Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Themen zum Bogenbau
Benutzeravatar
Angela
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 864
Registriert: 26.02.2006, 18:35

Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von Angela » 02.08.2009, 21:06

Bild

Mit dem neu erschienenen Buch „Reflexbogen: Geschichte & Herstellung“ ist nun ein umfassendes Nachschlagewerk zu diesem legendären Waffentyp erhältlich.

Die erste Hälfte des Buches bringt dem Leser die Jahrtausende alte Geschichte dieser Bogenform auf einzigartige Weise näher. Angefangen von der Jungsteinzeit über die Steppenkulturen der Skythen bis hin zur frühen Neuzeit wird die Verwendung des Reflexbogens in verschiedenen Regionen der Erde, von Mitteleuropa bis Japan, im Detail dokumentiert. Die archäologischen Befundbeschreibungen sind fundiert und gut recherchiert, jedoch dank der zahlreichen Abbildungen von Originalfunden, Bildquellen und Rekonstruktionen keineswegs „trocken“.

Bild

Eine Besonderheit dieses Buches ist die Betrachtung der Originalfundstücke nicht nur aus archäologischer, sondern auch technischer Sicht. Durch Materialuntersuchungen, physikalischen Berechnungen und Rekonstruktionen werden dem Leser die Bauweise und die Schussleistung der jeweiligen Fundstücke auf nachvollziehbare Weise näher gebracht.

Nicht nur die Bögen selbst, sondern auch deren Zubehör werden in diesem Werk vorgestellt. Verschiedene Pfeilspitzenformen von der Skythenzeit bis zum Mittelalter werden in einem eigenen Kapitel chronologisch dargestellt, ebenso wird auf die Schmiedetechnik bei der Herstellung der verschiedenen Formen eingegangen. Auch Ausrüstungsgegenstände wie Köcher, Rüstungen, Schießhandschuhe und Daumenringe aus unterschiedlichen Zeitstellungen werden vorgestellt und verglichen.

Bild

In der zweiten Hälfte des Buches wird verstärkt auf die Technik des Reflexbogenbaus eingegangen: Häufig verwendete Materialien werden vorgestellt, der Bau verschiedenster Reflexbogen, vom skythischen Hornbogen bis zum amerikanischen Recurve, wird Schritt für Schritt dokumentiert. Auch dem Leser ohne Bogenbaukenntnisse wird hiermit die Technik des Bogenbaus auf anschauliche Weise näher gebracht; der ambitionierte Bogenbauer erhält wertvolle Tipps und Anregungen von erfahrenen Profis.

Bild

Egal ob Bogenbauer, Schütze oder Geschichtsinteressierter, ich kann dieses Buch jedem ans Herz legen. Durch die sorgfältige Recherche und Quellenangabe eignet es sich auch als wertvolles Nachschlagewerk für Archäologen und Historiker.

ISBN: 978-3-938921-12-8
336 Farbseiten, 21,5 x 27,5 cm
Preis 48,00 €

Nähere Info und Bezugsquellen gibt’s hier!

Benutzeravatar
the_Toaster (✝)
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 3706
Registriert: 28.09.2007, 19:29

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von the_Toaster (✝) » 02.08.2009, 22:31

Das klingt mir eher nach einem Werbetext als nach einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Werk.

So ausführlich das Buch an vielen Stellen ist, leider fehlen hier und dort entscheidende Informationen.
So taugt das Buch meiner Meinung nach zum Beispiel beim Kapitel über japanische Bögen, trotz der relativen Ausführlichkeit des Kapitels, nur als Inspirationsquelle einen japanischen Bogen bauen zu wollen.
So werden nur generelle Angaben über die besonderen Eigenschaften und Bauweisen eines Yumi geboten.
Konkrete Bauhinweise um einen funktionierenden modernen Bambuslaminatyumi bauen zu können fehlen leider.
Natürlich ist es schwer eine Schritt für Schritt Anleitung zu erstellen, wenn man den gezeigten üblichen Baumethoden folgen will, denn diese benötigen viel Erfahrung im Umgang mit Material und traditionellem Werkzeug. Moderne Werkzeuge oder spezelle Hilfsmittel, wie Leimformen, erleichtern allerdings die Arbeit, so dass auch mit diesem speziellen Bogen nicht vertraute aber relativ erfahrene Handwerker einen, wenn auch nicht perfekten, so doch funktionierenden Yumi erstellen könnten.
So bleibt einem interessierten Yumibauer also nichts anderes übrig das Rad nochmal und nochmal zu erfinden oder sich aus weiteren Quellen zusätzliche Informationen einzuholen.

