Seilschneider

Fragen zu Pfeilen zum Bogenschiessen. Keine Fragen zum Pfeilbau.
horsebow
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Penetration ist nicht alles...

Beitrag von horsebow » 15.05.2007, 22:30

Ich würde der Spitze sehr schlechte Penetrationseigenschaften zuschreiben, so dass sie, als Jagdspitze verwendet, eher mit dem Ziel benutzt wurde, eine entsprechend deutliche Schweißfährte zu legen. Das schafft aber auch jede andere breitflügelige Spitze. Ein Knochen stoppt eine Halbmondspitze zudem vergleichsweise leicht.


Die Übersetzung der japanischen Bezeichnung für solche gegabelten oder halbmondförmigen Spitzen lautet "Darmzerreißer".
Das sollte genug über den Verwendungszweck aussagen.
Die Arbeit von Hubert MacBumm Sudhues hat gezeigt, daß solche Spitzen erhebliche Gewebsschäden durch Durchtrennung von Faserstrukturen (z.B. Muskeln oder Gefäßstraßen) schaffen, während sich "normale" Pfeilspitzen an solchen Strukturen ausrichten, ohne sie zu durchtrennen.

Die Drehung der Pfeile nach bestimmter Flugdistanz kann man recht leicht herausfinden, in dem man in fünf Meter Entfernung mehrere Pfeile schießt und die Drehwinkel notiert. Das wiederholt man in Fünfmeterschritten bis zu der Entfernung, auf die man reell treffen will. Wenn man den Pfeil dann auch noch so befiedert, dass er langsam dreht (z.B. eine rechte zun zwei linke Federn) hat man sehr großen Spielraum, zumal die Spitze, bzw. ihre Schnittfläche nicht genau senkrecht treffen muss


Tolle Anleitung, wie man in einer Seeschlacht feindliche Taue durchtrennt, man braucht nur noch einen Laser-Entfernungsmesser, entsprechende Tabellen und speziell befiederte Pfeile bei der Hand zu haben...

Gruß, horsebow
I shot an arrow in the air,
it fell to earth, I knew not where;
for so swiftly it flew, the sight
could not follow it in its flight.
Longfellow, Oct. 16, 1845

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Kyujin
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Re: Penetration ist nicht alles...

Beitrag von Kyujin » 16.05.2007, 07:31

horsebow hat geschrieben:Die Übersetzung der japanischen Bezeichnung für solche gegabelten oder halbmondförmigen Spitzen lautet "Darmzerreißer".
Das sollte genug über den Verwendungszweck aussagen.


Du meinst die watakusi, die aber einfach Widerhaken haben, was ihrem Zweck entspricht.

Die gegabelten Spitzen heißen karimata "Jagdgabel", auch das ein sprechender Name.
Johannes Kolltveit Ibel
Oslo Kyūdō Kyōkai オスロ弓道協会

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Der_Iwan
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Re: Seilschneider

Beitrag von Der_Iwan » 16.05.2007, 08:26

Im Bogencenter Könitz werden die auch als Vogeljagdspitzen verkauft:
--->http://www.bogencenter.de/shop.php?acti ... ange=S667&
--->http://www.bogencenter.de/shop.php?acti ... ange=S656&

Lord Bane
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Re: Seilschneider

Beitrag von Lord Bane » 20.05.2007, 20:35

Ich weis gerade nicht wer, aber einer meiner Vorredner meinte, dass solche Spitzen ungünstig im Krieg seien wegen etwaigen Rüstungen (wie auch immer diese beschaffen sein mochten). Ritter hatten zwar Rüstungen, aber der Großteil einer Armee war ohne wirklicher Metallrüstung. Ein Bauer im Krieg konnte sich eventuell nichtmal ein Gambeson leisten. Daher konnte man Jagdspitzen auch im Notfall für den Krieg nehmen.....zur Not taten es auch zurecht geschnitzte Holzspitzen.
Ich bin Star Wars Fan. Der Name "Lord Bane" leitet sich von einem Lord der Sith ab, n?mich von "Darth Bane". Dieser F?hrte das "immer nur 1Meister-1Sch?ler-System" ein bei den Sith.

regenundsonne
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Re: Seilschneider

Beitrag von regenundsonne » 27.04.2016, 07:34

Es wird sich um Giftpfeile gehandelt haben.

In dem Buch "Pfeil und Bogen zur Merowingerzeit" wird eine Augenzeugen-Quelle zitiert, wonach solche Pfeile nicht tief eindringen und gegen Rüstungen deshalb sinnlos sind. Ungerüsteten Gegnern verursachen sie aber mit höherer Wahrscheinlichkeit Schnittwunden als Pfeile mit einer räumlich weniger ausgedehnten Klinge.

