Suche Magyaren Kleidungsinfos

Fragen zu Ausrüstungsgegenständen wie Armschutz, Köcher, etc. Keine Fragen zum Armschutzbau, etc.
Niels

Beitrag von Niels » 26.08.2005, 17:33

Na das klingt doch sehr verheißungsvoll. Dann "quetsche" Deinen Onkel Jurka mal ordentlich aus. Und deutsche Übersetzungen ungarischer Materialien wären natürlich ganz was feines.

Also wenn Du das auf die Reihe kriegst ... :knuddel :knuddel :knuddel

horsebow
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Beitrag von horsebow » 27.08.2005, 11:01

...und quetsch alles aus ihm raus, was er an Informationen und Bildern über magyarische (und von mir aus alle anderen reiternomadischen) Pfeilspitzen hat!

Das wär' was!

Gruß, horsebow
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sundancewoman
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Beitrag von sundancewoman » 27.08.2005, 19:18

Hallo Jungs!!
Wegen der Historiker-Onkel der nicht Deutsch spricht, ist mir folgendes eingefallen; wenn das Material nicht ein Landesbibliotek gleicht, könnte ich reinschauen. Ich komme aus Ungarn und es geht hier um meine Vorfahren. Ich habe sowieso vor, im Herbst die Fachbücher zu kaufen. Anscheinend ist die Interesse groß genug!

Grüßt Euch: Sundancewoman
Es komt nicht darauf an, den bequemsten Weg zu finden, sondern den Richtigen zu gehen

Niels

Beitrag von Niels » 28.08.2005, 10:32

Hallo Sundancewoman,

das siehst Du ganz richtig. Auch wenn es sicher nur eine kleinere Gruppe betrifft, ist das Interesse an Deinen Vorfahren sehr groß.

Ich bin mir sehr sicher, dass es viel neues bringen würde, sich insbesondere aktuelle ungarische Literatur zu dem Thema zu erschließen. Ältere Werke sind ja häufig auch zusätzlich noch in deutscher Sprache erschienen. Die neueren verständlicherweise dann nicht mehr in diesem Umfang.

Wieviel Material bei La Croix's Onkel aufgestöbert wird, kann er sicher erst genau sagen, wenn er da war. Vielleicht setzt Ihr beide Euch dazu dann direkt miteinander in Verbindung.

Welche Fachbücher (Autoren, Themen) möchtest Du Dir denn in Ungarn kaufen? Interssant wären neben "frischen" Aufsätzen zu bestimmten Themen der Landnahmezeit, aktuellen Grabungsberichten usw. aus meiner Sicht sicher auch kommentierte Kataloge von Ausstellungen in Ungarn zu dem Thema. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es da bei den entsprechenden Museen in Ungarn einiges gibt.

Jedenfalls wäre ich Dir sehr dankbar, wenn Du diese sicher nicht ganz einfache und umfangreiche Arbeit machen würdest. Ein wirklich sehr nettes Angebot von Dir.:anbet :knuddel

LaCroix
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Beitrag von LaCroix » 23.09.2005, 10:18

Hallo!

Viel zeit vergangen, viel getan, wenig erreicht.

Da ich grade im Begriff bin, nach Ungarn zu ziehen, hab ich wenig Zeit, aber ich hab einen buchtip.

"The Ancient Hungarians" vom Ungarischen Nationalmuseum. (ungarisch "A honfoglaló magyarság")

Da steht so ziemlich alles drin, was man bisher gefunden hat (kann nicht viel sagen, da ich hier nur die Ungarische Version habe), aber es ist massiv bildmaterial und beschreibung drin.
Inkl. Der fundorte + skizzen derselben und einem historischem Überblick

zu erhalten unter

http://www.storeline.hu/erigoshop/
-> Bemutatkozas
-> Nemzeti Muzeum

Einfach runterscrollen. Gibt dort viele gute sachen.

