Fehler in einem wissenschaftlichen Artikel

Themen zum Bogenbau
Antworten
Benutzeravatar
Heidelzerg
Full Member
Full Member
Beiträge: 195
Registriert: 14.05.2015, 01:05

Fehler in einem wissenschaftlichen Artikel

Beitrag von Heidelzerg » 26.02.2021, 20:44

Liebe Bogenbau-Experten und-Freunde,

habe heute folgenden Artikel gefunden: https://www.cell.com/current-biology/pd ... 0161-5.pdf, bei dem es um den traditionellen Bogenbau beim Jäger und Sammler-Volk der Hadza geht. Kurz gesagt wollten die Autoren testen, ob die Bogenbauer dieses Volkes verstehen, warum sie die Bogen so bauen wie sie es tun, oder ob sie nur quasi blind der Traditon folgen.
Ist ein interessanter Artikel!

Ich fürchte nur, die Autoren liegen bei ein paar Punkten falsch, was den Bogenbau betrifft. Dazu wollte ich eure Meinung hören. Sofern die Autoren wirklich irren, sollte jemand sich an die Zeitschrift (Current Biology, sehr renommiert!) wenden, denke ich.

Benutzeravatar
Heidelzerg
Full Member
Full Member
Beiträge: 195
Registriert: 14.05.2015, 01:05

Erster Fehler

Beitrag von Heidelzerg » 26.02.2021, 20:54

Die Autoren Harris et al. schreiben:

"All else equal, bows with flat cross-sectional limbs store more energy than bows with a round cross section."

Das ist meines Erachtens falsch. Das Gegenteil ist wahr: da die zum Biegen benötigte Energie nur linear mit der Breite steigt, aber mit einer Potenz (der wievielten?) mit der Dicke, speichern runde Bögen mehr Energie als flache. Daher sind sie bei gleichem Gewicht effizienter.

Dazu kommt der Vorteil des Poisson -Effektes bei einem runden Bauch, was aber nur bei sehr starken Bögen eine Rolle spielt.

Allerdings steigt bei einem runden Design der Druck am Bauch und nur wenige Hölzer eignen sich dafür (Eibe, Ulme).
Ich vermute mal, die Hadza wissen, welches Holz in ihrer Gegend sich für einen runden Querschnitt eignen und bauen daher die effizienteste Bogenform.

Benutzeravatar
fatz
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 6258
Registriert: 12.05.2015, 21:54

Re: Fehler in einem wissenschaftlichen Artikel

Beitrag von fatz » 26.02.2021, 21:07

Also physikalisch ist das mit rechteckigen Querschnitt schon richtig. D.h. eigentlich ist der physikalisch optimale Querschnitt eines Bogens eine duenne Schicht am Bauch und am Ruecken und etwas moeglichst leichtes dazwischen was die beiden Schichten auf Distanz haelt, weil das den leichtes moeglichen Bogen ergibt. Dass das ein bissl mit dem kollidiert was Holz in Zug und Druck aushaelt ist natuerlich die andere Geschichte....
Aber wenn die breiteste Stelle des Querschnitts nahe der neutralen Faser ist, ist das sicher nicht optimal.
Zuletzt geändert von fatz am 26.02.2021, 21:08, insgesamt 1-mal geändert.
Haben ist besser als brauchen.

Benutzeravatar
Heidelzerg
Full Member
Full Member
Beiträge: 195
Registriert: 14.05.2015, 01:05

Zweiter Fehler

Beitrag von Heidelzerg » 26.02.2021, 21:07

Die Autoren haben den Bogenbaumeistern der Hadza dann verschiedene Bogenformen präsentiert: deflex, reflex, gerade in ein paar Variationen, und dann gefragt:
  • "Does an increase in deflex make the arrow travel faster, slower, or no change?"
  • "Which bow profile has the most energy storage potential: straight, deflex,
    or recurve?"
Meine Antwort wäre: für einen Bogen mit rundem Querschnitt ist Reflex nicht sinnvoll, da der Bogen dazu neigen wird, seitlich auszubrechen. Reflexe Enden gehen nur bei Flachbögen gut.

Außerdem habe ich hier bei Rabe & Co gelesen, dass die größere Masse von stabilen reflexen Enden den Energiegewinn mehr oder weniger wieder wettmacht.

Daher ist es nicht wirklich eindeutig, wie diese Frage zu beantworten ist. Aus Sicht der Hadza ist es wohl das beste, ohne Reflex zu bauen!
Sehe ich das richtig? Oder liege ich da falsch?

Benutzeravatar
Heidelzerg
Full Member
Full Member
Beiträge: 195
Registriert: 14.05.2015, 01:05

Re: Fehler in einem wissenschaftlichen Artikel

Beitrag von Heidelzerg » 26.02.2021, 21:13

Danke für die schnelle Antwort, Fatz!
Rechteckig ist vielleicht richtig, aber flach ist falsch, oder? Bei gleicher Masse speichert ein dickerer, schmälerer rechteckiger Bogen doch mehr Energie als ein breiterer, dünnerer.
Solange er nicht dicker als breiter ist. Sonst biegt er sich nicht mehr in die vorhergesehen Richtung...

Benutzeravatar
Neumi
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 5836
Registriert: 12.10.2013, 23:37

Re: Erster Fehler

Beitrag von Neumi » 26.02.2021, 22:48

Heidelzerg hat geschrieben:
26.02.2021, 20:54
Allerdings steigt bei einem runden Design der Druck am Bauch und nur wenige Hölzer eignen sich dafür (Eibe, Ulme)
Ulme kann zwar in seltenen Fällen einen runden Bauch vertragen, aber generell ist Ulme dafür ungeeignet.
Grüße - Neumi
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...

Antworten

Zurück zu „Bogenbau“