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Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 05.10.2012, 18:56
von Heidjer
Da immer wieder die Begriffe Hohenaschaubogen und Burgunderbogen auftauchen und genau so sicher auch die Frage was sind das für Bögen, kommt hier mal meine Erklärung dazu. Da ich ein Fan dieses Bogentyps bin, ist jeder Eingeladen weitere Bilder dieses Typs zu posten oder mir zu schicken und natürlich auch weitere Quellen und Museen wo es die gibt.

Der Hohenaschaubogen ist ein Langbogen der auf Schloss Hohenaschau an der Grenze zu Österreich die letzten Jahrhunderte überlebte und schließlich dort gefunden wurde, Heute ist der Bogen im Museum in Nürnberg. Gebräuchlicher für diesen Bogentyp ist aber die Bezeichnung Burgunderbogen, insbesondere außerhalb Deutschlands. Die Burgunderbögen sind die kontinentalen Gegenstücke zu den englischen Langbögen. Im Gegensatz zu den Engländern, die im MA Zeitweise ganz auf den Bogen als die Kriegswaffe setzten, führte der Bogen im kontinentalen Europa als Kriegswaffe eher ein Nischendasein, er war mehr als Jagdwaffe geschätzt.
Von daher kam es auch, dass die Bögen wesentlich aufwändiger gefertigt wurden, wie die einfachen englischen Langbögen mit ihrer D-Form. Nach moderner Bogenterminologie hat der Burgunderbogen eine moderate double Wave oder Möwenform, er ist eben reflex-deflex-reflex gebaut.
Auffällig an den meisten überlebenden Bögen ist, dass die Mehrheit aus Goldregen und/oder mit einen fünfeckigen Wurfarmquerschnitt bestehen, aber auch Burgunderbögen aus Eibe und Bögen mit einem D-förmigen Wurfarmquerschnitt haben die Zeiten überdauert. Ferner hin, sind oder waren die Bogengriffe immer mit einer Griffwicklung versehen worden und die Tips waren meistens mit Geweihspitzen anstatt Hornspitzen wie bei den ELB’s gesichert.
In Deutschland sind mir drei Bögen bekannt, der Hohenaschaubogen in Nürnberg und zwei Bögen im Münchener Jagd- und Fischereimuseum. Die Bögen in München konnte ich mal ausgiebig fotografieren und den einen sogar vermessen. Es soll weitere Bögen in Europa geben, in Frankreich, Belgien, Österreich, Italien und der Schweiz, aber genaueres ist mir darüber nicht bekannt. Wer etwas über diese Bögen weiß, darf es mir gerne Mitteilen. Abbildungen solcher Bögen gibt es auch in vielen historischen Büchern, sie sind durch die reflexen Enden, wir sagen heute eher geflippte Wurfarmenden dazu, leicht zu erkennen.

Hier ein paar Bilder von Burgunderbögen, auf dem ersten Foto ist nur der oberste Bogen ein „Burgunder“ die anderen Bögen entsprechen eher den englischen Langbögen im Viktorianischen Stil.
Burgunderbogen A.jpg

Hier noch mal ein breiter kurzer Burgunder mit einen Nachbau darunter.
Burgunderbogen B.jpg

Die beiden Bögen aus dem Münchner Jagdmuseum so wie sie Ausgestellt werden.
Burgunderbogen C1.jpg

Der deflexe Knick am unteren Ende des kürzeren Bogens ist ein Schaden, wo der Bogen punktuell ein erhebliches Set entwickelt hat.
Burgunderbogen C.jpg

Die obere Geweihnocke am kürzeren Bogen und das ausgeprägte Fünfeckprofil.
Burgunderbogen D.jpg

Die Griffe der Bögen, mit Blick auf den Bogenrücken, mit der Beschriftung eines Lyoner Herstellers und Archivnummern des Münchener Jagdmuseums.
Burgunderbogen E.jpg

Details am größeren Bogen, einmal vom Rücken, was erkennen lässt das der Bogenrücken einen Jahrring folgt und vom Bogenbauch, einer Bruchstelle etwa 10 cm unter dem Griff, was ahnen lässt wie genau die Rundung dieses Bogenbauches einen Halbkreis folgt. Mit dieser perfekten Rundung kann das Tillern des Bogens nicht leicht gewesen sein. Auch sieht man eine eingearbeitete Kerbe die am ganzen Bogen entlang etwa 5mm unterhalb des Bogerückens entlang läuft, eine Gewichtseinsparung kann es kaum sein, die Kerbe dürfte kaum was bringen, also ein Zierelement?
Burgunderbogen G.jpg

Das untere Ende des kleineren Bogens, man sieht das das Fünfeckprofil bis auf 3-4 cm vor den Bogentips durchgehalten wurde.
Burgunderbogen I.jpg

Die gesamte Erklärung des Museums zu den Bögen.
Burgunderbogen J.jpg

Meine schnelle Skizze von der Vermessung des kleineren Bogens, alle Maße in mm.
Burgunderbogen K.jpg



Gruß Dirk

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 05.10.2012, 19:06
von Genni
Sieht sehr interessant aus,
was mich noch interessieren würde wären Daten wie durchschnittliches Zuggewicht, Länge und so weiter, vorallme aber auch wie man die Bögen in diese Form bekam, wurden die damals schon gedämpft?

Gruß, Felix

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 05.10.2012, 19:19
von Heidjer
War ja klar das jemand dazwischen posten mußte! ::)

Das Zuggewicht wird bei Jagdbögen allgemein zwischen 50# und 80# gelegen haben, ich vermute das Zuggewicht des kürzeren Bogens auf ca. 60# das kann etwas täuschen wenn durch die aufgebrachte Farbe (möglicherweise ein Schutzlack des Museums) das Gewicht deutlich erhöht wurde.