5700 forint > also rund 25€ + Versand
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LaCroix
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Beitrag von LaCroix » 17.01.2006, 12:35

Kleines Update:

Mein Onkel sucht noch, ist recht schwierig unten all den Büchern(chroniken) die Zitate zu finden. Er hat mir allerdings eine Info geschickt, die er noch nicht verifizieren konnte (Kein Buch zur Hand/keine Zeit/Faulheit):

Leo IV (der Weise) hat in seinem Werk "Tactica" (Standardwerk, wie man welchen Gegner am effektivsten bekämpft) beschrieben, das die Magyaren sogar die Brust ihrer Pferde mit Eisen und/oder Filz geschützt haben.

->Pferde-Panzerung soll also typisch gewesen für die Magyaren um 900.


Beim nachforschen im Internet fand ich folgendes

Aus der webpage
http://www.hungarian-history.hu/lib/thou/thou02.htm , Magyaren vor 900 ( = Leo IV Zeitraum)

As we know, the Magyars' main occupation was animal husbandry, especially horse-breeding. Their horses, relatively small but very strong, had great speed and stamina. Each soldier had 3 or 4 horses, riding them in turn so as not to overtire any of them. Thus the army was able to cover 25 to 30 miles daily for weeks,/22/ whereas the western knight-armies rode a maximum of 12 to 15 miles a day for only a few days. Using pack horses instead of baggage wagons, the Magyars could follow bridle paths, mountain roads, and narrow passages inaccessible to their enemies. This unusual marching speed and road accessibility enabled them to surprise their enemies and appear en masse at unexpected times and places. Since they practically grew up in the saddle (guarding their herds, hunting, fighting, and sometimes even eating and sleeping on horseback), they were superior horsemen. The use of stirrups - unknown in the western calvaries - made it easy for them to make sudden stops, turns, and starts, individually or in formation. Thus, their horsemanship secured their superiority over the knight-armies.


To maintain the advantage of speed by not overloading their horses, they used only very light protective armor: mail shirt, hard leather helmet, and their hair (braided into two ponytails on each side of their necks to protect the main arteries). Their armorers manufactured their slightly bent sabers, short spears, and hatchets, while each fighter made his own bow and arrows. They could hit a target with deadly accuracy as individual archers, yet they preferred to shower the enemy with arrows in the form of modern salvos./23/ Still, naturally inferior as they were to a heavily-armored knight-army attacking in phalanx formation, especially in hand-to-hand combat,/24/ they kept their distance from the heavily armored cavalrymen until the phalanx broke up under a shower of arrows or because of the terrain. Only then did they try to overpower the individual knights, attacking them at once from every direction.


Zitat 23. Leo, Tactica, No. 48-50, in Marczali, Handbook, p. 15

Dieser Text basiert also auch auf "Tactica".
Da Leo IV öfters von Magyaren angegriffen wurde, ist er wohl als Quelle geeignet.

Ich versuche derzeit eine Abschrift des Buches aufzutreiben.

Angeblich wurde nach der Lechfeldschlacht und während der Christianisierung auch das Heer umgestaltet, bereits 1240 war Ungarn praktisch "westlich", und hatte sogar vergessen, wie Reiternomaden kämpfen und wie man sie besiegt, denn die Mongolen überranten sie förmlich mit der selben Taktik, mit der sie bis 955 selber die Geissel Europas waren.

Editiert: Unklarheit in Pferderüstung beseitigt.
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LaCroix
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Beitrag von LaCroix » 20.01.2006, 11:11

Nicolle, I., The Age of Charlemagne, Osprey, London, 1984

Buch über die Karolinger, allerdings auch eine Beschreibung der Magyaren.

Habe die Ausgabe hier vor mir liegen.

Hier wird beschrieben, das die Magyaren zur Landzeitname massive Handelsbeziehungen zu Byzanz hatten, und als ässerst geschichte Handwerker im Bezug auf Metallarbeiten bekannt waren.

Zitat, seite 25:, übersetzt ins Deutsche
Verglichen mit ihren Spät-Karolinischen Feinden besaßen die Magyaren nur sehr wenig Rüstung. Wie es in solchen Stammes-nomadischen Kulturen üblich war, trug nur eine aristokratische elite metallene Rüstungen, der Rest vertraute auf schwere Filzmäntel und eventuell ledernen Lamellar zum Schutz. Andererseits war die Rüstung der Adligen von äusserst hoher Qualität, nach Russischen, Byzantinischen und Islamischen Quellen zu schließen.

