YUGAERI - Sein oder Schein

Yabusame
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YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von Yabusame » 13.05.2011, 08:28

Yugaeri - Sein oder Schein

Das Yugaeri (Drehung des Bogens nach dem Abschuss, bis das die Sehne den Unterarm berührt) ist ein Thema über Sein oder Schein, ich greife es wegen folgender in einem anderen Thread gemachten Behauptung gesondert auf:
Markus: gelöschte Spitze
Zitat:
Beim Kriegsschiessen wird zwar nicht so weit ausgezogen da der Helm dies unmöglich macht und man unterbindet auch das Yugaeri, man versucht aber dennoch eine maximale Kraftübertragung zu erreichen.

Dieser Satz impliziert 2 Falschaussagen über das Yugaeri:
1.: Beim Kriegsschießen kann ein Yugaeri entstehen
2.: Ein Yugaeri kann unterbunden werden

Zu 1.:
Richtig ist, dass beim Kriegsschießen kein echtes Yugaeri entstehen kann, weil die dortige Kraftverteilung das nicht zulässt, somit also auch nicht unterbunden werden muss.

Vorraussetzungen (u.a.) für ein echtes Yugaeri:
Bei normaler Heki-Technik hat die rechte Seite (Hand +Arm) die Aufgabe, im vollen Auszug einen "Verriegelungseffekt " herzustellen, der den Schuss auslösenden Krafteinsatz der linken Hand (Bogenhand) abfängt. Dadurch kann die linke Hand, so lange der Pfeil an der Sehne ist, beschleunigen und somit zur größtmöglichen Kraftentfaltung kommen.
Dabei muss die linke Hand den Abschuss initiieren, zunehmend so fest wie möglich schließen, beschleunigend drehen und die richte Drehachse realisieren - dann erfolgt ein echtes Yugaeri (das man nicht verhindern kann).

Beim Kriegsschießen erfolgt dagegen eine Aktion von links und rechts gleichzeitig, mit stärkerer Unterstützung des Tai No Wari Komi (Körperunterstützung, indem der Oberkörper im Abschuss öffnend nach vorn schnellt), das kann man bei den im Netz befindlichen Videoaufnahmen sehen ( man beachte wie die rechte Hand viel aktiver arbeitet).
Dadurch und auch wegen des schnellen Ablaufes, kann die linke Hand den max. möglichen Kraftaufbau nicht bewerkstelligen, weshalb sich bei fest schließender Hand keine volle Bogendrehung einstellt. Da die gegenüber der normalen Technik aktivere rechte Hand zusätzliche Kraft generiert, ist die Durchschlagskraft gegenüber der normalen Technik nicht geringer, vermutlich lassen sich sogar höhere Durchschlagskräfte erzielen.

Zu 2.:
Richtig ist, dass ein echtes Yugaeri nicht unterbunden werden kann, wenn die genannten Vorraussetzungen gegeben sind - nicht trotz, sondern wegen einer sich so fest wie möglich schließenden Hand.
Das Tenouchi hat einen Freilauf-Effekt, der bei optimalen Krafteinsatz und Kraftverlauf zur Wirkung kommt.

Warum ist das Yugaeri ein Thema über Sein und Schein?
(Wem die folgenden Zeilen unangenehm sind, mag es sich leicht machen und es Missionieren nennen - für mich ist es nur die Gegenüberstellung von Anspruch und Wirklichkeit zum Zwecke der Selbstbeobachtung)

Das Yugaeri gilt als Indikator für Qualität, was es auch sein kann, aber nur selten ist.
Ein Qualitätsmerkmal, das durch die deutliche Bewegung optisch einerseits leicht zu erkennen ist, andererseits ist die Ursache schwer zu sehen, insbesondere von Anfängern. Die finden das beeindruckend, weil sie nicht wissen und sehen können, dass da oft was vorgegaukelt wird.
Schein statt Qualität ist dann gegeben, wenn das Yugaeri angestrebt wird um sich damit zu schmücken bzw. aufzuwerten. Mit einer solchen Motivation verfällt der Schütze leichteren Wegen, er weicht dem schwierig zu bewerkstelligen korrekten Kraft- und Bewegungseinsatz aus. Er öffnet oder lockert die linke Hand und hilft manchmal sogar mit den Fingern nach, damit sich der Bogen dreht Ganz konsequente Heki-Schützen sprechen von (Selbst-) Betrug.
Einem Schein-Yugaeri zu verfallen wird (stark) unterstützt durch die Tatsache, dass die ANKF-Dan-Prüfer Shomen sind. Bei denen kann man mittels eines Yugaeri Pluspunkte bei Dan-Prüfungen sammeln, auch dann, wenn die von mir genannten Heki-Kriterien nicht erreicht werden. Die ANKF-Prüfer haben, von Ausnahmen abgesehen, nichts daran auszusetzen, wenn die Bogenhand geöffnet wird, obwohl das auch beim Shomen-Stil nicht richtig ist.

