[Gedicht] Eibchen
[Gedicht] Eibchen
Hundert Jahre, reiftest still an Berges Hang
Lotrecht strecktest du dich fünfzehn Meter lang
Feine Nadeln immer grün und rote Frucht
Warst ein Archetyp für deine ganze Zucht
Geschlagen jetzt, nach der Benotung Erste Wahl
ist dein Schicksal nicht ein End' als g'rader Pfahl
wirst versiegelt und gespalten aufgereiht
so vergeht beim Reifen wieder deine Zeit
Schließlich nimmt ein Meister dich in seine Hand
Zählt die Ringe, riecht an dir und stellt dich an die Wand
Längt dich ab und schneidet roh dich in die Form
Jetzt genügst du schon der 6 Fuß großen Norm
Messer und Klingen trennen Fasern von Ringen
schneiden Späne und Holz, bis der Meister voll Stolz
anhebt zu singen: Dieses Werk hier wird mir gut gelingen.
Nun wird dein Leib das erste Mal gebogen
unter des Künstlers Hand die Rundung abgewogen
wieder geschnitten,
auf dem Schnitzbock geritten
geschliffen, poliert,
du bist nicht explodiert
Und was dem Weib seine Locken
sind dir blanke Nocken
aus glänzendem Horn
spitz wie ein Dorn
schließlich von reißfestem Zwirn noch besehnt
schmiegsames Leder wird am Griff straff gedehnt
Und nun wirfst du Pfeile, zweihundert Schritt weit,
Die Hand des Meisters hat dich aus Holz befreit,
denn du war schon immer im Baum gefangen
und durftest nun endlich ans Licht gelangen
Lotrecht strecktest du dich fünfzehn Meter lang
Feine Nadeln immer grün und rote Frucht
Warst ein Archetyp für deine ganze Zucht
Geschlagen jetzt, nach der Benotung Erste Wahl
ist dein Schicksal nicht ein End' als g'rader Pfahl
wirst versiegelt und gespalten aufgereiht
so vergeht beim Reifen wieder deine Zeit
Schließlich nimmt ein Meister dich in seine Hand
Zählt die Ringe, riecht an dir und stellt dich an die Wand
Längt dich ab und schneidet roh dich in die Form
Jetzt genügst du schon der 6 Fuß großen Norm
Messer und Klingen trennen Fasern von Ringen
schneiden Späne und Holz, bis der Meister voll Stolz
anhebt zu singen: Dieses Werk hier wird mir gut gelingen.
Nun wird dein Leib das erste Mal gebogen
unter des Künstlers Hand die Rundung abgewogen
wieder geschnitten,
auf dem Schnitzbock geritten
geschliffen, poliert,
du bist nicht explodiert
Und was dem Weib seine Locken
sind dir blanke Nocken
aus glänzendem Horn
spitz wie ein Dorn
schließlich von reißfestem Zwirn noch besehnt
schmiegsames Leder wird am Griff straff gedehnt
Und nun wirfst du Pfeile, zweihundert Schritt weit,
Die Hand des Meisters hat dich aus Holz befreit,
denn du war schon immer im Baum gefangen
und durftest nun endlich ans Licht gelangen
Re: [Gedicht] Eibchen
Sehr schön gefällt mir richtig gut
lg Tom Tom
lg Tom Tom
Zeit ist eine durchaus relative Angelegenheit
- Spanmacher
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- Beiträge: 3530
- Registriert: 29.04.2012, 15:01
Re: [Gedicht] Eibchen
Das Gedicht zeugt davon, dass der Verseschmied sich auf sehr schöne Weise in einen Eibenstave hineingedacht hat.
Ganz im Sinne von passionierten Bogenbauer/innen.
Danke dafür
Michael
Ganz im Sinne von passionierten Bogenbauer/innen.
Danke dafür
Michael
Zuletzt geändert von Spanmacher am 12.01.2016, 11:01, insgesamt 1-mal geändert.
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.
Re: [Gedicht] Eibchen
Sehr schön erdacht und geschrieben....
Gruß, Peter
Der Baum der fällt, macht Lärm... Der Wald wächst leise...
Der Baum der fällt, macht Lärm... Der Wald wächst leise...
Re: [Gedicht] Eibchen
Ich bin zutiefst gerührt!Warum dürfen die Kinder nicht mal solche Gedichte in der Schule lernen?
LG Mühle
LG Mühle
sprach Abraham zu Bebraham:kann ich mal dein Zebra ham?
- ralfmcghee
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- Registriert: 02.01.2014, 16:00
Re: [Gedicht] Eibchen
Das dürfen sie bestimmt, wenn Dolges Gedicht eines Tages zur klassischen Literatur gehört. Bis dahin: Toll gereimt, Dolge! :-)
Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht.
Der Student geht zur Mensa bis er bricht.
Mein Bogen geht auf den Tillerstock bis er bricht.
