Gusstahl härten und anlassen

Hier kommt alles rein, was in irgendeiner Form mit der Herstellung von Messern zu tun hat.
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jerryhill
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Gusstahl härten und anlassen

Beitrag von jerryhill » 09.11.2008, 16:56

Aus der Klinge eines Hackmessers, wie es zb Fleischer verwenden habe ich mir ein nettes kleines Jagdmesser mit ziemlichem Aufwand herausgeschliffen. Leider merkte ich erst nachdem ich schon den Griff angebracht hatte, dass nur der Klingenbereich ( den ich bei der Formgebung abflexen musste) gehärtet war. Nun stehe ich vor zwei Problemen. Die mit Epoxi an die verdeckte Angel angeklebte Klinge wieder abbekommen (oder dranlassen und versuchen, sie beim Erwärmen in Gips einzupacken?) und den Klingenbereich zu Härten und Anzulassen.
Die Klinge hatte die Prägung "Gusstahl" und die sehr vielversprechende grauschimmernde Farbe guter Vorkriegsstähle. Ich würde den Klingenbereich pauschal dunkelkirschrot erwärmen und in Öl tauchen. Denke ich mir so, korregiere mich wer es besser weiss. Anlassfarbe würde ich pauschal sagen Dunkelblau, auch hier bitte ich um eure Meinung. Wäre sehr erfreut "über Ratschläge, wie die Arbeit am besten zu bewerkstelligen ist, denn bisher habe ich erst ein paarmal bei Freunden geschmiedet und "echte" Schmiede gibt es ja kaum noch.  Es war mein Wunsch nach langjährigen Messererfahrungen ein Gebrauchsmesser nach meinen Kriterien herzustellen. Aber wenn es nicht richtig gehärtet ist nutzt die perfekte Form halt auch nichts.
Für Tips vielen Dank im Voraus, jerryhill
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Wittiko
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Re: Gusstahl härten und anlassen

Beitrag von Wittiko » 09.11.2008, 23:46

Hi Jerryhill,

Gusstahl ist natürlich keine ausreichend genaue Bezeichnung, um die korrekte Wärmebehandlung herauszufinden, also alles weitere ohne Gewähr.

Die Klebestelle beim Härten derart isolieren halte ich für undurchführbar, selbst unter Wasser wird Hitze in die Angel ziehen.

"Guter Vorkiegsstahl", die aktuellen sind auch nicht schlecht.  ;)

"Dunkelkirschrot" ist für keinen mir bekannten Werkzeugstahl eine ausreichend hohe Härtetemperatur. Da Du nicht genau weißt, um welchen Stahl es sich handelt, solltest Du oberhalb von 850°C aus abschrecken. Am besten an einem Probestück ausprobieren, nach dem Abschrecken Feilentest. Ruhig auch mit 900°C versuchen, bei gleichem Ergebnis die niedrigere Temperatur wählen.

Öl wird vermutlich das richtige Abschreckmedium sein, da Wasser oder gar Luft in diesem Fall sehr unwahrscheinlich sind.

Dunkelblau anlassen ist für Klingen zu hoch. 2x2h bei 220°C ("strohgelb") wäre mein Tipp. Wenn Dir Zähigkeit wichtiger als Schneidhaltigkeit ist, dürfen es auch 250 °C ("braunrot") sein.

Wenn Du die Schneide schon dünn geschliffen hast, besteht ein hohes Rissrisiko. Wenigstens 0,5mm sollten noch vorhanden sein. Scharfe Ecken vermeiden.

Viel Erfolg!

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Re: Gusstahl härten und anlassen

Beitrag von Juergen Becht » 10.11.2008, 09:17

Wenn, da ist es Stahlguss.

Um die zusammensetzung (halbwegs gut) zu ermitteln, sollte man eine Funkenprobe machen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Funkenprobe

Dabei sieht man, wenn man den Stahl an eine sich drehende Schleifscheibe anhand des Funkenflugs, der Funkendichte und der Funkenfarbe, welchen Kohlenstoffanteil der Stahl hat.
Danach kann man sich dann zumindest mal an das Material rantasten.
Die bestimmung per Funkenprobe ist aber wirklich nur was für richtig alte Hasen.
Aber achtung, man muss dazu schon eine besondere Schleifscheibe verwenden.
Siliciumcarbidscheiben erzeugen andere Funken als Edelkorund.