Wer hier sauber bleiben will, der sollte mit der Einstellung üben, kein Yugaeri entstehen zu lassen, indem im Abschuss der Bogen fest schließend gegriffen wird.
Deshalb kann man als weitere Vorraussetzung Charakterstärke nennen, sonst hat man das KTvG-Problem am Hals.

Wenn sich dann irgendwann das Yugaeri einstellt, weil die Technik des Schützen soweit ist, dann kann er wirkliche Früchte ernten bei denen die Freude darüber eine ganz andere ist, als bei der Produktion von Scheinfrüchten.

So sollte es besser nicht enden (ab 1:45, sieht man teilweise brutal durchrutschende Bögen infolge sich im Abschuss öffnender Bogenhand):
http://www.youtube.com/watch?v=MQ_MQ6KEb0Q

Grüße
Yabusame

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von shokunin » 13.05.2011, 09:43

Interessantes Thema und eins um das sich sich suuuuper streiten läst ;)
Schön dass Du Dir die Mühe gemacht hast das zu formulieren... und nachdem Du mich schon zitierst...

Der Kommentar war evtl etwas simpel ausgedrückt aber es war ja eh off-topic und ich wollte das Gespräch auch nur wieder zurück in den richtigen Kontext rücken. Der Punkt war man schiesst in der Rüstung und beim Kriegsschiessen anders, aber nur weil es anders aussieht (sprich kurzer Auszug und kein Yugaeri) arbeitet die Bogenhand nicht weniger.

Natürlich kann man das Yugaeri unterbinden. Mir wurde von einem Jp Lehrer erklärt Yugaeri wird unterdrückt. Er hat dann sogar erklärt und vorgemacht wie man es macht.
Mit entsprechender Übung kann man es wohl rein durch festhalten machen aber wenn es sich denndoch ungewollt einstellt berührt man einfach den Daumen mit dem Zeigefinger und Schluss ist's mit Yugaeri. Soweit zumindest K-sensei...
Mir mangelt es da zu sehr an Praxis dieser Technik als dass ich da persönlich gross etwas dazu sagen könnte aber erklärt wurde es eben so dass Yugaeri unerwünscht ist weil es eben den Ablauf verlangsamt und daher bewusst unterdrückt wird.

Sonst stimme ich dir durchaus zu - und ich bemühe mich auch es umzusetzen auch wenn es noch nicht immer so recht klappt.

Ich muss aber dennoch unsere Freunde in London in Schutz nehmen. Weder Bush Sensei noch seine Schüler sind Hekischützen. Auch hat nirgends jemand behauptet der Cilp zeige irgend etwas anderes als Übende - wir wissen nicht sind es Anfänger oder "Meister" also sollten wir mit Kritik vorsichtig sein.
Für uns Heki-Leute ist die Bogenhand das erste und das Haupt-Thema, für andere darf das anders sein. Es gibt Schulen die anders schiessen und das hat seine Berechtigung. Wenn man sich Chikurin-Ha anschaut z.B. auch unter den Koryu aber sie greiffen den Bogen nur leicht. Dies begründet sich wohl in der Tradition des Dosha, bei 40kg Bogen und 10.000 Pfeilen kann man ein Festhalten wohl vergessen.