Ungarischer Lamellar hat mit ziemlicher Sicherheit Skandinavischen und warscheinlich auch den [Lamellar] der östlichen Slaven beeinflusst.
Schilde wurden kaum benutzt.


Die Magyaren hatten also starke Handelsbeziehungen zu Russland, Islamischen Ländern (Khaganat) und Byzanz.

Ungarische Rüstung ist typischerweise Lamellarpanzerung, allerding kann man als "reicher" Ungar auch alles verwenden, was aus Byzanz und Umgebung importiert werden kann.
(Es gab schon damals Bedenken weltlicher und kirchlischer Herrn über Waffenexporte in die heidnischen Regionen.)
Als Helme kommen, wenn Metall, dann "Spangenhelme" mit Kettenschürze in Frage. (Angeblich gibt es in Russland einen Helm, der ungarischer Herkunft sein soll.)

Hauptproblem ist der Kostenpunkt. Jeder Kämpfer musste 3-4 Pferde erhalten (Kostenpunkt pro Pferd 3-4 Kühe), und eine Metallrüstung kostete ungefähr soviel wie 12 Kühe, also 3-4 Pferde. Schwert nochmal 3-4 Kühe. sind wir schonmal bei runden 30 Tieren. Das ist das doppelte eines westlichen Kämpfers ( Vorschrift der Fränkischen Ritter in 8XX n.Chr. war Ausrüstung (Rüstung, lanze, schwert, pferd, schild) im wert von 44 solidi, eine Kuh kostete rund 3 solidi)

Mein Onkel lässt mich immer noch warten, werde nochmal nachhaken.


Ist überhaupt noch Interesse vorhanden?
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Niels

RE:

Beitrag von Niels » 20.01.2006, 12:13

Original geschrieben von LaCroix

...

Mein Onkel lässt mich immer noch warten, werde nochmal nachhaken.


Ist überhaupt noch Interesse vorhanden?


Keine Sorge, das Interesse ist natürlich noch vorhanden. Ich lese auch sehr interessiert mit, auch wenn ich nicht alle Spekulationen und teilweise doch erstmal recht vagen Schlussfolgerungen, welche die von Dir zitierten Autoren (gerade in Bezug auf nie gefundene, "typische ungarische" Lamellare und Rüstungen, die trotz fehlender ungarischer Quellen, sogar Rüstungen in anderen Regionen beeinflusst haben sollen) ziehen, unterschreiben würde. Wäre aber interessant zu erfahren, wie der/die Schreiber/in zu diesem Ergebnis gelangt ist.

Es ist halt auch eine Frage des unterschiedlichen Ansatzes. Will ich den möglichst typischen Ungarn darstellen und Kompromisse durch Parallelen nur dort ziehen, wo sie unumgänglich sind oder will ich in erster Linie, dass was mir gefällt mit der Begründung, dass könnte er über Handelskontakte, durch Beutezüge usw. erlangt haben, verwenden.

Aber interessant sind Deine Recherchen, wie gesagt schon. Ich hätte zum Beispiel Angaben zu den Magyaren nicht in einem Buch über Karl den Großen vermutet, der es ja eher mit den Awaren zu tun hatte

LaCroix
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Beitrag von LaCroix » 20.01.2006, 12:44

Der Author, David Nicolle, ist ein angesehener Historiker, also gehe ich davon aus, das er, wen er sagt, es gibt Quellen, in denen magyarische metallrüstungen Rüstungen (der nächste Satz beschreibt sie indirekt als Lamellar-typ) als gute Qualität bezeichnet wird, das dies nicht unbelegt ist.

Mittlerweile ist es aber sicher, das es niemals einen Fund einer (metallenen)Rüstung in Gräbern geben wird, da die speziellen Regeln dies nicht erlauben.

Allerdings wurden massiv Waffen und Rüstungen, sowie andere Metallgegenstände und Schmuck geplündert. Diese Gegenstände wurden größtenteils umgearbeitet oder gehandelt.

Zeitgenössische Quellen sprechen aber mittlerweile wiederholt von lederner Rüstung, wobei dieses Buch hier das erste ist, das eine eigene metallene Rüstungsproduktion der Magyaren erwähnt, basierend auf byzantinischen Berichten darüber.

