Sinn und Unsinn lebendiger Geschichtsdarstellung

Sonstige Themen rund ums Mittelalter.
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Peter O. Stecher
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Beitrag von Peter O. Stecher » 15.01.2007, 11:03

Ich meine es ist unmöglich die Dinge nicht selektiv wahrzunehmen...

Negley´s Binsenweisheits-Schublade wieder zu!
https://classic-archer.com/

Ahenobarbus
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Beitrag von Ahenobarbus » 15.01.2007, 12:35

@longdedl
in vielen Dingen gebe ich Dir recht; Boudicca ist nicht geeignet, die Position der Frau in der Geschichte zu reflektieren, auch keine Elizabeth oder sonstwer. Die Rolle der Frau in der Vergangenheit entspricht immer noch der, die heute bei traditionellen Muslimen herrscht - nicht bei allen. Nicht bei allen muss die Frau in der Öffentlichkeit den Nebenpart übernehmen. Zu Hause sieht es vielleicht ganz anders aus, aber das ist bei anderen, "westlichen" Völkerschaften nicht anders. Irgendjemand schrieb hier mal (Schatti glaub ich), es hätte ja lange so gut geklappt.

Mich interessiert aber vielmehr die Geschichtsdarstellung, da wir uns hier mal wieder etwas vom Urthema entfernt haben.

Die "historische Darstellung, egal ob reenactment, living history oder was-weis-ich noch" hat sich in den letzten Jahren als Freizeitangebot etabliert, das wird hoffentlich nicht bestritten. Offensichtlich gibt es dafür einen Markt. Das Volk will es so, also bekommt es das auch. Über die Qualität dieser Veranstaltungen kann man im Einzelfall gerne diskutieren, aber eben nicht pauschal. Ich beziehe mal alles auf die Römerei, da ich mit Mittelalter nicht viel am Hut habe und die Veranstaltungen, die ich gesehen habe (Freienfels, Gelsenkirchen, Flachsmarkt, ... Spectaculum ...) teilweise peinlich waren.

Es gibt da eine Veranstaltung im südwestlichen Raum, in einer sehr alten Römerstadt mit einem "schwarzen Tor", die in den letzten Jahren zum Fantasy-event verkommen ist - weil eine "Medienagentur" federführend ist. Es geht nur noch um Geld. Prestige für die Stadt ... wohl kaum. Selbstbeweihräucherung seitens des Veranstalters, der vollmundig die größte Römerveranstaltung Deutschlands propagiert und die besten Gruppen Europas verpflichtet. Da wird besonders eine italienische Gruppe in den Mittelpunkt gerückt, da ein Doktortitel in Deutschland immer noch viel hermacht. Sieht man sich aber diese Gruppe an, dann wird die Luft recht dünn. Fragt man einen Italiener nach bestimmten Dingen, kommt nicht viel verständliches rüber, für die Kinder und Jugendlichen also sehr enttäuschend. Die wenigen anderen einheimischen Gruppen, die noch nach ... kommen, brauchen scheinbar die Gage.

Über die Gründe der eigenen Darstellung muss jeder selbst wissen, was dazu führte. Wir stellen eine Militäreinheit des 1./2. JH n.Chr. dar. Ein anderer Teil der Gruppe zeigt Kleidung, Handwerk etc. Tolleranz gibt es bei uns auch, es gibt Solisten, die Kelten, Daker, Germanen, Griechen oder Palmyrer darstellen, wir haben einen Arzt(einen echten), einen Bäcker, eine Kosmetikerin und waren mal berühmt für unsere Anhängsel, die sich leider zerstritten haben. Bei uns ist der 1. Vorsitzende nicht der centurio, der im Privatleben auch der "liebe Gott auf Erden ist".
Bei uns gibt es Demokratie, es werden Dinge besprochen und die Mehrheit beschließt.

Fliehen wir vor der Realität??? - ich würde sagen "Nein", da der Zeitraum klar festgeschrieben ist und man danach wieder völlig "normal und angepaßt" am gesellschaftlichen Leben teilnimmt. Wir können aber auch gerne über die Menschen diskutieren, die am WE auf den Campingplatz fahren, sich dort in den Liegestuhl legen (und die Mammi kochen, putzen, abwaschen lassen - echte Erholung für alle), oder samstags ins Fussballstadion pilgern um dort ein "Wir-gefühl" zu erleben (toll wenn die Jüngsten dann die bierseeligen pöbelnden "Fans" erleben dürfen), oder die Discogänger, die "abtanzen" müsen und partymachen angesagt ist, mit reichlich Alk und anderen "aufputschenden Mittelchen", oder die vielen Vereinsmenschen, die sich zum Skat, Fussball, Singen oder Bogenschießen treffen. Klar, das sind nicht alle, aber das ist ein Teil des Ganzen.

Longdedl, Du verehrst die Philosophen und sprichst davon, dass in Deiner Welt keine Schlechtigkeiten vorkommen. Verschließst Du da nicht auch die Augen vor der Realität, fliehst vor dem Alltag??? Ich muss mir nicht die reißerischen Nachrichten der Privatsender ansehen, um meine Umwelt warzunehmen. Ich höre, was mein Sohnemann aus der Schule mitnimmt, was im Bus passiert ist, was Bekannte erlebt haben ..., das ist die Realität. Denkmodelle, die vor tausenden von Jahren von Menschen erdacht wurden, sind bestimmt zur damaligen Zeit revolutionär gewesen, haben aufsehen erregt und werden heute bestimmt als Beispiel für die gute Zeit und das gute im Menschen gezeigt, doch war es wirklich so. Waren die Philosophen wirklich bessere Menschen???

Aristoteles hat, glaube ich, gut eingeheiratet und brauchte sich um den Nahrungserwerb nicht viel Gedanken machen.
Platon ist auch nicht gerade ärmlich aufgewachsen und Marc Aurel als Herrscher über ein Weltreich sicherlich auch nicht. Mit vollem Bauch und gesicherter Zukunft kann man schon mal die Zeit mit Nachdenken verbringen, ganz anders der Bauer/In auf dem Feld, oder der einfache Mann/Frau in der Stadt. Ist das Zitieren alter Philosophen nicht auch eine Flucht, ein Verschließen vor der Wirklichkeit. Klar, die Ideen sind wünschenswert, aber der Grundgedanke des Kommunismus war ja auch nicht schlecht - aber in der Regel hakt es doch immer daran, das nicht alle Menschen gleich sind. Und was liegt da näher, als die Zeit mit Menschen zu verbringen, die ähnlich gepoolt sind oder das spezielle Interesse teilen.

