Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordnung

Alles über das Mittelalter.
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Wilfrid (✝)
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Re: Mittelalter????

Beitrag von Wilfrid (✝) » 09.06.2014, 16:56

naja, es stört mich, das ein nachweislich frühneuzeitlicher Stil so verkauft wird, das andere denken, es sei DER mittelalterliche Schießstil für Europa bzw es sei nachweislich ein mittelalterlicher Stil.

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Blacksmith77K
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Re: Mittelalter????

Beitrag von Blacksmith77K » 09.06.2014, 18:22

Zu dem Schießstil schreibt Heiner, ich zitiere: Dieser ist seinerseits richtigerweise abgeleitet "aus dem Mittelalter"

...so, steht nix von: Nur DER Stil ist original Mittelalter...
...du biegst nicht den Bogen, der Bogen biegt Dich!

76" Yew Warbow (ELB) 135#@32"
74" Yew Warbow (ELB) 105#@32"



...and several yew warbows...

Nightbow
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Re: Mittelalter????

Beitrag von Nightbow » 09.06.2014, 18:41

Ich versteh gerade nicht den unmut von einigen was schiessstile anbelangt in der einen hand hält man den bogen mit der andern zieht man mit 1,2-3 fingern an der Sehne jeder wie er mag und da bin ich mir ziemlich sicher war das zu jeder zeit an jedem ort so, es ist irrwitzig zu glauben das sagen wir alle Engländer anno 1253 am 3. mai um 12 uhr 34 ihre bögen gleich gezogen haben da jeder mensch anders ist. Also jeder sein bogen anders zieht. Bei mir ist es sogar so dass ich nicht jeden bogen gleich ziehe weder auszug weite noch art. Wie soll es den den Englischen, Indianischen oder den Mongolischen stiel geben?
78" Yew warbow 145# @ 32"
74" Yew target bow 105# @ 32"
80,5" Elm warbow. ~125# @32"
72" Yew/Purplehart Targetbow 105# @32"

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Re: Mittelalter????

Beitrag von Inopel » 09.06.2014, 18:49

Willi les nochmal richtig alles durch. Hier der Link: http://www.seminarmittelalterlichesboge ... 47&lang=ge


Also ich mag meine Besenstiele.

Ino
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Re: Mittelalter????

Beitrag von Sjaunja » 09.06.2014, 18:57

Sorry, wenn ich mich hier auch einmische (und ist auch eher OT). Trotzdem,

@ Wilfried: Neben Crecy und Agincourt, wo die Bogenschützen wohl wirklich nicht entscheidend waren, gab's noch Falkirk und Maes Moydog, und da waren se wirklich wichtig. Also erst mal wirklich in der englischen Geschichte rumstöbern!

Mvh,
Sjaunja

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Bogenhannes
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Re: Mittelalter????

Beitrag von Bogenhannes » 09.06.2014, 19:04

Es geht um die Veranstaltung hier http://www.fletchers-corner.de/viewtopic.php?f=24&t=25114 und den Schießstil, den Wilfrid als nicht authentisch ansieht. Seine Kritikpunkte hat er ja schon aufgeführt.



Man kann Threads und ihr Anliegen nämlich regelrecht zumüllen und das Anliegen des Autors niederschreiben.


Wenn nun ein Roger Asham sein Wissen über das Bogenschießen, dass er recht zweifelsarm aus englischer Tradition erhalten hat und eben kein Fantasieprodukt ist, in einem Buch festhält, dann ist das Wissen noch genau so alt, wie das Wissen ist, und nicht so alt wie das Buch.

