Hornnocken, seit wann?

Fragen zu Boegen zum Bogenschiessen. Keine Fragen zum Bogenbau.
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Agroman
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Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Agroman » 25.12.2010, 14:31

Hi ihr Bogenkameraden,

ich bin der Agroman, 17 Jahre alt und neu hier im Forum. Ich hatte schon länger ein Auge auf diese Seite geworfen, weil ich einfach ein Bogenfanatiker bin ;D .

-kurze Vorstellung vorneweg-

Selbst schieße ich derzeit einen englischen Kriegsbogen mit 90 Pfund auf ca. 33"(In Stil und Form vollkommen authentisch gebaut, aber leider ein Doppellaminat und keine Eibe, da ich mir Letztere noch nicht leisten kann *heul*). Evtl. soll es im neuen Jahr und nach meinem 18. Geburtstag dann ein 115-Pfünder aus echter Eibe werden.

Vorher hatte ich noch (ganz früher) einen modernen glasbelegten Flachbogen mit 30 Pfund, einige Kinderbögen sowie anschließend dann einen selbst im Kurs gebauten Eschenholz-Primitivbogen mit 45, dann einen weiteren, extra angefertigen Eschenholzbgen mit grob 70 Pfund, wobei letzterer eher schlecht war. Tia, und dann eben meinen Engländer ;D . Der ist leider kürzlich auf vollem Auszug zerborsten (fetter Schock), der wegen einer Garantie kostenlos neu gemachte Ersatz sollte aber bald ankommen. Ich bin auf jeden Fall ein Fan von authentischen Bögen, insbesondere dem englischen Kriegsbogen.



Auf den englischen Langbogen/Kriegsbogen bezieht jedenfalls sich auch meine Frage (wollte mich nur erst kurz vorstellen, da ich sonst nicht wusste, wie ihr das hier im Forum regelt).Ich würde gerne wissen, seit wann an dem "typisch" englischen bzw. walisischen Schwerzuggewichts-Bogen denn auch die "typischen" Hornnocken dran sind. Ich weiß sogut wie alles über die englischen Bogenschützen und ihre Waffe, lese massenweise Fachliteratur zum Thema und recherchiere immer mal wieder kritisch drauf los. Ich würd mich fast schon als Hobby-Experten (eher Fanatiker) bezeichnen, aber die Frage mit den Hornnocken blieb mir bisher unbeantwortet...

Von den walisischen und englischen Bogis kennt man ja fast nur Abbilungen mit Bögen, die über die Nocken verfügen, aber es gibt auch Abbildungen von Varianten ohne, aus den 1330igern und früher.

Weiß da jemand was zu? Wenn ja, spuckt es ruhig aus! Ich kenne ja die fiesen Spitznocken auf den Nydambögen, aber ansonsten sind mir keine Nocken in anderen Ländern und Zeiten bekannt, die nicht direkt ins Holz eines Selfbows geschnitten waren. Gab es Hornnocken tatsächlich erst im 14. Jahrhundert bei den Engländern oder auch schon früher und in anderen Kulturen?

Danke im Vorraus! -Agroman Nh -Bogenfanatiker
"In essence, it is simply a piece of timber, chosen for its strength, its density, its bendability. And so, the very best possible wood to make it from is yew - it is the perfect god-given spring."

(Robert Hardy über den Englischen Kriegsbogen)

Bogenede

Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Bogenede » 25.12.2010, 15:45

ich bin mal auf einer englischen Seite ( Knights of the wasweissich ) auf eine Erklärung gestossen, wonach die Hornnocken eingeführt wurde um mit dem Bogen auch im Nahkampf, d.h. wann der Gegner zu nahe kam, zu stechen. Das soll so im ausgehenden 14xx gewesen sein.

Leider weiss ich die Quelle nicht mehr

Bogenede
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der Hornocken mag, aber dem sie zu viel Arbeit sind

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Blacksmith77K
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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Blacksmith77K » 25.12.2010, 15:49

Das sollte so stimmen. Unter anderem wurden mit den Hornnocken auch die Bogenenden vor eindringender Feuchtigkeit geschützt. Man hat ja als 'Soldat' auch mal den Bogen abgestellt.
Unterm Strich bleibt, dass die Horn-Nocke eine militärische Erweiterung des Overlays ist.