Von einem kontinuierlichen internationalen Handel zeugen die in den Gräbern gefundenen arabischen Dirhems und der Dirhemschatz aus der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts im oberen Theißgebiet("Schatz von Huszt"). Die Verwendung von Kaurischnecken aus dem indischen Ozean als Schmuck im 10. und 11. Jahrhundert und die Bezahlung mit byzantinischen Münzen auf dem Markt in Prag (965) sind weitere Beweise für eine intensive Handelstätigkeit. Das häufige Vorkommen von Münzen Stephans I. in den Schatzfunden des 11. Jahrhunderts in Polen, im Baltikum und Skandinavien ist weiteres Zeichen eines regen Handels. Byzanz hatte schon kurz nach dem ersten Kontakt mit den Magyaren Handelsbeziehungen (in der anfangsphase der Landnahme)

Ich suche nach exakten Quellen, damit ich die Aussagen hier untermauern kann, aber es scheint diese zugeben.

Das Hauptproblem ist, das Magyarische Quellen erst ab ca 13Jht. existieren, daher muß man sich in erster Linie auf schriftliche Quellen in Byzanz und Umgebung stützen.


Wegen des Buchs:
Das Buch spannt von 731 bis rund 1000 nChr. und gibt einen guten überblick über die entwicklung der Ausrüstung. Und die Nachfahren Karls hatten mit den Magyaren zu tun, daher sind sie auch kurz erwähnt.
Die Magyaren wurden ja sogar schon vor der Landnahme als verbündete der Karolinger benutzt, erst später siedelten sie auf druck der Pertscheggen in das ihnen durch diese Kampangen bekannte Pannonische Tiefland ein.

Osprey Verlag hat hat eine große Auswahl an kleinen Handbüchern zu speziellen militärischen Epochen... Ziemlich gut, halt nicht wirklich allumfassend, da nur wenig Seiten.

Und mich persönlich stören die "historischen Illustrationen" in der Mitte, die sind mehr für Modellbauer zum Nachmalen. Sie sind manchmal etwas "künstlerisch freier"(aber es gibt eine Beschreibung derselben, wobei er seine Quellen der Inspiration/Interpretation darlegt, wenigstens etwas), ich hätte lieber mehr Text und zeitgenössiche Abbildungen, aber dann wäre das Heft sicher teurer wegen der Rechte und Kosten.

Falls jemand interesse an den Abbildungen hat, köntne ich diese bei gelegenheit einscannen und hier einstellen.

Ich hab übrigens eine weitere Ausgabe über die nomadischen Reitervölker von 600v. Chr bis 1000 n.Chr bestellt. Die ist hoffentlich ergiebiger.
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horsebow
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RE:

Beitrag von horsebow » 22.01.2006, 20:52

Zwei Dinge hätte ich da anzumerken:

Original geschrieben von LaCroix
... The use of stirrups - unknown in the western calvaries - made it easy for them to make sudden stops, turns, and starts, individually or in formation. Thus, their horsemanship secured their superiority over the knight-armies.


Soweit ich weiß, wurden hölzerne Steigbügel bereits von den Hunnen eingeführt, eiserne Steigbügel (da bin ich sicher) von den Awaren (und sehr schnell vom byzantinischen Reich übernommen).


Their armorers manufactured their slightly bent sabers, short spears, and hatchets, while each fighter made his own bow and arrows.


Ich kann mir nicht vorstellen, daß jeder ungarische Kämpfer die Kunst des Kompositbogenbaus beherrschte, das war in keiner anderen reiternomadischen Kultur so. Von den Türken, Mongolen und Chinesen ist gesichert, daß es spezialisierte Bogenbauer gab. Daß jeder ungarische Kämpfer seine Pfeile selbst herstellte, halte ich für plausibel, allerdings nicht, daß jeder seine eigenen Spitzen schmiedete, das würde nämlich bedeuten, daß auch jeder eine Feldschmiede inclusive Gesenke und allem mitzuführen hätte. Außerdem spricht die durchweg hohe Qualität der landnahmezeitlichen ungarischen Pfeilspitzen für professionelle Schmiede.

