Decrowning (vulgo: platthobeln)

Themen zum Bogenbau
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Squid (✝)
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Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von Squid (✝) » 05.04.2007, 17:56

Moin,
der Übersichtlichkeit mach ich mal zu diesem Punkt 'nen neuen Thread auf. Die Bogenbaubibel ist leider zu dieser Frage nicht besonders genau, es heisst sinngemäß etwa "Plattmachen, Wölbung ist doof".
Und auch wenn des Raben Grafik

http://www.fletchers-corner.de/cpg/albu ... rownen.jpg

(links: nicht gut, rechts: gut) wieder mal recht informativ ist, hier noch einige Fragen:

1. Woran orientiert man sich, also wie weit hobelt man runter? Lässt man letztlich alle Grundsätze zum Thema unbeschädigter Jahresring fallen und versucht letztlich ein flaches Profil zu erzielen? Oder kappt man lediglich einen Teil der Wölbung um eine etwas idealere Zugspannungsverteilung zu erzielen? Wie viele Ringe flext man weg?

2.  Muss man komplett bis zum Ende des Bogens decrownen oder kann man beispielsweise bei der Hälfte des Wurfarms aufhören, wenn sich das Holz von dieser Stelle an nicht mehr unerwünscht stark wölbt bzw. unverletzt ist?
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 24.05.2007, 15:30, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von captainplanet » 05.04.2007, 21:31

1. Der Punkt ist daß die durchgehende Holzfaser nicht verletzt wird, der Jahresring ist nicht so wichtig. Es gibt ja auch Bögen mit stehenden Ringen. Du muß also darauf achten daß die Ringe an der Schnittfläche parallel laufen.

2. Nein, das muß man durchziehen wenn ichs richtig verstanden habe. Würdest Du mittig im arbeitenden Bereich aufhören hättest Du einen Knackpunkt da die Holzfasern im nicht decrownten Bereich plötzlich aufhören würden. Würdest Du auf der ganzen Länge, die Tips eingeschlossen, das Holz abschaben hättest Du wieder einen Knackpunkt da an den sich verjüngenden Enden die Fasern ins leere Laufen (Bild links). Deshalb muß Du es wie rechts gezeigt machen: Die seitlichen Fasern, die sich am Ende sonst abheben würden, werden zusammengehalten indem man sie oben zusammenlaufen läßt. Allerdings sind die Fasern in den überhöhten Tips trotzdem durchtrennt. Ich vermute daß das an den Enden anber nicht so tragisch ist wie weiter in der Mitte da meinem Verständnis nach beim Auszug zu den Enden hin ein Teil der Biegebelastung des Holzes durch Zugbelastung ersetzt wird und so die Tendenz zum Ablösen abnimmt(?).
Zuletzt geändert von captainplanet am 05.04.2007, 21:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von Squid (✝) » 06.04.2007, 18:06

Hmmmm...
und WANN macht man das taktisch klugerweise?
Nach meinem Dafürhalten sollte das noch vor  dem Bodentiller pasieren, wenn also bauchseits noch genügend Material da ist... oder?
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von captainplanet » 06.04.2007, 18:54

Der Tiller verändert sich ja durch das decrowning. Also entweder davor oder man muß nachtillern. Ich habe noch nicht viel Erfahrung damit gemacht, aber es erscheint mir logisch.

Alternative: Bei meinen Eschenbögen versuche ich einen gewölbten Rücken in den Griff zu kriegen indem ich an der Bauchseite eine Rille schabe sodaß sie Wurfarmstärke wieder einigermaßen gleich wird. Hat das sonst schon jemand so gemacht?
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von Squid (✝) » 06.04.2007, 19:12

Das halte ich für gar nicht sinnvoll: Die Spannungskräfte in der Wölbung bleiben gleich hoch, und an der Bauchseite ist noch weniger Material, dass die Druckkräfte aufnimmt so dass in den beiden "Holmen" mehr Druckkräfte wirken und das Holz überlasten.
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von captainplanet » 06.04.2007, 19:27

Da hast Du recht. Hab ich so noch gar nicht gesehen. Ich vermute (hoffe) aber daß man die Rille schon recht extrem ausprägen muß damit dieser Effekt schlagend wird. Denn die Alternative wäre ein ungleichmäßiges Profil (ich mag es nicht wenn die Ränder so dünn werden) oder das wertvolle Spätholz abzuschaben. Ich werde aber an Deine Worte denken und die Rille nicht viel tiefer als zwei Millimeter machen.

Würde man den Rücken so lassen und den Bauch ganz geradelassen hatte man doch in der Bauchmitte die größten Druckbelastungen da dort am meisten Material drüberliegt während die Rille den gegenteiligen Effekt bewirkt. Es müßte also mit etwas Gefühl möglich sein den Bogen so zu schnitzen daß sich diese Effekte aufheben und man eine gleichmäßige Druckverteilung am Bauch erhält.

Gruß Georg
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von Squid (✝) » 07.04.2007, 00:38

Um noch mal auf mein Decrowningproblem zurückzukommen: Es ist nicht realisierbar, das über den gesamten Wurfarm umzusetzen. Denn die starke Wölbung habe ich ausschliesslich auf den beiden griffnahen Hälften der Arme. Danach ist von starker Wölbung nicht mehr die Rede... und Kerben reinsägen kann ja auch nich im Sinne des Erfinders sein *g*.
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 07.04.2007, 01:30, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von captainplanet » 07.04.2007, 23:57

Du mußt der Faser folgen, die angeschnittenen Ringe müssen parallel sein. Wenn es erforderlich ist eine "Kerbe" reinzuschneiden mußt Du das tun. Oder auf der ganzen Länge mehr stehen lassen. Wenn Du nur im griffnahen Bereich mehr wegnimmst mußt Du den Übergang, wo Du quer zur Faser schneidest, mit einer Wicklung sichern. Sollte gehen. Das ist dann aber imho kein "echtes" Decrowning mehr.
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von Ravenheart » 10.04.2007, 09:49

Hmmm.. das ist ja ein ganzes "Paket" von Themen!