EDIT: und wer mal mit einem Ziehmesser versucht hat, eine Eibe zu bearbeiten, der weis, warum man Hornnocken draufmacht. Obwohl Eibe massive Druck- und Zugkräfte 'verdauen' kann, ist das Eibeholz an und für sich ein einziger Haufen splitterndes, kreuz und quer reißendes Irgendwas?! 8)
Zuletzt geändert von Blacksmith77K am 25.12.2010, 16:04, insgesamt 1-mal geändert.
...du biegst nicht den Bogen, der Bogen biegt Dich!

76" Yew Warbow (ELB) 135#@32"
74" Yew Warbow (ELB) 105#@32"



...and several yew warbows...

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Heidjer
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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Heidjer » 25.12.2010, 15:50

Die Hornnocken an den Englischen Langbögen sind aus purer Notwendigkeit entstanden. ;)
In der Form wie es sie heute gibt, sind sie erst in der Viktorianischen Zeit als Schmuck aufgekommen. Vorher waren sie wesentlich schlichter, eher nur einfache Hornspitzen mit seitlichen Kerben. Sie waren und sind bei starken Eibenbögen nötig da sich sonst die Sehne in das weiche Holz einschneidet und die Nocken brechen. ::)
Sind die Bögen schwächer oder der Tippbereich dicker (Wikibögen) dann sind sie nicht mehr unbedingt nötig. ;)
Spitz waren sie tatsächlich ausgeführt um sie im absoluten Notfall im Nahkampf zum stechen verwenden zu können, aber dafür standen dann auch andere Waffen zu Verfügung. ::)


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.

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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Bogenede » 25.12.2010, 18:12

@Dirk M
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>aber dafür standen dann auch andere Waffen zu Verfügung. ::)

Einspruch Euer Ehren. die Bogenschützen hatten kein Schwert und keine Lanze, sondern nur noch ein Messer. Damit ist sich schlecht wehren.

Bogenede
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der nur ein Buck Knife dabei hat

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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Squid (✝) » 25.12.2010, 19:19

Neeee, die hatten sehr wohl Schwerter in diversen Ausführungen dabei. Auch Haumesser und ähnliches, mit denen man sich gut wehren konnte - besser als mit einem dünnen Stück Holz mit Hornende. Immerhin waren Bogenschützen ja im Notfall auch Infanterie und zuständig fürs Abstechen nach der Keilerei.
Siehe auch hier: http://www.amazon.de/English-Longbowman ... 1855324911

Ich halte die Nocken-zum-pieksen-Theorie für grundfalsch. Damit kann man wirklich niemanden beeindrucken, der auch nur einen Hauch von Rüstung - und seien es nur 6 Lagen Stoff oder etwas Leder trägt.

Und dann sehe man sich mal einen echten Speer an: Massives dickes Holz nicht unter 3 cm mit einer fetten Metallspitze. Was soll denn da so ein filigranes Bögelchen mit seinem Horntip ausrichten? Soll der Typ auf der anderen Seite sich totlachen??

Neeene, die Dinger sind nur zum Schutz da, damit
a) das Eibenholz nicht durch die Sehne den Bach runter geht und
b) kein Wasser an den offenen Enden in das Holz eindringen kann.

Man muss sich von dem Gedanken lösen, dass Bogenschützen in irgendeiner Weise identisch ausgerüstet waren, so wie wir das von unserer Armee kennen. Die hatten ihren Bogen und die bekannte bzw. bewährte Kleidung. Aber daneben hat jeder das mitgenommen, was ihm praktisch erschien und das waren Schwerter, Keulen, Messer etc.
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Heidjer » 25.12.2010, 20:56

So wie Squid schon schrieb, jeder Bogenschütze hatte auch was anderes zur Verteidigung. Zwar keine großen Ritterschwerter aber lange Messer, Äxte, Beile und Keulen waren sicher vorhanden. Eine der beliebtesten Nahkampfwaffen der Bogenschützen war ein sehr großer Holzhammer der zum Einschlagen der angespitzten Pfähle vor der Schützenreihe diente. Solche Hämmer waren in großer Anzahl vorhanden. Aber es stimmt auch, das für den Nahkampf eigentlich die Men at Arms zuständig waren.