Gruß, horsebow
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LaCroix
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Beitrag von LaCroix » 30.01.2006, 11:05

für die interessierten:

Scan eines Ungarischen buchs über die Magyaren (1982, also ziemlich antik, von Gyula Laszlo)

http://www.lc-modellbau.at/pics/50%20ra ... 0honfoglalókról.zip

http://www.lc-modellbau.at/pics/ <- falls es direkt nicht geht. (3. Datei von oben)

47MB, wird also vorraussichtlich nicht sehr lange am Server bleiben!

Mittlerweile bin ich über meine Studien aber auch zu einer (hier vielleicht als ketzerisch angesehenen :D) Schlußfolgerung gekommen...

Die Magyaren waren kein "Nomadenvolk".

Ein vertriebenes Volk auf Wanderung, ja, aber nomadisch waren sie eher nicht. Es gab eine ziemlich genau festgelegte Ständetrennung, ein hochentwickeltes Kunstwesen und politische Verwaltung. Ausserdem wurde sehr viel "nichtnomadisches" Nutzvieh gehalten und auc der Ackerbau war hochentwickelt. Bauern und Sklaven waren auch massiv vertreten, der Handel mit den umgebenden Nationen war auch äusserst ausgeprägt.

Im Gegensatz zu den "richtigen" Nomaden hatten die Magyaren eine dauerhafte Besiedelung und Staatenbildung im Sinn.

Also das Bild vom wilden Reiternomaden, dauernd mit der Herde unterwegs, wenn er nicht grade auf Kriegszug ist, ist eine ziemlich falsche Vorstellung.

Nebenbei habe ich einige interessante Theorien aufgetrieben:

1. Ungarn sind NICHT finno-ugristisch. Gentests haben aufgewiesen, das im gegensatz zu den Finnen, bei denen man eine asiatische Abstammugn nachweisen kann, die Magyaren eindeutig NICHT aus dieser Region stammen. Die Sprachverwandschaft zeigt eher nur, das die Beiden Völker einen Teis des Weges gemeinsam zurücklegten, als einen gemeinsamen ursprung. Eine Verwandschaft des Magyarischen zu Altägyptisch und Sumerisch ist vorhanden und wird gerade erforscht. Vermutlich wanderten sie zuerst in grauest-schwarzer Vorzeit gen Osten, um dort zu wenden und wieder zurück gen Westen zu wandern.

2. "Doppelte Eroberung"
Die Magyaren waren ursprünglich überrascht, das sie ein Rest-Volk in der pannonischen Tiefebene Fanden, das ihre sprache sprach. Die späten Avaren sollen ein eng verwandter oder sogar einer der magyarischen Stämme gewesen sein, der einfach nur ein "paar" ;) Jahre früher nach Westen wanderte. Da gibt es einige "berühmte" Stimmen dazu, die aber unter kommunistischer Herrschaft nicht sehr erwünscht waren, (Nationalstolz ist falsch, Arbeiter aller Völker.. bla, bla, bla) daher wenig Daten.

3. Die Armeen des Gyulas, die Europa verwüsteten, sollen (als schnelle Überfallstruppe) ganz anders aufgebaut und ausgerüstet gewesen sein als die des Kende, die eher "spät-avarisch" ausgerüstet sein sollte (schwere Reiterei). Inwieweit das stimmt, kann ich nicht sagen, muß ich erst mehr Bücher wälzen.
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Niels

Beitrag von Niels » 30.01.2006, 12:52

So ketzerisch ist das gar nicht. Vielmehr wird gerade in der jüngeren Zeit, in der ernstzunehmenden Literatur über die Magyaren diese Meinung sehr stark vertreten. Schon als sie noch im Chasarenreich lebten, sollen die Ungarn nach den wenigen siedlungsarchäologischen Befunden halbnomadisch gelebt haben. Ein gewisser Grad von Sesshaftigkeit war schon vor der Landnahme gegeben. Und die Auswertungen der gefundenen Nutztierrassen lassen da eher auf eine Verstärkung dieser Tendenz nach der Landnahme schliessen. Dieser Fakt wird auch als einer der Gründe dafür genannt, dass es den Ungarn gelang innerhalb relativ kurzer Zeit einen "christlichen Staat" zu gründen.

