Mein erster selbst gebauter Bogen

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Sanne
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Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Sanne » 14.02.2016, 18:07

Ich wollte den Einstieg ins Bogen bauen ja nicht auf eigene Faust beginnen, sondern hatte mich erstmal für einen Bogenbaukurs angemeldet. Kursleiter war Thomas Carl aus Bruchsal, der Kurs fand in der Werkstatt vom Spanmacher statt.
Also war ich einigermaßen pünktlich um 9 Uhr in der hier viel bewunderten Spanmacherschen Bogenbauwerkstatt und lernte bei der Gelegenheit auch gleich den Besitzer kennen.
Nach einer eher kurzen Theorieeinheit, in der ich dank Vorwissen (Holz) und dem Forum hier nicht allzu viel dazugelernt habe, ging es ans Eingemachte: wir durften uns aus mehreren Eschen- und zwei Ulmenstaves einen aussuchen. An die Ulmen traute sich niemand, wir wählten alle Esche. Was mich dazu geritten hat, einen der dicksten Staves auszusuchen, weiß ich selbst nicht.
Die Bogenform stand fest – Flachbogen. Als erstes also ausmessen.
Ausmessen_lowres.jpg

Danach wurde draußen die Bandsäge aufgebaut und die Staves grob vorgesägt, was Chefsache war, vermutlich aus Sicherheitsgründen. Damit beantwortete sich auch einer meiner Fragen, nämlich, wie man in zwei Tagen einen Bogen bauen kann. Ich hatte da so Dinge im Hinterkopf wie stundelange Arbeit mit dem Ziehmesser und sowas.
Ab da ging es damit weiter, alles runter zu raspeln, was nicht zum künftigen Bogen gehörte, was bei meinem Stave ziemlich viel Zeug war. Bei diesem Schritt zeigte sich an der Arbeitsgeschwindigkeit, wer (1) schon handwerkliches Vorwissen mitbrachte und (2) nicht so viel raspeln musste.
Einer der Teilnehmer legte eine enorme Geschwindigkeit vor und war schon am Nocken sägen, da waren die restlichen drei immer noch am Raspeln. Und ich hatte ein wenig Sorge, dass ich zeitlich ins Hintertreffen kommen würde.
Nach einer Weile ließ sich dann auch mein Stave dazu herunter, sich beim Standtiller zu biegen, und jetzt konnte ich testen, ob das viele „Zuschauen“ hier im Forum was gebracht hat. Es hat. :)
Samstagabend_lowres.jpg

(Foto: Stand Samstag abend)
Am Abend und auf der Heimfahrt befürchtete ich, von der ungewohnten Tätigkeit einen solchen Muskelkater zu haben, dass ich am nächsten Morgen die Kaffeetasse nicht würde halten können, aber so schlimm war es dann doch nicht.

Am Sonntag ging es dann bei allen ans Nockenschneiden und ans Tillern, und wir lernten mit der Ziehklinge umzugehen. Michael (Spanmacher) betätigte sich immer wieder als Schleifer ;D , wozu er u.a. ein wunderschönes Werkzeug verwendete, für das der Begriff „Wetzstahl“ eigentlich schon eine Beleidigung ist.
Im Lauf des Tages verstand nicht nur ich, warum der Bleistift auch als „Hassbleistift“ bezeichnet wurde. Immer wieder ging der Bogen auf den Tillerstock - spannen - gucken - und die Stellen anzeichnen, wo noch was runter musste. Auch hier zahlte sich das „Fehlergucken“ hier im Forum aus, ich sah zumindest eine ganze Weile, wo noch steife Stellen waren. Gegen Ende klappte das dann nicht mehr, da war dann wohl doch die Erfahrung gefragt. Ich hätte natürlich fragen können, aber irgendwie war ich doch ein wenig müde und habe einfach gemacht, was ich geheißen wurde.
erster Tiller_lowres.jpg

Mein Bogen hatte anfangs noch geschätzte 70 lb, das war zuviel des Guten, und ich musste jede Menge Späne machen.
Sonnstagnachmittag_lowres.jpg

Eigentlich schade um den Stave, der wäre für einen recht dicken Bogen geeignet gewesen.
Irgendwann passte der Tiller und auch einigermaßen das Zuggewicht (< 40 lb), der Bogen wurde schußfähig gemacht, und dann wurde er zuerst vom Kursleiter, dann von mir Probe geschossen.
letzter Tiller_lowres.jpg

Der Bogen hat gemessene 35# 28“, das ist ein Zuggewicht, was ich auch bei größeren „Stückzahlen“ schießen kann.
Den noch verbliebenen Rest des Tages fingen wir an, den Bogen zu schleifen, aber dabei blieb es dann auch. Wir haben uns also alle noch Hausaufgaben mitgenommen.

