfrieren! Die nehmen ja so gut wie keinen Platz weg.

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Re: Natternhemd-Belag

Beitrag von Snake-Jo » 14.09.2010, 18:37

@Hairun, Botjer, Acker: Danke für das Interesse. Ich leg dann mal los. Ansonsten ist die Resonanz ja eher gering. Wohl wieder ein Haufen Mitleser, die sich nicht outen. :'(
Naja, vielleicht kommt der ein oder andere noch auf den Geschmack.

Schritt 1: Natternhemd auswählen und vorbereiten
Das Natternhemd vom Züchter sollte nicht zu groß sein, weil kleinere Schuppen sich besser verkleben lassen als große. Ein Natternhemd ist ein räumliches Gebilde: Die Schuppen wölben sich hervor und das gibt später Luftblasen beim Verkleben.
Zuerst wird das Natterhemd der Länge nach entlang der Kante zu den Bauchschienen aufgeschnitten.
Haut-schneiden.jpg


Man erhält selbst von kleinen Schlangen ein erstaunlich breites Hemd. Hier sieht man schön den Unterschied der Rückenschuppen zu den Bauchschienen.
Haut-betrachten.jpg


Nun schneidet man entlang der anderen Kante und erhält somit zwei Streifen: Einen vom Rücken und einen vom Bauch. Bei Kletternnattern wie der gezeigten sind die Bauchschienen wesentlich schmaler als das restliche Schuppenkleid.
Haut-2Streifen.jpg


Der Streifen mit den Bauchschienen wird verworfen. Er verklebt sich schwieriger und zeigt auch weniger Struktur.

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Re: Natternhemd-Belag

Beitrag von Snake-Jo » 14.09.2010, 18:48

2. Schritt: Natternhemd glätten (bügeln)
Vor dem Bügeln sollte man möglichst alle Sand- und Schmutzpartikel aus der Haut entfernen; die Beste aller Hausfrauen wird sonst sauer, wenn sie später das Bügelbrett für die weißen Smokinghemden verwendet. Naja, man kann auch Zeitungspapier unterlegen.
Das Bügeleisen wird auf "Minimum" bzw. "Seide" eingestellt, die Dampfautomatik bitte abstellen. Das Natternhemd wird mit der Schuppenseite nach oben gebügelt und zwar mit dem Strich.
Haut-bügeln.jpg


Wenn man etwas zu heiß bügelt, krumpelt die Haut beim Erkalten.
Haut-krumplig.jpg


Dies ist nicht weiter tragisch, man bügelt mit weniger Hitze ein zweites Mal und läßt die Haut auf dem warmen Bügebrett erkalten, so bleibt sie glatt.
Für die weitere Verwendung wird die Haut mit der Fleischseite nach außen auf einen zum Bogen passenden Pfeil gerollt.
Haut-aufgerollt.jpg


So kann man sie auch sehr gut lagern oder Verschicken.

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Re: Natternhemd-Belag

Beitrag von Snake-Jo » 18.09.2010, 09:37

@Treibholz: Klar, immerzu mitlesen. Peinlich wird es nur, wenn der Author dreimal hintereinander postet, ohne dass ein Kommentar erscheint. Daher bin ich für gelegentliche Kommentare schon dankbar. :)

3. Schritt: Haut entfetten
Beim Häuten produziert die Schlange eine ölige Substanz, die ihr das Häuten erleichtert. Dieser ölige Film muss vor dem Kleben entfernt werden. Das aufgerollte Natternhemd wird daher für rund eine Stunde in Waschbenzin, Nitroverdünner oder Aceton gestellt.
Waschbenzin.jpg


Danach muss man das Natternhemd wieder abrollen und hängt es wie eine Bandnudel über einen Stab zum Trocknen. Dies dauert nur wenige Minuten.
Achtung: Dämpfe nicht einatmen, kein offenes Feuer, nicht rauchen!
Ma sieht, dass das Lösungsmittel die Hornhaut nicht angreift und auch die reingebügelte glatte Oberfläche erhalten bleibt.
aufhängen.jpg


