Kettenhemden

Fragen und Antworten zu Gewandungen.
Ahenobarbus
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Beitrag von Ahenobarbus » 08.06.2004, 17:17

@Bennie
ich möchte jetzt keinen a-Streit vom Zaune brechen, doch irgendwie erscheint es mir so, als ob die Kosten etwas reduziert werden könnten. Ich spreche mal nur von römischen Kettenhemden, doch da wird dem Nichtfachmann kein Unterschied auffallen. Bei dem 4 in 1 ist der eine Ring der offene, also der Ring der vernietet wird. Die anderen 4 Ringe sind geschlossen. Es macht keinen Sinn, alle 5 Ringe zu vernieten.

@AZraEL
genau so sehe ich das auch. Selbermachen und wenn es nicht wie mit dem Lineal gezogen gerade ist, Schei... was drauf, Du hast es selbst gemacht. Ich hatte von meinem damaligen Verein ein Kettenhemd aus Tschechien, für damals 300 DM. Davon habe ich die Ärmel auf römisch abgeändert(Ärmel abgemacht und 'Scheinärmel angebracht') und dann getragen. Nach der zweiten Veranstaltung hatten sich einige Ringe verhakt und grosse Löcher ins Geflecht gerissen; andere Sektionen waren total verhakt. Ich hab lange dran gebastelt, die Stellen wieder zu kitten.

Mein eigenes Kettenhemd besteht nur aus offenen Federstahlringen und da hat sich noch niemand drüber aufgeregt. Für Bogenschützen kommt eh nur ein kurzärmeliges in Frage(in meiner Zeit jedenfalls). Momentan ist eins mit 8mm Aussendurchmesser dran, eine enorme Arbeit und am Ende wird es veredelt.

Gropi
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RE:

Beitrag von Gropi » 06.09.2004, 23:05

Original geschrieben von Ahenobarbus

Bei dem 4 in 1 ist der eine Ring der offene, also der Ring der vernietet wird. Die anderen 4 Ringe sind geschlossen. Es macht keinen Sinn, alle 5 Ringe zu vernieten.


Also, rein von der praktischen Vernunft her, würde ich das auch so sehen...

Mal eine Frage eines unwissenden Laien:

Ist man nicht im SMA zur Massenproduktion von Kettenhemden übergegangen, indem man die Ringe aus Blechplatten ausgestantzt hat?
Dies würde die flache Form der Ringe erklären. Aber mit Platthämmern dütfte das demnach nicht viel zu tun gehabt haben...:ruhe :-(

John Turtle
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Ein Rülpser aus der fast "A" fraktion

Beitrag von John Turtle » 07.09.2004, 08:14

Moin,

vernietete Kettenhemden waren im MA der Standard.Alle Ringe einzeln vernietet. Sofern ich weiß gibt es Éxemplar mit verscheißten Ringen. So etwas kann man "relativ" günstig im Schlachtereibedarf bekommen, auch als "meterware"

Auf Schluß Burg an der Wupper ist ein Exemplar ausgestellt, welches nicht vernietet ist, allerdings konnte ich noch niemanden dort mal fragen, ob das Ding wirklich ein Fund ist, oder nur ein Anschauungsobjekt.

Die Bogenschützen im Spätmittelalter dürften wohl eher selten kettenhemden getragen haben. Selbst für einen gut bezahlten berittenen Bogenschützen wäre ein Kettenhemd preislich außerhalb seiner finanziellen Möglichkeiten gewesen. Bei den Ausrüstungslisten für den 100 Jährigen Krieg werden Kettenhemden bei Bogenschützen nur sehr sehr selten aufgeführt. So ca, auf 50 Schützen ein Kettenhemd

Gropi
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RE: Ein Rülpser aus der fast "A" fraktion

Beitrag von Gropi » 07.09.2004, 14:01

Original geschrieben von John Turtle

Moin,

vernietete Kettenhemden waren im MA der Standard.Alle Ringe einzeln vernietet.