Der Student geht zur Mensa bis er bricht.
Mein Bogen geht auf den Tillerstock bis er bricht.
Re: [Gedicht] Eibchen
Oha. Danke für das viele Lob
Ja, ich denke darüber nach, ob ich nicht vielleicht mehr Papierspäne produzieren und das arme Bogenholz nicht zu sehr leiden lassen ;-)
Ja, ich denke darüber nach, ob ich nicht vielleicht mehr Papierspäne produzieren und das arme Bogenholz nicht zu sehr leiden lassen ;-)
Re: [Gedicht] Eibchen
@Dolge:
Netter Versuch, aber was ist mit Versmaß und Metrik? Ich würde noch ein wenig feilen, der Stave ist noch ganz roh....
Netter Versuch, aber was ist mit Versmaß und Metrik? Ich würde noch ein wenig feilen, der Stave ist noch ganz roh....
Re: [Gedicht] Eibchen
Tillern wird überbewertet
Aber ja, es könnte mit ein wenig Feintiller eine richtige Perle aus dem Gedicht werden. Die Rohfassung ist schon richtig gut!
Aber ja, es könnte mit ein wenig Feintiller eine richtige Perle aus dem Gedicht werden. Die Rohfassung ist schon richtig gut!
- Ravenheart
- Forengott
- Beiträge: 22358
- Registriert: 06.08.2003, 23:46
Re: [Gedicht] Eibchen
Snake-Jo hat geschrieben:@Dolge:
Netter Versuch, aber was ist mit Versmaß und Metrik? Ich würde noch ein wenig feilen, der Stave ist noch ganz roh....
Beispiel:
Original:
Und was dem Weib seine Locken
sind dir blanke Nocken
aus glänzendem Horn
spitz wie ein Dorn
Besser:
Was dem Weibe seine Locken
sind bei Dir die blanken Nocken
aus glänzendem Horn
so spitz wie ein Dorn
Rabe
Re: [Gedicht] Eibchen
Ravenheart: Oh, gerade bei der Strophe war ich schon ganz zufrieden, weil die Silbenzahl von Vers zu Vers abnimmt, ohne dass es schleift. Aber ich muss, um dem ganz sauber beizukommen, so schreiben:
Und Was dem Weib seine Locken (7)
sind dir blanke Nocken (6)
aus glänzendem Horn (5)
spitz wie ein Dorn (4)
Und Was dem Weib seine Locken (7)
sind dir blanke Nocken (6)
aus glänzendem Horn (5)
spitz wie ein Dorn (4)
Re: [Gedicht] Eibchen
Ist es denn gewünscht, dass wir an Deinem Gedicht herumverbessern??
Re: [Gedicht] Eibchen
Reiftest still wohl Hundert Jahr' an Berges Hang.
Lotrecht strecktest du dich fünfzehn Meter lang.
Feine Nadeln, immer grün und rote Frucht,
warst der Primus, Vorbild einer ganzen Zucht
Frisch gefällt wirst du geschätzt als Erste Wahl,
ist dein Schicksal nicht ein End' als bloßer Pfahl.
Wirst versiegelt und gespalten aufgereiht,
so vergeht beim Reifen wieder deine Zeit.
Schließlich nimmt ein Meister dich in seine Hand,
zählt die Ringe, wiegt dich, stellt dich an die Wand,
längt dich ab und schneidet roh dich in die Form
Jetzt genügst du schon der 6 Fuß großen Norm.
Scharfe Messer und Klingen
trennen Fasern von Ringen,
schneiden Späne aus dem Holz,
bis der Meister voller Stolz
den Rohling beginnt zu besingen:
Dies' Werk hier wird mir gut gelingen.
Nun wird dein Leib das erste Mal gebogen,
mit scharfem Aug die Rundung abgewogen.
Wieder geschnitten,
auf dem Schnitzbock geritten,
geschliffen, poliert,
du bist nicht explodiert.
Was dem Weib seine Locken
sind dir blanke Nocken
aus glänzendem Horn
spitz wie ein Dorn.
Mit reißfestem Zwirn wirst du dann noch besehnt,
Und schmiegsames Leder am Griff straff gedehnt.
Und jetzt wirfst du Pfeile, zweihundert Schritt weit,
Die Hand des Meisters aus dem Holz dich befreit,
denn schon immer du warst im Baum gefangen
und durftest nun endlich ans Licht gelangen
Danke, dass ihr mich angestachelt habt, nochmal drüber zu gehen Das einzige, was meiner Meinung nach noch wirklich holpert, ist die letzte Strophe, aber da habe ich gerade keine Inspiration.
Markus: Wer noch gute Vorschläge hat - gern her damit.
Lotrecht strecktest du dich fünfzehn Meter lang.
Feine Nadeln, immer grün und rote Frucht,
warst der Primus, Vorbild einer ganzen Zucht
Frisch gefällt wirst du geschätzt als Erste Wahl,
ist dein Schicksal nicht ein End' als bloßer Pfahl.