Völlig anders sind da zum Beispiel die Kapitel von Jaap Koppedreyer und Micha Wolf, in denen es sich einem erfahrenen Handwerker recht gut erschließt, wie man einen funktionierenden Recurve hinbekommt.

Sehr gut gefallen mir die umfangreichen, wenn auch oft fremdsprachlichen weiterführenden Literaturangaben. Das ist aber ein Punkt, wo man als Interessierter auch in anderen Bereichen mit leben muss.

Alles in allem ein interessantes und allemal lesenswertes Buch mit ein paar kleinen Schwächen hier und dort, die vielleicht in einer weiteren Auflage oder in einem Extrawerk über japanische Bögen behoben werden könnten.
Es hat keinen Sinn zu versuchen einen Sinn im Versuchen des Menschen zu erkennen.

Es ist traurig zu glauben, dass der Mensch stets schlecht sei.

Benutzeravatar
Angela
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 864
Registriert: 26.02.2006, 18:35

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von Angela » 02.08.2009, 23:17

the_Toaster hat geschrieben:Das klingt mir eher nach einem Werbetext als nach einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Werk.


Deine Meinung in allen Ehren, aber ich profitiere in keinster Weise vom Verkauf dieses Buches. Finde das Buch trotzem supergut (ob du mir das nun glaubst oder nicht ;)). Ich habe eine Rezension aus meiner Sicht erstellt, d.h. aus der Sicht eines berittenen Bogenschützen und Archäologen. Mit dem Yumibau habe ich mich bis dahin nicht so sehr beschäftigt, dass ich die von dir angesprochenen Defizite beurteilen kann. Du bist da sicherlich mit etwas anderen Erwartungen (thematisch gesehen) an das Buch herangegangen als ich. Aber danke für die Ergänzung.
Zuletzt geändert von Angela am 03.08.2009, 08:11, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Huibuh
Jr. Member
Jr. Member
Beiträge: 66
Registriert: 18.10.2008, 22:05

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von Huibuh » 02.08.2009, 23:53

Ich kann mich Angleas Meinung nur anschliesen. Mich Wolfs Kapitel beschreibt Schritt für Schritt das Vorgehen, dass er in seinem einschlägigen Kurs sehr dediziert vor Augen führt. Nun habe ich das Buch zwar noch nicht komplett verschlungen, aber auch die anderen Autoren scheinen ähnlich qualifizierte, vielleicht nicht ganz so detailierte Texte abgeliefert zu haben.
Von Japanischen Bögen hane ich keinen Plan, daher kann ich dieses Kapitel nicht beurteilen, auch wenn ich die dargelegten kulturellen Aspekte durchaus interessant finde.

Gruß Huibuh

Benutzeravatar
arcus
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1879
Registriert: 26.02.2004, 22:33

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von arcus » 05.08.2009, 23:21

ich hab das Buch schon paar Wochen--sofort verschlungen und wusste nicht, wo ich anfangen sollte zu bauen

jetzt trocknet der Bogen mit den 5 Kurfen schon 3 Tage --die Gelantine braucht aber noch ein paar Tage.

hab mich allerdings net an die im Buch angegebenen Maße gehalten, sondern meinen Samik SKB bissl verlängert.

Gruß Rolf
Verlange von niemenden etwas, was Du nicht selbst bereit bist zu geben

Royal Judge
Full Member
Full Member
Beiträge: 151
Registriert: 22.11.2007, 19:05

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von Royal Judge » 07.08.2009, 23:39

Hallo,

mit dem schönen Buch habe ich mich gerade im Urlaub mehrere Abende beschäftigt und dabei viel Spaß und Lesefreude gehabt, keine Frage. Tolle Bilder und tolle Anleitungen. Mit dem Reflexbogen und seinem Bau habe bislang wenig eigene Erfahrungen gesammelt, das wird sich nach den vielen Anregungen hier in dem Buch sicher bald ändern.

Aber ganz kritiklos geht das Buch dennoch nicht durch. Folgende Schwachpunkte möchte ich hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit herauspicken:

Angesichts des Titels "Reflexbogen, Geschichte & Anleitung" ist das Kapitel über "Pfeilspitzen aus dem Reich des Kompositbogens", das für sich genommen mit seinen Einzelheiten zu Schmiedevorgängen sicher hoch interessant ist, doch eher "off topic". Da der Rest des Buchs sicher nicht lückenlos alles zum Arbeitstitel abdeckt, hätte man anstelle dieses Kapitels mehr zum Reflexbogen selbst bringen können.

