Sinn und Unsinn lebendiger Geschichtsdarstellung

Sonstige Themen rund ums Mittelalter.
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Schattenwolf
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Beitrag von Schattenwolf » 15.01.2007, 18:16

Original geschrieben von Lord Bane

Aber auch die Wikinger und Germanen waren nicht so "frei", wie dies hier dargestellt wurde. Alleine die Begriffe "Blutfehde" und "Wallhalla" sollen hierzu reichen (denn damit sind gewisse Pflichten schon mit genannt, unter denen man sich bedingungslos unterordnen musste).


Mal was "lustiges" am Rande. :D

Das Wort "frei" stammt ab von fri, was zugleich Frau (=ursprünglich Herrin) bedeutet. Amüsant, isn't it. Die Herrschaft war also mal Frauschaft. Die Umdeutung wird dadurch begründet, dass die dem Haus und der Herrin unterworfenen doch ein angenehmeres und "freieres" Leben führten als etwas Sklaven. Die seltsame Doppelbedeutung haben wir ja heute noch im Wort Freier.
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So möge Thor seinen Hammer schwingen Euch allen Vernunft und Weisheit einzubleuen!

Ahenobarbus
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Beitrag von Ahenobarbus » 15.01.2007, 18:24

@Nils
das ist es ja und irgendjemand hat es vorher schon bemerkt. Ereignisse der Vergangenheit mit heutiger Moral und Ethik zu sehen und zu bewerten kann nicht gelingen. Richard Löwenherz ist ein edler König gewesen - will uns jedenfalls Hollywood einreden. Die guten Kelten gegen die bösen Römer. Schweinepriester hat es auf beiden Seiten gegeben aber in ihrer Zeit mögen sie für das eigene Volk völlig legitim agiert haben. Die Sitten waren nun mal etwas anders als heute. Bei der Belagerung von Alesia soll es den Vorschlag eines Häuptlings gegeben haben, die Nichtkämpfer als "Nahrungsreserve" zu benutzen und nicht die Pferde zu schlachten, da diese für die bevorstehenden Kämpfe gebraucht würden. Vercingetorix verzichtete darauf und trieb dafür die "unnützen Esser" (Frauen, Kinder, Alte) aus der Stadt um sie zwischen den Linien verhungern zu lassen(vielleicht Propaganda). So extreme Beispiele hat es damals gegeben und auch in gar nicht so weit entfernter Zeit hat es diesen Kannibalismus gegeben. Wer sind wir, dass wir uns ein Urteil darüber erlauben können ohne jemals auch nur annähernd in einer ähnlichen Situation gewesen zu sein.

Gladiatorenkämpfe - brutal, degeneriertes Volk etc. aber seht Euch doch mal um, was ist denn das Boxen??? Gladiatorenkämpfe waren nichts anderes - der Kampf zweier Gleichstarker gegeneinander, allerdings mit Waffen. Wer anderes behauptet darf den Begriff Gladiatur und Gladiatoren nicht benutzen. Und weil die wenigsten den Unterschied kennen und ihr Wissen aus Filmen wie Spartakus oder Gladiator beziehen, haben Reenactment/living history so Zulauf. Die Filme schaffen Interesse und auf den Veranstaltungen wird dieses Wissen in eine richtigere Bahn gelenkt ... "Ach so war das, ich dachte immer ..." ... "In der Schule hab ich aber gelernt, dass ..." Manchmal sehe ich mich auf einen Kreuzzug, der das amerikanische oberflächliche Geschichtsverständnis in die richtige Richtung schubsen muss - allerdings haben fast alle Filme diese Macke, egal wo produziert.

