Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte helfen

Fragen zu Boegen zum Bogenschiessen. Keine Fragen zum Bogenbau.
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MoeM
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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von MoeM » 30.10.2012, 15:03

corto hat geschrieben:moderne jagdethik bringt uns dazu, eine Waffe erst als "ausreichend tödlich" zu betrachten wenn das Tier schnell stirbt - das ist aber nicht notwendig um satt zu werden.

Dem muss ich wiedersprechen; zum einen hat ein hungernder Steinzeitler vielleicht nicht mehr genug Kraft dem verwundeten Tier hinterherzulaufen; geschweige denn sich einem verletzten Tier im Nahkampf zu stellen...
Hinzu kommt, dass bereits schwächere Verletzungen, mangels medizinischer Versorgung, oft den sicheren Tod bedeuteten.
Unter diesen Aspekten würde ich lieber mit einem 100# Bogen aus 5m auf ein gefangenes Wollmammuth schießen, als vom Rand der Grube mit einem Sperr herumzustochern (wer kann denn sicher sagen, dass die Grube auch tief genug war- ohne Minibagger überlegt man da schon genauer wie tief man scharren muss...)
Grüße Moe

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corto
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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von corto » 30.10.2012, 15:34

MoeM hat geschrieben:Hinzu kommt, dass bereits schwächere Verletzungen, mangels medizinischer Versorgung, oft den sicheren Tod bedeuteten.

genau darum eben keine 100# :D weils eben auch tödlich ist, wenn man zeit hat.
ich habe keine Lösung und bin Teil des Problems -
aber bei geistlos rezipierten viralen Kampfbegriffen gegen Humanismus und Menschlichkeit geht mir der Hut hoch !

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Skua
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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von Skua » 11.11.2012, 14:30

Hallo,
natürlich reichen für Rehe 40#. Aber wie sah die potenzielle Geute damals aus? Ötzi hatte Gemsenfleisch gegessen - da reicht ein leichter Bogen? Nicht unbedingt, da er eben keine leichten Carbonpfeile hatte. Gemsen reagieren schon auf größere Entfernung, als das meiste andere Wild. Also muß man einen recht schweren Pfeil auch echt weit werfen, ergo höheres Zuggewicht. Andere Beute in der Steinzeit war sicherlich problemlos aus jagdlichen 20m zu erwischen, hatte aber, wie z.B. Auerochsen, Bison, Wildschweine und Bären, die etwas unangenehme Eigenschaft, den Jäger anzunehmen, wenn es nur verwundet wurde. Da hilft ein starker Bogen schon etwas.
80 - 100# auf einem Primitivbogen dürften etwa den 70# eines modernen Jagdrecurves entsprechen. Damit kann man auch heute jedes größere Tier erlegen. Wenn also Ötzis Bögen bei 28" etwa 120# hatte, er aufgrund seiner Körpergröße vielleicht nur 26" gezogen hat, dann liegen wir nur etwas über dem, was ich für die damalige Zeit annehme.
Bei meinen Studien über die Inuit (Eskimos umgangssprachlich) bin ich inzwischen zu der Auffassung gelangt, das sie genau wussten, wie ihre Ausrüstung aussehen mußte. Was nicht funktionierte, kam nicht wieder nach Hause. Kleidung, Kajak, Paddel, Waffen - alles ist unglaublich perfekt.
Genauso sieht es auch bei Ötzi aus. Seine Kleidung würde auch heute reichen, die Ausrüstung ist funktionell wie bei heutigen Outdoorprofis. Und ausgerechnet der Bogen soll da nicht in das Bild passen?
Wenn er also einen so starken Bogen dabei hatte, dann dürfte das so üblich gewesen sein und es wird nach steinzeitlichen Erfahrungen Gründe dafür gegeben haben.
Grüße, Skua
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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von Genni » 11.11.2012, 14:42

@Skua:
Das würde ich nicht so sagen, denn man muss berücksichtigen, dass der Bogen von Ötzi eben noch nicht fertig war, und daher denke ich noch ein paar Pfund leichter geworden wäre.
Als Beweis, dass man auch Gemsen etc. mit niedrigem Zuggwiecht jagen, wie Corto schon sagt, kann man hier die Jagdtechnik sehen, Ich weiß, dass es Höhlenmalereien etc. (welche genau etc. weiß ich leider nicht mehr :( ) gibt, die Darstellen dass man keine Blattschüsse anwendete, sondern Genickschüsse, da dabei das Wild nicht augenblicklich stirbt, sondern sich u.U. nach auf einen Vorsprung etc. schleppen kann und so nicht mehr die Gefahr, gerade bei Gemsen, besteht, dass sie nach einem Blattschuss einfach abstürzen und nicht zu bergen sind.