Und mal ganz ehrlich: Hat von dem letzten Kapitel "Über die Mechanik des Static-Recurvebogens" irgendjemand mehr als die allgemein gehaltenen ersten dreieinhalb Seiten lesen geschweigen denn verstehen können ? Da schwirren einem ja seitenlang mehr Gleichungen mit Parametern und unverständlichen Faktoren, Grafiken und geschraubtem Mathematik-Sprech um die Ohren als Pfeile in einer Schlacht mit asiatischen Recurvebogenschützen im Mittelalter. Bogenbau ist für die meisten Leser hier doch sicher Hobby in der Freizeit. Wer will da seitenlange theoretisch-mathematische Abhandlungen lesen, die zumindest ich (bin immerhin ein "Einserjurist") beim besten Willen nicht verstehen kann.


Und insgesamt scheint mir das Buch nicht aus einem Guss zu sein, worauf der Herausgeber  eines Buchs, in das sich teils überschneidende Beiträge unterschiedlicher Autoren eingeflossen sind, durchaus hätte achten müssen:

So finden sich natürlich einige Beiträge, die Anleitungen oder Ausführungen zum Nachbau enthalten. Liest man diese Beiträge, so findet man zumindest dazu, ob zuerst der Sehnenbelag auf dem Rücken oder zuerst das Horn auf dem Bauch anzubringen ist, widersprüchliche Angaben, die einen ratlos zurücklassen. Michael Bittl in dem Beitrag "Horn im Bogenbau" bringt erst das Horn auf (S. 208) und dann den Sehnenbelag (S. 210). Diese Reihenfolge findet sich auch bei Bittls Beitrag "Der Bogen des Odysseus" (S. 238) sowie bei Micha Wolf "Der osmanische Kompositbogen" (S. 266 ff. , 272). Der hier im Forum oft schreibenden Snake-Joe ("Grundbauplan für einen Kompositbogen") hingegen baut andersherum, er klebt erst die Sehne auf (S. 220 f) und dann das Horn (S. 222 f.). Welcher der Meister hat denn jetzt recht ? Ich schätze mal Snake-Joe, zumal meine Frau meint, dass er auf den Bildern S. 230 f. ziemlich cool aussähe [bestimmt hat sie bloß seine Pferde gemeint]... Oder ist die Reihenfolge gleichgültig ? Von seinem Titel her hätte das Buch diese Frage jedenfalls nicht offen lassen dürfen !

Und Snake-Joe verweist in seinem Beitrag "Grundbauplan..." für weitergehende Fragen etwa zur Technik der Hornbehandlung auf weiterführende Literatur (S. 215, Verweis auf die Autoren Hamm und Schmidt). So ein Verweis zu allgemeinen Fragen ist natürlich zulässig, das Rad muss ja nicht immer wieder neu erfunden werden. Aber hier scheint sich das Buch selbst nicht zu vertrauen, da das Thema Hornbehandlung in dem unmittelbar vorangehenden Beitrag "Horn im Bogenbau" auf 12 Seiten abgehandelt wird, ohne dass der Beitrag von Snake-Joe auch hierauf verweist.

Das sind sicher keine Fehler der jeweiligen Autoren, die nicht ohne weiteres wissen können, was die anderen Autoren schon so geschrieben haben. Aber der Herausgeber hätte dann schon ein Auge drauf haben können.

Unabhängig von diesen Spitzfindigkeiten hier finde ich das Buch insgesamt ganz gut, ich werde es bestimmt noch häufig zur Hand nehmen. Und  den Autoren, die ihre Texte in der Mehrheit sicher in ihrer Freizeit nebenher verfasst haben, danke ich für die Zeit und ihren Grips, die sie dafür aufgebracht haben.

Gruß

Christian

Benutzeravatar
Kyujin
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 719
Registriert: 16.03.2004, 10:01

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von Kyujin » 08.08.2009, 00:21

the_Toaster: Wenn ich Fritz recht verstanden habe, war sein Manuskript erheblich länger und ausführlicher, da ist wohl viel gestrichen worden. Im Grunde könnte er ein ganzes Buch dazu schreiben. Aber so ein Buch könnte man kaum finanzieren, soviele Yumibauer in spe gibt es dann im deutschsprachigen Raum doch nicht.
Zuletzt geändert von Kyujin am 08.08.2009, 00:48, insgesamt 1-mal geändert.
Johannes Kolltveit Ibel
Oslo Kyūdō Kyōkai オスロ弓道協会

Benutzeravatar
the_Toaster (✝)
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 3706
Registriert: 28.09.2007, 19:29

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von the_Toaster (✝) » 08.08.2009, 09:18

Ja echt?

