Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

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Putzi2610!
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Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von Putzi2610! » 06.11.2023, 20:19

Moin Leute,

ab und zu sollte man auch einmal von seinen Misserfolgen berichten, so dass man selbst und andere aus den Fehlern lernen können.

Also:
Heute war ich ein wenig in der Natur unterwegs.
Auch wenn offiziell noch keine Holzzeit ist, halte ich dabei immer meine Augen offen und habe für den Fall der Fälle immer eine Säge dabei.
Der Zufall wollte es, das ich dabei einem Grünstreifen am Rande eines Feldweges und unweit eines Bachlaufs mehrere schöne Holunder entdeckte, von denen einer bereits umgestürzt war. Dieser hatte einen Nebentrieb, der von weitem recht gerade und astfrei aussah.
Also entschloss ich mich, mir diesen aus der Nähe anzusehen.
Von dichtem sah er auch gut aus, auf fast 2m Länge kein Ast und bis auf eine minimale seitliche Abweichung an einem Ende nahezu kerzengerade.
Die Säge war schnell gezückt und kurze Zeit später war ich mit dem Holler auch schon wieder unterwegs.
Waren ja nur 4 km bis zu meinem Heim, die letzten 1,5 km davon bergauf ::) .
Ordentlich durchgeschwitzt kam ich nach einer Weile zu Hause an und musste dann erst einmal ein wenig durchschnaufen.

Danach erst einmal ein paar "vorher" Fotos gemacht, bis hierhin sah alles noch gut aus:
IMG_2911.JPG
IMG_2912.JPG
IMG_2913.JPG
Dann erst einmal schnell mit einem Ziehmesser, stumpfen Spachtel und der Ziehklinge entrindet und den Bast entfernt, was ja bei nassem Holler ziemlich problemlos funktioniert:
IMG_2914.JPG
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte mich die unter der Rinde zum Vorschein gekommene Holzoberfläche warnen sollen, welche Erhöhungen aufwies, die leicht spiralförmig um den Stamm herumliefen, ein paar "Problemstellen" waren ebenfalls erkennbar:
IMG_2915.JPG
IMG_2916.JPG
Aber da ich nun schon einmal angefangen hatte, habe ich auch weiter gemacht: Keile, Axt und Hammer waren schnell zur Hand und flugs war der Stamm gespalten.

Schon der Anfang des Spaltrisses ließ meine schlimmsten Befürchtungen wahr werden und so sah es dann nach getaner Arbeit aus:
IMG_2917.JPG
Auf nicht einmal 2m Länge war der Stamm um über 180 Grad verdreht :( :o

Also 3 Stunden Arbeit für so wenig Brennholz, keine schlechte Ausbeute 8)

Jetzt meine Fragen dazu:
Kann man derartige Verdrehungen bei Holler eventuell schon vor dem Fällen erkennen?
Hilft es, den Stamm mit den Ziehmesser bis auf den Markkanal runter zu arbeiten, oder würde sich der Stamm diesem Fall unweigerlich während der Trocknungsphase verdrehen?

Grüße,
Heiko
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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von fatz » 06.11.2023, 20:36

Putzi2610! hat geschrieben:
06.11.2023, 20:19
Kann man derartige Verdrehungen bei Holler eventuell schon vor dem Fällen erkennen?
Bei Holler schwierig. Bei zB Hartriegel und anderen Wechselstaendigen sieht man's wenn die Aeste nicht genau 90 Grad uebereinander stehen
Hilft es, den Stamm mit den Ziehmesser bis auf den Markkanal runter zu arbeiten
Ja, aber leider nur bis er anfaengt zu trocknen

Versuch mal ihn jetzt gleich noch so weit wie moeglich auszudrehen und in Form zu trocknen. Mit Hasel geht das, mit Holler weiss ich's ned
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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von fka » 06.11.2023, 21:38

Du kannst das nächste Mal auch den ganzen Stamm vorsichtig in der Rinde trocknen und dann den Drehwuchs beim Bauen einfach ignorieren. Bei Hasel und Robinie geht das. Du hast zwar so viele auslaufende Fasern an den Seiten, bei dünnen Stämmen mit hoher Krone liegen die aber idr zwischen Bauch und neutraler Zone, je nach Design, und sollten somit kein Problem darstellen (ohne Gewähr >:) ). Zuggewichte jenseits der 60 Pfund, würde ich aber so trotzdem nicht bauen...

Für die schon gespaltenen Kandidaten würde ich den Tipp von fatz ausprobieren.

Holler ohne Drehwuchs ist glaube ich noch seltener als Hasel ohne Drehwuchs ;D

LG Felix

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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von schnabelkanne » 07.11.2023, 05:49

Holler und Hasel hab ich noch nie gespalten, ich arbeite mit Ziehmesser den Bogen raus oder säg ihn mit der Bandsäge auf und spann die Hälften dann aufs Brett.
lg Thomas
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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von Neumi » 07.11.2023, 09:00

Bau doch einfach 2 schöne Pilgerstäbe 😁👍
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...

