Gewandung des einfachen Mannes, England 1200

Fragen und Antworten zu Gewandungen.
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Erebos
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Gewandung des einfachen Mannes, England 1200

Beitrag von Erebos » 08.09.2008, 13:55

Ich möchte mit ein paar Freunden eine kleine Lagergemeinschaft gründen.
Dabei möchten wir uns nicht an Armee-Standart halten, sondern eher einfache Leute darstellen. Wir sind uns noch nicht ganz einig, ob Jagd-Gruppe, Wegelagerer oder einfache Reisende.

Nun meine Frage:

Was hatte man damals so auf Reisen an?

Bisher würde ich sagen:

Tunika und Hose, warscheinlich ein Wams oder Weste, vielleicht ein Umhang.
Schuhe, da bin ich mir sehr unsicher, Schnürrschuhe, Holzschuhe, keine Schuhe?
Und welche Farben waren damals beim einfachen Volk üblich?

Welche Bogentypen gab es beim einfachen Volk? Ich schätze mal, dass es Jagdbögen gab und Wegelagerer konnten sich sicher auch Bögen besorgen. Waren diese auch typische englische Langbögen mit D-Profil? Oder Flachbögen, welche ja leichter zu bauen sind?

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Edradour
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Re: Gewandung des einfachen Mannes, England 1200

Beitrag von Edradour » 08.09.2008, 20:56

Hm, zur Beantwortung Deiner Fragen gibt es geeignetere Foren als dieses hier, z.B. http://www.tempus-vivit.net/

Aber mal prinzipiell:
Unten drunter: Bruche, Leibhemd (Leinen), angenestelte Beinlinge (Wolle). Hosen waren zwischenzeitlich mal in Vergessenheit geraten (gab es in der Zeit bei uns definitiv nicht!), sowie Knöpfe... gab es beides vorher und später wieder.
darüber: Cotte und evtl Surcote, für Anfang  13. Jhd. beides lang (Wolle)
Auf der Birne: Bundhaube (Leinen) und Gugel (Wolle), div. Filz, oder Stoffhüte
Schuhe: wendegenähte Schuhe von Halbschuh bis kurzer(!) Stiefel, Knöpfriegelverschluss, oder Riemen, noch KEINE Schnallen.
Bei Nässe/Matsch: Holztrippen unter den Schuhen
ganz oben drüber: Cuculle, Mantel, Cappa, Garnache o. Ä. (Wolle)
Farben: bei einer einfachen Darstellung eher natürliche Woll- und Leinenfarben. Färben war teuer. Wenn gefärbt, dann eher nicht so dunkle und intensive (Pflanzen-) Farben. Je dunkler, desto teurer. Schwarz und dunkelviolet sind no-go's.

Bogen: "engl. Langbogen" gab es der Bezeichnung nach nicht. Die Bögen weisen aber einen Kompass-Tiller (biegender Griff ohne Verdickung) und einen D-Querschnitt auf. Ob es Anfang des 13. schon Hornnocken gab, weiß ich nicht. Womöglich war die Form noch normannisch, also eher Richtung Wiki- Bogen mit asymetrischen seitlichen Sehnenkerben.

Ich empfehle, Dir dazu mal Internetauftritte von Gruppen anzusehen, die das 13. machen, oder Manuscripte aus der Zeit.   

Ansonsten DAS Standardwerk zum selber nähen von Mittelalter Klammotte: http://www.amazon.de/Medieval-Tailors-A ... 0896762394
Zuletzt geändert von Edradour am 08.09.2008, 21:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gewandung des einfachen Mannes, England 1200

Beitrag von Alzwolf » 08.09.2008, 23:55

Da ich mich ebenfalls für diese Epoche Bekleidungstechnisch interessiere, sage ich: Danke für die Tipps, besonders dem Buchtipp.

Die Bekleidung auf der Insel war genauso wie im Rest von Europa.

Grüße

Hubert
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locksley
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Re: Gewandung des einfachen Mannes, England 1200

Beitrag von locksley » 09.09.2008, 00:07

Zum Thema Beinlinge. Ein Thema das mir mir immer wieder sauer aufstößt, da diese Art der Beinbekleidung zwar in unzähligen Artikeln als allgemein gültig überlierfert ist aber in erster Linie er höfischen Kleidung zuzuordnen ist. Enstanden aus den Kettenbeinlingen der Normannen.