Interessant wären mal gute Aunahmen von jemandem der es richtig macht - stellst Du Dich zur Verfügung? ;)
Ernsthaft, das wäre wirklich super - nicht jetzt Du unbedingt, aber korrekte Clips anstatt welche von Schützen die es noch üben und eben mit detaillierten Kommentar von Dir was da genau passiert.
Das mit dem "Freilauf" ist bei mir - ich fürchte bei vielen - noch etwas schwammig - wo hört der festhaltende Freilauf auf und wo geht das Locker-Lassen an...?
Wenn der Bogen sich drehen soll ohne dass er die Haut mitnimmt :'( dann braucht er doch irgendwo Luft oder?
Wie genau geht das also?
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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von the_Toaster (✝) » 13.05.2011, 10:35

Noch viel spannender ist die Frage:

WARUM macht man es, wenn es EIGENTLICH reicht den Bogen um etwas mehr als 90° herumzudrücken und es in den Varianten des Kyujutsu, bei dem es z.B. auf Tempo ankommt oder sichere Handhabung, eben nicht gemacht wird.
Ist es nur >für schön<?
Schont es den Bogen?
Oder gar den Schützen?
Bringt es den berühmten >letzten Kick< an Durchschlagskraft?
Was...?

Qui bono?
Es hat keinen Sinn zu versuchen einen Sinn im Versuchen des Menschen zu erkennen.

Es ist traurig zu glauben, dass der Mensch stets schlecht sei.

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von Markus » 13.05.2011, 11:00

Eines vorweg - da die Vergangenheit gezeigt hat, dass solche Themen kontrovers bis ausfallend diskutiert werden können, sollte hier jeder Diskutant sagen, welchen Kyudostil/-schule er schießt und wie seine eigenen Erfahrungen hinsichtlich anderen Stilen ist. Das Ganze vor dem Hintergrund, dass man nur über das wirklich urteilen kann, was man selber kennt. Alles andere sollte als eigene Meinung/Ansicht auch so kenntlich gemacht werden. Vom HörenSagen kann jeder erzählen. Danke!

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von Markus » 13.05.2011, 11:02

Wahrlich ein sehr interessantes Thema und, wie Shokunin schon schrieb, eines über das man trefflich streiten kann.
Ein Problem aus meiner Sicht ist zudem, dass man, um das yugaeri der insai-ha zu verstehen, auch das Prinzip der Bogenhand der insai-ha verstanden haben muss. Um das aber sicher zu verstehen, sollte man durch eigenes Üben zumindest ansatzweise die Erfahrung gemacht haben, was ein gutes und was ein schlechtes tenouchi bewirken kann.
Ich gebe Yabusame recht, dass ein yugaeri um des yugaeri willens wertlos ist und zumindest nach meinem Verständnis der inasai-ha allenfalls als Folge einer guten Arbeit des tenouchi auftreten sollte. Ich weiß aber nicht, wie das das in anderen Schulen gesehen wird.

Ein vorhandenes bzw. nicht vorhandenes yugaeri als Indiz für Charakterstärke bzw. -schwäche zu bewerten finde ich sehr hart, da der Übende sich auf einem Weg befindet und auch erst die Erfahrung machen muss, wann das yugaeri tatsächlich als Folge der guten Arbeit und wann es Folge einer sich öffenden Hand ist. Wir reden hier über Bruchteile von Sekunden, wobei die Aufmerksamkeit erst mal geschult werden will. Die Übung sollte schon sein, die Hand im Abschuss geschlossen zu halten.

Yabusame - Du vergleichst Äpfel mit Birnen, wenn Du die Anforderungen der Shomenschützen mit denen der Hekischützen vergleichst. Und um auf Dein Lieblingsthema zu kommen - wenn eine Prüfungsanforderung (von wem auch immer) ein yugaeri ist, dann hat ein Prüfling ein yugaeri zu machen, so er die Prüfung bestehen möchte. Dass Du in diesem speziellen Fall nix von solchen Prüfungen hälst, kann ich nur vermuten. Hier sollte man das Himmelreich des Einzelnen aber respektieren.

Was bedeutet für die "sauber" und welche Vorteile bringt es für den Schützen und was ist ein KTvG-Problem?
Wie ist Dein persönliches Erleben und die Erfahrung hinsichtlich des yugaeri? Mir ist dazu von Dir bislang keine Aussage bekannt. Allgemeine Ansichten, wie es sein sollte, allerdings viele.