Unterwanderung der rechten Szene im Reenactment!
Oh ja, das war und ist wirklich ein Thema, jeder redet darüber, doch geht man dem Ganzen nach und fühlt der Sache auf den Zahn, haben wir wieder einmal viel heiße Luft. Es wird sicherlich Rechte in der Szene geben, genauso wie Verrückte, Waffenfetischisten oder Militaristen, aber auch Träumer, Ökos, Alt-Hippies oder sonstwelche Ströhmungen. Ob jemand "Rechts" ist, steht in der Regel nicht auf dem Namensschild oder auf der Stirn tätowiert, das lernt man erst im Laufe der Zeit. Anhänger anderer Religionen, alter germanischer Religionen usw. ist doch wohl jedem selbst überlassen. Der Götterglaube ist älter als das Christentum, Naturreligionen sind älter als das Christentum oder die Philosophie, sie haben ebenfalls ihre Berechtigung - letztenendes ist es der Glaube an etwas Besseres, Höheres das einem Trost und Kraft spenden soll.

Rechtes Gedankengut! Ich kann es nicht mehr hören. Während meiner Schulzeit hab ich eine Unterrichtsstunde über den amerikanischen Bürgerkrieg und 4 über die römische Welt (da waren die Griechen schon mitgerechnet) gehabt, aber mindestens ein 1/2 Jahr über die Zeit von 1933 bis 1945, Filmserien und Dokumentationen. Hier in Deutschland hat jeder Angst als Nazi verschriehen zu werden, wenn er etwas gegen Ausländer sagt oder die Deutsche Geschichte etwas umfassender sieht, als nur die 12 Jahre unter den Faschisten. Faschismus gab es vor 33 und gibt es immer noch, egal ob politisch oder militärisch. Mit mehr Tolleranz und weniger $$-Denken vor den eigenen Augen, könnte die Welt besser sein. Allerdings hab ich Null-Tolleranz bei Nazis und Militaristen, und denen, die keine Tolleranz zeigen (ich müßte also mit mir anfangen, aber ich hoffe, man versteht, wie ich es meine).

Abschließend möchte ich eine sprichwörtliche Lanze für die brechen, die ihre Freizeit mit dem Darstellen einer vergangenen Zeit opfern. Meine Achtung gillt all jenen, die sich ihre Ausrüstung selbst erstellen, selbst Bücher oder Quellen durchforsten um mehr über die vergangenen Zeiten zu erfahren und sich dann auf Veranstaltungen hinstellen, in den Kindern und Jugendlichen Interesse an der Zeit und dem Leben zu erwecken, so dass mehr Wissen über die vergangene Zeit in Umlauf gerät und das Hollywood Fantasy ist und keine Geschichtsstunde. meine Achtung gilt denen, die sich nicht zu Schade sind, einem kleinen Hosenscheisser zu erklären, dass es ausser Schwerter und tothauen noch andere Dinge gegeben hat. Meine Achtung gilt denen, die sich bei jedem Wetter vor das beschirmte Publikum stellen und einen Vortrag über die Geschichte halten. Der Besuch einer guten Veranstaltung bringt mehr an Wissen, als mehrere Geschichtsstunden.

Geschichte wiederholt sich, das sollte man immer bedenken .

@Negley und die anderen, die gegen geschichtsträchtige Fragen hier im Forum sind:
Niemand zwingt Euch, diese Themen zu lesen. Wenn Ihr provokante Fragen stellt, gibt es darauf eine Reaktion. So was kann man gut in Neubrunn oder eben auf diesen Veranstaltungen, die Ihr nicht mögt, klären ... Hier im Forum tummeln sich bestimmt einige, die sich freuen würden, mal mit FC-lern zu plaudern, die man sonst nicht leibhaftig zu Gesicht bekommt.




:knuddel :knuddel :knuddel

Ahenobarbus
Der beim Clout-Turnier nicht gewandet mitgeschossen hat!!!

longdedl
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RE: so ist das!

Beitrag von longdedl » 15.01.2007, 12:47

Original geschrieben von Ahenobarbus

@longdedl
in vielen Dingen gebe ich Dir recht; Boudicca ist nicht geeignet, die Position der Frau in der Geschichte zu reflektieren, auch keine Elizabeth oder sonstwer. Die Rolle der Frau in der Vergangenheit entspricht immer noch der, die heute bei traditionellen Muslimen herrscht - nicht bei allen. Nicht bei allen muss die Frau in der Öffentlichkeit den Nebenpart übernehmen. Zu Hause sieht es vielleicht ganz anders aus, aber das ist bei anderen, "westlichen" Völkerschaften nicht anders. Irgendjemand schrieb hier mal (Schatti glaub ich), es hätte ja lange so gut geklappt.

Mich interessiert aber vielmehr die Geschichtsdarstellung, da wir uns hier mal wieder etwas vom Urthema entfernt haben.

Die "historische Darstellung, egal ob reenactment, living history oder was-weis-ich noch" hat sich in den letzten Jahren als Freizeitangebot etabliert, das wird hoffentlich nicht bestritten. Offensichtlich gibt es dafür einen Markt. Das Volk will es so, also bekommt es das auch. Über die Qualität dieser Veranstaltungen kann man im Einzelfall gerne diskutieren, aber eben nicht pauschal. Ich beziehe mal alles auf die Römerei, da ich mit Mittelalter nicht viel am Hut habe und die Veranstaltungen, die ich gesehen habe (Freienfels, Gelsenkirchen, Flachsmarkt, ... Spectaculum ...) teilweise peinlich waren.

Über die Gründe der eigenen Darstellung muss jeder selbst wissen, was dazu führte.

Bei uns ist der 1. Vorsitzende nicht der centurio, der im Privatleben auch der "liebe Gott auf Erden ist".
Bei uns gibt es Demokratie, es werden Dinge besprochen und die Mehrheit beschließt.

Fliehen wir vor der Realität??? - ich würde sagen "Nein", da der Zeitraum klar festgeschrieben ist und man danach wieder völlig "normal und angepaßt" am gesellschaftlichen Leben teilnimmt.

Longdedl, Du verehrst die Philosophen und sprichst davon, dass in Deiner Welt keine Schlechtigkeiten vorkommen.

Kleine Korrektur : Ich erlebe die Welt differenziert und gehe davon aus das mein Gegenüber nicht schlecht ist,,bis zum Beweis des Gegenteils. Von den Philosophen habe ich gelernt (ohne Prunk) meine Diplomarbeit in Soziologie ging über die antike Produktionsweise insbesondere Aristoteles wurde kritisch bearbeitet...)