Zu beachten: Diese Hackebeile sind zwar hart, aber in der mehrheit eher flexibel. Die Härte ist bei solchen Werkzeugen eher zweitrangig.

Ich persönlich würde die Klinge wieder von allem befreien, was nicht zum Härten gehört, und einem erfahrenen Messermacher zum härten überlassen. Oder zumindest mal telefonisch kontakt aufnehmen.
z.B.
http://www.wolf-borger-messer.de/
http://www.schanz-messer.de/

jerryhill
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Re: Gusstahl härten und anlassen

Beitrag von jerryhill » 10.11.2008, 10:48

Erstmal vielen Dank für die Tips. Werde mal die angegebenen Adressen kontaktieren. Mal sehen, ob die sich auf sowas einlassen, wenn man keine genaue Werkstoffbezeichnung angeben kann.
Ansonsten besuche ich im Dez. einen Freund, der noch eine alte Schmiede der Vorväter (aber leider auch kaum Fachkenntnis) hat und probiere erstmal an dem Reststück.
Was die zu befürchtende Rissbildung betrifft, die unmittelbare Schneidfase würde ich halt wieder abschleifen und hätte dann 1,5mm Materialstärke, durch den Hohlschliff 1cm von der Schneide entfernt 3mm und am Rücken der ca 30mm breiten Klinge 6mm Materialstärke, max. direkt vor dem Griff. Es würde ja genügen, so ca 1cm Breite von der Schneide an gehärtet zu kriegen und den Rest weicher zu lassen. Wenn diesbezüglich noch jemand Hinweise hat, kann er sie gerne äussern.
Was das Anlassen betrifft, mit Restwärme wird für so einen "Star" wie mich wohl schwierig, aber ev. im E-Herd? Habe da hier im Forum mal was gelesen und suche es nachher nochmal.
Und um die Griffschalen abzubekommen werde ich, wenn mir niemand etwas anderes rät auch mal einen Aufenthalt in er Backröhre versuchen. Sie umschliessen die Angel und sind direkt an ihr mit Epoxi verklebt, ausserdem mit zwei Holzdübeln durch Löcher in derselben fixiert.
Vielleicht hat noch jemand diesbezüglich einen anderen Vorschlag, denn eine an der Innenseite mit Horn beklebte Parierstange würde in der Röhre bei 250Grad sicher eine schöne Sauerei veranstalten.
lg, jerryhill
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Re: Gusstahl härten und anlassen

Beitrag von Wittiko » 10.11.2008, 22:04

jerryhill hat geschrieben:dann 1,5mm Materialstärke, durch den Hohlschliff 1cm von der Schneide entfernt 3mm und am Rücken der ca 30mm breiten Klinge 6mm Materialstärke, max. direkt vor dem Griff. Es würde ja genügen, so ca 1cm Breite von der Schneide an gehärtet zu kriegen und den Rest weicher zu lassen. Wenn diesbezüglich noch jemand Hinweise hat, kann er sie gerne äussern.
lg, jerryhill


Differentielles Härten macht der Klinge mehr Stress als sie komplett zu härten. Nicht sofort an der "guten" Klinge versuchen. :) Wenn differentielles Abschrecken nicht funktioniert, hilft ein Lehmmantel.

Klingen werden nicht per Eigenwärme angelassen, weil es praktisch nicht vernünftig durchführbar ist. Backofen mit Ofenthermometer liefert gute Ergebnisse, unter Werkstattbedingungen ist auch Anlassen über einem heißen Stahl möglich, dabei orientierst Du Dich wieder an den Anlassfarben, die je nach Werkstoff und Oberfläche variieren.

jerryhill
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Re: Gusstahl härten und anlassen

Beitrag von jerryhill » 11.11.2008, 12:03

Vielen Dank nochmal. Habe die Adressen kontaktiert und der "Wolf" ist bereit es zu versuchen, allerdings ohne Garantie. Ist ja klar, wenn ich keine genaue Materialangabe liefern kann.

Am Reststück, das ebenfalls noch eine Klinge ergeben kann, werde ich mich selbst unter Berücksichtigung der hier erhaltenen Tips versuchen, man will ja auch dazulernen.

lg, jerryhill
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