Das scheint mir plausibel. Durch die erweiterte Klinge und die zwei Spitzen ist ein Treffer oder Anritzen von Haut wahrscheinlicher als bei einer schmalen Klinge mit nur einer Spitze.

An anderer Stelle befasst sich der Autor mit der Verwendung von Pflanzengift an Pfeilen - 3 bis 6 mg Aconitin, gewonnen aus den Knollen, Stengeln oder Samen des "Blauen Eisenhuts", sind bereits tödlich. Auch aus Nieswurz-Wurzeln wurden starke Gifte extrahiert. In privaten Auseinandersetzungen war der Gifteinsatz an Pfeilen geächtet, in kriegerischen Auseinandersetzungen hingegen nicht ungewöhnlich. Da liegt es nahe, die Sichelpfeile mit zwei weit auseinanderliegenden Spitzen und die Klinge mit Gift zu präparieren. Dann ist es egal, an welchem Körperteil man seine Gegner trifft, tot sind sie auch bei nur leichten Wunden.

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Re: Seilschneider

Beitrag von regenundsonne » 27.04.2016, 07:47

Ergänzung

Weitere Informationen aus dem eben erwähnten Buch:

Das Sichel-Layout der Pfeilspitzen ist übrigens älter als die Rüstung mit Ketten- oder Lamellenpanzern. Solche Rüstungen kamen erst ab dem 9. Jhdt. auf.

Des weiteren waren Rüstungen für das normale Fußvolk unerschwinglich. Einen Bogen und Pfeile konnte man zur Not noch selber bauen, für Schwerter, Panzer oder Helme aus Metall brauchte man einen Schmied. Schon Eisenspitzen waren für die normalen Leute so teuer, daß sie idR. nur 6 bis 7 Pfeile im Köcher hatten. Deshalb mußten Könige in Kriegszeiten z.B. anordnen, daß jeder Bogenschütze mindestens 12 Pfeile bei sich tragen soll!

Die Ausrüstung eines "kompletten" Ritters einschließlich Panzerung für das Pferd war etwas für die Oberschicht. Das Fußvolk oder weniger bemittelte Reiter schützten sich mit lederbespannten Holzschilden. Dabei wurden Abwehrwände gebildet in der Art, daß die vordere Reihe die Beine und Hüfte schützt und die Reihe dahinter die Oberkörper und Köpfe der Reihe vor ihr und sich selbst. So war auf ganzer Höhe ein Schutzwall vorhanden. Flach ankommende Pfeile oder Unachtsamkeit konnten das aber durcheinanderbringen und dann war, mangels Körperpanzerung, kein weiterer Schutz mehr vorhanden.

Eine passende Strategie wäre demnach, den ersten Beschuß mit schweren Amboss- und Nadelbodkins zu beginnen, um die Schildreihen zu öffnen. Danach waren vergiftete Sichelpfeile sinnvoll, um das zu erweitern. Wenn alle Pfeile verschossen waren, kamen die Reiter oder die Läufer mit ihren Schlag- und Stichwaffen.

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Roby-Nie
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Re: Seilschneider

Beitrag von Roby-Nie » 27.04.2016, 10:08

@regenundsonne ...
Ist das wirklich so?
Ich halte das für sehr gewagt.
Im Netzt findet man unter anderem folgendes dazu:
https://www.peraperis.com/Waffen/Bogenbedarf/Pfeilspitzen/Mittelalter-Pfeilspitze-Halbmond.html
oder:
Im Saxton Popes "Hunting With Bow And Arrow" (downloadbar als E-Book auf www.bushcraftuk.com , 2,2 MB) ist ein Bild zu finden, wo sie als Vogelspitze bezeichnet wird.

Und Giftpfeile sind üblicherweise mit einer Spitze versehen, die noch dazu angeritzt ist, damit sie beim rausziehen abbricht, damit das Gift nach einem Treffer Zeit hat einzuwirken. Ein Streifschuss mit Gift wird kaum reichen um jemanden zu töten. Ausserdem standen Curare, Pfeilgiftfrosch etc. in Europa im Mittelalter nicht zur Verfügung und weisser Germer, orientalischer Niesswurz und Eisenhut sind erst in "größeren" Mengen tödlich.
Nur (m)eine Meinung ...
Zuletzt geändert von Roby-Nie am 27.04.2016, 10:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Seilschneider

Beitrag von fatz » 27.04.2016, 10:26

Roby-Nie hat geschrieben:Ich halte das für sehr gewagt.

zumal das Thema dann doch schon ein bissl aelter ist....... ::)
Haben ist besser als brauchen.