Verschließst Du da nicht auch die Augen vor der Realität, fliehst vor dem Alltag??? Ich muss mir nicht die reißerischen Nachrichten der Privatsender ansehen, um meine Umwelt warzunehmen. Ich höre, was mein Sohnemann aus der Schule mitnimmt, was im Bus passiert ist, was Bekannte erlebt haben ..., das ist die Realität. Denkmodelle, die vor tausenden von Jahren von Menschen erdacht wurden, sind bestimmt zur damaligen Zeit revolutionär gewesen, haben aufsehen erregt und werden heute bestimmt als Beispiel für die gute Zeit und das gute im Menschen gezeigt, doch war es wirklich so. Waren die Philosophen wirklich bessere Menschen???
Oder kann ich nur etwas von ihnen lernen- nicht im Sinne von Informationssammlung - sondern das es für mein Leben etwas ausmacht, mein Verhalten meinen Charakter entwickln hilft und vielleicht und hoffentlich mich zu einem besseren Menschen macht als ich es gestern noch war.


Aristoteles hat, glaube ich, gut eingeheiratet und brauchte sich um den Nahrungserwerb nicht viel Gedanken machen.
Platon ist auch nicht gerade ärmlich aufgewachsen und Marc Aurel als Herrscher über ein Weltreich sicherlich auch nicht. Mit vollem Bauch und gesicherter Zukunft kann man schon mal die Zeit mit Nachdenken verbringen, ganz anders der Bauer/In auf dem Feld, oder der einfache Mann/Frau in der Stadt.
Ist das Zitieren alter Philosophen nicht auch eine Flucht, ein Verschließen vor der Wirklichkeit. Ja, das tut der Spießbürger, er trägt das was er für Bildung hält vor sich her..schaut wie schlau ich doch bin.
Klar, die Ideen sind wünschenswert, aber der Grundgedanke des Kommunismus war ja auch nicht schlecht - aber in der Regel hakt es doch immer daran, das nicht alle Menschen gleich sind.
Und doch sowenig Unterschiede aufweisen das das Gleiche den Unterschied aufwiegt.


Und was liegt da näher, als die Zeit mit Menschen zu verbringen, die ähnlich gepoolt sind oder das spezielle Interesse teilen.

Unterwanderung der rechten Szene im Reenactment!
Oh ja, das war und ist wirklich ein Thema, jeder redet darüber, doch geht man dem Ganzen nach und fühlt der Sache auf den Zahn, haben wir wieder einmal viel heiße Luft. Es wird sicherlich Rechte in der Szene geben, genauso wie Verrückte, Waffenfetischisten oder Militaristen, aber auch Träumer, Ökos, Alt-Hippies oder sonstwelche Ströhmungen. Ob jemand "Rechts" ist, steht in der Regel nicht auf dem Namensschild oder auf der Stirn tätowiert, das lernt man erst im Laufe der Zeit. Anhänger anderer Religionen, alter germanischer Religionen usw. ist doch wohl jedem selbst überlassen. Der Götterglaube ist älter als das Christentum, Naturreligionen sind älter als das Christentum oder die Philosophie, sie haben ebenfalls ihre Berechtigung - letztenendes ist es der Glaube an etwas Besseres, Höheres das einem Trost und Kraft spenden soll.

Rechtes Gedankengut! Ich kann es nicht mehr hören. Während meiner Schulzeit hab ich eine Unterrichtsstunde über den amerikanischen Bürgerkrieg und 4 über die römische Welt (da waren die Griechen schon mitgerechnet) gehabt, aber mindestens ein 1/2 Jahr über die Zeit von 1933 bis 1945, Filmserien und Dokumentationen. Hier in Deutschland hat jeder Angst als Nazi verschriehen zu werden, wenn er etwas gegen Ausländer sagt oder die Deutsche Geschichte etwas umfassender sieht, als nur die 12 Jahre unter den Faschisten. Faschismus gab es vor 33 und gibt es immer noch, egal ob politisch oder militärisch. Mit mehr Tolleranz und weniger $$-Denken vor den eigenen Augen, könnte die Welt besser sein. Allerdings hab ich Null-Tolleranz bei Nazis und Militaristen, und denen, die keine Tolleranz zeigen (ich müßte also mit mir anfangen, aber ich hoffe, man versteht, wie ich es meine).

Abschließend möchte ich eine sprichwörtliche Lanze für die brechen, die ihre Freizeit mit dem Darstellen einer vergangenen Zeit opfern. Meine Achtung gillt all jenen, die sich ihre Ausrüstung selbst erstellen, selbst Bücher oder Quellen durchforsten um mehr über die vergangenen Zeiten zu erfahren und sich dann auf Veranstaltungen hinstellen, in den Kindern und Jugendlichen Interesse an der Zeit und dem Leben zu erwecken, so dass mehr Wissen über die vergangene Zeit in Umlauf gerät und das Hollywood Fantasy ist und keine Geschichtsstunde. meine Achtung gilt denen, die sich nicht zu Schade sind, einem kleinen Hosenscheisser zu erklären, dass es ausser Schwerter und tothauen noch andere Dinge gegeben hat. Meine Achtung gilt denen, die sich bei jedem Wetter vor das beschirmte Publikum stellen und einen Vortrag über die Geschichte halten. Der Besuch einer guten Veranstaltung bringt mehr an Wissen, als mehrere Geschichtsstunden.

Geschichte wiederholt sich, das sollte man immer bedenken .

@Negley und die anderen, die gegen geschichtsträchtige Fragen hier im Forum sind:
Niemand zwingt Euch, diese Themen zu lesen. Wenn Ihr provokante Fragen stellt, gibt es darauf eine Reaktion. So was kann man gut in Neubrunn oder eben auf diesen Veranstaltungen, die Ihr nicht mögt, klären ... Hier im Forum tummeln sich bestimmt einige, die sich freuen würden, mal mit FC-lern zu plaudern, die man sonst nicht leibhaftig zu Gesicht bekommt.




:knuddel :knuddel :knuddel

Das ist Diskussionswürdig ;-) ;-) ;-)
Longdedl

Ahenobarbus
Der beim Clout-Turnier nicht gewandet mitgeschossen hat!!!
longdedl

Karl-Heinz

Beitrag von Karl-Heinz » 15.01.2007, 13:06

@ longdedl

Du kannst ja toll Zitate reinstellen auf so Menschen bin ich besonders Stolz weil alle was von so einem Beitrag haben.

K-H

benz

Beitrag von benz » 15.01.2007, 13:26

Hallo zusammen,

wow, ich hab ein Weilchen gebraucht um die 5 Seiten nachzulesen......

Erst dachte ich, nicht schon wieder, dann war ich überrascht auf welchem hohen Niveau diese Diskussion stattfindet, dann kamen doch wieder die alten Punkte, die nur zu Streits führen und dann bemerkte ich, daß damit doch gelassener und auch humorvoller umgegangen wird, als in den vergangenen Jahre.

Kurz zu mir, zeitlich gesehen begann ich zuerst mit Bogenschießen, dann machte eine Freundin von mir eine Radiosendung zu dem Thema, "indianische Sichtweisen zu politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Themen und Parallelen zum Urchristentum".