Und natürlich richtet man Bögen seit der Steinzeit mit Wasserdampf in Form, wenn der Stave eine andere Form hat. ;)


Gruß Dirk

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 05.10.2012, 19:33
von Haitha
Vielen Dank fuer die Infos hier Dirk (!!), ich glaube , ich habe Fotos von den im Nuernbergschen Germanischen Nationalmuseum ausgestellten Bogen, wenn ich wieder daheim bin guck ich mal.

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 05.10.2012, 21:10
von Wilfrid (✝)
Dirk,erstmal DANKE für den Thread !!!
Die Doublewave scheint mir mehr eine Art Reset zu sein . Mit 'Goldregen kenne ich mich ja nicht so aus, was Set und Dämpfbarkeit angeht, aber komplett reflex gedämpft , kommt meist so eine Form bei raus.
Hast Du mal durch spiegeln geguckt, ob die Dinger symmetrisch sind?

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 05.10.2012, 22:06
von Heidjer
Ja Wilfried, ich denke auch das die Bögen bei der Herstellung genau im Fadeoutbereich so in einen Reflex von ca. 10 cm gedämpft wurden. Mit dem dann entstehenden Set von 5-7cm, der im Hauptbiegebereich auftreten wird, entsteht diese Bogenform fast von allein. Dazu dann noch die Tips etwas flippen und schon passt alles.
In dem Fall liegen die zu dämpfenden Partien am Bogen in einen Bereich der kaum einer Biegebelastung unterworfen ist und so werden die "gerichteten" Bereiche auch relativ gut die Form halten, die Gefahr des "zurück kriechens" ist ninimiert.
Was mich an den beiden Bögen am meisten erstaunt hat, war die präzision der Bogenbäuche, da war keine Spur von irgendwelchen Abweichungen zu entdecken wie sie schon mal beim Tillern entstehen und mit dem Reflex am Anfang muß das Tillern die Hölle gewesen sein. ::)
Ich hatte leider nur Zeit um einen Bogen zu vermessen und an dem ist der untere WA um 20 mm kürzer. ;) Von dem anderen Bogen vermute ich das aber auch, nur bekomme ich das auf den Fotos nicht ganz genau hin. Damit wären dann die WA's um die Länge des Abstandes von Druckpunkt zu Pfeilauflage unterschiedlich. Aber das mit dem Spiegeln ist einen Versuch wert, werde ich mal versuchen.


Gruß Dirk

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 05.10.2012, 22:55
von bowa
Danke für die "Erleuchtung". Ich hab mir erst gestern einen Wolf danach gesucht ;)

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 05.10.2012, 23:16
von Heidjer
Diesen Bericht habe ich gestern genau deswegen geschrieben, nur wie 80% fertig war, ist alles abgestürzt. >:(
Habe ich dann Heute nochmal auf der Arbeit geschrieben und zu Hause fertig gemacht. ;)


Gruß Dirk

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 06.10.2012, 18:40
von Arry
Spannend! Hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, dass dieser Bogentyp existiert und quasi der kontinentale ELB ist.

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 06.10.2012, 23:47
von Sateless
interessant find ich auch die parallelen zum arabischen selfbow. der ist bis auf einen entweder runden, oder flachen belly praktisch gleich. die bellyform richtet sich dabei nach dem holz.

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 24.10.2012, 19:26
von Chirion
Danke Dirk für den Beitrag, dies ist meine Lieblingsbogenform und ich hab schon ein zwei Bögen mit der Grundform gebaut, das Tillern ist ein Horror wenn der Reflex im Griff von Anfang an drin ist, noch bin ich mit den Ergebnissen nicht 100%ig zufrieden, aber ich beabsichtige da dran zu bleiben.

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 24.10.2012, 20:57
von Wilfrid (✝)
Naja, Du mußt den Reflex nicht von Anfang haben, nur bevor der Bogen sich setzt ;-)
Manchmal kriegt man sowas sogar hin, wenn man den Bogen grün baut, tillert, und verkehrtherum aufspannt beim Trocknen.

Mit ein bischen Dampf geht dann der Tillerset (wenn s nicht so viel ist) komplett wieder raus.

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 24.10.2012, 21:50
von Blacksmith77K
Chirion hat geschrieben:Danke Dirk für den Beitrag, dies ist meine Lieblingsbogenform und ich hab schon ein zwei Bögen mit der Grundform gebaut, das Tillern ist ein Horror wenn der Reflex im Griff von Anfang an drin ist, noch bin ich mit den Ergebnissen nicht 100%ig zufrieden, aber ich beabsichtige da dran zu bleiben.


Ja mach mal hinne, ich will das gerne sehen. Ich find' die nämlich tschöhn... :D

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 24.10.2012, 22:37
von Chirion
Bei den bisherigen Versuchen war der Reflex im Griff gewachsen, da bleibt einem nix anderes übrig als von Anfang an damit zu leben.
@Blacky gut Ding braucht Weile, aber ich arbeit dran :)

Re: Der Hohenaschaubogen, ein Burgunderbogen!

Verfasst: 28.10.2012, 13:57
von Jodocus
Danke! Super interessant, dazu ist kaum noch was zu finden. Die Bögen sind nicht all zu alt, oder? Sehen zum Teil sehr gut gemacht aus.

Aber wozu bloss diese Kante am Bauch? Gibt es bei alemannischen bögen manchmal auch. Das macht doch keinen Sinn. Ausser, der Bogenbauer wollte angeben... :P