Warum Horntips auf engl. Lanbogen?

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der_prinz
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Warum Horntips auf engl. Lanbogen?

Beitrag von der_prinz » 18.10.2004, 19:50

Hallo,

hat jemand eine Info, warum auf engl. Langbogen traditionell Horntips (oder Nocken) verwendet wurden? Aus bogenbauerischer Sicht sehe ich eigentlich keinen echten Nutzen, außer, dass sie die Bogenenden beim Abstellen auf dem Boden etwas besser schützen...
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annajo
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Warum Horntips - Warum kein anderes Material

Beitrag von annajo » 18.10.2004, 20:00

Hallo,

die Frage würde mich auch interessieren - nicht nur im Bezug auf den engl. Langbogen, sondern grundsätzlich auch bei Flatbows
Ich könnte auch mir vorstellen ein Hartholz zunehmen, bleibt man bei europäischen Hölzern, könnte es Buche, Hainbuche, Eiche etc. sein.

Ich könnte mir mir auch andere Materialien vorstellen,
wie z. B. Elfenbein, Mamutbein (natürlich nur fossiles), Knochen überhaupt oder die austral. Tuaga(?)-Nuss, wird oft als Elfenbein-Ersatz genommen.

Exotische Hart-Hölzer gibt es auch genügend.

Dank & Gruß,
annajo

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Netzwanze
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Beitrag von Netzwanze » 18.10.2004, 20:11

Horntips haben nur einen Sinn. Schmuck. Genauso wie eine schön gestaltete Griffwicklung (geht ja auch ohne).

Auf Flatbows werden Tips meist auch nur aus Schönheitsgründen aufgebracht. Es sei denn die Enden sind so schwach, daß sie für die Sehnenhalterung nicht eingeschnitten werden können.
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Broken Arrow
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Horntips

Beitrag von Broken Arrow » 18.10.2004, 20:14

Hi
Also mir hat man es so erklärt:

1.Die Horntips sind wiederstandsfähig und wurden auch im MA zum stochern nach Pfeilen gebraucht. (hat sich also nix geändert zu heute;-) )

2. Wenn früher alle Pfeile verschossen waren, wurde der Bogen unter Zuhilfenahme der Horntips im Kriegsgetümmel als Nahkampf Stichwaffe genutzt
(was auch einleuchtet)

3. Es sieht nett aus und schützt die WA Enden vor Feuchtigkeit.

Rolf
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Harbardr
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kein Schmuck...

Beitrag von Harbardr » 18.10.2004, 22:17

...sondern Mittel zum Zweck.

Eibe (auch Ulme) spaltet sich recht schnell bei entsprechendem Druck der Sehne, deren Kerbe meist zwischen Splint u. Kern liegt.

Um dies zu vermeiden machten die alten Wikinger am oberen WA die Kerbe nur auf eine Seite, unten wurde die Sehne geknotet.

Die Angelsachsen setzten auf die Recht dünnen Wurfarmenden Horntips, die sie "Last" der des Sehnenöhrchens tragen. Diese Tips waren meist recht unscheinbar gehalten.

Die tollen figürlichen Horntips (Pferdekopf, Bär, Adler u.ä.) sind zu schwer u. geben dem Bogen, außer dem schmucken Aussehen, auch einen recht heftigen Handschock.

Den Bogen als Pike kenne ich nur aus der nordischen Eisenzeit, da war aber der "Tip" als Spitze ausgearbeitet u. die Sehne lag unter diesem!

Siehe auch bei Bruno Ballweg, der sich ausführlich mit den Bogen der alten Zeit auseinandergesetzt hat.

horsebow
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Beitrag von horsebow » 18.10.2004, 22:26

Horntips auf englischen Langbögen sollten vor allem das Eibenholz (ist als Nadelholz ja schließlich ein Weichholz) vor dem Druck und evtl. Scherkräften der Sehne schützen. Immerhin hatten englische Kriegsbögen ja teilweise immense Zuggewichte.
Ich nehme an, daß man Horn verwendet hat, weil es sich als zäh herausstellte und leicht erhältlich war.
Insofern waren die Horntips etwas mehr als nur Zierde.
Mir ist auch keine Quelle bekannt, nach der der Bogen mit den (etwas gebogenen) Horntips als Stichwaffe eingesetzt wurde, englische Bogenschützen hatten zu Nahkampfzwecken eigentlich wenigstens eine Keule ("club"), in der Regel aber eine Axt oder sogar ein Schwert bei sich. Ich nehme auch nicht an, daß ein Eiben-Lb das lange ausgehalten hätte...

