Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

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falli
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Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von falli » 14.03.2016, 12:28

Hallo Forum,

zuerst :

1. Wir haben wir in dem anderen Thread festgestellt, dass die „falsche“ Sehne je nachdem 27% o. mehr Energie schluckt.
Also ist die gewachste schwere Hanfsehne nicht ideal, aber so wurde sie eben verwendet, und nicht mit einer effizienteren Kunststoffsehne.

2. Aber, nach dem Jahrblatt der Interessengemeinschaft Historische Armbrust 2009, würde bei einem „Idealbolzen“ mit dem 1/49 des Bogengewichts nur eine Energieausbeute von ca. 28% stattfinden.
Bei meinem 41 g Bolzen, der 1/18 des Bogengewichts wiegt, beträgt die Ausbeute schon 42%

3. Weiterüberlegt sollte ein Bolzen (einer z.B. genuesischer Kriegsarmbrust) um das 1/30 des Bogengewichts wiegen, um rein rechnerisch auf über 60 m/s zukommen.
Damit hätte man eine größere Reichweite als z.B. ein engl. Langbogen, ungeachtet der Energieausbeute (aber ich glaube, damals gab es noch keine Stahlbögen).


4. Vorstellung meiner „neuen-alten“ Barockarmbrust mit einem Stahlbogen und einem abgewandeltem Klappenschloss.

Sie kam ohne Zopf, mit einer Sehne unbekanntem Materials, und mit einem sehr einfachen Einbund.
Nach Betrachtung historischer Bilder (Jahrblatt etc.) bekam sie von mir einen gewachsten Hanfeinbund, Zopf, sowie Hanfsehne mit gotischen Knoten, (Dank an Ritter Jos und seinen detaillierten Youtube-Videos)).

5. Messdaten:
- Zuggewicht unbekannt, man sie aber noch gerade so von Hand spannen (s.u.).
Im Vergleich mit meiner 150 lbs. Jaguar, würde ich mal auf ca. 170 lbs. schätzen.
Ich spanne sie mit einer Wippe.
- Bogengewicht: 750 g
- Bogenbreite am Einbund: 41 mm
- Bogenbreite vor den Daumen: 26 mm
- Bogendicke am Einbund: 6,5 mm
- Bogendicke vor den Daumen: 2 mm
- Länge der aufgespannten Sehne: 580 mm
- „Powerstroke“: 176 mm

Sehne besteht aus 2 * 6 Strängen 2 mm gewachstem Hanf.
Sie ist damit rel. dick, aber viel dünner darf sie nicht sein, da sie sonst durch das Klappenschloss rutscht.

Resultat: ein Bolzen mit 46,5 g (43% Energieausbeute) wird auf 27,9 m/s beschleunigt, das entspricht einer Energie von 18,1 J
Mit der beim Kauf mitgelieferten Sehne (Material unbekannt) erreicht sie mit einem 41 g Bolzen 31,5 m/s = 20 J

6. Vergleich zu einem Fieberglasbogen:
Eine „Cobra“-Pistolenarmbrust mit Fieberglasbogen und Kunstoffsehne erreicht mit einem 17,4 g Bolzen ca. 39 m/s, dies entspricht 13,4 J !
Und das mit nur 80 lbs. (Herstellerangabe) Zugkraft und einen Powerstroke von nur 130 mm.
(Wenn man als Vergleich eine Jaguar mit gleichem Zuggewicht heran nimmt reden wir von über 60 J !)

7. Fazit:
Dafür, dass mir beim Auflegen der neuen Sehne eine Bandscheibe vorgefallen ist, finde ich die 5 J Mehrenergie zur Cobra lächerlich.
Zudem der Powerstroke für einen Stahlbogen rel. lang ausfällt.
Wahrscheinlich fällt die Energiebilanz bei einer Holz- bzw. Hornbogen-Armbrusten deutlich besser aus.

Alles in Allem würde ich folgende Energiefaustregel (Bitte um Nachsicht, falls dies in einem anderen Thread bereits besprochen wurde )vermuten:

Zugkraft in lbs entsprechen grob Energie in Joule durch 8.
Also meine 170 lbs. Armbrust hat ca. 20 J
Devastators 400 lbs entwickelt 48 J (wenn ich mich recht erinnere)
Eine ganze Rüstung sollte dann ca. 250 J haben.

Dies soll natürlich nur eine „pi mal Daumen“-Regel sein, und gilt für einen Bolzen, der schwerer als der „Idealbolzen“ mit 1/49 Bolzen/Bogengewicht ist.


