Bitte um Tillermeinung

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Uranus79
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Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Uranus79 » 31.03.2019, 19:54

Hallo FC'ler,

nach meiner Roteiche und drei aus Eibenästen gebauten Bögen (Präsentationen schiebe ich vor mir her...) habe ich hier noch ein Stück Hasel rumliegen. Länge ca. 166cm NtN, vollpyramidal, griffnah 5cm breit, an Nocks ca. 1,5cm. Nicht wirklich lang, Besonderheit ist ein starker Reflex im Griff, wo ein Wurfarm ca. 30° hochsteht. Die Biegung ist aber am Ende des Griffs. Ich habe durch einen aufgeklebten Keil mal die Nocken auf eine Höhe gebracht und an dem Teil herumgearbeit. Das Stück hat wenig Äste und ich bin sehr vorsichtig vorangegangen, weswegen es noch ordentlich Reserven hat. Bei dem aktuellen Auszug mit Standhöhe 0 soweit gezogen, dass Arme auf Standhöhe wären 60 lbs. Bei der Kürze und dem Reflex glaube ich nicht, dass Hasel das mitmacht, bei der notwendigen Biegung und der Stärke droht Knitter. Noch ist alles ok. Die Wurfarme sind leicht reflex/deflex geformt. Ich zeige hier mal Bilder abgespannt und so ausgezogen dass Nocken auf Standhöhe. Rechts bei D hatte (habe?) ich eine Schwachstelle, da hat er schon etwas Set angenommen. Nachdem ich das bemerkte habe ich überall außer Rechts-D runtergearbeitet. Was würdet Ihr bei dem aktuellen Stand machen? Standhöhe 0 heißt nur, die Sehne liegt gepresst an, sie ist durchaus kürzer als der Bogen, aber der reflex zieht sie stramm.

Also bitte gebt Eure Meinung ab, vielen Dank! Ziel ist einfach nur schießbarer Bogen, was halt eben an Stärke bleibt...

Viele Grüße, Uranus
hwtiller2.jpg
hwtiller1.jpg

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Ravenheart
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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Ravenheart » 01.04.2019, 13:41

Biegt noch zu wenig in den äußeren Hälften.
Hauptbiegung
Links: A bis C 1/2 und noch etwas bei F 1/2 bis G,
rechts B 1/2 bis D 1/2

Da vorläufig auf keinen Fall noch was weg nehmen, sondern erst mal den Rest bearbeiten,

also erst mal
links: D - F
rechts: E - G
Uranus.jpg
Problematisch ist v.a. die sehr griffnahe Biegung links! Bei C ist ein richtiger "Knick". Das ist da zu viel und muss entlastet werden (was automatisch passiert, wenn Du im Rest was weg nimmst).
Auf keinen Fall noch weiter ziehen, bis der "Knick" weg und gut über die Länge "verteilt" ist!

Rechts sieht es griffnah bis D eigentlich aus, wie es soll, da muss halt nur E - G noch was weg, damit es griffnah nicht MEHR wird...

Rabe

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Uranus79
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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Uranus79 » 01.04.2019, 17:52

Hallo Rabe,

vielen Dank für die Ratschläge. Mehr ziehen werde ich erst, wenn es mehr paßt, das beherzige ich gern. Ich nehme an, Du hast bei Deiner Einschätzung den leichten reflex/deflex links im Wurfarm auch bedacht? Der irritiert mich etwas, vermutlich biegt es sich deshalb links ab D zu wenig...

Viele Grüße,
Uranus

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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Ravenheart » 08.04.2019, 11:01

Na ja, es ist ein "uraltes" Thema...

Tillert man so, dass sich alle Abschnitte gleichSTARK biegen?
Vorteil: Gleichmäßige Holzbelastung
Nachteil: Bogen sieht "schief" aus

oder so, dass die Biegekurve gleichmäßig ist?
Vorteil: Bogen sieht gut aus
Nachteil: manche Bereiche werden stärker belastet als andere.

Hier geht es mir aber um was Anderes, nämlich die Biegung in den griffnahen Abschnitten! Und die ist, v.a. links, bereits am Limit!
Also muss, bevor Du weiter ziehst, der Bereich entlastet werden!
Was die o.g. Zielrichtung angeht: das musst Du entscheiden. Hier ist der Reflex nicht SOO stark dass ICH der Meinung bin, man MUSS ihn hinterher noch sehen. Aber das ist letztlich Philosophie und Geschmack...
Doch selbst wenn der Reflex sichtbar bleibt, Du also den erstgenannten Weg wählst - zu viel Biegung griffnah ist riskant, denn da wirken die höchsten Druckkräfte und Kompressionsbrüche entstehen erst durch die Kombination aus Kraft UND Biegung.