Markus

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von benzi » 13.05.2011, 11:03

vielleicht kann Yabusame (und natrülich auch alle anderen die sich berufen fühlen ;D ) mal diesen Video kommentieren:

bei 1:55 min

http://www.youtube.com/watch?v=Efqc9_ULdfw

Grüße benzi
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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von Toxophil » 13.05.2011, 11:15

Eine Antwort auf das Warum kann ich geben:

Der Bogen ist nach Yugaeri und Zurücknehmen des Bogens an die Hüfte (Yudaoshi) wieder in der optimalen Ausgangsposition (für den nächsten Schuss oder um das Dojo zu verlassen). Dreht der Bogen nicht, so muss man ihn nach Yudaoshi erst wieder am Boden zurechtdrehen. Da die Shomen-Schützen getreu ihrem Motto (Wahrheit, Güte, Schönheit) agieren, kann ich mir schon vorstellen, dass ein fehlendes Yugaeri in Prüfungen als Schönheitsfehler gewertet wird.

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von Toxophil » 13.05.2011, 11:23

Benzi:

Der Schütze gehört zur Insai-Ha Schule. Man kann gut erkennen, dass er den Bogen sehr stark dreht und drückt und auch fest zupackt. Eine Öffnung der Hand erfolgt fast gar nicht, der Griff bleibt an der selben Position wie vor dem Abschuss. Der Handschock des Bogens rüttelt die Hand ganz schön durch, trotzdem rutscht der Bogen nicht durch. Entsprechend "schwach" ist das Yugaeri - subtrahiert man die Drehung des Handgelenks kommt man bestenfalls auf eine 180° Drehung des Bogens. Was ja kein Nachteil für den Schuss sein muss, wie oben aufgeführt. Bei dem Schützen handelt es sich meiner Meinung nach um den Kapitän der Uni-Mannschaft Tsukuba, wo Prof. Mori unterrichtet. Er tritt auch in dessen Lehrbuch auf.

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von benzi » 13.05.2011, 12:39

ich übe seit einem Jahr mit dem Yumi, nur mit Hilfe der Anleitung aus diesem Forum und Rückkopplung über Bilder und Videosaufnahmen, so viel zu Markus Bitte...

ich hab schon öfters nachgefragt..... diese Stelle verstehe ich einfach nicht:

Markus hat geschrieben: Wir reden hier über Bruchteile von Sekunden, wobei die Aufmerksamkeit erst mal geschult werden will.
Markus


wenn es Ziel der Übung ist, die Hand über den Abschuss hinaus, geschlossen zu halten, WAS ist dann eine Frage von Millisekunden???

Wenn es keine Öffnung der Hand zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt, WAS ist dann die Frage einer Reaktion auf was genau innerhalb von Bruchteilen von Sekunden?

Grüße benzi
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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von Yabusame » 13.05.2011, 12:50

@shokunin

……….., aber nur weil es anders aussieht (sprich kurzer Auszug und kein Yugaeri) arbeitet die Bogenhand nicht weniger.
Wenn man die entstehende Torsionsspannung im Bogen vergleichen könnte (was techn. durchaus zu realisieren ist), dann würde man feststellen, dass sie beim Kriegsschießen im Verlauf und in der Höhe deutlich unter dem Verlauf bei normaler Heki-Technik liegt. Das Gegenteil ist bei der Biegespannung der Fall.

Natürlich kann man das Yugaeri unterbinden. Mir wurde von einem Jp Lehrer erklärt Yugaeri wird unterdrückt. Er hat dann sogar erklärt und vorgemacht wie man es macht.
Ich habe nicht daran gedacht gewisse Tricks auszuschließen, hätte nicht gedacht, dass die bekannt sind.

Ich muss aber dennoch unsere Freunde in London in Schutz nehmen. Weder Bush Sensei noch seine Schüler sind Hekischützen. Auch hat nirgends jemand behauptet der Cilp zeige irgend etwas anderes als Übende - wir wissen nicht sind es Anfänger oder "Meister" also sollten wir mit Kritik vorsichtig sein.
Ich habe es im Kyudo als wohltuend empfunden, dass der Begriff Sensei nur auf unsere jap. Lehrer angewandt wird bzw. lange Zeit wurde. Wir sollten uns in der EU besser als Kudoka unter Kyudokas empfinden, das verhindert gewisse Anmaßungen.
Diejenigen, denen man es zugestehen könnte, wollen das gar nicht.