Abschließend, wie soll man die ältere Geschichte richtig darstellen, wenn man bei der jüngeren, durch Dokumente und Zeitzeugen belegt, dies nicht mal zufriedenstellend tun kann???? Vieles ist nun mal Interpretation und wenn die Fundlage nicht mehr hergibt, kann man nur spekulieren. Letztlich finde ich es viel wichtiger einer Rotznase erklären zu können, das ein römischer Legionär nicht nur von morgens bis abends die armen Germanen und Kelten erschlagen, gemetzelt und vergewaltigt hat, sondern sich auch mit Straßenbau, Weinanbau, Wasserleitungen, Töpferei, Brotbacken, Metallbearbeitung, etc. beschäftigt hat. Es soll sogar einheimische germanische und keltische Frauen gegeben haben, die diese Massenschlächter geheiratet haben und Familien gründeten. Von unseen Darstellern hat keiner das Gefühl, während einer Veranstaltung in der dargestellten Zeit zu leben oder wünscht sich in der Zeit gelebt zu haben, dafür hat man einfach zu viel Wissen über die damalige Zeit.

Niels

Beitrag von Niels » 15.01.2007, 18:43

@ Ahenobarbus
Falls das in meinem Post nicht so richtig rüberkam. Da bin ich im Grundsatz Deiner Meinung.

Bewerten kann man Geschichte zwar schon. Sofern man sich eben darüber im klaren ist, dass es sich um die Bewertung eines Menschen des 21. Jhdt. handelt, mit seiner heutigen Lebenserfahrung und dem Vorteil des Wissens um die nachfolgend gewonnenen Erkenntnisse und Einsichten. Das würde ich allerdings im Rahmen von Geschichtsdarstellung nicht exzessiv öffentlich tun wollen, weil die Bewertung nur meine Meinung widerspiegelt, um deren Vermittlung es mir aber gar nicht so sehr geht.

Vor dem vorschnellen Verurteilen sollte man sich aber hüten, solange man nicht in der Lage ist, auch die Motive, Denkweisen, Lebensumstände in das Urteil einzubeziehen. Und das wird umso schwieriger, je länger das zu beurteilende Ereignis zurückliegt und je lückenhafter die Informationen darüber und über die Hintergründe sind.

benz

Beitrag von benz » 15.01.2007, 20:45

@Taran

ich arbeite dran, aber das ist nicht einfach. Zum einen gibt es da natürlich keine einheitliche Meinung dazu unter natives. Zum anderen gibt es große Unterschiede zwischen natives die hier in D leben oder in einem Reservat in den USA. Auch verbietet oft die Höflichkeit von natives so eine Frage ehrlich zu beantworten.
Ich führe diese Diskussion u.a. in einem deutschsprachigen Forum mit den Ehefrauen von natives in den USA.

Aber ich habe in meinem ersten Beitrag in diesem thread ja erstmal von mir erzählt, auch weil steve in seinem Eingangsbeitrag das Thema natives ansprach.

Wer von Euch hat denn z.B. heutige Mongolen gefragt, was sie davon halten wenn Deutsche in ihren Trachten aus vergangenen Zeiten rumlaufen?

Gibt es überhaupt ein Interesse dafür unter Euch wie diese Kulturen sich bis heute entwickelt haben? Mit welchen Problemen z.B. Mongolen in der heutigen Zeit zu kämpfen haben wenn sie versuchen alte Lebensformen oder Traditionen fortzuführen.

@Bard
was ist Politik in Deinen Augen?
Gerade hab ich mich dafür bedankt, daß es in diesem thread gelingt einen Bezug von Geschichtsdarstellung zur Gegenwart herzustellen, da kommt der Ruf nach Ausklammern der Politik. :-(

Ich zitiere mich mal im Folgenden selber aus einem Leserbrief für die Tb Nr. 11, 1999 S. 5(Ihr seht die Diskussion ist nicht gerade neu :D ):

"Aber am Abschlachten von Menschen kann ich nichts Faszinierendes entdecken. Ich möchte die Menschen, die darüber begeistert schreiben, (es geht um Azincourt und Aljubarotta) sehen, müssten sie über ein solches Schlachtfeld auch nur gehen. Wie würde ihnen der Anblick von abgeschlagenen Armen und Beinen, von herausquillenden Gedärmen und zerfetzten Gesichtern bekommen? Welche Gefühle würden sich einstellen bei dem Geruch von Blut, Darm- und Mageninhalt und wie lange würden sie die Schreie der Verwundeten ertragen, die jammernd über das Schlachtfeld kriechen, bis ein dumpfer Hammerschlag auf ihren Kopf das Leid beendet.
Eine Verherrlichung der Geschichte schafft neue Akzeptanz für Kriege, für das Abschlachten von Menschen für fragwürdige Ziele."