(Steif bleibende Abschnitte bekommen keine Brüche, und "Flitzebogen" mit Peitschentiller auch deutlich seltener als die oft kritisch aussehende Biegung vermuten ließe. (Suchbegriff: Flitzebagen")...

Rabe

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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Uranus79 » 08.04.2019, 17:59

Da der Bogen relativ kurz und für Hasel noch relativ stark ist, hatte ich tendiert, die Biegung gleich stark zu machen, aber da habe ich um Größenordnungen weniger Erfahrung als Du. Sobald ich wieder einigermaßen fit bin, werde ich erstmal Deine Tillerratschläge umsetzen. Mich juckts schon ziemlich in den Fingern...
Hatte auch überlegt den Bauch zu tempern (er muss nicht noch stärker werden) damit er etwas mehr Druck abkann, aber ob das hilft bezweifle ich doch, es birgt auch viel Risiko. Aktuell tendiere ich dazu, das zu lassen. Soweit ich mich erinnere, bist Du sowieso kein Freund des Temperns ;-)
Ich befürchte, selbst wenn der Tiller stimmt, wird der bei mehr Auszug trotzdem knittern - bei der Kürze ist der Biegeradius enger und durch die Stärke dicker und das bei Hasel... ich werd's erleben und nur ganz sachte beim weiter Ausziehen arbeiten...

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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von nocona » 08.04.2019, 18:48

Zustimmung. Ich denke, Rabes Text braucht niemand ergänzen.

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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Uranus79 » 09.04.2019, 17:57

Tragik... bei dem ganzen Bau des Bogens bin ich vorsichtig vorgegangen, Tillern schön langsam und bis dato ging es gut. Ich habe Rabes Tipps umgesetzt und überall auf gleichmäßige Biegung geachtet.
Hasel_Tiller0.jpg
Vorletzter Tillerstand
Hasel_Tiller.jpg
Noch zu tun
Soweit dann der Stand, in grün die Bereiche, wo noch ein wenig Biegung fehlte (meiner Meinung nach). Zu dem blau komme ich weiter unten. Ich habe dann die grünen Bereiche ganz sachte noch bearbeitet. Dann wieder auf den Tillerbaum. Leider habe ich dann keine Bilder mehr, zwar geknipst, aber die Kamera hat nichts aufgenommen. Daher habe ich keine Bilder zur weiteren Fehlerkontrolle. Es sah augenscheinlich gut aus, also weiter ausziehen. Es gibt bis 27 Zoll auf meinem Tillerbaum (28 Zoll AMO) und ich habe nur 1 Zoll weiter gezogen (28 bei mir) um sicher zu gehen - mehr wollte ich nicht - und es tat einen Riesenschlag.

Rest in Pieces.
Haselcrash4.jpg
Zerlegt
Haselcrash3.jpg
Zerlegt
Haselcrash2.jpg
Zerlegt
Haselcrash1.jpg
Zerlegt
Zwischen den oben blau markierten Bereichen hat es den Bogen überall zerrissen. Der blaue Pfeil ist da, wo diese schräge Rißkante ist. Ich vermute, da hat er nachgegeben. Es war alles schön glatt, keine Werkzeugspuren hinterlassen, kein Ast da usw. - das einzige was ich mir vorstellen kann, ist, an der Stelle war er von Haus aus leicht deflex - diese Stelle war möglicherweise doch schwächer.

Grüße, Uranus

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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Ravenheart » 10.04.2019, 09:07

Oh jee.. ein Jammer, denn die Biegung sah schon fast gut aus!
Aber das passiert... leider...
Sieht nach Rückenfaser-Abriss aus...
Wie dick war der Rückenring? War der ausgereift?

Rabe

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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Hieronymus » 10.04.2019, 09:33

Ravenheart hat geschrieben:
10.04.2019, 09:07
Aber das passiert... leider...
Sieht nach Rückenfaser-Abriss aus...
Wie dick war der Rückenring? War der ausgereift?
@Rabe und @Uranus klar das passiert. Die Biegung sieht auf den ersten Blick gut aus, aber die Bereiche von Griff bis C auf beiden Seiten (das sind ca. 15cm auf beiden Seiten + Griff = 40cm, die bei dem Bogen von 166cmm NtN nicht gearbeitet haben) arbeiten so gut wie gar nicht. Bei einem Bogen (gerade bei Hasel und dem Reflex an der Stelle) von 166cm macht das Holz einfach keinen Auszug von 28'' mit. Du hättest die Bereiche bis c etwas kommen lassen müssen und dann wäre wahrscheinlich ein Auszug von 28'' drin gewesen. Klar das hätte etwas Zuggewicht gekostet, aber der Bogen hätte es vielleicht überlebt.So musste das Holz im Rücken einen sehr großen Weg hinlegen. Um das genauer zu sehen, wäre ein Bild von der Position der Bruchstelle interessant.
Kopf hoch daraus lernt man ;)