Neuere Forschungen zeigen, daß die typischen Beinlinge bereits im 13, Jhd, in der Mitte wieder zusammenwuchsen und zur "strumpfhose" wurden.

Für das englische Landvolk kannst Du meiner Meinung nach getrost eine Hose tragen, da die Angeln sehr durch die Wikinger geprägt waren, die Hosen trugen, deren Ausformungen auch über die Jahrhunderte Bestand hatten.

Siehe auch:  http://www.tu-harburg.de/~vbp/docs/medi.html

Der Link findet sich hier, wo diese Diskussion auch losgetreten wurde.
http://www.ritter-forum.de/

Bei mir haben sich im Praxistest auch hosen bewährt, die zwar eng geschnitten sind, aber im Schritt verbunden, und durch zwickel auch genug Bewegungsfreiheit gewährleistet , da Walkwollstoffe nicht so flexibel sind
wie Elastan. Mit Bruche und Beinlingen stehtst Du öfter im freien als Dir lieb ist.

Das problem liegt ehr daran, daß es kaum Funde des Hochmitelalters gibt und in den Darstellungen der so oft und gern zitierten Manese Handschrift, welch doppeldeutiges Wortungetüm,  nur ritter dargestellt sind, die natürlich standesgemäß Beinlinge trugen, schon allein um sich vom gemeinen Bauern zu unterscheiden, da nimmt man so manche Unbequemlichkeit in Kauf.:-)

Ansonsten hat Edradour recht.

Welche Bögen verwendet wurden kann man nur vermuten, vermutlich wurden alle Bogenformen verwendet, die das Holz hergab. Es besteht zwischen dem 11. und 16. Jhd. eine große Lücke an Bogenfunden und man ist auf Überlieferungen angewiesen.

Es gibt keine belegbaren Funde zwischen den Haithabubögen und den Langbögen die auf der "Mary Rose" gefunden wurden.
Nach der Fundlage gab es keine Englischen Langbögen, zumindest nicht für die Zeit, als diese die europäischen Schlachtfelder beherschten.
Zuletzt geändert von locksley am 12.09.2008, 21:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gewandung des einfachen Mannes, England 1200

Beitrag von Edradour » 09.09.2008, 11:20

locksley hat geschrieben:Zum Thema Beinlinge. Ein Thema das mir mir immer wieder sauer aufstößt, da diese Art der Beinbekleidung zwar in unzähligen Artikeln als allgemein gültig überlierfert ist aber in erster Linie er höfischen Kleidung zuzuordnen ist. Enstanden aus den Kettenbeinlingen der Normannen.


Hallo Locksley,
da muss ich Dir jetzt aber doch wiedersprechen. Die Fundlage und die Abbildungen in den einschlägigen Manuscripten sprechen eine andere Sprache:
Kreuzfahrerbibel (Mitte 13.): jede Menge Beinlinge, keine Hose
Lutreell Psalter (Anfang/Mitte 14.): jede Menge Beinlinge, keine Hose. Hier überwiegend arbeitende Bevölkerung, Hirten, Bauern etc.
Alexanderroman (Mitte 14.): jede Menge Beinlinge, keine Hose.

Dazu gibt es Funde von Beinlingen aus der Zeit aus ganz Europa. Hosen? Nicht das ich wüßte.

Das Wiederzusammenwachsen der Beinlinge, welches Du beschreibst, hat stattgefunden, allerdings erst nach der Pest, als die Mode etwas mutiger wurde, also ab Mitte 14.
Das lag daran, dass die Cotten immer kürzer wurden und schließlich die Beinlinge direkt am Oberteil angenestelt wurden. In der Zeit wuchsen die Beinlinge auch wieder zusammen.
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Re: Gewandung des einfachen Mannes, England 1200

Beitrag von Erebos » 09.09.2008, 18:12

Danke schonmal für die Links und den Buchtipp.

Ich hatte bisher nur Abbildungen der gehobenen Gesellschaft gefunden und war mir sehr unsicher, wie das gemeine Volk unterwegs war.

Beim Bogen rechne ich mit einem Flachbogen, die Bauart ist ja wesentlich einfacher und leistet auch Gutes.