Beim Shomen-Stil muss auch im Abschuss zunehmend zugegriffen werden, so dass die Kraftübertragung optimal ist. Dass es da zu einer Vernachlässigung gekommen ist, liegt wohl daran, dass es nur noch wenige Lehrer gibt, die den Stil authentisch lehren und der Stil mehr ins Zeremonielle abgedriftet ist. Es gibt eine Aufnahme von einem 9. oder 10.Dan Shomen, der die Drehung allein durch ein Fingerspiel bewerkstelligt, äußerst geschickt aber nur für die Galerie. Vielleicht finde ich die wieder.



Interessant wären mal gute Aunahmen von jemandem der es richtig macht - stellst Du Dich zur Verfügung?
Mir fehlt eine Hochgeschwindigkeitskamera  ;D Es gibt genug Aufnahmen von Inagaki-Sensei, der sollte das Maß der Dinge sein.

Das mit dem "Freilauf" ist bei mir - ich fürchte bei vielen - noch etwas schwammig - wo hört der festhaltende Freilauf auf…
und wo geht das Locker-Lassen an...?
Rein technisch gesehen wirkt das Tenouchi so, dass die Kraftübertragung über die Tsunomi erfolgt (man könnte die Tsunomie als Rasthaken sehen), die anliegende Handfläche und die anliegenden Finger sorgen u.a. dafür, dass der Bogen geführt wird.
Ein Freilauf stellt sich ja dann ein, wenn in einer Richtung Kraft formschlüssig übertragen werden kann, in die andere Richtung aber nicht bzw. nur reibschlüssig. Das ist der Fall, denn bei umgekehrter Drehung können nur die Reibkräfte des Griffes wirken.
Eine Lockerung des Griffes setzt dann (i.d.R. unbemerkt) als Reflex ein, wenn die Sehne die rechte Hand verlässt. Die Körperintelligenz meint, die Arbeit ist getan, der Schuss ist ausgelöst, der Esel kann sich zur Ruhe setzen. Das geschieht in einer extrem kurzen Zeitspanne, die anfangs nicht aufgelöst werden kann, ein Anfänger weiß oft nicht was zwischen der Auslösung des Schusses und dem Aufschlagen des Pfeiles geschehen ist. Erst nach und nach wird das bewusster, irgendwann sieht man den Pfeil fliegen, man spürt die Rückstellkraft im Bogen solange der Pfeil an der Sehne ist u.s.w.

Mir ist anfangs überhaupt nicht bewusst gewesen, dass sich meine Hand lockert und ich habe Jahre darum kämpfen müssen bis ich das unter Kontrolle hatte.

Wenn der Bogen sich drehen soll ohne dass er die Haut mitnimmt dann braucht er doch irgendwo Luft oder?Wie genau geht das also?
Ja, dafür ist die Luft zwischen hinterer Bogenfläche und den Fingern, da sollte man einen Bleistift zwischen stecken können.
In dem Moment, wo die Tsunomi nach einem gewissen Drehwinkel (da können bei guten Schützen so ca. 10° sein) kein Druck mehr ausübt, weil der Pfeil die Sehne verlassen hat und die Drehbewegung der Hand am Anschlag ist, wirkt das entstandene Trägheitsmoment des Bogens auf die Hand und die kann dann nur noch die Reibkräfte entgegensetzen, die von der Handfläche und den Fingern übertragen werden.
Ist nicht optimal gearbeitet worden, ist das Trägheitsmoment zu klein, die Reibkräfte können den Bogen festhalten. Bei optimaler Arbeit haben die Reibkräfte keine Chance, so sehr ich die Finger auch drücke. Optimal kann in den genannten 10° Drehbewegung aber nur gearbeitet werden, wenn die Finger richtig fest zudrücken, mit der Vorstellung im Zanshin den höchsten Druck zu erreichen.

Jetzt könnte man sagen, dass man doch nicht mehr weiter zugreifen muss, wenn der Pfeil die Sehne verlassen hat.
Theoretisch ja, praktisch ist das wegen der kurzen Zeitspanne aber nicht möglich.

Diesbezüglich ein Tipp: Wenn man das Tenouchi anlegt, ganz bewusst die anliegenden Finger spüren. Dieses Fingererspüren den gesamten Schussaufbau mit ca. 10% seiner Aufmerksamkeit im Bewusstsein halten, man spürt im Hintergrund also immer die Finger. Wenn man die Finger im Bewusstsein behält, kann man sie auch im Abschuss stärker gegen den Bogen drücken. Mit der Vorstellung, je weiter ich drehe umso stärker drücken die Finger, also mit zunehmender Intensität und der Vorstellung kein Yugaeri entstehen zu lassen.