Hallo, kannst du auch etwas über die Produktiontechiken von Kettenhemden im SMA erzählen? Die Römer sollen z.b. regelrechte Kettenhemd-Manufakturen besessen haben, in denen Kettenhemden für ihre Legionen hergestellt wurden. Also ein Bedarf von etlichen 10000 Exemplaren, wenn ich mich nicht irre. Ich glaube, das im SMA ähnliche Techniken/Produktionsweisen wiedereingeführt wurden, die Kettenhemden erschwiglicher machten. Ich habe keine Quellen zur Hand und weiß darüber nichts genaues, von daher wäre ich neugierig ob das jemand bestätigen oder dementieren kann.

Die Bogenschützen im Spätmittelalter dürften wohl eher selten kettenhemden getragen haben. Selbst für einen gut bezahlten berittenen Bogenschützen wäre ein Kettenhemd preislich außerhalb seiner finanziellen Möglichkeiten gewesen. Bei den Ausrüstungslisten für den 100 Jährigen Krieg werden Kettenhemden bei Bogenschützen nur sehr sehr selten aufgeführt. So ca, auf 50 Schützen ein Kettenhemd


Ich will ja nicht mit dir streiten, aber Ich glaube, bei Seehase gelesen zu haben, das ein LB-Schütze während der Rosenkriege fast so viel Sold verdiente wie ein Men-at-Arms während des Hundertjährigen. (Gleichzeitig wurden KHs afaik billiger, aus obengenannten Gründen.) Weiterhin heißt es das sich "viele BS" den "preiswerten Schutz" aus Kettenhemd und darüber getragenen Polsterwams geleistet hätten.

John Turtle
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:-)

Beitrag von John Turtle » 07.09.2004, 14:32

Wir streiten nicht ! Wir diskutieren :-)

Es gibt bildliche Darstellungen von Sarwürkern die meiner Meinung nach nicht unbedingt auf Manufakturarbeit hindeuten. Wie das in römischer Zeit gehandhabt wurde, davon habe ich schlicht keine Ahnung. Nur kann man nicht unbedingt von Rom auf das späte Mittelalter schließen. Der Preis für ein Kettenhemd wird sehr oft mit dem Preis von ca. 20 Kühen verglichen. Also recht teuer.

Die Rosenkriege und der 100 Jährige Krieg liegen ja mindestens 50 Jahre auseinander.
Wenn mal von den Hauptkampfhandlungen Azincourt und Towton ausgeht.
Wenn ich es noch recht im Kopf habe verdiente während der Zeit henry V ein berittener Bogenschütze 6 pence und eine Bogenschütze zu Fuß 3-4 Pence pro tag. Ein men at arms bei ca. 2 Shilling.

In der Zeit der Rosenkrieg war das Kettenhemd aber auch nicht mehr wirklich state of the Art. Hier ist wohl eher das Padded jack die Schutzwaffe der wahl gewesen.

heißt natürlich nicht das Bogenschützen keine Kettenhemden hatten. es gibt ja genug Bilder von Bogenschützen in Plattenrüstung. hier werden aber in der Regel die Household Archer des Königs oder reichen Adeligen dargestellt, der es sich leisten konnte seine private truppe entsprechend auszurüsten.

Ich bin nicht mehr so 100 % sicher aber das meiste was ich geschrieben habe steht im Arms, Armies and fortification of the 14th century und in Hardys Longow

horsebow
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Beitrag von horsebow » 07.09.2004, 17:10

@John Turtle: Kannst Du mal eine genaue Literaturangabe zu Arms, Armour and Fortification... machen, dann könnte ich mir das mal über Fernleihe besorgen...

Im Voraus thx, horsebow
I shot an arrow in the air,
it fell to earth, I knew not where;
for so swiftly it flew, the sight
could not follow it in its flight.
Longfellow, Oct. 16, 1845

Schneiderlein
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Gestrickte Hemden

Beitrag von Schneiderlein » 08.09.2004, 15:57

Hier mein Senf dazu!

Das richtige Stricken ist nach jetzigem Kenntnisstand nach den Römern erst mal verlorengegangen, um dann in der Renaissance aus dem Orient zurück nach Europa zu kommen.

Der Ausdruck "ein Kettenhemd stricken" mag daher rühren, daß ein geübter Mann mit seinen zwei Zangen von weitem fast den Eindruck erweckt, er würde stricken.

Wird das Kettenhemd nicht normalerweise über dem Gambeson getragen?

