Punzieranleitung für Anfänger

Selbstgebaute Ausrüstungsgegenstände wie Armschutz, Köcher, etc.
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shewolf
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Punzieranleitung für Anfänger

Beitrag von shewolf » 18.02.2005, 20:56

Für Hubert & Rosie.


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Ansgar hatte vor, uns eine Punzieranleitung zu schreiben. Nun wollte ich ihm eigentlich nicht vorgreifen, tue es aber doch, erstens weil gerade ein großer Bedarf da ist, und zweitens weil ich eh nur die „Anfängerpoints“ abdecken kann. Ansgar, da Du schon viel mehr punziert hast, bitte gib uns dann die Profitips...

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Was Ihr braucht:
Stück Leder
Verschiedene Hämmer
Superweicher Bleistift 9B
Rundmesser
Punzierstempel schräg für die Konturen und gerade für Flächen
Stück Marmorfensterbank
Leere Eispackung (Pistazie oder Haselnuß)mit Wasser & Schwämmchen zum nachfeuchten

Das Leder sollte möglichst fettfrei sein, und eine Stärke ab. 2 mm haben. Unter 2 mm könnt Ihr es im nassen Zustand zwar auch prägen, richtig schöne Formen kriegt es aber erst ab über 3 mm.

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Als erstes zeichnet Ihr die Konturen Eures Motivs mit dem Bleistift auf. Das wiederhole ich immer wieder, denn neulich erst schrieb mir jemand, er habe auf Rat eines Freundes einen Filzstift genommen – der ihm prompt das ganze Leder versaut hat.

Also bitte nehmt einen Bleistift, das Graphit haftet nur auf der Lederoberfläche und kann jederzeit wieder entfernt werden. Tip: keltische Muster sind schön einfach, weil die klar definierte „Schatten“ und „Höhen“ haben. Punzierarbeit lebt von der optischen „Tiefe“.

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Nun könnt Ihr das Leder entweder trocken oder naß schneiden. Wenn Ihr das Leder im nassen Zustand schneidet, ist die Schnittrinne prägnanter.

Trockenes Leder ist besser zu schneiden, wenn Ihr ganz feine Muster mit winzigen ritzern habt. Probiert aus, was Euch am besten erscheint!

Schneiden: Ihr führt Euer Rundmesser wie gezeigt zwischen Daumen und Mittelfinger, der Zeigefinger übt den Druck aus. Geschnitten wird mit der Ecke der Klinge! Das ist ein bißchen ungewohnt, aber ermöglicht das saubere "Umfahren" aller Ecken & Kurven.

Beim Druck ist Feeling gefragt, der Schnitt muß tief genug sein, um die Figur gut freizulegen, soll aber flach genug sein, um die Stabilität des Leders nicht zu beeinträchtigen. Da die Zeigefingerhalterung drehbar ist, könnt ihr in 360Grad herumfahren & schneiden.

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Wenn alles geschnitten ist, kommt die kalte Dusche. Zaghafte Naturen können auch mit dem Schwämmchen tupfen, ich halte mein Leder von beiden Seiten kurz unter die Dusche, so das es satt naß ist (aber nicht nachtropft).

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Nun lege ich die zu bearbeitende Partie auf die Marmorplatte. Gleichzeitig höre ich schon die ersten sagen, sie bräuchten kein Marmor und Mutters Buchenholzblock täte es auch... nein, tut er nicht. Wenn Ihr mit kleinen Stempeln, relativ dünnem Leder und hoher Kraft arbeitet, zeichnen die Stempel auf der Fleischseite durch, wenn ihr kein Marmor habt. Tip: Marmormüll in allen Größen und Farben gibt’s beim örtlichen Steinmetz im Container, schaut in den Gelben Seiten nach Fliesen oder Grabsteinen.

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Setzt einen Schräger an, und schlagt oben drauf. Ihr merkt schnell, wie viel „Schlag“ Euer Leder braucht bzw. verträgt, und wie viel Hammer Ihr braucht oder vertragt. Ich persönlich arbeite am liebsten mit den Eisenhammern, allerdings wären Eisenklöpfel besser wegen der großen flachen Auschlagfläche. Hab ich nicht, also nehm ich den 300 und den 1000 gr Schlosserhammer. Der Gummihammer schluckt zuviel Energie, ist aber wegen dem großen Kopf gut, wenn mich die Kraft verlässt, uff.