Wirst versiegelt und gespalten aufgereiht,
so vergeht beim Reifen wieder deine Zeit.
Schließlich nimmt ein Meister dich in seine Hand,
zählt die Ringe, wiegt dich, stellt dich an die Wand,
längt dich ab und schneidet roh dich in die Form
Jetzt genügst du schon der 6 Fuß großen Norm.
Scharfe Messer und Klingen
trennen Fasern von Ringen,
schneiden Späne aus dem Holz,
bis der Meister voller Stolz
den Rohling beginnt zu besingen:
Dies' Werk hier wird mir gut gelingen.
Nun wird dein Leib das erste Mal gebogen,
mit scharfem Aug die Rundung abgewogen.
Wieder geschnitten,
auf dem Schnitzbock geritten,
geschliffen, poliert,
du bist nicht explodiert.
Was dem Weib seine Locken
sind dir blanke Nocken
aus glänzendem Horn
spitz wie ein Dorn.
Mit reißfestem Zwirn wirst du dann noch besehnt,
Und schmiegsames Leder am Griff straff gedehnt.
Und jetzt wirfst du Pfeile, zweihundert Schritt weit,
Die Hand des Meisters aus dem Holz dich befreit,
denn schon immer du warst im Baum gefangen
und durftest nun endlich ans Licht gelangen
Danke, dass ihr mich angestachelt habt, nochmal drüber zu gehen Das einzige, was meiner Meinung nach noch wirklich holpert, ist die letzte Strophe, aber da habe ich gerade keine Inspiration.
Markus: Wer noch gute Vorschläge hat - gern her damit.
- Spanmacher
- Forenlegende
- Beiträge: 3530
- Registriert: 29.04.2012, 15:01
Re: [Gedicht] Eibchen
Ich finde Deine Optimierung großartig. Weiter so!
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.
- Ravenheart
- Forengott
- Beiträge: 22358
- Registriert: 06.08.2003, 23:46
Re: [Gedicht] Eibchen
[quote="Dolge"]
Hmmm, ich weiß, manche Menschen nehmen es (heutzutage!) mit dem Rhythmus nicht mehr so genau!
"Dichter" der "alten Schule" aber tut ein unsauberer Rhythmus weh!
Musst Du natürlich selber wissen, solle um Himmels willen KEINE Kritik sein, allenfalls ein "Augenöffner".
Was ich meine ist folgendes:
- = unbetont
+ = betont
Deine Version ergibt dann das:
Was dem Weib seine Locken (7) +-++-+-
sind dir blanke Nocken (6) +-+-+-
aus glänzendem Horn (5) -+--+
spitz wie ein Dorn (4) +--+
also
+-++-+-
+-+-+-
-+--+
+--+
Neben der Tatsache, dass alle 4 Zeilen unterschiedlich sind, gibt es mehrere ++ oder -- Stellen.
Das ist o.k., wenn es REGELMÄßIG auftaucht, aber MAL...
DAS nennt man "holprig", und das meinte Snake-Jo mit "Metrik"...
Und wie war es bei meiner Version?
Nun...
Was dem Weibe seine Locken +-+-+-+-
sind bei Dir die blanken Nocken +-+-+-+-
aus glänzendem Horn -+--+
so spitz wie ein Dorn -+--+
also
+-+-+-+-
+-+-+-+-
-+--+
-+--+
Unterschied erkannt?
Rabe
Hmmm, ich weiß, manche Menschen nehmen es (heutzutage!) mit dem Rhythmus nicht mehr so genau!
"Dichter" der "alten Schule" aber tut ein unsauberer Rhythmus weh!
Musst Du natürlich selber wissen, solle um Himmels willen KEINE Kritik sein, allenfalls ein "Augenöffner".
Was ich meine ist folgendes:
- = unbetont
+ = betont
Deine Version ergibt dann das:
Was dem Weib seine Locken (7) +-++-+-
sind dir blanke Nocken (6) +-+-+-
aus glänzendem Horn (5) -+--+
spitz wie ein Dorn (4) +--+
also
+-++-+-
+-+-+-
-+--+
+--+
Neben der Tatsache, dass alle 4 Zeilen unterschiedlich sind, gibt es mehrere ++ oder -- Stellen.
Das ist o.k., wenn es REGELMÄßIG auftaucht, aber MAL...
DAS nennt man "holprig", und das meinte Snake-Jo mit "Metrik"...
Und wie war es bei meiner Version?
Nun...
Was dem Weibe seine Locken +-+-+-+-
sind bei Dir die blanken Nocken +-+-+-+-
aus glänzendem Horn -+--+
so spitz wie ein Dorn -+--+
also
+-+-+-+-
+-+-+-+-
-+--+
-+--+
Unterschied erkannt?
Rabe