Historisch belegbar ist das Buch, weil es überliefert wurde und nun in überlieferter Form vor uns liegt. (Über die historische Bedeutung von Überlieferung und ihre Probleme:
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichtsschreibung#Probleme_der_Geschichtsschreibung, aber es gibt auch Literatur über Geschichtsschreibung auch von wirklichen Historikern ;)
Man kann über Ashams Wissen nur sagen, dass es zu SEINER Zeit vorhanden war und von ihm niedergeschrieben wurde. Über die Schießkunst des MA sagt das Buch leider gar nichts aus, sondern über seine Gegenwart, es sei denn Asham würde mittelalterliche Quellen benennen auf die er sich bezogen hat und die Quellen würden sich finden lassen.

auf der anderen Seite gibt es starke Bögen und verschiedene Möglichkeiten zu schießen. Ich denke dass sich Schießstile ähnlich entwickeln, wenn die Anforderungen gleich sind.
Aber alle unsere Nachbauten und Reenactments sind IMMER nur unsere eigene MODERNE Interpretation vom Umgang mit Werkzeugen aus anderen ZEiten. Sei es Steinzeit oder MA. Damit hat er auch recht.
Das wollte ich mal als gelernter Historiker loswerden. ::)
Die Richtung eines Pfeils wie auch eines Wortes lässt sich nicht mehr ändern

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Re: Mittelalter????

Beitrag von Wilfrid (✝) » 09.06.2014, 20:03

Blacky, und das mit dem "abgeleitet" ist so nicht richtig. Es sei denn man glaubt, Ashram hätte diesen Stil von seinem Opa, das wäre dann zwar immerhin aber sehr spät mittelalterlich.


Und es ist nun mal ein Unterschied, wie lang der Bogen ist, mit dem ich schieße. Wie Du selbst mal irgendwo geschrieben hast, Blacky, geht dieser Stil wohl nicht so gut bei kürzeren Bögen ( also nur mannshoch und hohes Zuggewicht)

Damit ist denn auch zu bezweifeln, das die Waliser zu Beginn des Spämi so geschossen haben...
Und damit geht für mich die Entwicklung des ELB erst im Beginn des Spämi mit der Einführung der Horn/Geweihnocken los , dann kannst Du das Zuggewicht steigern und dann die Technik entwickeln ...
Also starten wir mal so ~ 1300 mit der Entwicklung für England (Wales hat nen technischen Fortschritt) , da sinds bloß noch ~150 Jahre bis zum Hohenaschaubogen und dann hin zu den Bögen der Mary-rose, 1546 oder so...

Vom Selbstbaubogen hin zur Bogenmanufaktur. +Schießstil entwickeln. Da is kaum noch was mit "aus dem Mittelalter" ...

Denn das ging so ungefähr von 500-1500. Diese überlangen Bögen und der damit mögliche Schießstil sind nun mal sehr spätmittellalterlich bzw frühneuzeitlich, Tudorzeitlich, und sie verschwinden auch ~mit den Tudors , so zeitlich als Gebrauchsgegenstände.
Nach dem Teppich von Bayeux beharkten sich die Kontrahenten mit recurveähnlichen, kurzen Bögen....

Auch die mittelalterlichen Stabbögen der Nordleute haben so Sehnenlängen von unter 1,8m, was denn eben nicht auf Auszüge von über 30" hindeutet. Und die waren im Schnitt eben nicht soo viel kleiner als heute.

Mir gehts nur darum, das der Stil, der im Seminar gelehrt wird, als "mittelalterlich, aus dem Mittelalter abgeleitet " bezeichnet wird.
Denn für mich ist ein "weiter Auszug" ~frühneuzeitlich. Oder anders ausgedrückt, im Mittelalter schossen die eher Fita-Style.

Ich jedenfalls kann keine weiten Auszug fürs Mittelalter belegen.

Ich tue es wohl definitiv mit nem Flitzebogen nicht, ich kann auch nicht sagen, wann jemand damit angefangen hat ...


Was die Schlachtentscheidung der beiden oben genannten Schlachten Edwards angeht, die Waliser schossen angeblich nicht auf die Schotten und haben sich wohl durchs Bogenschießen selbst den *** gerettet. Die Engländer hatten nichts erwähntes an Bogenschützen :-(
Zuletzt geändert von Wilfrid (✝) am 09.06.2014, 20:15, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Mittelalter????