Gruß Falli
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DerFlixxen
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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von DerFlixxen » 14.03.2016, 17:25

Hallo Falli,

ich glaube das Problem ist tatsächlich die sehr überdimensionierte Sehne. Auch die 2 mm Hanfschnur die in der Sehne verarbeitet ist, ist meines Erachtens viel zu dick, versuch es mal mit 0,8mm Leinengarn, damit lässt sich eine viel homogenere Sehne herstellen. Das Klappschloss scheint auch nicht ideal zu sein, die Nut in der die Sehne einrasten sollte ist meiner Meinung nach viel zu flach. Idealerweiße nimmt die Säule die Zugkraft der Sehne auf und nicht die Schlossklappe, was wie du schon sagtest eine sehr dicke Sehne nötig macht.

Viele Grüße
Felix

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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von devastator1973 » 14.03.2016, 17:37

Hallo!

Wie Felix oben schon erwähnt hat ist die Kerbe für die Sehne nicht sehr tief. Somit geht ein grosser Teil der "Haltekraft" auf die Schlossklappe. Dadurch wird auch mehr Kraft zum Auslösen des Schusses benötigt (bei einem einfachen Klappenschloss) und der Schlossmechanismus mehr belastet. Zum Wirkungsgrad kann ich nur sagen das man von Stahlbögen nicht zu viel erwarten darf. Die Sehne sollte bei solchen Armbrüsten so dick wie der Pfeil sein. Der Grund ist das dadurch die Sehnenmitte auf der gleichen Höhe wie die Pfeilmittelachse ist. Dadurch wird ein "gerades Beschleunigen" erreicht.

Steven

lonbow
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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von lonbow » 14.03.2016, 18:26

Hallo Falli,

Zuerst möchte ich sagen, dass mir die Deko deiner Armmbrustsäule sehr gut gefällt!

Das mit der relativ niedigen Leistung deiner Armbrust erstaunt mich allerdings nicht!
Die Sehne der Armbrust ist viel zu dick. Erhaltene halbe Rüstungen mit Zuggewichten von ca 500 kg haben Sehnen, die nicht viel dicker sind. Hierzu muss allerdings gesagt werden, dass die damaligen Sehnen aus viel hochwertigerem Hanf gefertigt wurden, als heute in Geschäften erhältlich ist. (Ich habe zuhause einen hochwertigen Hanfgarn aus dem frühen 20. Jh und habe Reißtests damit gemacht. Dieser Zwirn hat auf die gleiche Materialstärke bezogen eine 2 mal so hohe Reißfestigkeit, wie der beste moderne Hanfzwirn, den ich erhalten habe.) Er war aber nur minimal stabiler, als ein moderner, hochwertiger Leinengarn. Ich würde dir deshalb raten, stattdessen auf Leinen zurückzugreifen, den hier ist heute noch eine sehr gute Qualität erhältlich.
Der zweite Grund für die schlechte Leistung liegt im Bogen. Er ist im Verhältnis zum Zuggewicht zu breit und flach und hat mit seinen 750 Gramm ein sehr hohes Eigengewicht. Der Bogen kann den Bolzen nicht stark beschleunigen, da er durch die hohe Masse viel zu träge und langsam ist - ein effizienzmindernder Faktor. Auf dem folgenden Link siehst du eine Stahlbogenarmbrust aus dem 18. Jh. Der Bogen ist viel schmäler und höher und hat somit ein geringeres Eigengewicht. Abgesehen davon haben diese Armbruste mit Stahlbögen aus dem 18. Jh meines Wissens Zuggewichte von weit über 100 kg. Denn bei höheren Zuggewicht steigt die Bogenmasse verhältnismäßig wenig an, wodurch auch die Effizienz steigt.

http://c8.alamy.com/comp/CYXJE8/an-saxo ... CYXJE8.jpg



Viele Grüße,
Lonbow

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falli
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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von falli » 15.03.2016, 11:12

Hi Leute,

zuerst Danke für die zahlreichen Antworten,

ja, leider ist meine Armbrust kein "Energiewunder".
So wie ihr schreibt ist die Sehne konstruktionsbedingt zu schwer, und dies liegt am schlecht konstruierten Klappenschloss.
Mit der mitgelieferten leichteren Sehne sind 2 Joule mehr drin, aber das ist auch kein Trost.
Vielleicht wären mit einer noch leichteren Sehne aus Leinen weitere 5 Joule drin
Mich würde nur interessieren, was die anderen Stahlbogenarmbruste im Forum so an Energie bringen.
Gibt es da schon Messungen ?