Hatten Indianer mich bis zu diesem Zeitpunkt aus difusen Motiven interessiert, war dies der Anlass mich näher mit indianischen Kulturen und Weltbildern zu befassen.

Dazu kamen, wie oft im Leben, "zufällige" Begebenheiten, wie die Dokumentation von Kevin Costner, 500 Nations, und das "zufällige" Entdecken eines Magazines in deutscher Sprache, daß sich mit den heutigen Problemen der native americans (NA) beschäftigt.

Von diesem Zeitpunkt an trug ich auf Turnieren häufig eine indianische Kopfbedeckung zur normalen Kleidung.

Bild

Dies ist in meinen Augen zu vergleichen mit dem Tragen eines Cowboyhutes, der ist ja nun mittlerweile in unserer Gesellschaft überall zu sehen. Er wird zur normalen Kleidung der 21.Jahrhundert getragen und ist Ausdruck..... naja, keine Ahnung für was eigentlich.

Ich wollte einen Gegenpol darstellen, wenn Westernhüte auf Turnieren zu sehen sind, warum keine indianische Kopfbedeckung. Für mich Ausdruck eines Interesses für eine Kultur und Zeichen der Solidarität mit ihren heutigen Aktivitäten zur Anerkennung ihrer Rechte. Ich fühle mich bis heute stark mit ihren Kämpfen z.b. gegen Uranabbau u.ä verbunden, sind es doch die gleichen Kämpfe, wie ich sie seit 25 Jahren führe.

Doch zurück zum Outfit so der Name für die Gewandung im Bereich der NA. Zu den verschiedenen Kopfbedeckungen kamen bald Hemd und Leggings und Mokkasins dazu.

Bild

Dann irgendwann die Diskussion, darf ich als nicht-native sowas überhaupt tragen?

Ich stecke mitten in diesem Prozess von dem ich z.Z. nicht weiß wohin er führen wird.

Ich weiß für mich nur, alles was mit einer Darstellung einer fremden oder vergangenen Kultur zu tun hat, muss für mich einen Bezug zu Gegenwart und zur Zukunft haben.

Flucht aus der Realität bedeutet für mich, die Augen vor den Problemen der Gegenwart zu verschließen, anstatt zu versuchen aktiv an einer positvien Veränderung mitzuwirken

Ich bin Euch allen dafür dankbar, daß dieser Bezug zu Gegenwart, zu den Werten der Menschenrechte und zur Problematik von neuen und alten Nazis in diesem thread mehr als deutlich zum Ausdruck kommt. Das wäre so in der Vergangenheit nicht möglich gewesen.

liebe Grüße benzi

Niels

Beitrag von Niels » 15.01.2007, 14:12

Mir fällt bei der Diskussion auf, dass hier doch sehr vieles undifferenziert in einen Topf geworfen wird. Man kann es sicher den Außenstehenden nicht vorwerfen, dass hier z.B. Rollenspiele, Geschichtsdarstellung, Politikwissenschaft usw. miteinander vermischt werden.

Aber es fällt dann natürlich schwer, darauf zu antworten. So bestehen zum Beispiel gerade beim Thema Realitätsflucht erhebliche Unterschiede, wenngleich es in den Randbereichen geringfügige Überschneidungen gibt und Leute gar nicht so selten auch von dem einem zu dem anderen wechseln. Diese Anmerkung soll keinesfalls eine Bewertung der unterschiedlichen Aktivitäten darstellen, sondern nur feststellen, dass hier recht unterschiedliche Dinge besprochen werden, als sei es eine zusammen sinnvoll zu besprechende Sache.

Wenn ich mich darum bemühe, mit wissenschaftlichen Mitteln in die vergangene Realität einer Zeit einzuarbeiten und diese darzustellen, zu erklären usw., den hat das sehr viel mit vergangener und gegenwärtiger Realität zu tun. Die kleine Flucht zur Entspannung nach getaner Arbeit mag dann vielleicht der erwähnte kleine "eigene Film" am abend sein (siehe geringfügige Überschneidung).

Der Ansatz, man kann gar nicht 100% Geschichte darstellen, ist erstmal richtig. Als Argument gegen Geschichtsdarstellung taugt er meiner Ansicht aber nicht. Jedem, der sich ernsthaft mit realer Geschichtsdarstellung befasst ist das doch nur zu klar. Aber es geht dem Geschichtsdarsteller ja auch gar nicht um ein 100% umfassendes Abbild. Interpretationen und Spekulationen sollten bei dieser Aktivität eigentlich nur dort vorkommen, wo sie wirklich unverzichtbar sind. Da ist ein wohl einer jeder in der Entwicklung und niemand perfekt.

Zunächst mal ist bei der Geschichtsdarstellung ein Gegenstand, eine Tätigkeit, ein Ereignis, eine Örtlichkeit und dgl. der Gegenstand des Interesses und der Recherche. Da kann man dann sehr wohl eine hohe Maß Genauigkeit bei der Rekonstruktion erreichen. Eine Vielzahl solcher Rechercheergebnisse macht das Bild dann immer etwas runder, aber nie vollständig. Wäre diese Vollständigkeit erreicht (erreichbar), könnte man die Geschichtswissenschaft für erledigt erlären, weil es dann keine Wissenschaft mehr wäre.

Vor diesem Hintergrund und mit diesem persönlichen Anspruch käme ich gar nicht auf die Idee, z.B. eine Krankheit darzustellen, denn das wäre bestenfalls Rollenspiel oder schlimmstenfalls Selbstmord. ;-) :D

Zum Thema Beurteilung von Geschichte im Zusammenhang mit der Darstellung: Selbstverständlich kann man sich nie ganz frei davon machen, dass eine eigene Beurteilung (und dann logischerweise immer aus heutiger Sicht) mit in die Darstellung einfließt. Denn das interessiert mich logischerweise auch und ich bilde mir zwangsläufig eine Meinung. Ich fühle mich aber deshalb nicht dazu berufen, diese, meine Meinung im Sinne einer Propagandaaktion öffentlich unter die Leute zu bringen. Ähnlich wie beim seriösen Journalismus sollte man sich daher um Zurückhaltung bei der Meinungsbildung durch Geschichtsdarstellung bemühen und diesen Schritt dem Betrachter/Zuhörer überlassen. So finde ich es jedenfalls.