Gruß Dirk
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Agroman
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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Agroman » 26.12.2010, 10:12

Ja, die Liste der Nahkampfwaffen war lang: Messer, Cledds, Schwerter, Beile, Kampfäxte, Falchions und seit Agincourt eben auch die Hämmer, die danach zum Standard-Equipment vieler Schützen umfunktioniert wurden. Trotzdem, Nahkampf ist nebensächlich, obwohl de englischen Langbogis nichts desto trotz halbe Infanterie waren.

Als "filigran" würde ich einen englischen Kriegsbogen jetzt definitiv nicht bezeichnen, es ist ja ein recht dicker Prügel. Allerdings wäre mir der Bogen auch zu schade, um ihn konstant zum Stechen zu etwas so Widerwärtigem wie Nahkampf zu missbrauchen.

Wegen den viktorianischen Ziernocken: Wie gesagt, ich schieße kein olles viktorianisches Freizeitspielzeugchen, sondern einen Kriegsbogen, d.h. mannsgroß (in meinem Fall also 1,95), auf vollem Kompass biegend, keine Griffwicklung, hohes Zuggewicht (bisher bewege ich mich mit 90lbs ja noch im unteren Bereich der alt-englischen Zuggewichte, aber ich arbeite an mir ;) ). Dementsprechen sind auch die Hornnocken klein und schlicht, aber robust.

Ich bin mir der Funktionen der Nocken bewusst, allerdings wurde meine eigentliche Frage immer noch nicht beantwortet: Seit wann gibt es sie ca.? Hat jemand nen Plan?
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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Squid (✝) » 26.12.2010, 10:17

Woher denn?
Letztlich kann man nur versuchen, irgendwelche Quellen, seien es Bilder oder Schriftstücke, möglichst genau zu datieren.
Und danach geht es mit den Hornnocken eben so um 1300 los.
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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Agroman » 26.12.2010, 17:26

Sorry, sollte jetzt nicht zu fordernd rüberkommen. Ich hab das hier ja auch nur gepostet, weil ich mir erhofft hatte, dass jemand eine Quelle hat, die mir bisher unbekannt war, was anscheinend nicht der Fall ist. Tia, die bösen, unvollständigen Überlieferungen ;)!
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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Stamperl » 26.12.2010, 17:57

Wieso sollten die Nocken nicht angespitzt worden sein um zusätzlich noch zu verletzen?
Schließlich und endlich versucht man mit Allem einen Vorteil gegenüber seinem Widersacher zu bekommen.
Wenn ich damals(wie auch heute) in den Krieg ziehen würde, würde ich alles ausnützen um am Leben zu bleiben.

Beste Grüße, Stamperl
Wer im Leben selbst kein Ziel hat, kann wenigstens das Vorankommen der Anderen stören.

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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Heiner » 26.12.2010, 19:50

Stamperl hat geschrieben:Wenn ich damals(wie auch heute) in den Krieg ziehen würde, würde ich alles ausnützen um am Leben zu bleiben.

Du würdest tatsächlich mit Tennisbällen auf Panzer werfen ;) :P ?
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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Squid (✝) » 26.12.2010, 20:05

@Agroman: Sollte kein Rüffel sein, ich hatte leider die Smilies vergessen... ;)
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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Agroman » 26.12.2010, 20:16

Stamperl hat geschrieben:Schließlich und endlich versucht man mit Allem einen Vorteil gegenüber seinem Widersacher zu bekommen.
Wenn ich damals(wie auch heute) in den Krieg ziehen würde, würde ich alles ausnützen um am Leben zu bleiben.


Da sprichste mir aus der Seele! Ehre auf dem Schlachtfeld ist überbewertet, Fernkampf und miese Tricks sind doch viel besser^^.

@Squid

Np^^
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Re: Hornnocken, seit wann?

Beitrag von Stamperl » 26.12.2010, 21:02

Heiner hat geschrieben:
Stamperl hat geschrieben:Wenn ich damals(wie auch heute) in den Krieg ziehen würde, würde ich alles ausnützen um am Leben zu bleiben.

Du würdest tatsächlich mit Tennisbällen auf Panzer werfen ;) :P ?


Wenns was nützen würde, ja,..aber als alter Panzermann behaupte ich mal dreist, das das nicht viel ausrichten wird.
Aber mal Butter bei die Fische, besser einen spitzen Gegenstand im Nahkampf mehr dabei, als einer weniger.

Beste Grüße, Stamperl
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