Die Theorie der doppelten Landnahme wird - wenn ich mich recht erinnere - doch überwiegend abgelehnt. Aber da kann ich gern nochmal nachschlagen.

Die Geschichte mit den genetischen Untersuchung klingt interessant. Habe ich noch gar nichts von gehört. Hast Du dazu eine Quelle?

Die unterschiedliche Ausrüstung der Heere des jeweiligen Gyula, Harka und Kende erscheint mir doch sehr spekulativ, zumal man bezüglich des dieser These zugrundeliegenden Aufbaus der vorchristlichen, ungarischen Gesellschaft und hinsichtlich der Bewertung der Würdenträger (personelle Zuordnung/Bedeutung des Amts) schon gewaltig herumspekulieren muss. Aber Deine Quelle würde mich gleichwohl interessieren.

LaCroix
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Beitrag von LaCroix » 30.01.2006, 17:25

Die Quelle der unterschiedlichen Ausrüstung ist ein Mr. Russ Mitchell, mit dem ich in Korrespondenz bin.
http://www.scholarsvoices.com/ Seine HP

Part of the difference lies in the troops used by the Gyula, as opposed to the Kende... most other peoples saw the Gyula's troops, which by necessity involved a much higher number of light troops (who, in order to preserve their greatest weapon, speed, necessarily used lighter armor). Once they've settled down a bit, Hungarians seemed to use heavy cavalry, light cavalry, and extensive use of medium-light infantry -- for example, if your uncle can dig you up a description of the Sajo river battle against the Byzantines.



Wg. den Abstammungstheorien, ich hab eine Quelle im Netz dazu aufgetrieben (Zufällig bei der suche nach dem Buch "the ancient hungarians"...)

http://web.cetlink.net/~szittya/origin_ ... arians.htm
Gute wissenschaftliche Abhandlung...
Aufgrund dieser Erkenntnisse wird die "double Conquest" in letzter Zeit wieder teilweise erwogen. Sie passt angeblich besser zu den neu gefundenen Fakten.
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LaCroix
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Beitrag von LaCroix » 08.02.2006, 12:10

Servus.

Mal wieder was neues:

Osprey Publishing Verlag
"Mounted ARchers of the Steppe 600BC-AD1300"
von Antony Karasulas/Illustrated by Angus McBride

Für mich war das Buch ein wenig "enttäuschend", es ist eher ein allgemeinwerk über nomadische Völker und deren Kriegskunst, als eine Wiedergabe der einzelnen Völker. Ein wenig wird auf die Skythen und Avaren eingegangen, die Prther, Mongolen und Hunnen sind auch etwas abgehandelt, die Magyaren werden eigentlich nur am Rande erwähnt.

Sind die einfach nicht "Sexy" genug oder was? :motz

Alles in allem ein sehr gutes Buch, preiswert und informativ. Sehr gute Bilder, nur hat man dem Zeichner den begriff "siha" falsch erklärt, daher stimmen seine Bogenzeichnungen nicht, der Rest ist korrekt gezeichnet. (wenn man von dem dauernden Pfeilspitze oben/unten absieht)

Viele Abbildungen von Fundstücken oder zeitgenössischen Abbbildungen/Kunst, das Foto des Skythischen "Stäbchenschilds" am Ende fand ich sehr interessant.

Prädikat: Nicht lebensnotwendig, aber "habenswert"



Zurück zu den Magyaren.

Ein ungarischer Bekannter hat mir sein Transscript der Tactica-Stelle in englisch zugemailt.

Leo der Weise, Taktica (900 nChr)
(Vorsicht! Leo bezeichnet die Magyaren immer als "Türken" ),

The organization and deployment of the Turks less or not differs than the Bulgars.
The people stand under the rule of one person. They are nomad people.
Their armaments are sword, leather armour, bow and lance. In the battle most of them carry two type of weapons they bear a lance on their shoulders and keep a bow in their hands and use them as necessity.
Being pursued they get the advantage with their bows.
Not only they wear weapons but the breast of the richest persons' horses are covered with iron or felt.
They practise the horse archery a lot.
They dont make camps like the Byzantines [I suppose the original write Romanians.] but the tribes and generas live separately. They herd their horses in the summer and winter.
They have dense outposts against ambushes.
They stand up in thick fighting lines.
The missile combat, ambush, encirclement, false retrait and reversal, and scattered formations what they like the best.
When they put to rout their foes they pursue them harshly. Unlike the Romanians [Eastern Roman Empire] and the other people they do not care about anything until they crush the enemy using every means.