Wenn ich zum Beispiel etwas gegen das Vorurteil der wilden Nomaden bei den Ungarn tun möchte, werde ich mich hüten, das quasi als Leitsatz voranzustellen. Vielmehr erzähle ich von belegten Grubenhäusern, dem hohen Anteilen an Schweineknochen im Fundmaterial und den archäolgischen Schlussfolgerungen zur Landwirtschaft. Ich versuche Beispiele der Handwerkskunst zu zeigen usw. Dann kommt am Schluss hin und wieder die Äußerung: "Und ich dachte, die Magyaren waren barbarische Nomaden". Dann weise ich gern noch darauf hin, dass die einzigen Beschreibungen der Ungarn von westlichen Geistliche stammen, deren Ziel es sicher nicht war, ein Bild zu zeichnen, welches ihren gehassten Gegnern mit anderer Kultur und anderen Glaubenvorstellungen gerecht wird. Das wars dann aber schon.

Auch würde ich die sehr pauschale Schlussfolgerung, weil uns Texte griechischer Philosophen vorliegen, die wir als Kinder unserer Zeit, - aber eben wie Kinder unserer Zeit - interpretieren können, seien wir wirklich fähig, die Denkweise und die Lebenumstände, die zu diesem Denken führten, verstehen können. Ganz zu schweigen, von dem Bauer, der uns keine Texte hinterlassen hat.

longdedl
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lebendige Geschicht

Beitrag von longdedl » 15.01.2007, 17:07

Hi auch an Nils

um die Welt zu verstehen suchen wir Verständigung.
Ein Versuch die Welt in Begriffe zu fassen um sie faßbar werden zu lassen:
Lebenswelt
Handlungstypen; Lebenswelt: Einführung, Definitionen, kommunikatives Handeln, Medien zur Reproduktion, Struktur; Lebenswelt und System; Phänomenologie; Stammesgesellschaften: als soziokulturelle Lebenswelten, als Systeme; Systemdifferenzierung (Mechanismen); Verdinglichung; Weltbild (Dezentrierung);
________________________________________
"Die Weltkonzepte bilden das formale Gerüst, mit denen die kommunikativ Handelnden die problematischen, einigungsbedürftigen Situationszusammenhänge in ihre als unproblematisch vorausgesetzte Lebenswelt einordnen" (Habermas 1995, S. 107)
Definitionen für den Begriff 'Lebenswelt' / Vgl. 'Kollektivbewusstsein'
• Bewegliche Erfahrungshorizonte, tatsächliche und mögliche. Selbstverständlichkeiten werden bei Bedarf mobilisiert (Husserl)
• Wirklichkeit - erlebt, erfahren, durchlitten; Bereich des wachen und gesunden Erwachsenen (Schütz/Luckmann)
• Komplementärbegriff zur kommunikativen Handlung: Vorrat an kulturell überlieferten und sprachlich organisierten Deutungsmustern, intersubjektiv erzeugt. Wird durch ein Thema herausgehoben, ist konzentrisch angeordnet und wird mit räumlicher, zeitlicher, sozialer Distanz diffuser (Beispiel Bierholen).
Sprache und Kultur gehören zur Lebenswelt, sind nicht als Bestandteil einer der drei Welten zu verstehen. Die Verständigung bleibt "im Rücken" der Situationsteilnehmer, die Grenzen der Lebenswelt lassen sich nicht überwinden. Sprache wird benutzt und fortgesetzt. Die Lebenswelt bildet somit den Hintergrund für die aktuelle Szene. Wird sie thematisiert, handelt es sich um Wissen. Die selbstverständlichen Voraussetzungen einer Situation werden durch ihre Relevanz mobilisiert. Es handelt sich um alltägliche, präreflexive Hintergrundannahmen, der Aktor ist Initiator und Produkt von Überlieferungen. Lebensweltliches Wissen hat einen paradoxen Charakter, weil die Gewissheit in dem Nichtwissen besteht! Die Lebenswelt dient dem Aktor als Resource, die weltlichen Tatsachen, Normen und Erlebnisse demgegenüber als situationsbedingte Restriktion für seine Handlungspläne. "Zu Sprache und Kultur können die Beteiligten (...) nicht dieselbe Distanz einnehmen wie zur Gesamtheit der Tatsachen, Normen oder Erlebnisse, über die Verständigung möglich ist" (Habermas 95 II, S. 192, siehe Abbildung auf S. 193). Ein Beispiel findet man m.E. bei Watzlawick in der Wiedergabe des Asch-Experimentes.

Erfahrung der Lebenswelt (noesis) / Grundstrukturen (Schütz/Luckmann, n. Habermas 95 II, S. 196):
• Egologisches Bewusstsein (n. Husserl)
• Erfahrungen nicht konkret und variabel
• Grundstrukturen der natürlichen Einstellung
o nicht im Griff des Bewusstseins
o gehen in Erfahrungshorizont ein
Strukturen der Lebenswelt (noema)/ s. AGIL-Schema:
• Kultur (Wissensvorrat/Interpretation)
• Gesellschaft (legitimierte Ordnung, Gruppen)
• Persönlichkeit (Kompetenz für Handlungsfähigkeit)
Dimensionen der Lebenswelt, ein unendlicher innerer und äußerer Horizont:
• symbolische Gehalte
• sozialer Raum
• historische Zeit
Medien zur Reproduktion der Lebenswelt
• symbolische Interaktionen
• materielle Reproduktionen (Zwecktätigkeit)
Reproduktionsprozesse und ihre Pathologien (n. Habermas 95 II, S. 212)
• Durch kulturelle Reproduktion: gültiges Wissen
o Pathologie im Bereich Kultur: Sinnverlust
• soziale Integration: legitim geordnete interpersonale Beziehungen
o Pathologie im Bereich Gesellschaft: Anomie
• Persönlichkeit/Sozialisation: Interaktionsfähigkeit/personale Identität
o Im Bereich der Sozialisation der Persönlichkeit: Psychopathologie
Lebenswelt/kommunikatives Handeln vs. andere Handlungsformen
• Nur kommunikatives Handeln setzt Sprache als Mittel unverkürzten Verständnisses voraus. Sprecher und Hörer beziehen sich gleichzeitig auf etwas in der objektiven, sozialen und subjektiven Welt.
o Teleologisches Handeln: Sprache nur ein Medium
o Normatives Handeln: Sprache als kulturelles Medium wird einfach vorausgesetzt
o dramaturg. Handeln: expressiv, kognitive Bedeutung der Sprache gering
Rationalisierung der Lebenswelt (Habermas 95 II, S. 219, n. Mead/Durkheim)
• Strukturelle Differenzierung der Lebenswelt: weniger normatives Einverständnis, sondern kooperative Deutungsprozesse der Beteiligten, im Einzelnen:
o Kultur/Gesellschaft: Entkoppelung von Institutionen und Weltbildern
o Persönlichkeit/Gesellschaft: größere Kontingenz von Beziehungen
o Kultur/Persönlichkeit: Kritikbereitschaft der Individuen
• Trennung von Form und Inhalt
o Kultur: Trennung der mythischen Traditionskerne von Inhalten, statt dessen Argumentationsverfahren
o Gesellschaft: universelle Rechtsordnung und Moral setzen sich durch
o Persönlichkeit: Gegenstände zur Einübung formaler Kompetenzen werden variabler
• Reflexion der symbolischen Reproduktion
o Demokratische Willensbildung / Diskurs
o Pädagogisierung von Erziehungsprozessen (seit dem 18. Jhdt.)
Kolonisierung der Lebenswelt
'Sollen'/das 'gute Leben'
Es gibt keinen Grenzwert für das vernünftige Leben, der rational bestimmbar wäre. Der Entwertung der Traditionssubstanz unter eine auf das kognitiv-instrumentelle beschränkten Rationalität kann jedoch der prozedurale Begriff der kommunikativen Rationalität entgegengesetzt werden. Um eine Form des Lebens zu erlangen, bei der zwanglose Identität der Individuen mit zwangloser Reziprozität zwischen den Individuen zu einer erfahrbaren Realität wird, ist ständiges Bemühen erforderlich. Eine hochentwickelte kommunikative Infrastruktur ermöglicht gelungene Lebensformen (H. 1995, S. 112/13)