Gruß, Felix
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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von Skua » 11.11.2012, 15:42

Felix, da hast Du recht!
Aber Blacksmith hat den unfertigen Bogen auf 140-160# geschätzt, den fertigen auf ca. 120#, siehe viel weiter oben in diesem thread. Gemsen waren wohl auch nicht die Hauptjagdbeute, wohl eher Großwild.
Wenn also Ötzi einen derart starken Bogen benutzte, dann wird es dafür gute Gründe gegeben haben, gewiß nicht Sport oder Langeweile!
Da kommt bei mir die Frage auf - wieviel grain haben denn Pfeile aus Schneeball mit Feuersteinspitzen? Welchen spine hatten Ötzis Pfeile denn so in etwa? Hat das überhaupt schon mal jemand gecheckt?
Grüße, Skua
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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von Blacksmith77K » 11.11.2012, 16:14

Skua hat geschrieben:Felix, da hast Du recht!
Aber Blacksmith hat den unfertigen Bogen auf 140-160# geschätzt, den fertigen auf ca. 120#, siehe viel weiter oben in diesem thread. Gemsen waren wohl auch nicht die Hauptjagdbeute, wohl eher Großwild.
Wenn also Ötzi einen derart starken Bogen benutzte, dann wird es dafür gute Gründe gegeben haben, gewiß nicht Sport oder Langeweile!
Da kommt bei mir die Frage auf - wieviel grain haben denn Pfeile aus Schneeball mit Feuersteinspitzen? Welchen spine hatten Ötzis Pfeile denn so in etwa? Hat das überhaupt schon mal jemand gecheckt?
Grüße, Skua



Die Schäfte sind zwischen 84 und 87 cm (...33-34 Zoll...) lang und haben etwa 1/2 Zoll im Durchmesser. Sie sind in der Tat aus Scheeball (Viburnum) und haben verglichen mit heutigem Schneeball einen Spine von 110-120lbs.

Ein fertiger Pfeil dieser Kategorie hat je nach Holzdichte etwa 900grain

Also ja, selbst die Pfeile sprechen eine eindeutige Sprache und sprechen gegen einen 60# Bogen mit 26" Auszug!
...du biegst nicht den Bogen, der Bogen biegt Dich!

76" Yew Warbow (ELB) 135#@32"
74" Yew Warbow (ELB) 105#@32"



...and several yew warbows...

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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von Haitha » 11.11.2012, 17:31

Mir persönlich fällt es nicht so schwer zu glauben, dass früher mit solchen Gewichten gejagt wurde, zumal der Bogen ja auch zur Verteidigung oder eben Angriff gedient haben könnte. Ötzi hatte schließlich viele Verletzungen.

Auch heute gehen Bogenjäger noch mit bis zu 90 Pfund und höher erfolgreich auf die Jagd, ich glaube, Howard Hill hat selber 100+ für seine Safaris genommen.
Mal von den Theorien ausgehend, dass sich die Menschheit mit voranschreitender Technologie und Finesse immer mehr von der natürlichen Selektion entfernt hat ,und wir also im Vergleich mit früheren Existenzformen wesentlich schwächer sind, halte ich das von Blacky geschätzte Zuggewicht für mehr als möglich.

Ich mag verdammt nochmal keine Lobhudelei, aber der Schwarzschmied hat vermutlich mehr Eibe in den Händen gehabt, als viele viele andere Bogner und wird das schon in etwa einschätzen können. Andererseits kann das Holz auch Mist gewesen sein, wenn auch unwahrscheinlich ;)

Das mit den Schneeballpfeilen ist interessant, muss ich auch mal testen :)

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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von Wilfrid (✝) » 11.11.2012, 18:01

nun ja, der Bogen war in der Nähe von Ötzis "Unfall" , die Pfeile auch. Pfeile und Bogen passen zusammen, damit hat der Bogen zu den Pfeilen ein Zuggewicht deutlich über 80#, so in etwa 100#.
Warum sollte ein Steinzeitbauer/Viehzüchter mit so einem starken Bogen im Hochgebirge unterwegs sein/jagen wollen?
Na, erstens weil er´s kann(Odysseus/Bronzezeit??? hatte auch ein Gerät, das kein anderer spannen konnte)
Und dann sind die jagdlichen Entfernungen im Gebirge oftmals größer als im Flachland, so am Gegenhang ein Reh, Entfernung 40-50m sind denn schon mal 1 km Fußweg, da sind 100# schon nicht schlecht. Steinbock und Gams mögen das nun garnicht, wenn etwas Fremdes in die Nähe kommt, die verschwinden lieber.