@ Graubart:knuddel

Zwanzig Lagen !?! Damit haben die aber keinen Bogen mehr bedient!:D
Man sieht ja mit 10 Lagen schon fast wie ein Michelin-Männchen aus:o .
Bin ein Schneiderlein, bin ein kleines Schneiderlein!

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landogar
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Michelin-Männchen???

Beitrag von landogar » 08.09.2004, 18:42

...gab's die in der alten Zeit auch schon? :D

So'n Gambeson ist ja auch nicht gerade ein "zartes" Gewand u. wenn die Ärmel nicht rundherum angenäht, o. "nur" angenestelt werden bleibt wohl genügend Bewegungsspielraum.
Im Übrigen hab ich das mit den vielen Lagen Leinen aus einem Bericht über die Schutz-Bekleidung von Bogenschützen.
Nur weiß ich nicht mehr in welchem meiner vielen Bücher u. Schriften ich dies entdeckt hatte.:-(

Ansonst ist anzunehmen, daß das Ketten über dem Gewand getragen wurde, da selbiges, wenn's dick genug war, die nötige Polsterung ergab.
das sich eisere wäg, aber niemoals eisere waffe kreuzed
that our paths, but never cross our arms
att våra vägar, men aldrig över våra armar

Gropi
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RE: Gestrickte Hemden

Beitrag von Gropi » 08.09.2004, 20:22

Original geschrieben von Schneiderlein
Wird das Kettenhemd nicht normalerweise über dem Gambeson getragen?


Es heißt, daß die LBS der Rosenkriege ihre Kettenhemden (sofern vorhanden) unter
dem Gambeson getragen haben, da diese Anordnung einen besseren Schutz vor Pfeilen gewährt haben soll. Bei den Bogenschützenduellen die sich in den Schlachten ereigneten, wird das wohl auch von gewesen sein.

Ich frage mich nur ob sie nicht noch eine zusätliche Polsterung unter dem Kettenhemd getragen haben, um sich vor Hautabschürfungen u.ä. zu schützen??

Harbardr
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noch'ne Möglichkerit...

Beitrag von Harbardr » 08.09.2004, 23:35

...wär das Tragen eines "Wappenrockes" über dem Kettenhemd, wodurch auch das Polsterwams nicht mehr kenntlich sein dürfte.

Schneiderlein
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Beitrag von Schneiderlein » 09.09.2004, 08:58

@ Harbardr

Die Gambesone, die ich bislang gemacht habe, waren alle mit Rosshaar gestopft und hatten eine Dicke von 3,5 cm. Angeblich sind 5 cm überliefert. Trotz nur oben auf der Schulter angeschnürter Ärmel konnte man sich damit kaum selbst an die Nase tippen. Gesteppte Stofflagen sind eigentlich steifer als eine Stopfung. Da muß man schon etrem dünnes Leinen genommen haben.:wundern
Bin ein Schneiderlein, bin ein kleines Schneiderlein!

Gropi
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RE:

Beitrag von Gropi » 10.09.2004, 11:18

Original geschrieben von Schneiderlein
Da muß man schon etrem dünnes Leinen genommen haben.:wundern


Bild

Dieses Bild stammt aus einer Broschüre von Warwick Castle und zeigt einen LBS aus dem Gefolge Richard "Kingmaker" Nevilles.

Ich weiß ja nicht ob's auch wirklich "A" ist (ich gehe mal davon aus, auch wenn der LB eher nach Besenstiel aussieht :schlecht ). Man sieht jedenfalls, das der Gambeson kurzärmlich ist, vermutlich um den Bedürfnissen des BS besser zu entsprechen.

Wenn Gambesone allerdings tatsächlich derartig steif gewesen sind, frage ich mich, warum man sie überhaupt verwendet hat, schließlich würde nicht nur BS sondern alle anderen Kämpfer dadurch behindert werden...:o

csv_legolas
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Beitrag von csv_legolas » 11.09.2004, 11:04

hi leuts für alle die sich dafür interesieren ein kettenhemd selber zu machen habe ich hier einen guten link. Meine freundin und ich sind gerade dabei eins zu machen ;)

http://www.kettenhemd.net/anleitungen/schnittmuster.htm

mfg

Beni
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Beitrag von Beni » 06.10.2004, 12:38

huhu ;)