• Zzur Bearbeitung von Sinnzusammenhängen müssen Traditionen kultureller Überlieferung in Frage gestellt werden können (H. 95 I, S. 109)
• Eso ist eine Illusion der Verdinglichung, dass sich die objektive Welt ausdifferenziert, die soziale und subjektive Welt hingegen aus der rational motivierten Verständigung ausgegliedert würde. (H. 95 I, S. 111)
Winch: Lebensformen in ihrer Totalität stellen Sprachspiele dar. Diese können nicht unter einzelnen Rationalitätsaspekten beurteilt werden. Standards für die Beurteilung von Lebensformen sind hier verfehlt, mit Ausnahme vielleicht von "Gesundheit/Krankheit".
Entkoppelung von Lebenswelt und System
Stammesgesellschaften (idealtypisch) als soziokulturelle Lebenswelten (H. 95 II, S. 233)
• Ausgeprägtes Kollektivbewusstsein
• Reproduktion als Ganze erfolgt in jeder einzelnen Interaktion
• Verwandtschaftssystem als totale Institution, darin kein strategisches
• Handeln, sondern kommunikatives Handeln
• Geltungsbegriffe werden mit Ordnungsbegriffen zusammengedacht:
• Kausalität wird als Moralität, Gesundheit als Wahrheit interpretiert.
• Normen ohne staatliche Sanktionen, die Kultgemeinschaft garantiert
• deren Einhaltung

Stammesgesellschaften als selbstgesteuerte Systeme
• Familienverbände betreiben (mit reziproken Verpflichtungen) einen
• rituellen Tausch von Wertgegenständen; Frauentausch
• Stämme stratifizieren sich, das Ansehen bestimmter Schichten ist
• generalisiert, mit entsprechender Statusordnung, Macht und Prestige.
Trennung der systemischen von der sozialen Integration (n. Habermas 95 II, S. 246)
• Organisationsmacht des Staates löst sich vom Verwandtschaftssystem
• Vier Mechanismen der Systemdifferenzierung, die mit der Bildung
• symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien (Parsons)
• einhergehen:
Segmentäre Differenzierung Tausch vorgegebene Sozialstrukturen Stammesgesellschaften
Stratifikation Macht dto. Hierarchisierung
Staatliche Organisation Macht neue Sozialstrukturen/system. politische Klassen
Steuerungsmedien (Geld) Tausch dto. ökonomische Klassen
Die Produktivkräfte bestimmen den Grad der Verfügung über die Naturkräfte, die Produktionsverhältnisse bestimmen, in welcher Art die Arbeitskräfte mit den Produktionsmitteln kombiniert werden. Die Entwicklung vollzieht sich in den obengenannten vier Mechanismen. Rollenbeziehungen werden komplexer, Status, Formalrecht, Autorität etc. bilden sich heraus; Veränderungen der ökonomischen Basis haben die entsprechenden Veränderungen des Überbaus zur Folge. Organisationen haben pauschal akzeptierte Mitgliedbedingungen, die Personen werden zur Organisationsumwelt, mit konfliktanfälliger konkreter Wertorientierung und Handlungsdisposition (H. 95 II, S. 257, n. Luhmann).
Institutionalisierung von Recht und Moral
• Über Medien vermittelte systemische Einflüsse bewirken letztendlich
• eine Ebene "normfreier Sozialität", die uns lebensweltlich wie etwas in
• der objektiven Welt begegnet (n. Habermas 95 II, S. 258 ff).
• Die Entkoppelung von System und Lebenswelt spiegelt sich innerhalb
• der Lebenswelt als Versachlichung. Je komplexer die
• Gesellschaftssysteme, um so provinzieller erscheinen die Lebenswelten
• (z.B. Stadtteil-Bezogenheit), weil das Gesellschaftssystem den
• lebensweltlichen Horizont sprengt, sich dem kommunikativen
• Alltagsverständnis entzieht. Komplexitätssteigerungen des Systems sind


von der strukturellen Differenzierung der Lebenswelt abhängig. Mechanismen der Systemdifferenzierung werden in der Lebenswelt verankert , institutionalisiert über Status, Amtsautorität oder bürgerliches Privatrecht.
• Systemdifferenzierung verlangt Umbauten im institutionellen
• Kernbereich der moralisch-praktischen, konsensuellen Regelung von Handlungskonflikten. Moral und Recht sind geeignet, offene Konflikte
• einzudämmen, dass die Grundlage verständigungsorientieren Handelns
• nicht zerfällt und damit der Lebenswelt nicht zerfällt.
• Stufen der Rechtsentwicklung:

Moralisches Bewusstsein Sozial-kognitive Grundbegriffe Ethiken Rechtstypen
präkonventionell partikular magisch offenbartes Recht
konventionell Norm Gesetzesethik traditionales Recht
postkonventionell Prinzip Gesinnungs- und Verantwortungsethik formales Recht
• Die Legalität von Entscheidungen bemisst sich nach der Einhaltung formal einwandfreier Verfahren. Das Rechtssystem verlangt nach Verankerung in legitimierten Basisinstitutionen (H. 95 II, S. 266).
Entsprachlichte Kommunikationsmedien
Systemdifferenzierung ist von der Rationalisierung der Lebenswelt abhängig. Dies geschieht über die von Parsons so genannte Wertgeneralisierung. Dadurch wird ermöglicht, dass sich Ego nicht in jedem Einzelfall der Unterstützung Alters vergewissern muss, sondern dass er generalisierte Handlungsorientierungen bei Alter vorfindet, z.B. Konsens- und Folgebereitschaft. Hierzu gehören Ansehen, Einfluss von Personen und die gesetzliche Autorität des Staates. Sittlichkeit spaltet sich auf in Moralität (Anwendung von Prinzipien) und Legalität (Rechtsgehorsam).
Zwei gegenläufige Tendenzen werden deutlich: Auf der einen Seite müssen sich die Handelnden vermehrt von religiös verankertem Konsens auf sprachliche Konsensbildungsprozesse umstellen, d.h. die Anforderungen an Sozialintegration nehmen zu. Dies erfordert auf der anderen Seite für das zweckrationale Handeln eine Entlastung von direkter sprachlicher Verständigung durch Kommunikationsmedien. Kommunikationsmedien kondensieren Verständigung als Massenmedien, oder ersetzen durch ihre Steuerungsfunktion in Form von Geld und Macht den Verständigungsmechanismus. Diese systemischen Mechanismen benötigen die Lebenswelt für die Handlungskoordinierung nicht mehr.
In dieser Polarisierung zwischen der Idee einer diskursiven Einlösung von normativen Geltungsansprüchen und dem entmoralisierten Zwangsrecht spiegelt sich die Entkoppelung von Lebenswelt und System (s. H. 1995 II, S. 269).
Handlungskoordinierung, d.h. Folgebereitschaft von Alter, wird also zum einen durch Willensstärke, Ansehen, Können und Wissen von Ego gewährleistet, zum anderen wirkt sich dieser Status über die Technisierung in der durch Kommunikationsmedien geschaffenen Öffentlichkeit aus.
Systemkomplexität sprengt Fassungskraft der Lebenswelt
Die systemischen Mechanismen, normfrei über die Lebenswelt hinausragenden Sozialstrukturen, bleiben jedoch über die Institutionen des bürgerlichen Rechts an die Lebenswelt zurückgekoppelt. Es handelt sich um Subsysteme: Wirtschaftssystem und Verwaltungssystem.
Marx: Lebenswelt nur Überbau. Die systemischen Zwänge der materiellen Reproduktion greifen durch die symbolischen Strukturen der Lebenswelt hindurch. "Die rationalisierte Lebenswelt ermöglicht die Entstehung und das Wachstum der Subsysteme, deren verselbständigte Imperative auf sie selbst destruktiv zurückschlagen" (H. 95 II, S. 277).
In Stammesgesellschaften bleibt der Konsens der Beteiligten unangetastet, und die Systemintegration erfolgt über funktionale Handlungszusammenhänge. Mit zunehmenden Hierarchisierung und Herausbildung politischer / ökonomischer Klassen instrumentalisieren systemische Zwänge die kommunikativ strukturierte Lebenswelt.
Wie aber schafft es das System, in der Lebenswelt zu wirken? Durch die Erfahrung der Verdinglichung (apriorische Gegenständlichkeitsform, n. Lukács) und durch Einwirkung auf die formalen Eigenschaften der intersubjektiven Verständigung. Die Bedingungen der Verständigung bilden die Schnittflächen, wo systemische Zwänge unauffällig in die Formen der sozialen Integration eingreifen und die Lebenswelt dadurch mediatisieren. Strukturelle Gewalt schränkt Kommunikation systematisch ein, indem sie die Weltbezüge der Kommunikationsteilnehmer festlegt.
Die Verständigungsformen lassen Ritus und Mythos als vorherrschende Form hinter sich und entwickeln sich vom Gebet und institutionalisierten Heilswegen, den religiösen und metaphysischen Weltbildern hin zu normativ geregeltem kommunikativem Handeln mit argumentativer Behandlung von Wahrheitsansprüchen, sowie zur Zwecktätigkeit der Nutzung spezialisierten berufspraktischen Lehrwissens, die als legitime Macht organisiert ist. Von den sakralen Handlungsbereichen mit kultischer Praxis und entsprechenden Weltbildern zum profanen Handlungsbereich, der durch Kommunikation und Zwecktätigkeit gekennzeichnet ist, und sich zu normativ entbundenem kommunikativem Handeln, institutionalisierter Kritik und sittlich neutralisiertem zweckrationalen Handeln entwickelt. Die Zwecktätigkeit mündet schließlich in sittlich neutralisiertes Handeln, in die Nutzung wissenschaftlicher Technologien und Strategien.
Die Entwicklung der Verständigungsformen lässt die Konkurrenz zwischen System- und Sozialintegration immer deutlicher hervortreten.

Gesellschaft als Lebenswelt und System aus der Systemperspektive
Funktion von Massenmedien; Gesellschaft (n. Parsons); Gesellschaft (n. Luhmann);
(n. Habermas 1995 II, S. 473)
Lebenswelt Austauschbeziehungen mediengesteuerte Subsysteme
Privatsphäre --> Arbeitskraft (Machtmedium)
<-- Einkommen (Geldmedium)
<-- Güter und Dienstleistungen (Geld)
--> Nachfrage (Geld) Wirtschaftssystem
Öffentlichkeit --> Steuern (Geldmedium)
<-- Organisationsleistungen (Macht)
<-- politische Entscheidungen (Macht)
--> Massenloyalität (Macht) Verwaltungssystem
Gesellschaft als System, das die soziokulturellen Lebenswelten erhalten muss.
• Ausdifferenzierung als System: Steigerung der Steuerungsfähigkeit
• Ausdifferenzierung als Lebenswelt: Auseinandertreten von Kultur,
• Gesellschaft (Sozialsystem) und Persönlichkeit

________________________________________
Quelle:
Habermas, J.: Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt a.M. 1981
4., durchgesehene Aufl. 1987/Taschenbuchausgabe: Erste Auflage 1995, Bd. I/Bd. II
Longdedl
Anmerkung: siehe Stammesgesellschaften hier bietet sich an "lebendige Geschichte" als rekonstruktion überschaubarer Lebenswelt zu interpretieren, d.h. könnte bedeuten das die kleinen Fluten aus dem Alltag in diese Strukturen den dringenden Bedarf nach konkreter Gemeinschaft erfüllt.
Die kleinen Fluten finde ich heilen uns von dem was der "Berufsalltag"an Narben hinterläßt.
Der Gegenbegriff ist das Internet: Hier gibt es keinen sicheren Punkt, alle Fragen führen zu weiteren Fragen ohne das Gewissheit entsteht...alles ist Netz...
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Beitrag von Schattenwolf » 15.01.2007, 17:23

Original geschrieben von longdedl
Deine Zitatensammlung belegt dankenswerter weise meine o.g. Argumente, da sie Sonderstellungen bezeichnet und nicht die allgemeine Lage der Frau.



Unter dem Link findet sich m.E. eine differnzierte und wissenschaftliche Abhandlung zum Thema der "Gleichstellung" der Frau im Frühmittelalter.