So sieht er zur Zeit aus.
DSC_0075.JPG

DSC_0066.JPG

Erkenntnisse:
- meine oft vorhandenen Probleme mit der Rechts-Links-Koordination (ich bin umgeschulter und wieder zurückgeschulter Linkshänder) haben sich hier nur ganz selten bemerkbar gemacht und wenn, konnte ich es kompensieren. Zumindest das sollte sich beim künftigen Bogen bauen nicht störend bemerkbar machen. Und im Gegensatz zu einem Kurs kann ich zuhause einfach mal Bogen Bogen sein lassen, wenn es mir zu nervig wird.
- den Schraubstock daheim auf der Werkbank kann ich verwenden (ich sollte ihn nur endlich mal anschrauben!)
- von den Raspeln und dem Schleifpapier, die ich beim Ausräumen von Vaters Keller mitgenommen hatte, kann ich einiges verwenden.
- wie ich das mit dem Tillern mache, ist mir im Moment unklar. Mittelfristig könnte ich was in der Waschküche an die Wand bauen, aber zuerst muss der Raum renoviert werden. Draußen im Vorgarten ist auch keine echte Lösung, da stehen gleich die neugierigen Nachbarn da.
Und natürlich: Spass hats gemacht! ;D

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alfred33
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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von alfred33 » 14.02.2016, 18:13

Na also, ist doch fein geworden....
......... gefällt mir, viel Freude damit.
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(der mit der kleinen Wölfin)

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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Ilmarinen » 14.02.2016, 18:15

Ich bin beeindruckt von dem schönen Bogen. Gratulation zum Erstling.
Mögen noch viele schöne Bögen, dann aus Deiner Werkstatt, folgen.

Grüße

Jörg
„Der archimedische Punkt, von dem aus ich an meinem Ort die Welt bewegen kann,
ist die Wandlung meiner selbst.“ Martin Buber

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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Rotzeklotz » 14.02.2016, 18:37

Schön geworden :) ! Rechts biegt er mir etwas zu griffnah (ist das der finale Tiller auf dem Tillerbaum? Auf Standhöhe siehts besser aus), aber passt schon. Schön, dass ihr euch in eurem Kurs auch selbst am Tillern versuchen konntet.
Mit etwas Übung gehts übrigens auch ohne Bandsäge recht fix den Stave auf grobe Maße zu kriegen ;)

Azawakh

Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Azawakh » 14.02.2016, 20:07

Mein erster Eigenbau sah nicht so gut aus, viele spätere auch nicht. Glückwunsch!!

Wobei mir der Tiller auf dem Foto auch nicht so richtig gefällt, das ist aber sicher während der Arbeit entstanden und nicht am fertigen Bogen.

Viel Freude mit dem Bogen und mit denen, die als nächstes kommen!

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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Spanmacher » 14.02.2016, 20:15

Ich freue mich sehr darüber, dass Du mit der Aktion zufrieden bist.

Ach ja: Dass das Essen gut war, hättest Du auch sagen können..... ;) :D
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.

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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Dimachae » 14.02.2016, 20:52

Wenn ich da an meinen "Ersten" denke... :o Hut ab, der Bogen ist wirklich sehr schön geworden... weiter so...
Gruß, Peter

Der Baum der fällt, macht Lärm... Der Wald wächst leise...