Schneiderlein:
ich habe schon von einigen Leuten gehoert, die ihren Gambeson mit Rosshaar gestopft hatten und die Fuellung irgendwann herausgemacht haben, weil es einfach ZU steif war. Anscheinend scheint Rosshaar um einiges steifer zu sein als 20 und mehr Lagen Leinen.
Ich selbst hab ein paar Versuche unternommen und u.A. 10 Lagen Leinen + 5 Lagen Wolle abgesteppt, was von der Bewegungsfreiheit her absolut kein Problem ist. Und man kann auf jeden Fall besser schiessen als mit Brust+Ruecken-Platten und Armzeug.
Man kennt Anleitungen aus dem SMA, zur Herstellung von gesteppten Waffenroecken aus 25-30 Lagen Stoff! Also so selten war das nicht.
Ach ja, der Stoff war nicht duenn. Im Gegenteil, es wird sogar von wattiertem Stoff berichtet.

Gropi:
Also der BS auf dem Bild schaut ziemlich "a" aus. Die englichen LB im MA waren eben einfache "Stoecke" (vom Aussehen her). Sie mussten funktionieren, mehr nicht. Und das taten sie ja bekanntlich ;)

zum Thema "Kettenhemd ueber oder unter dem Gambeson":
Im 14.Jhdt. wurden die Kettenhemden anscheinend noch groesstenteils unter dem Gambeson getragen. Irgendwann erkannte man dann aber anscheinend, dass das Kettenhemd auf den Pfeil eine kanalisierende Wirkung hat (die Energie wurde durch die Ringe also in eine Richtung gelenkt und der Pfeil konnt nicht mehr abgleiten oder eben in einem unguenstigeren Winkel auftreffen). Moderne Versuche haben dieser Erkenntnis bestaetigt.
Unter dem Kettenhemd hat man wohl nochmal ein leicht gepolstertes Wams getragen. Dieses war oft aber mit Seide gefuettert, sodass man sich das Hemd darunter sparen konnte (wurde btw. auch oft unter Plattenharnischen getragen). Anders kann ich mir das nicht erklaeren, denn wenn man nur das normale Hemd darunter getragen haette, waere das alles wohl etwas unangenehm gewesen. Sprich:
leicht gepolstertes Wams (KEIN Hemd darunter!) -> Kettenhemd -> Gambeson -> evtl. ein Wappenrock darueber (um im Kampf eindeutig identifizierbar zu sein).

Heutzutage sind gute vernietete Kettenhemden sogut wie unbezahlbar. Sicher, aus Fernost gibt es einige billige Angebote, doch sind diese historisch gesehen eigentlich nix.
Es gibt heutzutage eben nur wenige Leute, die Kettenhemden auf diese Weise herstellen, weil es einfach verdammt viel Aufwand ist. Ich habe von einem Amerikaner gelesen, der 25-50 Eurocent pro Ring verlangt. Was dann ein Kettenhemd mit 32 000 Ringen kostet, koennt ihr euch selbst ausrechnen ;) Von dem Geld kann man sich fast nen kompletten Plattenharnisch machen lassen (Schleichwerbung: http://www.plattnerwerkstatt.de ;)). Trotzdem ist besagter Amerikaner schon auf einige Monate ausgebucht.

Just my two cent

machts gut ;)

Schneiderlein
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Beitrag von Schneiderlein » 08.10.2004, 09:56

@ Beni

Wie großflächig hast Du denn gesteppt, und wie dick war der Stoff?

Ich hab die Erfahrung gemacht, daß bei gleichenger Steppung die Stofflagen steifer sind als das Rosshaar. Man darf bei der Sache auch nicht vergessen, daß Leinen und Wolle heute meist sehr locker gesponnen werden und beim Leinen die Faser vor den Spinner sehr gekürzt wird und der fertige Stoff oft mit Formaldehyt gespült wird. Wenn das Leinen Rüstwert haben soll, müßtest Du Schwierigkeiten haben, einen einzelnen Faden mit der Hand zu zerreissen.

Wattierung bedeutet übrigens, daß zwischen zwei Lagen Stoff locker eine lufthaltige Schicht (meit sehr lockeres Wollfilz) eingenäht oder - gestopft wird.
Bin ein Schneiderlein, bin ein kleines Schneiderlein!

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