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Beitrag von Bard » 15.01.2007, 17:35

Meine Meinung zum Thema hab ich ja schon kundgetan - ich hab da noch eine Bitte:

LASST DIE POLITIK AUSM SPIEL!!!

Ganz egal ob nun für oder gegen irgendeine politische Richtung argumentiert wird oder sich drüber aufgeregt - das hat nun wirklich nichts hier verloren und mit hier meine ich das ganze FC.

Frohes Diskutieren weiterhin, Bard
Wir sind nicht auf der Welt um so zu sein wie Andere uns haben wollen

Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen m?chte!

Wo ist die Rose?!?

gepriesen sei das Dreibein...

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@ Benz

Beitrag von Taran » 15.01.2007, 17:41

Benz, darüber kann man viel nachdenken, ob du das darfst - hast du schon mal ein paar NA, die dich kennen, GEFRAGT, ob das für sie okay ist?

Die dich kennen, deswegen, damit das eben keine "abstrakte", typisch deutsche Fragestellung ist. Denn das ist doch was sehr Persönliches, soll es auch sein, und das theoretisch und allgemein zu entscheiden find ich blöd.

Vielleicht ist bei dir was okay, ws man von jmd. anderem nicht akzeptieren könnte? Wenn zwei das gleiche tun, ist es noch lang nicht dasselbe!
Taran von Caer Dallben

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Beitrag von Lord Bane » 15.01.2007, 17:53

Also....
Ich bin auch, wie einige andere, der Ansicht, dass eigene Lebenserfahrungen sowie die eigene Kulter, etc. Denkweisen und Wertevorstellungen prägen (sorry Longdegl, aber deine Punkte deiner letzten Posts habe ich nicht ganz nachvollziehen können....hoffe nicht, dass ich da jetzt nur was von dir zusammenfasse). Zum Beispiel kann man das an die doch recht praxisorientierten Welt der Römer festmachen. Da braucht man sich nur die Vokabeln anschauen, dann sieht man die Denkweisen (und deren Unterschiede zu Heutigen). Auch bildet Athen eigentlich unter den Zeitgenossen eine Ausnahme. So wurde bei der Phönix-Doppeldoku über Spartha gesagt, dass ein Zeitgenosse sinngemäß sagte, dass die Bewertung Athens in der Zukunft zu hoch und Sparthas Einschätzung zu gering sein wird.
Und wenn siech die Philosophen Staaten ausdenken, in denen nur die "tauglichsten" Kinder leben dürfen, dann sage ich heute, dass es "scheiße" ist. Damals hingegen wurde dies als normal empfunden (und war in Spartha anscheinend Praxis).
Die Kirche musste doch auch nur sehen, wo sie bleibt. Dass mit ihr der Fortschritt in Europa für eine Zeit versiegte, dafür kann man ja nix.
Aber auch die Wikinger und Germanen waren nicht so "frei", wie dies hier dargestellt wurde. Alleine die Begriffe "Blutfehde" und "Wallhalla" sollen hierzu reichen (denn damit sind gewisse Pflichten schon mit genannt, unter denen man sich bedingungslos unterordnen musste).
Ich bin Star Wars Fan. Der Name "Lord Bane" leitet sich von einem Lord der Sith ab, n?mich von "Darth Bane". Dieser F?hrte das "immer nur 1Meister-1Sch?ler-System" ein bei den Sith.

longdedl
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re

Beitrag von longdedl » 15.01.2007, 18:02

hi schattenwolf ...lord bane
verstehen heißt nicht billigen, zustimmen und so weiter..
ich stoße immer wieder auf Leute die Geschichte und deren Politiken ausblenden, weil es macht das der Kopf raucht (altes indianisches Sprichwort).
Schattenwolf Respekt auf jeden Fall Lesestoff und dann Zeit zum Nachdenken. ;-)
Bei allen Differenzen in dieser Diskussion, die Nähe überwiegt finde ich :knuddel
Longdedl
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Niels

Beitrag von Niels » 15.01.2007, 18:13

Boah, longdedl .... :wacko ... Da soll mir nochmal jemand vorwerfen, ich würde abgehoben argumentieren.

Ich verstehe nur sehr wenige der Aussagen Deines sehr langen, mit Zitaten und Fremdworten gespickten Beitrags. Es fehlt mir so ein wenig der Zusammenhang insich und mit der Diskussion hier. Aber mal sehen, vielleicht wird es ja besser, wenn ich es morgen nochmal lese ...

Lord Bane
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Beitrag von Lord Bane » 15.01.2007, 18:14

Achso, was ich noch vergaß:
Zum Thema Gewalt, Krieg und anderen schrecklichen Dingen sagte zu meiner Schulzeizt mal ein Geschichtslehrer zu uns, dass seit dem 2. Weltkrieg es nur rund 50 oder 60 Tage gab, an denen weltweit Frieden herrschte. Auch wenn diese Zahl nicht wirklich belegt sind, so verdeutlichen sie doch das Außmaß an menschlicher Perversion. Und da sie menschlich ist, war solch ein Verhalten (Krieg, Schendungen, etc) früher (wie auch leider heute noch) "Gang und Gebe".
Aber die Sklaven waren nicht wirklich "billige" Objekte. So durften sich die Sklaven bei Römern wie bei den Nordmännern auch selber Geld verdienen und sich damit freikaufen. Außerdem waren zumindest bei den Skandinaviern die Sklaven kostbar genug, um diese besser zu behandeln als Vieh. Auch ein Römer (laut einem Kurzeinwurf meiner Lateindozentin) machte wohl in der Kaiserzeit aufmerksam, dass Sklaven nicht nur DInge waren (rein rechtlich betrachtet), sondern ebenso wie Römer Menschen seien.
Wollte ich nur wegen der Vollständigkeit noch erwähnen.
Aber gerade durch all diese Abschweifungen lernt man eine Menge. Und dieses Wissen ist notwendig, um sich selber die vergangenen Geschehnisse erklären zu können (laut unseren Geschichtsdozenten ist Geschichte das Erklären und Verstehen der Vorgänge, und nicht etwa Jahreszahlen). Dies wiederum ist wichtig für die "Auftritte" auf den Märkten, denn Jugendlichen Jahreszahlen runterzurattern kann es ja nicht sein!
Ich bin Star Wars Fan. Der Name "Lord Bane" leitet sich von einem Lord der Sith ab, n?mich von "Darth Bane". Dieser F?hrte das "immer nur 1Meister-1Sch?ler-System" ein bei den Sith.

Steve L.
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Beitrag von Steve L. » 15.01.2007, 18:14

Für einen als unnütz verspotteten Thread 6 Seiten/48h ist auch nicht schlecht!
H?te Dich vor dem Zorn des geduldigen Mannes - und bete, niemals der Tropfen zu sein, der sein Fa? zum ?berlaufen bringt!

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