Gruß Falli

Baumkirchner
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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von Baumkirchner » 15.03.2016, 13:48

Hi,

ist zwar schon eine Weile her und ev nur bedingt brauchbar aber siehe hier:
viewtopic.php?f=34&t=18135&hilit=wirkungsgrad

Gruß
Baumi

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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von falli » 15.03.2016, 15:12

Hi Baumi,

nach meiner "Formel", Zuggewicht in Lbs / 8 = Joule, dürfte deine Hornbogenarmbrust nur 80 J haben, hat aber zwischen 118 u. 147 J, damit ist sie effizienter, als eine Stahlbogenarmbrust.

nicht schlecht !

gruß Falli

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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von lonbow » 15.03.2016, 15:17

Hi Falli,

Ich werde hier in den nächsten Tagen ein paar Leistungsdaten zu Stahlbogenarmbrusten posten, welche ich der Literatur entnommen habe!

lg,
lonbow

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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von falli » 15.03.2016, 15:30

Hi Lonbow,

da bin ich schon mal gespannt.

Ich denke, die Meisten erwarten von einem "LBS-Monster", dass es enorme Energiewerte hat, aber bei den sehr kurzen Beschleunigungsstrecken (Powerstroke) dieser großen Armbruste, bleibt meiner Ansicht nach nicht viel Energie übrig !

Gruß Falli

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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von killerkarpfen » 15.03.2016, 20:25

Wozu ist das Kabel-Backing auf dem Bogen?
Wirken sich die Wicklungen und das Seil auf dem Rücken des Bogens nicht sehr dämpfend aus. ich sehe da nur einen dekorativen Sinn, auf Kosten der Geschwindigkeit.

Auch die Sehne könnte man mit einer verstärkten Mittenwicklung im Rest auch einiges dünner und leichter machen.
Eppur si muove

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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von Heidjer » 15.03.2016, 23:36

Das Kabelbacking dient der Sicherheit, wenn ein Stahlbogen bricht, dann will wirklich keiner in der Nähe sein. ::)

Bei der Sehne bin ich ganz bei Dir.

Der Wirkungsgrad einer Armbrust ist nun mal mies im Vergleich zu einen reinen (Hand-) Bogen und ein Stahlbogen ist nocheinmal etwas mieser. Darum muß eine Armbrust für die gleiche Leistung, wie ein Bogen, ja mindestens doppelt so stark sein.
Stahlbögen machen erst Sinn, bei Zuggewichten wo jedes andere Material (das leichter ist) aufgibt, also ab etwa 500kg Zugkraft aufwärts.


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.

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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von falli » 16.03.2016, 08:39

Hi Leute,

das wäre noch eine Idee, eine deutlich dünnere Sehne mit einer ausreichend dicken Mittenwicklung.
Mal sehen, wann ich dazu komme.
Puh, dass Stahlbögen erst ab 1000 Lbs Sinn machen ist für mich eine neue Idee, die aber nach dem was ich mir überlegt habe nun auch Sinn macht.
Ich fragte mich, wo ist der Sinn von Stahlbögen, welchen Vorteil bieten sie ?
War es früher, als man noch keine Geschwindigkeit messen konnte, wie heute, dass die Käufer nur über Zugkraft geködert wurden, sozusagen als Verkaufsargument ?

Gruß Falli

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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von DerFlixxen » 16.03.2016, 11:36

Ich denke der Vorteil war schlicht die viel schnellere Herstellung. Bis ein Hornbogen fertig ist dauert es schon mal 1-2 Jahre, wegen den langen Trocknungszeiten. Man hat damals bestimmt auch mit unterschiedlichen Bogenquerschnitten, Bolzengewicht und Sehnen experimentiert um möglichst viel Leistung herauszuholen. Solange die Armbrust das macht was sie soll, war der etwas schlechtere Wirkungsgrad wahrscheinlich nicht so wichtig, falls man das überhaupt irgendwie feststellen konnte.

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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von falli » 16.03.2016, 12:24

Hi Felix,

also ein Hornbogen dauert über 1 Jahr.
Wie sieht es mit einem Holzbogen aus ?
Ist Dieser derart leistungstechnisch hinter einem Hornbogen, daß sogar der bautechnisch einfachere Weg überhaupt nicht ins Gewicht fällt ?

Gruß Falli

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Re: Entäuschende Energiebilanz meiner Stahlbogenarmbrust

Beitrag von Baumkirchner » 16.03.2016, 14:29

Yep - im Schnitt sogar länger. Erfahrungsgemäß sind die Hornbögen nach ca 2 Jahren erst richtig einsatzfähig.

Ein reiner Holzbogen für die Armbrust ist zwar einfacher und rascher herzustellen aber wird nicht an Geschwindigkeiten von knapp 70 m/s herankommen. Eine Verbesserung würde jedenfalls ein entsprechendes Sehnenbacking bringen, was aber wiederum der notwendigen Trockenzeit bedarf......

Gruß
Baumi

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