Beitrag von Blacksmith77K » 09.06.2014, 20:12

...und FITA-mäßig hat wohl niemand über 100# geschossen. Jagdbögen mit Sicherheit, aber Kriegsbögen definitiv nicht... :-*
...du biegst nicht den Bogen, der Bogen biegt Dich!

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Re: Mittelalter????

Beitrag von shokunin » 09.06.2014, 20:29

Wilfrid, wenn Du keinen langen Auszug in England im Mittelalter belegen kannst, dann lass' mich dir helfen:
https://imagesonline.bl.uk/en/asset/sho ... =undefined
Luttrell Psalter ca 1330.

Das Bild zeigt Bogenunterricht in England im Mittelalter. Es gab sehr wohl eine Tradition, die bis in die Neuzeit andauerte und gepflegt wurde.

Gruss,
Mark
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Re: Mittelalter????

Beitrag von shokunin » 09.06.2014, 20:34

Und weil ich gerade da bin... schau doch auch mal hier zum Thema "Besenstiele mit aufgesetzten Keulen"...
ausklingendes Mittelalter in Deutschland...
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... astian.jpg

Hl. Sebastian, vom Meister der Hl Sippe (jr).
Das war aus Köln ca 1494.

Gruss,
Mark
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Re: Mittelalter????

Beitrag von Wilfrid (✝) » 09.06.2014, 20:37

Shokunin, bitte vergleiche mal, das Bild aus dem Lutrell-Psalter mit diesem hier
[url]http://www.bowyers.com/images/events2012/gunmakers05.jpg[url]
Da fehlen dem alten Engländer von damals aber noch ein - zwei Zoll ...
Guckst Du im 16.Jhdt, passt der Stil von Mark Stretton

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Re: Mittelalter????

Beitrag von Sjaunja » 09.06.2014, 20:51

@ Wilfried: UK Battlefield Resource Centre schreibt ganz klar von einem Pfeilregen, mit dem die Schiltrons "aufgebrochen" wurden und dann von der englischen Kavallerie aufgerollt werden konnten. Ob jetzt die walisischen Bogenschützen, von denen vor der Schlacht einige Dutzend bei Tumulten von den Engländern abgeschlachtet wurden, mit Vergnügen auf die Schotten schosssen oder weil sie sonst von den Engländern massakriert worden wären, Eduard I. war da nicht so zimperlich, sie also ihren *** retten wollten, tut ja wohl nichts zur Sache. Die Schlacht wurde durch die Bogenschützen auf englischer Seite entschieden.



"The use of archery on both sides, and its decisive role in the English victory, means that there will have been large numbers of arrows deposited on the battlefield, many of them not being recovered, especially where the action passed over the arrow fall and smashed them." (Zitat aus UK Battlefield Resource Centre: Battle of Falkirk)

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Re: Mittelalter????

Beitrag von shokunin » 09.06.2014, 20:57

Naja, ich glaube auch da werden wir halt verschiedener Meinung bleiben müssen...

Man macht sich zu diesem Thema ja schon eine Weile lang Gedanken, und unter Geschichswissenschaftlern ist es eben die gängige Meinung, dass der Auszug auch ein paar hundert Jahre vor der Mary Rose so war wie er da halt ist.
Wenn Du da andere Informatioen hast, wäre das natürlich schon hörenswert. Wenn es allerdings bloss Dein Bauchgefühl ist, das Dir sagt: nein, es war anders, naja,... dann kommen wir fachlich hier wohl auf keinen grünen Zweig.

Hier nochmal zwei Bilder aus den Chronikeln des Hundertjährigen Krieges von Froissart.
Ich sehe da sowohl den langen Auszug, als auch die charkteristische Körperhaltung... Du kannst aber sehr gerne sehen was Du möchtest:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... issart.jpg
http://www.luminarium.org/encyclopedia/ ... ssart3.jpg

Gruss,
Mark
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Re: Mittelalter????