Grüße
Yabusame

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von Toxophil » 13.05.2011, 12:51

Ich glaube RoLi hat die entscheidende Quelle hier schon einmal zitiert:

"Beim Hanare der Heki-Schule wird ein schnelles Drehen der linken Hand ausgeführt. Wichtig ist dabei, dass die linke Hand so lange geschlossen bleibt, bis der Pfeil die Sehne verlassen hat. Entspannt danach die Hand, so kommt es zum Drehen des Bogens (Yugaeri) in der linken Hand..."

und

"Das Yugaeri ist von verschiedenen Größen des Materials abhängig:
-Je stärker der Bogen ist, desto kürzer ist die Zeit der Yugaeri-Bewegung. Damit nimmt mit zunehmender Bogenstärke die Geschwindigkeit des Yugaeri zu..."

und

"Wird mit Tsunomi no hataraki geschossen und nach Lösen des Pfeils von der Sehne die linke Hand entspannt, so tritt bei Bögen mit größer gleich 16 kg/90 cm ein Yugaeri auf. Sind die Bögen schwächer, so kann ein Yugaeri auftreten."

und

"Wird die Ausführung einer balancierten Kraft während der Arbeit der Tsunomi nach dem Lösen des Pfeils von der Sehne fortgeführt, so wird sich der Bogen nur schwach oder gar nicht in der linken Hand drehen."

Quelle: Prof. Toshio Mori aus Ho sha ron shu Nr. 3, 70-74. 1987
bzw. Tsunomi no hataraki und die Wirkung auf den Bogen von Rohland Pohl

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von Markus » 13.05.2011, 13:00

Benzi: die Frage ist - öffne ich meine Hand (un-)willentlich im Moment des Abschusses oder greife ich fest zu. Das Eine ist der Wille das eine zu tun, das andere die Tatsache, was ich mache. Und das Dritte die Wahrnehmung der Tatsache.
Als Anfänger glaubte ich, die Hand greife fest zu. Heute habe ich mehr Erfahrung und sehe da einiges anders.
Fakt ist m. E., dass der Bogen im Abschuss die Hand aufdrückt, wenn ich nicht wirklich! fest zugreife. Das zu spüren braucht es Erfahrung. Das Aufdrücken der Hand zu unterbinden braucht es noch mehr Erfahrung und noch viel mehr Übung.

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von Yabusame » 13.05.2011, 13:58

@benzi

Es fällt immer schwer einen Schuss öffentlich zu kommentieren und zu bewerten, wenn man weiß um welche Person es sich handelt.

Die Bewegung der Bogenhand an sich ist optimal.
Ich nehme mal an, dass ist meine Hand, dann würde ich mir vornehmen, dass nächste Mal noch intensiver über links den Schuss zu initiieren und den kleinen Finger noch intensiver einzusetzen.
Dann wird der Bogen ruhiger und die Finger bleiben in einer Linie.

Ob ich das dann vor einer Fernsehkamera, unter dem Druck treffen zu müssen, auch schaffe, ist eine andere Frage.

Was aber viel wertvoller und höher als eine 100%ige Durchführung zu werten ist, das ist der Kampf ums Optimum - insbesondere in einer schwierigen Situation - das ist dem Schützen in beneidenswerter weise gelungen.

Grüße
Yabusame

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von Markus » 13.05.2011, 14:09

Yabusame hat geschrieben:Es fällt immer schwer einen Schuss öffentlich zu kommentieren und zu bewerten, wenn man weiß um welche Person es sich handelt.

Yabusame - welch ungewohnten Worte aus Deinen Fingern. Das kenne ich so gar nicht, wo Du Dich doch sonst mit Bemerkungen über andere Schützen auch nicht lumpen lässt. Weiter so! もっとがんばってください。(motto ganbatte kudasai)

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Re: YUGAERI - Sein oder Schein

Beitrag von shokunin » 13.05.2011, 14:21

Da kann ich nur zustimmen :D

Vielen Dank für die Erklärung.

Wo treiben wir nun eine Hochgeschwindigkeitscamera auf... ;)
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