Frage: WARUM willst Du einen Recurve bauen?
1. Der Recurve ist eine Bauform, die aus der Laminatbauweise kommt. Das reflexe Verleimen der Schichten ermöglicht diese Form, OHNE dass sie zusätzliches Gewicht an den Enden erfordert. Das steigert die Effektivität.
Die Recurves arbeiten dabei mit, d.h. sie strecken sich ein wenig im Auszug. Beim Lösen rollen sie sich dann wieder ein und strecken die Sehne dadurch schneller.
Man nennt das "arbeitende" oder "dynamische" Recurves.
2. Beim Vollholzbogen, der vorher gerade war (reflex gewachsene sind was Anderes!), kann man die Recurves nicht "arbeiten" lassen, weil zum Herstellen der Recurves der Rücken gestaucht und der Bauch gestreckt wurden. Würde man die so dünn machen dass sie mitbiegen, würden sie in die ursprüngliche Form zurückgehen.
Also müssen sie steif bleiben ("statische" Recurves). DAMIT sie steif bleiben, müssen die Bereiche aber dicker sein als sie beim LB sein müssten. Das bringt zusätzliches Gewicht. Nicht viel, aber an den Enden zählt wegen der Hebelwirkung der WA jedes Gramm! Und weil sie sich nicht einrollen, ist ihr Effekt schon mal nicht so hoch wie bei einem Laminatbogen.
Sie wirken also eher wie die Syjahs bei einem Reiterbogen (RB).
3. Und sie "verbrauchen" Länge. Bei einem LB kannst Du die Biegung bis eine Handbreit vor die Sehnenkerben laufen lassen. Ein Vollholz-RC kann aber nur bis ca 3 Fingerbreit VOR die Recurves biegen. Und da die Recurves selber schon ca. 1 Handbreit lang sind, reduzierst Du die länge des biegenden Bereiches, was den verbleibenden biegenden Bereich zusätzlich belastet.
Darum haben RB einen Hornbauch und einen Rücken mit Sehnenauflage, um das auszuhalten.
4. Probleme. Wenn Du längs über den Rücken eines entspannten LB schaust, liegen Rücken und Sehnenkerben in einer Ebene. Kommt nun Zug auf die Sehne gibt es (von Drehwuchs abgesehen) nur eine Richtung, in die die Enden sich bewegen können: In der Sehnenachse nach unten.
Anders, wenn der Bogen Recurves hat! Schaust Du da längs über den Rücken liegen die Enden OBERHALB der Rückenebene.
Kommt nun Zug auf die Sehne, und die Recurves stehen 100% (100, nicht 99!) gerade bewegen auch sie sich exakt in Richtung Sehnenachse.
Steht aber einer auch nur 1% schräg, bekommt die Seite, zu der er hin schräg steht, mehr Zug. Folge: Er wird NOCH schräger..
Und das verstärkt sich.
Einen Vollholz -RC musst Du in der Hinsicht ständig im Auge behalten, denn eine Schrägstellung kann sich auch später im Gebrauch noch einstellen und muss dann sofort ausgeglichen werden.
5. Tillern. Ein LB liegt entspannt auf dem Tillerstock. Auflagepunkt und Enden liegen quasi in einer Ebene. Nur ein WENIG Zug, und die Enden stehen TIEFER als der Auflagepunkt. Der Bogen liegt stabil.
GANZ anders beim RC! Da stehen die Enden (entspannt) höher als der Auflagepunkt. Und wenn man etwas zieht - immer noch!
Ist jetzt nur eine minimale Schräge darin, will der Bogen "umklappen". Erst wenn die Sehnenkerben auch da tiefer als der Auflagepunkt kommen, liegt er wieder stabil.
6. Das Selbe gilt auch, wenn der Stave ein wenig Drehwuchs hat (und das haben viele!!).
Verdreht sich ein LB im Auszug seitlich, fällt da kaum auf. Weder optisch noch gefühlt.
Verdreht sich hingegen ein RC, tritt der o.a. Effekt ein: Durch die SEITLICHE Hebelwirkung der Recurves verstärkt sich der Fehler. Und der Handschock steigt.
7. Brüche. Beim Recurvebiegen kann das Holz bauchseitig einreißen. Das ist ein schwerwiegender Fehler, manchmal sogar ein Totalschaden.
Fazit:
Ich kann Dich gut verstehen! Ich wollte zu Beginn auch unbedingt einen Bogen aus Holz bauen, der dank Recurves wie ein moderner Bogen aussieht. Ich habe es auch getan, x-mal, und so die Erfahrungen gemacht, die ich Dir hier aufschreibe.
Und die Ergebnisse?
Doch, einige sind mir auch gelungen. Aber nur wenige davon schießen schneller, besser, als vergleichbare LB.
Bei Rattan bringt das was! Das liegt daran, dass Rattan sehr leicht ist, das Mehrgewicht also kaum eine Rolle spielt, und weil Rattan stärkere Krümmungen als Holz verträgt.
Bei Holz bringt das auch was, aber so wenig, dass sich Stress und Fehlergefahr nicht lohnen!
Also baue aus Holz LB und stehe dazu, dass es traditionelle und eben KEINE modernen Bogen sind!
Erfolgsquote und Lebensdauer des Bogens werden Dich belohnen.
Das hängt davon ab, in wie enge Radien sich das Holz biegen lässt, und das wiederum davon, wie stark (also dick) der Bogen sein muss. Als Faustformel kannst Du davon ausgehen, dass Du 5 - 7 cm Biegelänge je WA verlierst.
Rabe
PS: Was tatsächlich einiges bringt, UND viel weniger problematisch ist, sind "geflippte" Enden. Das bezeichnet eine LEICHT reflexe Kurve, in die man NUR die ohnehin steifen Endbereiche eines LB leicht biegt. Dadurch kann man v,a, bei Hölzern mit viel Set (wie z.B. Esche) einen Teil des Set ausgleichen. Auch bei grenzwertig kurzen Bogen ist es hilfreich, weil es den Sehnenwinkel verbessert und so den Auszug-Komfort steigert.
Beispiel für geflippte Enden von Hieronymus:
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