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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von ralfmcghee » 14.02.2016, 20:53

Sehr schön! Ich glaube, ich sollte auch wieder einmal einen Bogenbaukurs machen. :) Kannst Du noch ein Bild vom Vollauszug machen? Dann sieht man sicher, wie das mit der griffnahen Biegung ist. Ich tippe auch darauf, dass der Tiller im fertigen Bogen harmonischer ist als es auf dem Tillerstock aussieht.
Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht.
Der Student geht zur Mensa bis er bricht.
Mein Bogen geht auf den Tillerstock bis er bricht.

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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Balian79 » 14.02.2016, 21:03

Schöner erster Bogen von dir!!!!!
Mfg Martin
Handwerk ist durch Gewohnheit erlangte Geschicklichkeit.

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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von alfred33 » 14.02.2016, 21:12

Das Foto ist von links unten, ich tippe das täuscht mit dem Schatten...
alfredle
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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Heidjer » 14.02.2016, 21:24

@ Alle, ich tue mich sehr schwer mit einer Tillerbeurteilung nach Fotos, aber das sieht mir nach einer deflexen Stelle ca. 10cm hinter dem Fadeout aus. Die sieht man auch auf dem ersten Foto, nur ist sie da im linken WA.

@ Sanne, schöner Bogen und schöner Baubericht, willkommen bei den Bogenbauern. ;)


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.

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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von killerkarpfen » 14.02.2016, 22:16

Mir gefällt der Bogen

Wer hat nu gebaut und wer gekocht? ??? :-X :-X
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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Spanmacher » 14.02.2016, 22:20

killerkarpfen hat geschrieben:Mir gefällt der Bogen

Wer hat nu gebaut und wer gekocht? ??? :-X :-X


Ich finde auch, dass Susanne ein schönes Erstlingswerk hingekriegt hat.

Gekocht hat meine Frau (Kartoffelsuppe)
und ich (Spaghetti Bolognese)

Und das von Susanne erwähnte Werkzeug zum Schärfen von Ziehklingen hat Shokunin nach meinen Vorstellungen gebaut. Das hat er wirklich gut gemacht, wie man sieht.

:D
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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Sanne » 15.02.2016, 07:22

Oh, so viele. Vielen Dank für das Lob. 8)
Mir wird gerade klar, dass ich mir künftig fürs Fotografieren eine Strategie ausdenken muss. War eben das erste Mal, dass ich einen Bogen fotografiert habe, und das unter beengten Verhältnissen in unserem kleinen Wohnzimmer.
@Azawakh, @Heidjer: Das dritte Foto ist der finale Tiller, und in einem Wurfarm hat hat er eine deflexe Stelle (auf dem ersten Foto der linke Wurfarm). Außerdem sind beide Wurfarme leicht in sich verdreht. ???
@Rotzeklotz: ich habe seit Samstag ein Ziehmesser und das wurde gleich an einem etwas über 1m langen knubbeligen Haselstück getestet. Das funktioniert wirklich erschreckend gut.
@Ralfmcghee: Foto vom Vollauszug habe ich leider keine. Es gibt Fotos vom Probeschießen, aber die habe ich noch nicht und auch da wurde höchstens 2/3 ausgezogen. Man soll das anfangs wohl auch nicht machen mit dem Vollauszug?

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Re: Mein erster selbst gebauter Bogen

Beitrag von Idariod » 06.04.2016, 12:32

Das mit dem Tillern kann man auch ohne Tillerwand hinbekommen.

Wazuka hat mal den Schultertiller so beschrieben:

Über die Schulter tillern heißt, daß Du Dir den Bogen in Schulter- oder Brusthöhe vor das Gesicht hältst, und zwar nicht quer (wie beim Tillerstock), sondern längs, so daß Du an einem der beiden WA mit den Augen entlangpeilen kannst. Der Bogen ist dabei auf Standhöhe aufgespannt. Durch Ziehen der Sehne (sozusagen seitlich von der Schulter/Brust weg) kannst Du dann super sehen, wie sich der WA biegt. Das macht man dynamisch, d.h. man zieht immer nur kurz, wie beim Pumpen. So sieht man Schwachstellen sehr gut, ohne den Bogen dabei zu überlasten. Für den anderen WA drehst Du den Bogen dann einfach um. Wenn Du das mal gut drauf hast, kannst Du Dir den Tillerstock komplett sparen


LG

Idariod
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