Ich würde das ein oder andere heute anders formulieren. Der Begriff der Verherrlichung ist sicher nicht zutreffend. Dennoch würde ich am Kern meiner Aussage von damals, besonders in Bezug auf Schlachtennachstellungen, festhalten wollen.

liebe Grüße benzi

Ahenobarbus
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Beitrag von Ahenobarbus » 15.01.2007, 21:18

@Nils
das ist doch genau das, was ich in meinen reichlich ausufernden Erklärungen versucht habe zu sagen, auf ein posting reduziert. :D

@benzi
vor vielen Jahren hab ich mal eine Diskussion über die Brutalität in Filmen geführt. Meine Aussage von Damals hat sich nicht geändert. Krieg und Schlachten kann man gar nicht zu brutal und menschenverachtend darstellen, da der echte Krieg/Schlacht noch viel brutaler ist.

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Peter O. Stecher
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Beitrag von Peter O. Stecher » 16.01.2007, 08:47

Ich freu mich auch dass der Thread so gut verläuft, hätte ich nicht erwartet.

Muss noch mal klarstellen: Ich habe nichts gegen historische Themen, im Gegenteil ich beschäftige mich sehr mit Geschichte - wie oben gesagt möchte ich aber nicht das FC sich hauptsächlich über diese Schiene definiert bzw. anscheinend stark von "neuen" BS frequentiert wird welche sich gerne Verkleiden und das mit "traditionell" gleichsetzen.


Benzi, ich las vor kurzem ein Buch über Texas. Ich erfuhr darin dass es viele Texaner gibt die in Texas nie einen Cowboyhut aufsetzen - wohl aber wenn sie den Staat verlassen. Sie tun das um als Texaner erkannt zu werden.
https://classic-archer.com/

longdedl
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an meine Kritiker

Beitrag von longdedl » 16.01.2007, 10:07

Da ich einigen Frust bei Euch (oder dem einem oder anderen erzeugt habe)meine Erklärung warum sooo Kompliziert:
Die Frage ist es möglich die Altvorderen zu verstehen wurde in die Diskussion gebracht. So ist dann, wenn ich das richtig verstanden habe, das Nein überwiedend.
Meine Position ist selbstverständlich können wir die Altvorderen verstehen, sogar nachempfinden und hineindenken.
Warum: Die Lebenswelt der Altvorderen erscheint uns Fremd, tatsächlich existiert sie schon in der Nachbarschaft (oder einige km weiter). Die Annäherung an die Lebenswelt der Altvorderen (Griechen, Römer, Wikinger, Kelten, Hunnen etc.)erfolgt über das was sie uns hinterlassen haben. Das kann etwas Textiles oder auch ein Text sein, immer vermitteln sie uns wie ihr Leben gewesen ist.

Der lange Artikel bezeichnet einen Standardbegriff in der Wissenschaft vom Menschen, die immer auch eine historische Wissenschaft ist.
Das der Artikel sich nicht sofort erschließt mag eingen ein Problem sein. In für sich zu erschließen hilft dann die Altvorderen und auch die eigenen Lebenswelt transparenter werden zu lassen. Das besondere ist eben das Lebenswelt, wie z.b. Gemeinschaft sich immer hinter dem Rücken der Akteure entwickelt und Mensch fragt sich dann wie ist es dazu gekommen.

Das gute an dem Begriff Lebenswelt ist das er als Schlüssel (bei richtiger Anwendung) wirkt ...den ohne Begriff kein begreifen..