Bären sind auch nicht gerade mit 40# zu beeindrucken. Anderes Wild gibts da oben nicht. Also, ein starker Bogen ist von Vorteil.

Alles in allem gibts genügend Gründe, das der bei Ötzis Unfallstelle gefundene Bogen so um die 100#+ hatte, und nicht die angenommen 60?#.

Das heißt jetzt allerdings nicht, das zu der Zeit alle Bögen so stark waren, oder so starke Bögen üblich. Zur gleichen Zeit, als dieser Bogen im Gebirge "verloren" ging, waren 100 000 andere in Europa auch in Gebrauch, gefunden hat man einen.

Wer dereinst mal einer aus Zufall nen Flitzebagen von mir findet, kann der dann mit Recht vermuten, diese Bogenform wäre im Euroa des 21. üblich gewesen??? Wohl kaum!

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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von doubleD » 11.11.2012, 18:52

Ich denke schon das diese Bogenform in Westeuropa ab dem Alpenraum nordwärts die Übliche war.

1 weil rel einfach mit steinzeitlichem Werkzeug herstellbar
2 weil im Vergleich zur speicherbaren Energie eine kleine Oberflächen und damit eine höhere Konstanz bei verschiedener Witterung besonders bei andauerndem Schlechtwetter. (geringere Wasserannahme und Abgabe)
3 weil auch der ungespannte Bogen ein nützliches Werkzeug oder eine brauchbare Waffe war. (Wanderstab, Hebel oder Speer)
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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von MoeM » 11.11.2012, 22:27

Hill hatte unter Anderem, als stärkster mir bekannter Bogen aus seinem Arsenal, einen Ol´One Shot mit 175# in Verwendung.
Wenn ich bezweifle, dass eine solche Liega die erste Wahl auf der Jagd darstellt und er hier sicher ein bis zwei Größenordnungen darunter griff denke ich mir bei den Filmaufnahmen seiner Großwildjagd schon "size matters".
Bei yt beispielweise ist eine Jagd auf einen rel. jungen Elefanten zu finden- dieser zeigt sich obwohl gut plaziert, eher unbeeindruckt von den ersten drei Treffern.
Ab der größe eines Wildschweins wirds einfach ernst, da ist mehr Power einfach hilfreich.
Grüße Moe

Anasazi
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Re: Fragen zum Zuggewicht verschiedener Jagdbogen - bitte he

Beitrag von Anasazi » 13.11.2012, 00:31

Beim Bogen des Ötztalmannes kann man nur mit sehr viel Vermutungen arbeiten. Dabei kommen je nach Methode und Annahme ganz unterschiedliche Ergebnisse heraus.Auch handelt es sich nur um einen einzigen Bogen, der dabei betrachtet wird.
Wie sieht es mit den anderen gefundenen Bögen aus? Gibt es dafür auch Berechnungen?

Bei den Bögen der nordamerikansichen Indianer, welche bis in "unsere" Zeit hin für ihre Nahrung gejagt haben, gibt es verlässlichere Beweise, was die Stärke der Jagdbögen angeht sowie auch jagderprobte Nachbauten der verwendeten Bögen (In der Bowyers Bible ist irgendwo ein Bild eines erlegten Bären mit dem Jäger und seinem 55lbs Modoc Bogen Nachbau. Von Ishi gibt es Berichte über Zuggewichte seiner Bögen und auch seiner Schiesstechnik, die sich deutlich von unserer unterschied. Auch heute noch gibt es in den USA Bogenjäger, die mit ihren selbstgebauten Holzbögen aus diversen Hölzern sowie mit Steinspitzen jagen.... ).
Das Zuggewicht dieser Bögen betrug und beträgt noch je nach zu bejagendem Wild zwischen 40 und 100 lbs. Die meisten Bögen dürften dabei so zwischen 50 und 70 lbs bei xAuszug gehabt haben. x kann dabei auch mal nur 22" gewesen sein (Hornbögen der Plainsindianer zur Büffeljagd).

Die Kunst des Bogenjagens besteht dabei wohl nicht nur im Bogenschiessen, sondern auch in der richtigen Jagdtechnik und Jagdstrategie.

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