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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von conti03 » 07.11.2023, 11:38

Holzpropeller werden in der Bucht zu weitaus höheren Preisen verkauft als Bögen,
mach doch so was draus.
:)
Jede Schöpfung ist ein Wagnis.
C. Morgenstern

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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von Putzi2610! » 07.11.2023, 12:55

@Fatz: Ausdrehen und in Form trocknen? Wie stellst Du das an? ??? Als ich das letzte Mal einen feuchten Rohling aufgespannt habe, hat es mir durch die auftretenden Spannungen zwei Einhandzwingen zerissen :o

Auf jeden Fall werde ich den nächsten nicht mehr spalten und versuchen, diesen in einem Stück zu trocknen. Ob ich die Rinde vorher entferne, entscheide ich dann. Bleibt abzuwarten, ob bei ordentlicher Versiegelung der Stirnenden und Aststellen spontane Rissbildung ein Thema sein wird ???

Danke und Gruß,
Heiko
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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von fatz » 07.11.2023, 13:42

Putzi2610! hat geschrieben:
07.11.2023, 12:55
@Fatz: Ausdrehen und in Form trocknen? Wie stellst Du das an? ???
Gewalt und vernuenftige Schraubzwingen
Als ich das letzte Mal einen feuchten Rohling aufgespannt habe, hat es mir durch die auftretenden Spannungen zwei Einhandzwingen zerissen :o
s.o.
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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von kra » 07.11.2023, 17:00

Höhere Chancen auf einen Rohling ohne allzuviel Drehwuchs hast du bei Seitentrieben des Hollers.
Also ab einer Verzweigung ist die Chance gegeben, das der abgehende Teil sich vernünftiger verhält. Aber - keine Garantie, nur eine Chance.
“Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.”
– George Bernard Shaw

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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von Snake-Jo » 07.11.2023, 17:53

@Heiko: Ich würde aus dem Drehwurm trotzdem noch einen Bogen bauen:
Die etwas geraderen Teile ablängen und mittig zusammen spleißen (V-Spleiß), sodass ein Großteil der Verwindung im Griffbereich und an den Enden eliminiert wird. Aus den zwei Zweimeterstücken könnten also zwei brauchbare Billets und damit dann ein Bogen entstehen.

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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von Putzi2610! » 07.11.2023, 18:37

@Snake-Jo:
Danke für den Tipp, ich schaue mir die Stücke noch einmal genau an, vielleicht besteht ja eine reelle Chance aus den beiden Halbstämmen zwei brauchbare Billets rauszuholen. Das wäre dann zwar meine erste Spleissverbindung im Bogenbau, aber irgendwann ist ja immer das erste Mal… ;D

Grüße,
Heiko
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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von fka » 07.11.2023, 18:46

Putzi2610! hat geschrieben:
07.11.2023, 12:55
Ob ich die Rinde vorher entferne, entscheide ich dann.
Wenn du im ganzen trocknest, muss die Rinde drauf bleiben! Alles über 5cm Durchmesser, wird es dir mit ziemlicher Sicherheit sonst zerreißen...

Edit: Hölzer wie Schlehe zerreißt es dir ohne Rinde schon bei viel kleineren Durchmessern als 5cm.

LG Felix

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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von Kemoauc » 07.11.2023, 21:16

Hmmnja,für die folgenden Problembeschreibungen gibt's ne brauchbare Billiglösung. :D
fka hat geschrieben:
07.11.2023, 18:46
Putzi2610! hat geschrieben:
07.11.2023, 12:55
Ob ich die Rinde vorher entferne, entscheide ich dann.
Wenn du im ganzen trocknest, muss die Rinde drauf bleiben! Alles über 5cm Durchmesser, wird es dir mit ziemlicher Sicherheit sonst zerreißen...

Edit: Hölzer wie Schlehe zerreißt es dir ohne Rinde schon bei viel kleineren Durchmessern als 5cm.

LG Felix
BACKGELATINE ;D
Ist echt billig (65ct @3 Tütchen), dick anmischen (ein Tütchen ist echt viel von der Schlunze), dann drauf auf den entrindeten Rohling. Einfach komplett einschmieren. Oder nach Gusto schwerpunktmäßig . ;)
Dazu: Gelatine versiegelt die Oberfläche,aber eben nicht absolut. Sie behindert nach Trocknung den Wasseraustrag aus der Oberfläche in etwa wie Rinde,die Trocknung ist also in etwa gleich schnell.
Vorteile:
- Das verhindert Risse durch zu schnelle Trocknung und lässt sich nachher einfach mit Wasser (Dusche) abwaschen.
- Das echt lästige Entfernen getrockneter Rinde unterbleibt.
Nachteile:
- nicht verhinderbare Klebsauerei :D ;D >:)
Grüßle,
Kemoauc
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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von schnabelkanne » 07.11.2023, 22:19

Oder einfach mit verdünntem Schellack versiegeln.
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Re: Die Freuden eines Bogenbauers, Heute: Die Holzernte

Beitrag von fka » 07.11.2023, 22:30

Mit weißleim habe ich dass auch schon mal gemacht, aber Gelatine lässt sich sicher einfacher entfernen, danke für den Tipp!

Ps. der Blick der Frau, wenn sie einen in der Dusche mit einem Stück Holz sieht, ist unbezahlbar O0

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