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Re: Seilschneider

Beitrag von kra » 27.04.2016, 10:41

Das Thema ist nicht nur älter sondern alt ;) .

Gift halte ich für ziemlich unwahrscheinlich (bis abstrus) - im Kampf kommt es auf eine sehr schnelle Wirkung an. Wenn der Gegner 24h später stirbt bringt das viel weniger als wenn er sofort kampfunfähig ist.

Wie vor ca. 9 Jahren schon geschrieben, waren es mit hoher Wahrscheinlichkeit Spitzen, die gegen schwere Kavallerie eingesetzt wurde, um die Pferde zum Abwerfen der Reiter zu bringen. DAS brachte maximale Unordnung in die Reitergruppe und die schwer gepanzerten Reiter waren zu Fuß, wenn sie denn überhaupt noch selber aufstehen konnten, eine leichte Beute.
“Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.”
– George Bernard Shaw

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Re: Seilschneider

Beitrag von Roby-Nie » 27.04.2016, 10:47

fatz hat geschrieben:
Roby-Nie hat geschrieben:Ich halte das für sehr gewagt.

zumal das Thema dann doch schon ein bissl aelter ist....... ::)

Da fühl ich mich jetzt etwas auf den Schlips getreten ... ich habe meinen Meinung zu einem aktuellen Beitrag gepostet. Hätte Deine Bemerkung nicht besser an meinen Vorschreiber gerichtet sein sollen? ???
Und ... nein, ich bin nicht empfindlich :-*
Zuletzt geändert von Roby-Nie am 27.04.2016, 11:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Seilschneider

Beitrag von fatz » 27.04.2016, 10:51

Immer mit der Ruhe. Das war nur als Ergaenzung zu deinem Beitrag und fuer deinen Vorredner gedacht
Haben ist besser als brauchen.

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Re: Seilschneider

Beitrag von locksley » 27.04.2016, 11:27

Pfeilverletzungen.pdf
(2.75 MiB) 178-mal heruntergeladen
Oh je. Mal wieder die Halbmondförmigen Darmzerreisser. Wie schon geschrieben bekanntester Name dieser Spitezn ist "Horse Napper", da damit mit leichten Verwundungen der Pferde Reiterangriffe gestoppt oder zumindest in Unordnung gebracht werden konnten.

Gift wurde m.E. im Kriegseinsatz nicht angewandt, da es darum ging den Gegner, sofort an Ort und Stelle kampfunfähig zu machen nicht um Meuchelmord. Dazu reicht eine normale Pfeilspitze durchaus, man darf hier auch den psychologischen Effekt auf einen getroffenen Gegner nicht unterschätzen, der auf einmal damit konfrontiert ist, das ein Pfeilschaft aus seinem Körper ragt.

Mehr über die Wirkung von Pfeilspitzen auf den Menschen in Mac Bumms Doktorabeit.
Ein grosser Mann wird weder vor dem Kaiser kriechen, noch einen Wurm zertreten (Benjamin Franklin)

Wenn das Atmen schwieriger waere, haetten wir weniger Zeit um Unsinn zu reden.

Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd (Sprichwort)

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Re: Seilschneider

Beitrag von lonbow » 27.04.2016, 14:54

Dass der halbmondförmige Spitze zum Durchtrennen von Seilen verwendet wurde, halte ich auch für ein Gerücht.
Aber wohl eher für Pferde und auf der Jagd, wie bei der Hirschjagd von Lucas Cranach dem Älteren:

http://images.zeno.org/Kunstwerke/I/big/23m0029a.jpg

Diese Gabelbolzen gab es auch noch im 16. und 17. Jh, wo Bogen und Armbrust im Militär im deutschsprachigen Raum keine Bedeutung mehr hatten.

lg,
lonbow

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Re: Seilschneider

Beitrag von apaloosa » 27.04.2016, 19:30

Locksley,
vielen Dank für den interessanten lesenswerten Artikel.

VG
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Re: Seilschneider

Beitrag von walta » 27.04.2016, 20:42

Ausserdem kommt es im Krieg nicht darauf an den anderen zu töten sondern kampfunfähig zu machen. Das ist einfacher und bindet ausserdem Ressourcen beim Gegner. Einen Toten lässt man einfach liegen, ein Verwundeter macht viel mehr Arbeit.

walter

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