Bitte mit Quellenangaben, Belegen und fertig zum Veröffentlichen in einer Fachzeitung
Nee, im Ernst, Europa war zwischen 800 und 1500 genau so groß wie heute und die Anzahl der Länder, Völker, Fürstentümer geringfügig größer. Also waren auch die Waffen und die technischen Möglichkeiten, aber auch die Überlieferungen und Traditionen deutlich vielfältiger.
Aber zur Frage.
Zunächst mal gibt es da einige Vorgaben, an denen man sich orientieren muss:
1.) Der Eibenlangbogen war - auch wenn er sicherlich schon vorher in diversen Stärken vorhanden war - ein Produkt der 100-jährigen Krieges zwischen England und Frankreich. In diesem Konflikt hat dieser (Kriegs-)Bogentyp seine Legende erhalten, aber auch in diversen Schlachten gezeigt, was mit ihm möglich ist. Zur Jagd war er nie gedacht.
2.) Das Jagdrecht war in größeren Teilen des vorgegebenen Zeitraums den herrschenden Schichten vorbehalten. Wenn diese jagen waren, haben sie sehr oft aus Prestigegründen (oder schlicht zur Unterhaltung) gefährliche Tiere erlegen wollen, und sind z. B. mit der Saufeder auf Wildschweine losgegangen, die die Hundemeute oder auch Treiber aufscheuchten. Auch Bären wurden eher so erlegt.
Alternativ wurde von den hohen Herren aus Sicherheits- und Bequemlichkeitsgründen vom Pferd aus gejagt - dem Schützen wurde die schussbereite Armbrust vom "Personal" hinaufgereicht.
Aufgrund ihrer Zielgenauigkeit und Durchschlagskraft wurde die Armbrust bevorzugt eingesetzt, oft auch als Balläster oder Schnepper mit Stein- oder Bleikugeln z.B. gegen Vögel und Niederwild. Es gibt höchst teure und kitschige Exemplare dieser Waffe. Auch Falknerei war ein beliebtes Hobby.
In manchen Gebieten durften die Bauern allerdings äsende Rehe auf den Feldern erlegen. Dies beruhte auf überlieferten alten germanischen Gesetzen. Zum Schutz der Nahrungsvorräte machte das ja auch Sinn. Zwar entschied der Grundherr oder sein Büttel darüber, was mit dem Wild geschah - aber natürlich nur, wenn er es wusste...
Aber letztlich wird auch dabei kein ELB (mit dem ihm innewohnenden Trainingsbedarf) zum Einsatz gekommen sein.
Ein Grund für die Bauernkriege des 15. Jhdt. war im Übrigen das Anliegen der Bauern, nach "altem Recht" zu leben und beurteilt zu werden. Und dieses beinhaltete auch das aus germanischer Zeit überlieferte Recht zu jagen. Aber das geht am Thema vorbei... *g*
Grundsätzlich war es aber nach der Erfindung der Armbrust (wann genau ist unbekannt, allerdings hat man bei Hastings auf dem Schlachtfeld von 1066 bereits Bolzen gefunden) mehr und mehr unüblich, mit dem Bogen zu jagen. Denn die Armbrust hatte einige entscheidende Vorteile: Man konnte mit der gespannten Waffe auf die Pirsch gehen und die Waffe ist kompakter als der Bogen. Die niedrige Schussfolge der Armbrust dagegen fiel nicht ins Gewicht, denn der Jäger kann sowieso immer nur einen Schuss abgeben, bei einem Fehlschuss läuft die Beute weg. Heute ist das auch nicht anders. Andererseits war die Armbrust zielgenauer da man sich Zeit zum Zielen nehmen konnte.
Engl. Langbögen als nichtmilitärische Bögen - Jagdbögen - waren nur dann im Einsatz, wenn nichts anderes da war, z. B. wenn Soldaten Nahrung brauchten. Denn das Ding ist als Jagdwaffe reichlich ungeeignet: Es eignet sich um schwere Kriegspfeile in Salven 200 m weit zu schiessen. Aber ein leiser gezielter Schuss auf 25 m aus gebückter Pirschhaltung ist mit dem Ding schon darum schwierig, weil er so unhandlich lang und schwer zu ziehen ist.
Dem einfachen Volk stand vielfach das sog. Niederwild als Jagdbeute zur Verfügung. Langbogen gegen Hase ist aber auch keine gute Alternative. Daher ist man hier oft zur Jagd mit Fallen oder Treibjagden mit Netzen (und Knüppeln) übergegangen.
Soweit also Jagdbögen benutzt wurden, stand man vor den gleichen Problemen wie heute: Der Bogen musste für die Pirsch kurz genug sein und auf max. 40 m sicher treffen und töten können. Dafür kommt m. E. entweder ein "Babylangbogen" also ein schwächerer kürzerer ELB in Frage oder ein Flachbogen. Ich weiss zwar nicht, ob es derartige Funde gibt, aber das Design war auch in der Jungsteinzeit schon bekannt (Holmegaard, wenn auch mit Abstrichen wegen des runden Rückens, Meare Heath, möglicherweise Stellmoor). ber unpraktisch waren die Menschen des MA sicher nicht veranlagt.
Zwar hatte Ötzi - als Vertreter der Jungsteinzeit - einen Eibenbogen mit LB Profil. Allerdings war dieser nur 180 cm lang und entsprach somit nicht einem typischen späteren ELB sondern war deutlich kürzer. Auch vom Zuggewicht entsprach dieser Bogen eher einem "normalen" Bogen oder Baby-ELB, zumindest, wenn man den Beschussversuchen glauben darf, die später mit möglichst genauen Nachbauten gemacht wurden. Danach wurde allerdings ein Rehkadaver auf 30 m vom Pfeil komplett durchschlagen.
Bleibt noch die Frage, welche Waffe ein Wilderer bevorzugt hat. Der ELB war zu groß, unhandlich, auffällig. Die Armbrust zu teuer und (für ihn) zu illegal. Wenn es also eilte und die Jagd mit Fallgruben, Schlingen auf Wildpfaden etc. nicht in Betracht kam, dann war ein Bogen eine gute Idee. Und wie - wenn es ein erfahrener Wilderer war - wird er den gebaut haben? Genau so, wie wir unsere Anfängerbogen bauen. Statt des Internets hat er einen Fundus von Erfahrungen und Erzählungen durch Kollegen, und einer von denen (möglicherweise ein Vorfahre des Raben?) zeigt ihm auch genauer, wie das geht. Ihm ist dabei egal, ob es ein Flachbogen oder ein ELB wird, Hauptsache dat Ding schiesst.
Wenn Dir also ein einfacher Selfbow aus einem Stück vorschwebt, dann liegst du ziemlich richtig. Ob Flachbogen oder ELB Profil ist dabei relativ egal und eher von ausgewählten Holz abhängig, als von der Epoche...
Aber eine echte bzw. verbreitete Jagdwaffe, so wie man heutzutage z. B. ein Jagdgewehr vor Augen hat, war der Bogen in dem von Dir ausgesuchten Zeitrahmen in Europa wohl nie...