Mir geht es nicht um gut oder böse der historischen Akteure, mir geht es darum herauszubekommen warum die Leute heute "lebendige Geschichte" spielen.
Dazu hat der Begriff Lebenswelt herhalten müssen und unten im Artikel steht dann auch ein Lösungsangebot.

Für diejenigen die es mehr mit Stammesgesellschaften halten (Germanen bis zur Herausbildung von staatlichen Gesellschaften (Vorsicht ist Politik)ist der Abschnitt Fett gekennzeichnet.
Stammesgesellschaften (idealtypisch) als soziokulturelle Lebenswelten (H. 95 II, S. 233)
• Ausgeprägtes Kollektivbewusstsein
• Reproduktion als Ganze erfolgt in jeder einzelnen Interaktion
• Verwandtschaftssystem als totale Institution, darin kein strategisches
• Handeln, sondern kommunikatives Handeln
• Geltungsbegriffe werden mit Ordnungsbegriffen zusammengedacht:
• Kausalität wird als Moralität, Gesundheit als Wahrheit interpretiert.
• Normen ohne staatliche Sanktionen, die Kultgemeinschaft garantiert
• deren Einhaltung

Stammesgesellschaften als selbstgesteuerte Systeme
• Familienverbände betreiben (mit reziproken Verpflichtungen) einen
• rituellen Tausch von Wertgegenständen; Frauentausch
• Stämme stratifizieren sich, das Ansehen bestimmter Schichten ist
• generalisiert, mit entsprechender Statusordnung, Macht und Prestige.
Trennung der systemischen von der sozialen Integration (n. Habermas 95 II, S. 246)



Für die die es mit staatlich organisierten Gesellschaften halten (Griechen , Römer etc.)bietet die Erläuterung andere Hilfen zum Verstehen der jeweiligen Lebenswelt.
longdedl

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RE:

Beitrag von longdedl » 16.01.2007, 10:41

Original geschrieben von Schattenwolf

@longdedl

was verstehst du als "germanische geschichte" ???

bei den germanen...kelten und wikingern hatte die frau durchaus keine unter geordnete rolle....man denke an boudicca bei den kelten aufständen gegen rom als besetzer britaniens....und die wiki frauen die hof und gut verwaltet haben wenn die nordmänner zu see fuhren....oft für monate!
auch sonst hatten sie im täglichen leben und gesellschaftlich rechte die sie einfordern konnten...und daheim am herd eh!

...und bei den germanen ansich war es meines wissens auch nicht viel anders!


Hi Schattenwolf habe nun einge Artikel in der von Dir angegebenen Quelle gelesen; sie belegen die untergeordnete Rolle der Frau!!!
Schaun wir mal ob Deine Position zum Thema Frau und Gender sich neu stellt.
Longdedl
longdedl

Niels

Beitrag von Niels » 16.01.2007, 10:58

Longdedl, das es um das Thema Verstehen von geschichtlichen Zusammenhängen gehen sollte, habe ich schon vermutet. Aber eben auch nur vermutet.

Im Rande: Ich benutzte beruflich auch eine Fachsprache, die Laien nur schwer verstehen. Wenn ich mich mit Laien austauschen will, versuche ich daher, sie so wenig wie möglich einfließen zu lassen. Denn ich möchte verstanden und nicht erraten werden.

Sicher kann man für sich Thesen ableiten und sich dann dazu verleiten lassen zu glauben, man habe jetzt ein Verständnis für die damaligen Akteure entwickelt.

In Ungarn gab es zum Beipiel vor einigen Jahrzehnten die Tendenz z.B. das Kollektivbewusstsein der Landnehmer des 10 Jhdt. einer klaren Beurteilung und Struktur zuzuführen. Istvan Dienes Standardwerk aus dieser Zeit vermittelt den Eindruck, man könne genau sagen, wie zum Beipiel die Gesellschaft strukturiert war und welche Rolle der Taltosch-Kult bei dieser Struktur spielte.