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Klopft immer am Rand der Schnittkanten entlang. Wenn Ihr alle Schnittkanten geplättet habt, könnt Ihr die Flächen mit flachen Punzierstempeln bearbeiten. Probiert ein bisschen herum, wie die Formen am besten herauszuarbeiten sind.

Wo vom Motiv her Schatten ist, nehmt ihr geriffelte Stempel, wo es „hell“ ist in Eurem Bild, nehmt Ihr glatte Stempel. Tip: umgedrehte Schreinernägel, angefeilte Eisenrundstangen und sonstiges eignet sich auch zum punzieren. Einfacher geht’s natürlich mit Fachwerkzeugen. Mein Favorit für günstiges Zugehör ist Kromwell Pelart GmbH/Nürnberg Tel. 0911-58076-40 Frau Scheller im Verkauf schickt Euch gerne den Katalog.

Weitere Anbieter sind www.betatakin.de und www.lederkram.de und noch ein paar - wenn Ihr noch welche wißt, bitte melden & ich ergänze die Liste dann.

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Nun ist das Motiv komplett herausgearbeitet worden. Wenn das Leder zwischendurch zäh wird, mit dem Schwamm nachfeuchten! Zum Schluß noch mal alle Linien mit dem Schräger nachfahren und glätten. Bei Tier/Menschenfiguren kann man mit dem Schräger und dem Druck der bloßen Hand auch die Körperformen nacharbeiten. Dafür muß das Leder aber weich genug = naß genug sein.

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Jetzt kann das Leder trocknen. Am besten glatt hinlegen und mehrfach wenden. Vorsicht beim Aufhängen: die Klammer könnte einen bleibenden Abrduck hinterlaßen. Sobald es trocken ist, kann es bemalt werden.

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Auch jetzt gilt: Ränder & Schatten dunkler malen. Ich empfehle Anilinfarbe, die ich auch von Kromwell Pelart beziehe. Anilinfarbe zieht in das Leder ein, so kann nichts abblättern bzw. verkratzen. Tip: noch mehr Lederfarbtöne bekommt Ihr im Schusterbedarfladen. Achtet aber darauf, das es "Einziehfarbe" ist ("Für Velourleder"). Eure Pinsel reinigt Ihr mit Aceton. Gute Haarpinsel (Rotmarder) mögen anschließend noch ein bißchen Haaraufbaukur auf die Borsten...

Nach dem Anmalen noch Lederlack drüber, schön polieren, und fertig ist das gute Stück... und nun bin ich auf Eure ersten Arbeiten gespannt!!!

Hier ein größeres Stück, ein vollpunzierter skythischer Goryt:

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Und noch ein Detail aus einem Köcher:

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Thorkar
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Beitrag von Thorkar » 18.02.2005, 21:09

Sehr schöne Anleitung, aber ich geb das doch lieber bei Dir in Auftrag ;-)

Das Gehämmer in Mietswohnungen ist nicht gern gehört und kann schnell lästig und zur Klage werden. Weil der Nachbar sagt dann: :motz
und :bash und ich dann irgendwann: :-( ;D

Grüße, Thorkar.

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Ergebnisse

Beitrag von Sir Ralph » 19.02.2005, 21:29

Hallo, wenn man es etwas länger macht, kann es solche Ergebnisse geben. Würde aber nicht mit dem Gummihammer, sondern mit einem Hartplastig, oder besser mit einem Rohlederhammer machen.

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shewolf
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Beitrag von shewolf » 21.02.2005, 11:17

@Sir Ralph: wunderschön! Auch der Adler im Präsentationsthread ist toll.

Schneidest Du die Umrisse vor (sieht eigentlich nicht so aus, aber ich kann mich auch täuschen)?

Mit welchen Werkzeugen/Stempelformen arbeitest Du? Bild wäre toll!
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Sir Ralph
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Punzieren

Beitrag von Sir Ralph » 21.02.2005, 14:14

Hallo, ich sollte hier mal klarstellen, das nicht ich, sondern meine Frau die Lederfachfrau ist.

