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von BerndL » 03.06.2011, 16:54
Hallo,
also ich denke, mit folgenden Kleidern kann man nichts falsch machen, wenn man als einfache(r) Mann/Frau über einen MA-Markt schlendern will. Etwas in der Art trugen einfache Leute praktisch das ganze Mittelalter hindurch. Da gabe es natürlich regionale und zeitliche Unterschiede, aber für eine erste Gewandung spielt das nicht unbedingt eine sooo große Rolle:
Über der nicht-authentischen Unterwäsche trage der Mann eine kurze Leinenhose als Brouche. Bei kühlerem Wetter tun beim Mann wollene röhrenförmige Beinlinge gut. Die werden an einem Lederriemen befestigt, den man wie einen Gürtel um die Taille knotet. Die Frau kann ruhig eine Stumpfhose tragen, man siehts später eh nicht. (So was ist wirklich leicht selbst zu nähen.)
Darüber ein geradlinig geschnittene (auch bei der Frau nicht figurbetonte) Kotte. Beim Mann knielang, bei der Frau bis zu den Knöcheln. Die Kotte hat keinen Kragen, sondern einen einfachen runden und vorne geschlitzten Ausschnitt. Knöpfe im heutigen Sinne sind tabu. Es gab Knöpfe, aber die sind aufwändig zu basteln. Besser, man nehme eine Schnürung. Für die Beinfreiheit sorgen seitlich und vorne dreieckige Geren. Beim Mann darf (aber beim einfachen Bauern nicht unbedingt notwendig) vorne und hinten statt dessen auch ein Reitschlitz gelassen werden. Auf ein Einfärben der Kotte würde ich verzichten. Das einfache Volk trug grau. Damit ist nicht notwendigerweise die schwarz-weiß-Mischung gemeint, sondern Naturfarben: also hellbraun, grau, beige, etc... dies war zeitweise glaub ich sogar gesetzlich so vorgeschrieben. Ebenso sollte man auf Applikationen verzichten, außer vielleicht brettchengewebte Borte an Ärmeln und Kragen - pardon: Halsausschnitt, einen richtigen Kragen gabs ja nicht - aber das ist für ein einfaches Gewand fast schon zu viel des Guten.
Wenns nun kalt ist, kann man sich nach dem gleichen einfachen Schnitt einen Surcot aus Wollstoff anfertigen. Natürlich etwas größer, denn er wird ja über das Leinengewand gezogen. Der Halsausschnitt darf hier z.B. V-förmig sein, oder die Ärmel einen Tick kürzer, damit man das Untergewand (die Kotte) dann auch sieht.
Ein sicher wichtiges Thema sind noch die Schuhe. Auf keinen Fall Springerstiefel o.ä... wer keine wendegenähten Lederschuhe hat (nur solche sind authentisch) oder sich keine basteln kann, der nehme halt einfache nicht-glänzende Lederschuhe als Kompromiss. Oder lauft bei schönem Wetter barfuss.
Der Mann kann auf dem Kopf eine Babymützen-ähnliche Bundhaube tragen, die verheiratete Frau müsste streng genommen eine Haube tragen, aber in der Pseudo-authentischen Mittelaltermarktlandschaft ist das heute auch nicht mehr sooo wichtig. Eine Gugel aus Leinen oder Wolle wäre noch optional zu empfehlen, sowie bei schlechtem Wetter ein halbkreisförmiger Umhang aus Wollstoff. Am besten Walkloden. Teuer, aber wasserdicht. (Bitte keine Kapuzenmäntel. So was tragen Hobbits, aber im Mittelalter waren Mantel und Gugel zwei Teile.)
Ein Gürtel ist bei einer einfachen Darstellung nicht zwingend notwendig, aber sehr praktisch, weil man Gürteltaschen für die Wertgegenstände oder ein Taschenmesser (natürlich handgeschmiedet) daranhängen kann. Diese Dinge sind nicht ganz so leicht herzustellen, aber es geht. Geld gehört in eine Geldkatze. (Oder näht Eurem normalen Geldbeutel eine Gürteltasche.) Der Gürtel wird übrigens hinter der Schnalle noch geknotet, also nehmt keinen zu kurzen Gürtel. (Als einfacher Bauer muss der aber auch nicht bis zum Boden reichen.)
Als Handtasche eignet sich was vom Typ mittelalterliche Pilgertasche (die sind trapezförmig). So was kann man auch relativ einfach selber nähen, wie - bis vielleicht auf die Schuhe - alles, was ich hier beschrieben habe. Und das darf ich behaupten, weil ich mir diese Dinge (inklusive Schuhe) auch selbst genäht habe und eigentlich nicht nähen kann.
Der Vorteil an der Kotte ist halt, dass die Schnitte wirklich einfach waren. Es ging nicht darum, schön auszusehen, sondern ein praktisches Kleidungsstück ohne viel Stoffverschnitt zu bekommen. (Im Hochmittelalter war das insbes. in Adelskreisen natürlich ein anderes Thema - Stichwort: Trompetenärmel und Höllenfenster - aber hier war ja nach Bauernkleidung im Frühmittelalter gefragt.)
Ich hoffe, das beantwortet die Frage des Fragestellers.
Grüße
Bernd