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Re: Gewandung des einfachen Mannes, England 1200

Beitrag von Christopher » 09.09.2008, 20:39

ich hab ja wirklich keine Ahnung vom Mittelalter, aber ich glaube, dass es keine richtigen Flachbögen gab, da diese viel leistungsfähiger sind und dann auch für den Krieg benutzt worden wären.
gut, ein Gegenargument wäre die "Platzersparnis" im Stamm.
Du hast die Macht, missbrauche sie!!!

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Re: Gewandung des einfachen Mannes, England 1200

Beitrag von Erebos » 09.09.2008, 22:24

naja, das Flachbogen-Design waren ja schon 6000 v.Chr. bekannt (Holmegaard-Bogen). Also glaube ich schon, dass auch einfache Leute Zugriff auf diese Bogenart hatten, vor allem, da man wenig Material braucht und die Bauart ist auch recht einfach.

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Heiner
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Re: Gewandung des einfachen Mannes, England 1200

Beitrag von Heiner » 10.09.2008, 18:26

Über die "Flachbogen ja/nein"-Frage wirst Du Deinen Darstellungsstandard definieren. Das ist ganz sicher.

Für FB fehlen von 500 bis 1500 jegliche Belege. Weder in Wort oder Bild noch in Funden findet sich ein Hinweis auf diese Bauform. Auch eine Begründung aus einer logischen Zwangslage heraus kommt hier nicht in Frage. Falls Dir aber doch ein Fund bekannt ist, teil Dein Wissen doch bitte mit uns, ich würde gerne einen 13. Jhd-FB rekonstruieren!
Der Typus - nennen wir ihn mal so - "ELB" und ähnliche (Haithabu, Wassenaar, Ballinderry,...) ist dagegen in allen drei Quellen vertreten und muss damit die Darstellungsvorgaben des Zeitraums "Mittelalter in Europa" bis auf weiteres ganz alleine bestimmen.

Die Methode "Gab es mal lange Zeit davor, dann später auch!" ist nicht haltbar, was auch (fast) allgemein anerkannt ist. Schau Dir alleine mal die "Veränderungen" in den verschiedenen "Handwerksbereichen" (Strassenbau, Metallguss und -umformtechnik) im heutigen Westeuropa beginnend mit dem Fall Westroms an.
Vielerlei Wissen geht mitsamt seiner Ausführungsweise im Laufe der Geschichte aus verschiedenen Gründen verloren - und bleibt dann auch (erstmal) im Nimbus verschollen.
Sowas geht, mit allem Verlaub, als Begründung also gar nicht. In der Napoleonik würde auch nie einer mit ner Speerschleuder oder einem Zweihänder rummrennen können. Oder sich heute als Bundeswehr-Soldat einen Olmützhelm aufsetzen können.

Gute Darstellung ist zwar eine Glaubensfrage - wenn man "dafür" ist, tritt derselbe Glauben dann aber hinter den Fakten zurück. Insbesondere dort, wo diese so deutlich zu Tage treten wie im Fall des Bogentyps.

Frag Dich also einfach mal, wohin die Reise wirklich gehen soll. Mit jedem willentlichen Abweichen von der Beleg- oder Schlussfolgerungslage entfernst Du Dich ganz automatisch weiter von dem Ziel "Mittelalter". Perfekt geht nicht, aber so nah dran wie möglich reicht als Zielsetzung völlig aus. Ein Zwangskompromiss (Anreise, Zahnfüllungen,...) braucht nicht als Begründung für weitere Kompromisse zu dienen.

Wie "A" die Darstellung sein soll, muss jeder für sich selbst entscheiden. Das ist jedes Einzelnen Hobby und Freizeit, niemanden kann man da Vorschriften machen.
Nur "Etikettenschwindel" ist ganz, ganz bitter und führt letzten Endes lediglich zu einer Menge Frustration und Ärger, völlig sinnlosen Internetdiskussionen und viel rausgeworfenem Geld.

Zum Bekleidungsthema hat Ed sonst alles geschrieben, was man für den Anfang wissen muss.

Gruß
Heiner
Zuletzt geändert von Heiner am 11.09.2008, 07:15, insgesamt 1-mal geändert.
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