Mal der Reihe nach:

1. Bogenform

Die wichtigste Grundregel im Holzbogenbau ist: Das Holz bestimmt die Form!
Wenn also ein Bogen wie z.B. hier im griffnahen Bereich eine "störende" Überhöhung (Wölbung) aufweist, kann man zumnindest annehmen, dass die Bogenform (hier: Typ) für den Stave falsch gewählt ist!
Ein schmaler Bogen (LB) hat kaum Probleme mit Wölbung, und selbst wenn der Stave für einen LB zu kurz ist, löst ein "Indianerbogen-Typ" in "Paddelform" (der ab der WA-Mitte zum Griff hin wieder schmaler wird) solche "Probleme" meist elegant...
;)

2. Decrowning

2.1 Faserverlauf
Auch beim "decrownten" Bogen müssen die Fasern durchlaufen; in LÄNGS-Richtung unterbrochene ("abgeschnittene") Ringe können sich abspalten.
Das darf man allerdings auch nicht ZU wörtlich nehmen, denn:
Auch bei einem Bogen mit unverletzten Ringen laufen die Fasern seitlich aus! Schließlich wird der Bogen ja i.d.R. zum Ende hin schmaler, während die Fasern achsenparallel verlaufen. ABER: Da läuft an jeder Stelle nur ein winziger TEIL der Fasern aus, währen die Benachbarten noch ein Stück weiter gehen. Und der SEITLICHE Zusammenhalt ist relativ groß, so dass die jeweils Auslaufende von der Benachbarten mit gehalten wird.
Also darf das auch beim Decrowning so sein!
Erst wenn mehrere Faserstränge an der selben Stelle enden, kann es da zur Abspaltung kommen.

2.2 wie weit freilegen?
Nun, eigentlich ist es egal! Es liegt ja im Wesen des Decrownings, dass damit NICHT mehr nur noch die hochfesten Fasern des Spätholzes den Rücken bilden, sondern auch Frühholz , in Längsstreifen, einen Teil des Rückens bildet.
Bei hoch belasteten Bogen oder Holz mit viel Frühholz bzw. "B"-Qualität sollte daher auch ein Backing das Decrowning ergänzen!
Hochwertiges (oder homogenes) Holz aber "steckt das weg". Dennoch sagt mein "Bauch" immer: Decrowne so weit, dass in der Mitte wieder die OBERFLÄCHE eines Ringes freigelegt wird.
Besonders, wenn der BOGENBAUCH gerundet ausgeführt wird, ist der Bogen in der Mitte am dicksten und folglich treten da die größten Spannungen auf. Besteht dann genau die Linie nur noch aus Frühholz, hätte ich ein "ungutes Gefühl". Ebenso, wenn trotzt Decrownen der Rücken gewölbt bleibt. Man MUSS ihn ja nicht zwingend ganz flach herstellen!
Der dabei freigelegte Ring in WA-Mitte sollte zudem also nicht nur weitgehend unverletzt, sondern auch entsprechend dick sein...

2.3 wann decrownen?
Na, gleich nachdem die Form in der Breite herausgearbeitet wurde! Also noch VOR dem Bodentiller! Sonst fängt man danach ja von vorn an...

Rabe

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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von Domo » 02.06.2007, 13:49

Da ich gerade einen ziemlich flachen Stave habe stellt sich mir auch die Frage nach dem decrownwn . Nur hat der kleine Stave ein paar Astansätze oder "Hubbel" wie soll ich mit denen verfahren???

MFG  Domo
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von schattenpfeil » 02.06.2007, 14:31

@ Domo
Wenn ich die bisherigen Beiträge richtig verstanden habe, muß auch beim decrowneden Bogen um Äste mehr Holz stehen gelassen werden, weil ja sonst die Fasern durchschnitten würden. Ich denke, daß man die Oberfläche nur dann vollständig glätten kann, wenn man ein Bäcking aufbringt.
Ich wei? nicht, welche Waffen im n?chsten Krieg zur Anwendung kommen, wohl aber, welche im ?bern?chsten: Pfeil und Bogen. (Albert Einstein)

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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von Domo » 02.06.2007, 14:40

@ schattenpfeil
Erst mal danke, also kann man nicht mit einem Elektrohobel decrownen man müsste das dann mit einem Ziehmesser machen?!  Und wenn man Malle Äste mit decrowned, könnte man ein Hickorybacking auflegen und es würde ein funktionstüchtiger Bogen werden???


MFG    Domo
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von kra » 02.06.2007, 14:44

Wenn du nen ziemlich flachen Stave hast (ich vermute mal du meinst den Rücken des Staves) warum in aller Welt willst du den decrownen????

Macht wenig Sinn, das Ganze.

Decrowning wird gemacht, wenn man einen Stave mit einer sehr starken Rundung am Rücken hat (praktisch einen halbierten Ast), aus dem ein Flachbogen werden soll.
“Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.”
– George Bernard Shaw

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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von Domo » 02.06.2007, 16:06

Jaa und genauso verhält es sich bei mir ich will aus einem Ast einen Flachbogen bauen. Jetzt hat der Ast aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Drehwuchs, kann man dann auch noch decrownen???
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Re: Decrowning (vulgo: platthobeln)

Beitrag von Squid (✝) » 02.06.2007, 16:11

Dann geht, ausser Feuerholz, wohl nichts anderes: platthobeln, Hickorybacking drauf und das Beste hoffen.
Aber ob sich das lohnt?
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