Beitrag von Bogenhannes » 09.06.2014, 21:14

Hallo Mark,

shokunin hat geschrieben: und unter Geschichswissenschaftlern ist es eben die gängige Meinung, dass der Auszug auch ein paar hundert Jahre vor der Mary Rose so war wie er da halt ist.


Geschichtswissenschaftler machen sich im Allgemeinen über andere Dinge Gedanken, als über die Auszugslänge von Bogenschützen. Ganz ehrlich.

Und Historiker gewinnen aus dem Anschauen von Kunstwerken nur bedingt Anhaltspunkte. Das ist zwar eine Quelle aber diese kann immer nur auf die Entstehungszeit des Werkes Rückschlüsse geben. Eine ganz schwierige Angelegenheit...
Auf Bogen- und Schießstil nur aufgrund von Illustrationen zu schliessen und dann auch ernsthaft zu diskutieren ::)
Die Richtung eines Pfeils wie auch eines Wortes lässt sich nicht mehr ändern

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Re: Mittelalter????

Beitrag von Wilfrid (✝) » 09.06.2014, 21:57

Tu ich auch, Froissart ist so nochmal 50 Jahre später, und der Auszug ist vom Zeigefinger Mundwinkel zu Zeigefinger Kieferbogen gewandert.
Und guckst Du später, landet der Zeigefinger, ~ so Tudor Zeit , da wo Mark Stretton ihn hat, hinterm Ohr.

Bei Froissart sind noch keine angesetzten Nocken gezeichnet, da ähneln die Bögen noch mehr dem Nydam -Bogen/Wikingerbogen-, genau wie beim Lutrellpsalter.

Später werden die dann kürzer gezeichnet .., bzw man kann die Nocken an den Tips erkennen.

Sowas sind ja "nur ein paar cm" und" winzige Feinheiten", aber diese "winzigen Feinheiten" machen eben aus einem "Stinknormalen langen Bogen" das, was z.T. erfolgreich gegen Musketenschützen gewirkt hat.

Die vorgebeugte Haltung deutet Howard Hill auch an, guckt Euch mal die Filme an, Auszug bis Zeigefinger im Mundwinkel, obwohl der "von richtigen Zugewichten" doch ein bisschen entfernt ist

Mit 115#@28" siehts da schon etwas anders aus beim Hillstylebogen:
http://www.youtube.com/watch?v=s7sAdGRqqDQ
Da kommt der Hintern auch raus, die Schulter rotiert, aber er kommt bei dem Kurzen Auszug nicht in den Bogen-
Im Gegensatz dazu das Video vom letzten Seminar:
http://www.youtube.com/watch?v=6pAHJ2L3_vE

Erstmal habe ich beim Ansehen Marks Geduld bewundert, und dann erklärt er immer wieder das , wie ichs nenne "aufmachen" , der Welt zeigen, was man für n toller Kerl ist. Während der eine zieht,(Hillstyle) drückt ihr beim Seminar.bzw sollt das tun.
Also der Oberarm der Zughand und der Bogenarm sind wie zwei Teile eines "Kniehebelantriebs". Richtig ausgeführt sind das ~ 1/4 mehr an Zugkraft, minimum, und gut eine Handlänge mehr Auszug.(die man auch braucht, sonst machts aua)

Und das ist eben der Erfolg der "winzigen Unterschiede". Weswegen eben diese Art des Schießens zwar nicht mittelalterlich, aber wesentlich effektiver ist. Sehnenschonender usw.

Imitiert man das nur, also führts dauerhaft nicht korrekt aus, gibts eben eine Reihe von gesundheitlichen Problemen.

Blacky zeigt das hier ganz Klasse, was ich meine:
http://www.youtube.com/watch?v=GpuXBYrxasM

Das Ende einer fast 200 jährigen Entwicklung

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