Sie wird hier lieber selber Antworten.

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Halloooo

Beitrag von Archiv » 21.02.2005, 14:42

Hallo, also erstmal möchte ich hier richtig stellen, daß nicht der Sir Ralph diese Lederarbeiten macht, sondern ich..... seine bessere Hälfte. (kleiner Scherz).

Es freut mich, dass doch sehr viele Leute sich mit diesem alten Kunsthandwerk beschäftigen. Ich bin nu ca. 6 Jahre dabei und treffe nur selten auf Leute , die mit dem Begriff Punzieren etwas anfangen können.
Die Beschreibung von Shewolf ist wirklich gut, ich habe da auch nur ein paar Kleinigkeiten, die ich anders mache:
Das Bild bringe ich mit Hilfe einer Transferfolie aufs Leder (Klarsichthülle tut es anfangs auch), dass geht nur auf nassem Leder. Es hat den Vorteil, dass kein Bleistift auf dem Leder ist und auch Nicht-Künstler wie ich schöne Motive aus Leder bekommen.
Ist das Leder beim Einritzen naß, so ist die Schneidekante besser zu sehen und man kann sauberer arbeiten. Beim Punzen das Leder immer mal wieder naß machen (aber nicht das Pützen entstehen). Hat die gepunzte Stelle eine dunklere Farbe angenommen, so habt ihr alles richtig gemacht und diese Stelle wird nach dem Trocknen auch nicht wieder hochkommen.
Die meisten Bilder fertige ich mit drei Punzeisen, unten im Bild gut zu sehen.

Ok, das Bild klappt nicht, aber es kommt noch, versprochen.

Wenn ihr Fragen oder Anregungen habt, denn schreibt mir bitte.
Viele Grüße Nicole

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Beitrag von Archiv » 21.02.2005, 14:54

Bild

Hier noch das versprochene Bild, ich kann dir auch die Stempelnummern durchgeben.

Ist Bogenreiten eigentlich schwer? Wir haben auch zwei Hotties, aber ausprobiert habe ich es noch nicht.
Gruß Nicole

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Netzwanze
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RE:

Beitrag von Netzwanze » 21.02.2005, 16:01

Original geschrieben von leatherart
Ist Bogenreiten eigentlich schwer? Wir haben auch zwei Hotties, aber ausprobiert habe ich es noch nicht.

Naja, ich würde sagen, nicht so einfach (vor allem, wenn man wie ich noch nicht reiten kann und es gerade erst lernt :D ). Ansonsten mußt du halt im Galopp ein Ziel mehrfach treffen. Dh. zügellos reiten und dann noch zum ruhigen Schuss kommen (und auch noch Pfeile nachlegen können).
Wenn man es dann auch noch ohne Sattel versucht.... uiuiuiuiui... 8-|
"Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann was er will, sondern dass er nicht tun muss was er nicht will" (Jean-Jacques Rousseau)

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also nix für unsere zottels

Beitrag von Archiv » 21.02.2005, 18:38

der eine (Araber, schreckhaft) und der andere (Haffimix und träge) hm, ob ich da wohl das Ziel treffe????????
Viel Spaß noch beim Lernen.
Viele Grüße Nicole

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locksley
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Beitrag von locksley » 21.02.2005, 22:37

Ich bin immer wieder erstaunt, welche Talente sich hier tummeln. Herzlich willkommen leatherart.

Danke für die tolle Anleitung, Alphawölfin.
Ein grosser Mann wird weder vor dem Kaiser kriechen, noch einen Wurm zertreten (Benjamin Franklin)

Wenn das Atmen schwieriger waere, haetten wir weniger Zeit um Unsinn zu reden.

Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd (Sprichwort)

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Donnerwetter!

Beitrag von Archiv » 21.02.2005, 23:14

Eine hervorragende Anleitung (mit hervorragenden Ergänzungen). Da bekomme selbst ich als Nicht-so-sehr-Leder-Verrückter Lust aufs Punzieren.

Auf diesen Seiten gibt es übrigens eine beeindruckende Fülle an (nicht nur Punzier-)werkzeugen usw.