Aktuell, also eigentlich nur wenige Jahre später, kommt man zunehmend davon ab, weil man erkennen musste, dass die Thesen sehr viele unzulässige Zirkelschlüsse aufweisen. Die Stammesgesellschaft änderte sich zwar sicher im 10.Jhdt. bis hin zur Krönung des Großfürsten Vaijk als Stephans I..

Aber schon der Ausgangspunkt dieser Entwicklung zur Landnahme um 900 ist angesichts der dürftigen Quellen kaum zu fassen. Die ungarischen Stämme dürften ein ganz anderes Kollektivbewusstsein gehabt haben, als z.B. die Stämme des Chasarenreichs, aus dem sie mit der Zwischenstation Etelköz ausgewandert waren. Sowohl die wirtschaftliche Grundlage der Gesellschaft, als auch die Struktur der Gesellschaft sowie die damit einhergehende Hierarchie lässt sich nur sehr sehr bruchstückhaft fassen. Fest steht aber zum Beispiel das es bei den Landnehmern den jüdischen (Einfluss der Chasaren), den christlichen (teils aus Byzanz, teils aus Rom beeinflusst), den islamischen (wird zumindest für die beiden Kabarenstämme vermutet) und eben den schamanischen Taltosch-Glauben gab, wobei anhand der Grabbeigaben erkennbar ist, dass die weibliche Bevölkerung einem älteren Kult (vergleichbar mit dem sibirischen Schamanismus) anhing, während der Taltosch in der männlichen Sphäre eher schon Machtvermittler der Aristokratie war. Der Schamanismus war also noch nicht einmal einheitlich ausgestaltet. Ich könnte jetzt zu Theorien über die Rolle der einzelnen Stämme, insbesondere der Kabaren fortfahren .. und ... und .... und

Klar kann ich da jetzt einfach den Begriff "ausgesprägtes Kollektivbewusstein" darüberlegen und davon ausgehen, die Kultgemeinschaft (welche eigentlich?) garantierte, die Einhaltung der Normen (welche eigentlich?). Irgendeine sehr grobe Beurteilung könnte sich daraus sicher schon ergeben. Aber ein wirkliches Verständnis.

Natürlich kann ich auch unsere heutige Gesellschaft zu abtrahieren und mit Begrifflichkeiten zu erklären versuchen, indem ich aus der Vielfalt von Erscheinungen etwas übergreifendes Abtraktes herleite. Es aber umgekehrt mit vergangenen Zeiten zu tun, also die Vielfalt dort gar nicht wirklich zu erkennen und über "das schwarze der Loch der fehlenden Information" einfach was Abstraktes darüberzulegen und damit alles erkären zu wollen, ist aus meiner Sich reichlich oberflächlich.

benz

Analyse der heutigen Gesellschaft?

Beitrag von benz » 16.01.2007, 11:04

Original geschrieben von longdedl

Mir geht es nicht um gut oder böse der historischen Akteure, mir geht es darum herauszubekommen warum die Leute heute "lebendige Geschichte" spielen.


Um das zu verstehen ist es meiner Meinung nach sinnvoller die HEUTIGE Gesellschaft zu analysieren, als die, die dargestellt werden soll.

Ich weiß natürlich daß das an dieser Stelle zu weit führen würde trotzdem hier ein paar Fragen dazu:

-Warum wird am WE Holz gehackt und Lebensgefühl am Lagerfeuer genossen, während zuhause die elektronisch gesteuerte Zentralheizung für Wärme sorgt?

-Warum werden für eine Vorführung Pferde geputzt und gesattelt, während ein Blick unter die Motorhaube des eigenen Autos einen staunend rätzeln läßt, wo sich die Zylinder befinden?

-Warum wird vor einer Schlachtennachstellung über Befehlsstrukturen in Monarchien nachgedacht, während bei der Wahl zum Bundestag darüber gejammert wird, daß keine der Parteien wählbar erscheint?