Danach das Hemd wieder mit der Fleischseite nach außen aufrollen, wobei durchaus ein kantiger Stab besser geeignet ist als der runde, mystische Pfeil. ;D

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Re: Natternhemd-Belag

Beitrag von Snake-Jo » 18.09.2010, 17:29

@Gali: Ja, wir verstehen uns.... ;D

4. Schritt: Bogenrücken vorbereiten
Der Bogenrücken wird schön plan geschliffen. Am besten leicht ballig mit abgerundeten Kanten (s.u.). Ein Zweikomponenten-Epoxy-Kleber (UHU Endfest) wird aufgetragen, mit der Heißluftpistole oder einem Haarfön erwärmt und - so verflüssigt - dann mit einem Pinsel schön verstrichen. Man arbeitet vom Griff Richtung Tipps. Es wird das breite Ende der Haut am Griff angesetzt, sodass der schmalere Schwanzteil am Tipp endet.
Endfest auftragen.jpg


5. Schritt: Natternhemd aufziehen
Vorab wird der Kleber nochmals erwärmt und dadurch flüssiger. So dringt er besser in jede Falte der Haut ein. Man kann das auch sukzessive machen: Verflüssigen direkt vor der Hautrolle und in den flüssigen Kleber hineinrollen bzw. die Haut auftragen/ aufrollen.
Haut auflegen.jpg


Wenn das Natternhemd komplett auf dem Bogenrücken aufgezogezogen wurde, sollte man die überstehende Haut mit einer scharfen Schere abschneiden und erst dann fortfahren.
Nun kann man das Ganze nochmals erwärmen. Aber Obacht: Mehr als 40° sind nicht gut für die Haut. Sie bekommt dann Sonnenbrand und Bläschen! Also milde Wärme, am besten mit einen Haarfön. Ist alles schön warm, kann man die Haut mit einem Kantenroller oder einer Schaumgummirolle fest andrücken. Mit einem Finger streichen geht auch, sofern kein Kleber durch irgendwelche Löcher diese Aktion stört.
Kantenroller.jpg
Zuletzt geändert von Snake-Jo am 18.09.2010, 17:44, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Natternhemd-Belag

Beitrag von Snake-Jo » 18.09.2010, 17:40

noch 5. Schritt: Natternhemd aufziehen
Abschließend wird die Haut mit einem Gummiband (flaches, breites Hosenband) fest am Bogenarm angepreßt. Dazu umwickelt man Wurfarm und Haut bündig mit dem Gummiband, welches vorteilhaft vorab um einen Griff gerollt wurde. HIerzu war es wichtig, die überstehenden Kanten abzuschneiden, damit sie die restliche Fläche nicht beeinflussen und verziehen.
Der Gummi wird nur auf der Unterseite gespannt, dann mit dem Finger an der Kante festgehalten und sachte über die Haut gelegt, gespannt, gehalten, gelegt etc. So wird gewährleistet, dass die Oberfläche nicht verzerrt wird.
Wenn der Bogenrücken zu den Kanten leicht gewölbt (ballig) gearbeitet wurde, legt sich das Gummiband und damit die Haut besser an.
Gummiband.jpg


Da UHU Endfest längere Zeit braucht, um abzubinden, kann in dieser Zeit durch den Anpressdruck des Gummibandes der flüssige Kleber in alle Poren und Falten dringen.
Man legt nun den Bogen in die Wärme (nähe Heizkörper) und wartet 12-24 h. Das Gummiband hat eine textile Oberfläche, die kaum festklebt. Es läßt sich daher meist wieder gut abwickeln. Vorteilhaft ist natürlich sauberes Arbeiten und keine Sauereien mit dem überschüssigen Kleber. ;)