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Beitrag von shewolf » 03.03.2005, 14:15

Nach Leatherarts Vorschlag gleich ausprobiert: das schneiden des Leders wenn es naß ist.

Der Unterschied: die Schnitte klaffen viel stärker auseinander! Zum ansetzen des Werkzeuges an der Kante optimal. Für winzige Schnitte und superfeine Muster nicht so gut, da lieber trocken schneiden.

Hier ein Rohling feucht geschnitten:

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Und fertig koloriert sieht das dann so aus:

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Das Leder ist deutlich dunkler, weil ich es mit Wischfarbe behandelt habe. Man muß das Zeug nur kurz nach dem Auftragen wieder feucht abwischen, und den vorgang wiederholen, bis der gewünschte Farbton erreicht ist.

Übrigens noch ein Tip: sehr schöne Punzier-Werkzeuge habe ich von www.Betatakin.de bekommen, und Joey hat mich auch super beraten - sehr zu empfehlen! ;-)
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RE:

Beitrag von Haebbie » 04.03.2005, 09:53

Hi Leatherart

wunderschöne Arbeit, mein Kopliment. Habe mir jetzt auch deine Grundausstattung an Lederwerkzeug und Punzierstempeln besorgt, bin mal gespannt, ob das was wird.

Original geschrieben von leatherart

Ist Bogenreiten eigentlich schwer? Wir haben auch zwei Hotties, aber ausprobiert habe ich es noch nicht.
Gruß Nicole


Ein klares deutliches Jein
:D :-)
Es ist, denke ich, eine Frage der Übung.

Aber hast du nicht Lust zum Bogenreitkurs nach Koppenbrück zu kommen? ((siehe dazu auch den Thread: Koppenbrück 2005 /FC Bogenreiten in Berlin)) Da kannst Du die ersten "Gehversuche" starten, wenn Du willst mitsamt Deinem Hottehü.
Und wenn Du Lust hast, kannst Du dort auch eine kurze Demo machen, wie das mit dem Punzieren geht. Im Vergangenen Herbst hatten wir eine interessante Demo von Snake-Jo, "how to beleg einen Bogen mit Sehne", war hochinteressant und nimmt einem die Scheu vor dem Anfangen.
... let your arrows fly

Herbert

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Beitrag von york » 04.03.2005, 13:03

wirklich eine super anleitung, ich trage mich ja schon länger mit dem gedanken das punzieren selbst zu probieren und jetz mit so einer beschreibung .... aber ich würde nicht ich sein, wenn ich nicht gleich ein paar fragen hätte:

1. was bringt dieses flacheisen zum konturenschneiden gegenüber einem skalpell für vorteile?

2. welches leder ist zum punzieren am besten geeignet? (ich weiss da war schon mal was in einem thread, aber den find ich leider nicht mehr!)

3. wieweit sind punzierte lederkunstwerke wetterfest (regen, sonne, schnee,...)?
>>>>=========================================================>
Man sollte sich lieber durch Schweigen zum Idioten machen, als durch einige Worte alle Zweifel auszuräumen.

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Beitrag von shewolf » 04.03.2005, 13:12

Hi York, schön mal wieder von Dir zu hören! :knuddel

Ein Skalpell ist zu scharf, da kommst du schnell zu tief. Aber vor allem hat die Spezialklinge ein drehbares Oberteil, das heißt, der Zeigefinger übt gleichmäßigen Druck aus während du das Messer darunter um 360 Grad drehen kannst, um so Kurven etc. zu schneiden.

Am besten Du nimmst möglichst fettfreies, helles Leder. Das schöne dunkle mit der geschmeidigen Oberfläche ist meistens nach der Gerbung zu stark rückgefettet worden, das läßt sich schlecht punzieren. Schick mir Deine Adresse per Im, ich schicke Dir Musterstückchen zu!

Ja, unbedingt. Bei Verwendung von wasserfester Anilinfarbe ist das Leder 100% Outdoortauglich. Einmal punziert quillt das Leder auch nicht mehr hoch, wenn es mal naß wird. Ordentliche Verarbeitung vorausgesetzt... :D
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