-Warum wird auf einem Lager ein Schwein geschlachtet oder zumindestens zubereitet, während im heimischen Küchenschrank fastfood überwiegt, bei der der Inhalt mehr aus der Chmemiefabrik stammt, als vom Bauernhof?

Ich könnte diese Aufzählung endlos fortführen. Ich denke es wird deutlich was ich sagen möchte?

liebe Grüße benzi

Uli
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Beitrag von Uli » 16.01.2007, 11:46

@benz
Es wird mehr als deutlich, was du sagen willst.

Für meine Begriffe ist es ganz einfach eine Flucht aus dieser hoch technisierten, egoistischen, durch Reglementierungen bestimmten Gesellschaft.
Es ist ein Versuch der Abgrenzung zur sogenannten "normalen" Gesellschaft.
Wobei dieses auch schon wieder von windigen Geschäftemacher, welche unsere Gesellschaft maßgeblich bestimmen, erkannt wurde und verkomerzialisiert wird, wie es mit allen Strömungen wie z.B. Gammler, Hippies, Punks und Gothics (die übrigens nicht alles Nazis sind) passiert ist.

Meine Meinung zu dem Thema.
Uli

PS. Ich wünsche allen einfach nur viel Spaß, bei dem was sie machen.
Memento mori!
Gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus!

longdedl
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re nils

Beitrag von longdedl » 16.01.2007, 12:01

hi Nils
du schreibst
Natürlich kann ich auch unsere heutige Gesellschaft zu abtrahieren und mit Begrifflichkeiten zu erklären versuchen, indem ich aus der Vielfalt von Erscheinungen etwas übergreifendes Abtraktes herleite. Es aber umgekehrt mit vergangenen Zeiten zu tun, also die Vielfalt dort gar nicht wirklich zu erkennen und über "das schwarze der Loch der fehlenden Information" einfach was Abstraktes darüberzulegen und damit alles erkären zu wollen, ist aus meiner Sich reichlich oberflächlich.

Der Begriff ist der Versuch zur Klärung und nicht die Sache an sich..soweit stimmen wir überein.
Ohne Abstraktion klebst du doch an der Wurstscheibe und machst mmmm
:bussi Longdedl
Ach ja Du glaubst gar nicht wieviele soziologische Begriffe hier verwurstet wurden (Klartex in die Alltagssprache eingegangen sind
)ohne ihrer Bedeutung gerecht zu werden..
Nun aber zum Sinn oder Unsinn gelebter Geschichte zurück..bin gerade am überlegen welche Schuhe ich mir machen lasse.. ;-) ;-) ;-)
longdedl

Steve L.
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Beitrag von Steve L. » 16.01.2007, 13:00

Für meine Begriffe ist es ganz einfach eine Flucht aus dieser hoch technisierten, egoistischen, durch Reglementierungen bestimmten Gesellschaft.


PS. Ich wünsche allen einfach nur viel Spaß, bei dem was sie machen.


Im Sinne von LARP (egal, auf welchem Niveau) und/ oder "Gewandungsgrillen" in geschlossener Gesellschaft kann ich dem nicht widersprechen. Man will einfach mal den Alltag, den man leben muß, außen vor lassen! Da spricht ja auch nichts dagegen.

Aber manche Darsteller betreiben dies auch vor Publikum - sie leben sich selbst innerhalb der Darstellung! Und ab da wird´s gefährlich, denn sie vermitteln so einen völlig falschen Eindruck!

Und dies erachte ich persönlich als absolut inakzeptabel!
H?te Dich vor dem Zorn des geduldigen Mannes - und bete, niemals der Tropfen zu sein, der sein Fa? zum ?berlaufen bringt!