Gruß Markus
«Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, daß das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes.»
Salvador Dalí

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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Uranus79 » 10.04.2019, 11:23

Ich habe direkt oberhalb der Bruchstelle (weiter innen) mal gesägt und eine Seite mit Öl behandelt, aber an der hellen sieht man es besser. Dicke Jahresringe sehen anders aus. Das Holz wurde Ende letzten September geerntet, wohl etwas früh und 2018 war bei der Trockenheit kein gutes Jahr zum Wachstum.
HaselRinge.jpg
Jahresringe
Insofern hat Rabe offenbar richtig gelegen.

Allerdings Markus, wieso hat es bis C nicht gearbeitet? An den Kreisen sieht man ja die Krümmung und beim Ausziehen sah man da auch Bewegung. Rabe hat ja sogar gesagt weiter innen ist es schon an der Grenze mit der Biegung - ich verstehe also nicht so ganz was Du meinst?

Klar, der ist mit Griff und der Länge echt grenzwertig, das war mir von Anfang an klar... einziger Trost ist, dass ich nach und nach Übung bekomme am Bogen die Biegung zu sehen und das Tillern mir immer weniger Angst macht...

Viele Grüße,
Uranus

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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Hieronymus » 10.04.2019, 11:55

Ich hätte gerne die Stelle gesehen wo er gebrochen ist, da kann man schon viel mehr sagen.

Ich habe dir die Stelle mal rot markiert wo sich von Standhöhe bis letztes Tillerbild nichts tut. Von Ende rot bis C tut sich ein wenig. Wenn die Kästchen 5cm breit sind, dann wären es 35cm steifer Griff. Wenn du jetzt die 10cm steifen Tipps noch mit rechnest, dann arbeiten 55cm deines Bogens nicht. Bleiben 111cm übrig und das durch 2 = 55,5cm= 22'' . Soviel Auszug wäre sicher möglich gewesen. Du hast aber bis 28'' getillert, da muss man alle Teile des Bogen arbeiten lassen. Natürlich kommt der dünne Rückenring dazu... vielleicht hätte er sogar gehalten. Ich hoffe du verstehst was ich meine.
Tiller.pdf
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Gruß Markus
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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Uranus79 » 10.04.2019, 15:26

Hallo Markus,

hier ein paar Fotos der Bruchstelle des Rückens, ich hoffe, die helfen. Bei einem Bild die Stücke ineinander gelegt.
Haselbruch3.jpg
Bruch 1
Haselbruch2.jpg
Bruch 2
Haselbruch1.jpg
Bruch 3
Mit Deiner Zeichnung verdeutlicht sich das - am Tillerbaum dachte ich, die Bereiche bis C hätten auch gearbeitet und sich bewegt, aber im Verhältnis haben sie wohl zu wenig getan - da spielt der Reflex eine Rolle, der das Tillern schwieriger macht.

Wenigstens habe ich einiges gelernt...

Viele Grüße,
Uranus

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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von schnabelkanne » 10.04.2019, 19:14

Servus, ja das passiert schon mal. Bei einem höheren Zuggewicht und der geringeren Bogenlänge ist man schnell über der Belastungsgrenze, vermutlich war der rechte WA noch zu stark.
Hat er Bauch Kompressionsbrüche am linken WA im Bereich der Bruchstelle?
Lg Thomas
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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Neumi » 10.04.2019, 21:04

Tach, für mich sieht es nach versprödetem und viel zu trockenem Holz aus.
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...

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Re: Bitte um Tillermeinung

Beitrag von Kemoauc » 10.04.2019, 22:15

Tja, Neumi,
Du warst da schneller ;)
So eibenmäßig bricht ein Hasel normalerweise nicht,wenn der Rücken reisst, kollabiert der Bauch oder umgekehrt, kollabiert der Bauch und der Rücken reisst, bleibt der Hasel normalerweise verbunden. D.h. bis auf die zerstörten Teile am Stück.
Sollte er aber nicht versprödet gewesen sein, wäre meine Frage: Hatte der Hasel etwa eine sehr gelblich hellbraune Rinde mit silbrigem Glanz? Ich hab zwar keine Ahnung, wie diese Sorte heißt, aber in meiner Gegend wächst die auch und ist im Vergleich mit dem "Standard"-Hasel bei gleichen Abmessungen leichter und sehr viel spröder von Haus aus. Aus dem Zeug bau ich nix mehr, das ist Zeitverschwendung. das Zeug taugt nicht mal bei Pfeilen gut.
Grüßle,
Kemoauc
Haseldübel
Fichtendübel
Balsadübel

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