Das deckt sich mit den meisten Aussagen, die ich bekommen habe.

Standardwaffen der Magyaren war demnach der Bogen und die Lanze. Diese wurde, wenn der Bogen benutzt wurde, mittels eines Lederriemens über Kopf/Schulter getragen (wie eine umhängetasche).

Eine andere Quelle beschreibt, das ein Kämpfer, nachdem er alle Pfeile verschossen hatte, 7 Leute tötete, 6 mit der Lanze, und als die steckenblieb, den 7. mit dem Säbel.

Das würde auch die wenigen Säbelfunde erklären. Nur wenige leisteten sich eine Dritt/Viertwaffe (den Fokos gabs ja auch noch).

Lederrüstungen waren so häufig, das sie in der militärischen Beschreibung als Standard angesehen werden.
Die reichsten Leute haben angeblich sogar die Pferde gepanzert, gemeinsam mit den Aussagen der Byzantiner zu adligen Ungarn in guten Metallrüstung ergibt das ein deutliches Bild.

Die "magyarische" Armee war alles andere als einheitlich, mehr oder weniger war jeder alleine für seine Ausrüstung zuständig (Anders als das westliche Fußvolk). Fränkische /byzantinische Ritter hatten ja relativ genaue Vorgaben, was für Ausrüstung sie besitzen mussten.

wennich das nun gemeinsam mit der Kende/Gyula-Aussage betrachte, sehe ich folgendes:

Die Armee des Gyula war also eher eine Ansammlung von "Freien" in dem, was sie hatten, wärend diese Armee des Kende aus Reichen und/oder Adligen bestand. Diese wurden natürlich eher nicht an der Front verheizt, waren aber deutlich besser ausgerüstet und weniger präsent oder als Offiziere eingesetzt.


Ausserdem gab es eine Info im obengenannten Buch: (Allgemeingültiger art, nicht spezifisch)

Nomadische Völker legten sehr viel wert auf autarke Versorgung. Jeder Mann verfügte über das nötige Wissen, einen Bogen herzustellen und zu reparieren, allerdings überließ man dies gerne Fachleuten, wenn diese greifbar waren.

Pfeile stellte für gewöhnlich jeder Krieger selber her, es gab aber auch einen "staatlichen" Vorrat, der auf Kriegszügen mitgenommen wurde. Hier also eine Zweigleisigkeit. Wenn die passenden Pfeile alle weg waren, holte man sich halt welche von der Versorgungstruppe, aber man machte seine Pfeile für gewöhnlich selber.

Ein Besucher schilderte, wie sehr er sich wunderte, das, wenn die Männer zu Hause waren, trotzdem die Frauen alle Arbeit machten, und die Männer einfach nur zusammensaßen und Pfeile machten. Eine tolle Zeit... :D *duck*

Hinzufügen muß man, das Fraun und Mädchen üblicherweise ebenfalls reiten und Bogenschießen konnten, und es ihnen auch erlaubt war, in den Krieg mitzuziehen, zumindest in den meisten Völkern.

Inwiefern das auf die frühen/späteren Magyaren der Landnahme zutrifft, ist mir jetzt noch nicht klar, da muß ich noch forschen.
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Niels

Beitrag von Niels » 08.02.2006, 15:13

Den Text aus der Tactica hatte Nomadic freundlicherweise auch schon mal in einer deutschen Übersetzung eingestellt:

http://www.fletchers-corner.de/include. ... eadid=4363

Dort ist allerdings davon die Rede, dass er dem byzantinischen Kaiser Maurikios zugeschrieben wird, der von 582-602 lebte. Die Landnahme erfolgte aber erst 300 Jahre später.

Meint die Tactica mit ihrer Beschreibung also wirklich die landnahmezeitlichen Magyaren?

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