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Schattenwolf
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Lebensgefühl

Beitrag von Schattenwolf » 16.01.2007, 13:32

@longdedl.....endlich nähern wir uns einwenig an.
Ich selbst benutze mitunter Provokation um Andere aus der Resever zu locken - damit sie sich Erklären.
...Und es hat lange gedauert bis ich erkannt hab wie "gefährlich" das in einem Internetforum ist, wegen der begrenzten Komunikationmittel.
Da kommen dann zu dennen die nicht Verstehen wollen, noch jene die Dich nicht verstehen können, aufgrund der eingeschränkten Komunikation.


Meine Position ist,
selbstverständlich können wir die Altvorderen verstehen,
sogar nachempfinden und hineindenken.



Stammesgesellschaften (idealtypisch) als soziokulturelle Lebenswelten
• Ausgeprägtes Kollektivbewusstsein
• Reproduktion als Ganze erfolgt in jeder einzelnen Interaktion
• Verwandtschaftssystem als totale Institution, darin kein strategisches
• Handeln, sondern kommunikatives Handeln
• Geltungsbegriffe werden mit Ordnungsbegriffen zusammengedacht:
• Kausalität wird als Moralität, Gesundheit als Wahrheit interpretiert.
• Normen ohne staatliche Sanktionen, die Kultgemeinschaft garantiert
• deren Einhaltung


Was mach ich in meinem Lager eigentlich, wenn ich mich "verkleide"?
Ersteinmal - ich verkleide mich gar nicht, ich trage und benutze Gegenstände, Kleidung, Waffen und Werkzeug,
(so authentisch wie es mir zur Zeit möglich ist,) wie die Altvorderen aus meinem Kulturkreis es schon lange vor mir Taten.

Ich Lager dort mit meiner Sippe - meinem Bruder, seiner Frau und ihren Kindern - auch Freunde sind Willkommen als Gäste, oder wenn sie bereit dafür sind, als Teil der Sippe - des Stammes wenn du so willst.
Wir verbringen unsere Zeit dort unter einfachen und zum Teil widrigen bedingungen, da wir soweit wie möglich auf moderne Erungenschaften verzichten.
Und diese "Ausflüge" aus der modernen Gesellschaft bereichern mein Leben, geben mir Einblicke in problematiken früherer Zeiten, lässt mich praktische Lösungen erschliessen und erinnert einen auch einwenig daran was wirklich Wichtig ist im Leben.
Eben nicht die Mikrowelle und Tiefkühlpizza oder die Montagabendserie im Ferhnsehen, sondern Gemeinschaft.

Was die tätsächlichen Lebensbedingungen zu "der" Zeit angeht, bin ich freilich auf Literatur angewiesen, ich lebe nunmal im 21. Jahrhundert - mit all seinen Vor- und Nachteilen.
Dennoch geht es mir weniger darum Geschichte darzustellen denn sie zu Erleben....soweit das eben möglich ist.


Was die Stellung der Frau in dieser Zeit angeht....werden wir wohl nicht auf einen Nenner kommen.
Wir nähern uns dem Thema aus entgegengesetzter Richtung und die belege aus dieser Zeit sind zu spärlich um endgültig einen Beweis zu liefern.
Aber ich denke die Ausarbeitung der Homboldt-Universität zu Berlin zeigt auf,
(hier noch mal der Link http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI//zitat/0203krah.htm )
das man durchaus den Standpunkt vertreten kann, dass die Frau im Frühmittel alter gleichberechtigter und besser gestellt war, als landläufig angenommen wird.
Die Beschränkungen der Rechte der Frau kamen meines Erachtens mit dem Einflus des Monotheismus daher.
In einer religiösen Weltanschauung, wo das oberste Prinzip (der Macht) ein männlicher Gottvater ist, kann die Frau nur eine untergeordnete Rolle einnehmen.
Aber wir sollten hier nicht ins Religiöse abschweifen, das ist noch gefährlicher als Politik! ;-)


Ich kann nur sagen, die Menschen damals waren nicht anders als wir,
sie hatten nur andere Lebensbedingungen - andere Probleme,
welche sie zu anderen Handlungsweisen und anderen Problemlösungen und wohl auch zu anderen Gedankengängen geführt haben mögen.