Gruß, horsebow
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Eibe = Weichholz?

Beitrag von der_prinz » 18.10.2004, 23:16

Nur ein kleiner Einwurf: Eibe ist KEIN Weichholz, sondern im Gegenteil ein Hartholz, auch wenn sie ein Nadelgehölz ist...
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Ravenheart
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toll...

Beitrag von Ravenheart » 18.10.2004, 23:53

...was so alles an Gerüchten und Anekdoten im Umlauf ist!

Erinnert mich ein wenig an die Geschichte mit der nicht eingedrehten Endlossehne, die sich im Schuss wie ein Fallschirm aufbläht...

*rofl*

Liebe Leute! Spaltet und bearbeitet einmal ein Stück Eibenholz, und die Frage klärt sich von selber!

Eibe hat eine wirklich gute Zugfestigkeit im Splint und eine beeindruckende Druckelastizität im Kern! Der Zusammenhalt der Fasern ist auch über die Ringgrenzen hinweg sehr homogen; aber auf erstaunlich geringem Niveau!!!

Die Bogenform mit dem Ziehmesser herauszuarbeiten gleicht einem Russisch Roulette! Sie spaltet WIE SAU! An jedem Ast und jeder Welle läuft man höchste Gefahr, große Späne rauszureißen!

Nicht umsonst haben die Briten daher den Flot erfunden, der nach Art einer Ziehklinge schabend arbeitet!

Selbst bei unseren heutigen Zuggewichten ist eine Sehnenkerbe eine Schwächung, die man zumindest mit einer Wicklung verstärkt, wenn man dies erfahren hat!

Bei den damaligen Zuggewichten dürfte selbst eine Wicklung wenig genützt haben! Denn sehr hart ist Eibe in der Tat nicht; auch wenn es noch nicht als Weichholz zählt...

Nein SCHMUCK war etwas, was an massenhaft hergestellten Kriegsbogen ganz sicher nicht zu finden war.

Hornnocken sicher nahezu immer, denn nur die unglaubliche elastische Zähigkeit des Horns ist in der Lage, diese immensen Spannungen gleichmäßig auf den GESAMTEN Holzquerschnitt zu übertragen. Ohne Hornnocken hätte kein Eibenbogen das Einschießen überstanden!

Es war (und ist), bei Zuggewichten über 50# eine technische Notwendigkeit!
Nicht mehr, und nicht weniger!

Heutzutage kann man das Problem natürlich auch anders lösen! Overlays aus Glasfaserlaminat, Wicklungen aus hochfestem Leinen in Verbindung mit Epoxi oder Super-Leim bei 40# Zuggewicht funktionieren auch!
DA ist die Hornnocke dann AUCH Schmuck; aber Hand auf's Herz: Gibt es was schöneres?

Rabe :-)

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macht Sinn

Beitrag von der_prinz » 19.10.2004, 09:16

OK, dann macht das Ganze natürlich wirklich Sinn. Es wäre auch wirklich schon sehr seltsam, wenn man auf massenhaft hergestelltem Kriegsgerät eine schmucke Verzierung angebracht hätte. Das wäre ja etwas so, wie ein geschnitzter Elfenbeinkolben auf einem G3 Sturmgewehr ;-)

Ich habe aber Nachbauten von alemannischen (Eiben-)Langbögen gesehen, die tatsächlich nur geschnitzte Nocken hatten. Und auch Wikinger- und steinzeitliche Bögen waren vornehmlich aus Eibe, soweit ich weiß...Hornnnocken hatten die aber keine. Wie lässt sich das erklären?
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Trebron
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Sehnenkerben

Beitrag von Trebron » 19.10.2004, 09:37

das hängt mit der Form, dem Querschnitt der Bogentips zusammen !

Sind die Tips schmal / hoch und die Kerbe im Bogenrücken, besteht die Gefahr, dass beim Spannen der Bogen über die Jahresringe aufreißt.
Bei breit / flachen Tips, mit den Kerben seitlich, schön abgerundet und nicht scharfkantig, da besteht die Gefahr weniger.
Ein dünnes Leder zwischen Holz und Sehnenöhrchen, schont Sehne und verhinder Spaltung.

