SilkyJoe hat geschrieben:Ähnlich vielleicht auch bei Attillas Hunnen.
Leider ist die Quellenlage zu den beiden letzten großen Feldzügen Attilas (451 u.Z. nach Gallien, 452 u.Z. nach Italien) nicht soooo gut - aber die Ludrigkeit der hunnischen Bögen kann auch hier als Ursache für das Scheitern ausgeschlossen werden.
Attilas Heer war kein "hunnisches" Aufgebot sondern ein "barbarisches" Heer, in dem Hunnen (als berittene Bogenschützen, vergl. hierzu insbes. Ammianus Marcelinus) neben Gepiden, "Ost"-Goten, ripuarischen Franken, Burgunder (die unsrigen aus der Maingegend), Herulern, Skiren, Langobarden und derlei Typen mehr kämpften. "Ethnische" Hunnen waren warscheinlich in der Minderzahl! Die überwiegende Mehrheit des Heeres kämpfte mit Speer, Lanze, Schild, Schwert, Franziska und was noch so zu den beliebten Mordwerkzeugen der Spätantike gehört.
Auf dem Gallischen Feldzug soll es zwar während der entscheidenden Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (451 u.Z., irgendwo in der Nähe von Troyes) geregnet haben, aber die Bögen waren dennoch selbst am 2. Tag der Schlacht funktionsfähig (vergl. hierzu Jordanes, Getica, 40.213 - Jordanes spricht von einem "Pfeilschauer").
Auch während der harten Kämpfe am 1. Tag der Schlacht spricht nichts dafür, daß das Versagen der Kompositbögen schlachtentscheidend war. Die hunnischen Reiterbogner waren gegenüber dem auf römischer Seite kämpfenden alanischen Kontigent (aus dem Ost ins spätrömische Reich migrierte Iraner, kämpfte in der Regel als schwere Kavallerie) durchaus erfolgreich, die blutigsten Kämpfe fanden zwischen germanischen Formationen (also ohne Kompositbögen!) statt.
Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern war zudem keine katastrophale Niederlage Attilas, sondern ein "Unentschieden" mit schweren Verlusten auf beiden Seiten; aufgrund der militärischen Lage ergab sich daraus aber ein strategischer Nachteil für Attila. Mit schludrigen Prittstiftbögen oder Nieselwetter hat das nichts zu tun, sondern mit logistischen und politischen Problemen.
Attila war bereits ein Jahr später in der Lage (oder gezwungen) erneut einen großen Feldzug zu führen - dieses Mal nach Italien - wo bekanntlich immer die liebe sole scheint. Nach Anfangserfolgen (Eroberung von Aquileia und Mailand) mußte er sich zurückziehen; Ursache dürften die bekannten Schwierigkeiten barbarischer Heere, erfolgreiche Belagerungen durchzuführen und ausbrechende Seuchen gewesen sein.
Kurz danach war er tot (Blutsturz im Suff während einer Hochzeitsnacht oder so ähnlich, jedenfalls nix Heldisches!) und mit den Hunnen gings bergab.
Attilas Reich, die "barbarische Alternative" basierte auf Raub - entweder wurde im großen Stil geplündert oder es wurden von Ost- und Westrom Subsidien bezahlt, um solche Raubzüge abzuwenden. Diese durch Attila an die militärisch-politischen Eliten verteilten Resourcen hielten seine "barbarische Koalition" zusammen; die Größe der Koalition (ihr militärisches Drohpotential) bildete die Basis neuer Erpressungen. Den "barbarischen Eliten" - all den tapferen gotischen, gepidischen, herulischen und weiß der Geier was für Recken
- ermöglichte diese Koalition unter Attilas Führung einen Lebensstil, den sie sonst nur in römischen Diensten hätten führen können.
In die Krise geriet dieses Modell, als die Oströmer mit ihrer Weigerung, weitere Subsidien zu zahlen den Teufelskreis - mehr Beute (oder Subsidien) heißt mehr Kämpfer - mehr Kämpfer heißt mehr Beute (oder Subsidien) - unterbrachen.
Attila muß die benötigte Beute "eintreiben" - dabei stößt seine Kriegskoalition an ihre militärischen Grenzen und die Krise verschärft sich.
Mit Kompositbögen hat das alles nichts zu tun. Die haben auch nach Attila im Osten Europas (Ungarn, Polen, der Ukraine et cetera) und auf aus dieser Region nach Westen und nach Italien vorgetragenen Feldzügen prima funktioniert.
Aber dem Einsatz von berittenen Bogenschützen war eine andere Grenze gesetzt!
Um der römischen Welt erfolgreich Resourcen abzumelken, mußte die Drohkulisse nahe an den lebenswichtigen Regionen aufgebaut werden. Pannonien bot sich hierfür an - allerdings bieten die Steppengebiete der pannonischen Tiefebene (in etwa das heutige Ungarn) nur begrenzt Lebensraum für Nomaden, aus denen die berittenen Bogenschützen mobilisiert wurden.
Attilas Hunnen verschwanden...
Nun ja - verschwunden sind die Hunnen wohl gar nicht - die treten einfach unter neuem Namen auf.
Attilas Reich - "die barbarische Alternative zu Rom" ist nach Attilas Tod und der Schlacht zwischen einzelnen Gruppen seiner "Barbarischen Koalition" am Nedao in Pannonien 454 u.Z. tatsächlich zerfallen - aber das bedeutet nicht das Ende der Hunnen.
Leider ist über die ethnische Zuordnung der Hunnen (z.B. zu den Turkvölkern) und über ihre ethnische Homogenität arg wenig bekannt; jedenfalls haben haben sich hunnische Gruppen noch längere Zeit als Söldner oder Feinde von Ostrom/Byzanz an der unteren Donau herumgetrieben - ab einem gewissen Zeitpunkt allerdings unter einem anderen Etikett: z.B. "Bulgaren".
Aber wie sich auch immer genannt wurden, oder sich genannt haben - geschossen haben sie mit dem Kompositbogen. Auch bei Regen!
Genug Klugschiss für heute
K02