Ich halte es da mit Sartre - zu 99% sind wir geprägt von unserer Umwelt.
Wann wir wo, in welchem Stand, welchen persönlichen, politischen und religiösen Umfeld hineingeboren werden.
Uns bleibt lediglich 1% Freiheit, dessen wir uns zu ersteinmal bewust werden müssen, um sie zu hegen, zu pflegen und nötigenfalls zu verteidigen.
(Die Prozentangaben dienen lediglich zur Veranschaulichung!)

-----------------------------
Zitat
Für meine Begriffe ist es ganz einfach eine Flucht aus dieser hoch technisierten, egoistischen, durch Reglementierungen bestimmten Gesellschaft.



Zitat
PS. Ich wünsche allen einfach nur viel Spaß, bei dem was sie machen.



Im Sinne von LARP (egal, auf welchem Niveau) und/ oder "Gewandungsgrillen" in geschlossener Gesellschaft kann ich dem nicht widersprechen. Man will einfach mal den Alltag, den man leben muß, außen vor lassen! Da spricht ja auch nichts dagegen.

Aber manche Darsteller betreiben dies auch vor Publikum - sie leben sich selbst innerhalb der Darstellung! Und ab da wird´s gefährlich, denn sie vermitteln so einen völlig falschen Eindruck!

Und dies erachte ich persönlich als absolut inakzeptabel!



@Steve....jemanden anderen als sich selbst zu leben (darzustellen) ist nicht nur nicht authentisch, es ist gerade zu schitzophren!

Einen falschen Eindruck vermittel ich, wenn ich jemanden anderen als mich selbst darstelle oder gar lebe!

Ich selbst stelle (und lebe) einen Nordmann dar, denn ich bin ein Nordmann!
- wenn auch einer der im 20. Jahrhundert geboren wurde.
Abergläubisch? - Pah!
1000 Generationen Erfahrung ist kein Aberglaube, sondern gesunder Menschenverstand.
So möge Thor seinen Hammer schwingen Euch allen Vernunft und Weisheit einzubleuen!

Steve L.
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Beitrag von Steve L. » 16.01.2007, 14:26

@Steve....jemanden anderen als sich selbst zu leben (darzustellen) ist nicht nur nicht authentisch, es ist gerade zu schitzophren!


Deswegen "lebe" meine Zeitstellungen ja auch nicht- meine Darstellung beschränkt sich auf das Tragen rekonstruierter Kleidung und ggf. Bewaffnung. Aber ich bleibe (!) Steve, Angehöriger einer Gesellschaft und Kultur des 21. Jh.

Alles weitere - sofern es kein Spielen im Rahmen eines Liverollenspieles stattfindet und jeder sich seiner tatsächlichen Existenz absolut bewusst ist und keine mentalen Defizite aufweist - erachte ich als Anzeichen fehlender sozialer Kompetenz(im "günstigeren" Falle) oder gar als Vorliegen mentaler Defizite (im ungünstigeren Falle)!

Einen falschen Eindruck vermittel ich, wenn ich jemanden anderen als mich selbst darstelle oder gar lebe!


Kann ich so, wie´s da steht, bestätigen. Aber das beschränkt sich nicht auf dieses hier besprochene Thema!

Ich selbst stelle (und lebe) einen Nordmann dar, denn ich bin ein Nordmann!


Im Sinne geografischer und dem entsprechender kultureller Prägung des 21. Jahrhunderts - ja! Aber unter der Bezeichnung eines im Frühmittelalter geprägten Ausdrucks und Manifestation einer Befürchtung - nein!

Wenn Du dies dennoch miteinander verquickst, läufst Du auf ebenjener Schiene, welche Du eigentlich von Dir weist! DAS wäre schizophren! :o
H?te Dich vor dem Zorn des geduldigen Mannes - und bete, niemals der Tropfen zu sein, der sein Fa? zum ?berlaufen bringt!

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