Trebron
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Beitrag von Ravenheart » 19.10.2004, 11:20

...außerdem hatten die unmittelbar unter der Kerbe eine Sehnenwicklung!

Rabe

Uli
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Beitrag von Uli » 19.10.2004, 12:58

Ich habe mir einen 46lbs Langbogen aus Eibe geschnitzt, so in etwa die englische Form. Ich habe keine Hornnocken und auch keine Sehnenwicklung. Ich habe darauf geachtet, dass die Kerben wirklich nur an der Seite eingeschnitten sind. Der Bogen hat jetzt bestimmt mehr als 1000 Schuß hinter sich und hält. Wahrscheinlich sind Hornnocken wirklich erst bei größeren Zuggewichten notwendig. Ansonsten bringen sie nur unnötig träge Masse an die Wurfarmenden.

Uli
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"Niedrige" Zuggewichte

Beitrag von der_prinz » 19.10.2004, 15:11

Nun haben wir ja bereits öfter gehört, dass unsere heutigen Bögen wesentlich geringere Zuggewichte haben, als "die damals". OK, bei Kriegsbogen leuchtet mir das natürlich ein, aber warum sollte denn jeder Bogen abartige Zuggewichte von 90 lbs. und mehr gehabt haben? Der "normale" Jagdbogen wird sicher nicht so ein Monster gewesen sein, oder sind wir wirklich heute alle nur verweichlicht :o
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Horntips

Beitrag von Broken Arrow » 19.10.2004, 21:01

Hi

Ich weiss nicht ob ich mit der Interpretation der Horntips als Stichwaffe einem Irrtum aufgesessen bin, aber es hört sich nachvollziehbar an.

Ich würde gerne an dieser Stelle die Frage stellen, ob das mit den oft zitierten englischen Kriegsbogen Zuggewichten so stimmen kann.

Also:
Ich selbst bin 189 cm gross,esse ausgewogen und bin gesund und ziehe regelmässig Bögen (LB) mit rund 50# bei 29"
Ich bezeichne mich selbst als kräftig und habe auch 12 Jahre intensiven Kraftsport hinter mir.
Wenn ich dann so 100 Pfeile geschossen hab weiss ich was ich an "Arbeit" verrichtet hab.

Jetzt lese ich regelmässig von Zuggewichten bei 100#-150#
Wenn ich so bedenke, dass unsere MA Leute nur 160cm max gross waren und ausserdem schlechteres Essen bekommen haben (wenn überhaup) frage ich mich schon wie das sein kann.
War der Auszug nur 20" was bei der grösse damals wahrscheinlich war.
Gibt es ein ähnliches Umrechnungsphänomen wie bei der Geschichte mit den Grains und den Gramms?

Ich will auf keinen Fall an dieser Stelle Statements abgeben, umso mehr hier die Diskussion über solche "Horrorzuggewichte" anregen, weil ich es wirklich mal wissen will

;-)

Auch die Erklärung des regelmässigen schiesstrainings zieht bei mir irgendwie nicht.


Bin mal gespannt

Rolf

@Admins
Wenn der Threat besser in "reale Zuggewichte" passt ist mir das recht
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Beitrag von horsebow » 19.10.2004, 22:50

@Broken Arrow: Es gibt aus dem Hochmittelalter keinen einzigen erhaltenen Langbogen.
Es gibt nur die, die in den 70er Jahren von der Mary Rose, dem vor Portsmouth gesunkenen Flaggschiff Heinrich VIII., geborgen wurden, sie stammen strenggenommen nicht aus dem Mittelalter, sondern der Frührenaissance.
Es gibt allerdings keinen Grund, anzunehmen, daß mittelalterliche Bögen wesentlich anders gebaut waren.
Robert Hardy hat sich in seinem Buch "Longbow" ausführlich mit den Mary-Rose-Kriegsbögen befaßt. Der Mann ist eben nicht nur Schauspieler ("Siegfried Farnon" in "Der Doktor und das liebe Vieh"), er gilt als ausgewiesener Experte für mittelalterliches Bogenschießen. Er war auch an der wissenschaftlichen Auswertung der Funde als Sachverständiger beteiligt und gehörte dem Mary-Rose-trust an.
Er kommt in der Rekonstruktion dieser Bögen eindeutig zu diesen Zuggewichten!

Siehe auch www.maryrose.org , im Suchfenster oben links z.B. "archery" eingeben!

Gruß, horsebow
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