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Re: Natternhemd-Belag

Beitrag von Snake-Jo » 19.09.2010, 09:56

@Quercus und walta: Nein, vergeßt es, kein Terraband und auch keinen Fahrradschlauch. Ich habe beides schon probiert und danach war ich erstmal weg vom Wickeln mit Gummiband, bis ich im Reflexbogenbuch bei Micha Wolf S. 274 das Hosengummiband erwähnt fand. Ich habs ausprobiert, nur wickle ich auf Stoß (s.u.).
Konkret: Fahrradschlauch ist zu stark, der verdrückt die feine Haut. Terraband ist zu breit, zu elastisch, schwer zu schneiden und zu händeln. Dieses Gummihosenband gibt es in jedem Supermarkt:
z.B. von wenco, 2 Meter Breitelastic ( 14 mm), ca 2,50 Euro.

6. Schritt: Endbehandlung
Am nächsten Tag wird das Gummiband abgewickelt. Wenn sich nun feine Falten zeigen, dann hat man an der Oberseite zuviel Zug auf das Gummiband gegeben und/ oder nicht sauber auf Stoß gewickelt.
Nun kann man die Kanten beschleifen, vorzugsweise mit Sandpapier und Schleifklotz.
Kanten schleifen.jpg


Danach wird die Haut aufgerauht für die Lackierung. Diese ist zwingend notwändig. Man muss sich das so vorstellen: Auf dem Holz wird die dünne Hornhaut mit dem Kleber fixiert, auf der Oberseite ist sie noch ungeschützt und kann u.U. leicht abgerubbelt werden. Ich rauhe immer mit Stahlwolle auf. Wenn sich hierbei die Schuppen lösen, haben wir nicht immer ein Problem. Es gibt Schlangenhäute, bei denen halten die Schuppen, bei den Natternhemden ist es ähnlich, z.B. bei der Vierstreifennatter halten sie, bei der Peitschennatter nicht. Werden nun die Schuppen runtergerubbelt, so hat man immerhin noch eine Schlangenhaut-Struktur, die auch ganz gut aussehen kann (Bild kommt später).
aufrauhen.jpg


Nach dem Aufrauhen nochmals entfetten: Einfach mit Nitroverdünner o.ä. drüber wischen. Dann mit einem Holzsiegellack in Seidenmatt 2-3 mal lackieren.
lackieren.jpg


Bevor jetzt die Fragen kommen, ob man auch ölen oder wachsen kann, hier die Antwort: Es geht nicht um das Konservieren gegen Feuchtigkeit, sondern es geht hier um das Stabilisieren der fragilen Haut. Mit einigen Lackschichten eines Fußbodensiegellacks erhalte ich eine hornharte Oberfläche, die sich nicht mehr so leicht lösen läßt.
Alternativ kann man das Ganze auch mit flüssigem Epoxy oder Endfest überstreichen, überschleifen (240er Körnung ) und dann einmal lackieren.

7. Ergebnisse

Hier noch eine Nahaufnahme von den Probebelägen:

Bild

In der Mitte ein Natternhemd, welches nicht schuppt, auf unbehandeltem Holz (Eberesche), links und rechts auf farbig gebeiztem Untergrund mit einem Natternhemd, welches gerne Schuppen verliert. Es wurde auch von oben noch mit Endfest bestrichen und danach überschliffen und lackiert. Hält jetzt; es gibt aber noch keine Gebrauchstests über lange Zeit. Ich würde lieber die "nicht-schuppende " Haut verwenden, auch wenn sie nicht so schöne, dunkle Schuppen hat wie die Peitschennatter im Bild links und rechts.

Der nachfolgend abgebildete Bogen ist aus Manau. Hier hat das Natternhemd (auf Mahagoniebeize) erst gut gehalten, aber das Manau hat im täglichen Schießbetrieb derart Falten erzeugt, dass die Oberfläche dann unansehnlich wurde. Fazit: Lieber auf richtigem Holz, vorzugsweise auf wenig biegenden Langbogen.

Bild

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