Das Manuskript will ich haben...  ;D

Also ich hatte schon einen Verdacht, einen Verschwörungsverdacht.
Ich mein es ist ja bezeichnend, dass man über Baumethoden jeder anderen Bogenform massig Informationen bekommt. Sogar detaillierte Anleitungen. Aber über Yumis gibts nur homöopatische Informationen. Sogar im Reflexbuch ist es so. Da muss man sich dann an Buildalongs von Leuten halten, die selbst Hobbyisten sind und mal so einen Yumi versucht haben und die dann natürlich nicht perfekt sind.
Bei allen anderen Bögen, sogar bei den hochkomplizierten türkischen Reflexbögen kriegt man Bauanleitungen vom Profi.
Was soll da also so ein armer Interessierter wie ich dann denken?

OK andersrum...  ;)

Das Henne, Ei, Prinzip ist ja allgemein bekannt, gell...
Auf die Yumis angewendet würde das bedeuten, dass es bestimmt mehr Yumibauer geben würde, wenn ein Interessierter über diese Bögen genau so viele Informationen bekommen würde, wie über viele andere Bögen.
Marketingstrategen schaffen es ja alle Nase lang einen Markt für ein Produkt zu schaffen, von dem ein Jahr vorher noch niemand annahm, dass man es unbedingt brauchen würde.

So. Schluss mit Frustbewältigung.  ;D
Es hat keinen Sinn zu versuchen einen Sinn im Versuchen des Menschen zu erkennen.

Es ist traurig zu glauben, dass der Mensch stets schlecht sei.

Benutzeravatar
skerm
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1466
Registriert: 20.03.2007, 14:37

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von skerm » 08.08.2009, 09:25

Royal Judge hat geschrieben:...und geschraubtem Mathematik-Sprech ..


Sagt ein Jurist  :D

Benutzeravatar
acker
Global Moderator
Global Moderator
Beiträge: 10946
Registriert: 07.03.2008, 17:04

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von acker » 08.08.2009, 10:16

Hallo,

Ich finde auch das das Mechanik - Kapitel over the top ist .
Ich habe Mechanik als Studiumfach gehabt, aber dieses Kapitel?? ne da hab auch ich keine Lust mich durch zu quälen.
Für jeden Otto normal Bürger absolut überflüssig.
Zum reinen Verständniss fehlen beispielrechnungen bzw sind dafür Kenntnisse in der Mathematik erforderlich die kaum ein Bundesbürger erlernte wenn er nicht Abitur gemacht hat.
Diese Seiten hätten sinnvoller Verwendung finden können.

Gruß acker
Der junge Mensch lernt, was die Erwachsenen wissen und verlernt was er als Kind gewusst hat.

Benutzeravatar
mbf
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1539
Registriert: 01.09.2004, 11:14

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von mbf » 08.08.2009, 11:16

Naja, was heißt hier "überflüssig? Für den reinen Bogenbau sind die Kapitel über die Geschichte oder Pfeilspitzen überflüssig, für den historisch Interessierten sind Informationen über den Umgang mit Glas überflüssig und für den Theoretiker ist der meiste Teil des Buchs überflüssig. Als Herausgeber kann man es daher nur falsch machen.  ;)

Wenn die Frage gestellt wird "was bringt mir das Theoriekapitel", dann muss die Frage zurückommen: "wieso sollte so etwas nicht erforscht werden?" OK, hier im Forum sind sicherlich mehr Praktiker als Theoretiker, aber auch diese Erkenntnisse verdienen es durchaus, ein wenig mehr an das Licht der Öffentlichkeit gebracht zu werden - und wenn es nur die Erkenntnis ist, dass sich auch auf diese Weise mit dem Bogen beschftigt wird.

Für mich als reinen Schützen (das Bauen überlasse ich anderen) sind die recht ausführlichen Kapitel über den Bogenbau auch völlig überflüssig - möchte man meinen. Ich nutze sie aber, um einen Blick über den Tellerrand zu werfen, um zu sehen, was außerhalb meiner Spezialisierung im Bogensport noch so los ist. Deshalb lese ich sie, auch, wenn ich sie weder nachvollziehen werde noch zum Teil vollständig verstehe. Aber ich erfreue mich dran.

Man muss so ein Buch sehen, als das, was es ist: eine breite Sammlung von zusammenfassenden Artikeln (Reviews), die ihrerseits über die ziterte Literatur einen tieferen Einstieg an den für den Leser relevanten Stellen ermöglichen.

Für einen Herausgeber ist es davon abgesehen auch schwer bis unmöglich, Widersprüche zwischen den einzelnen Artikeln auszumerzen. Jeder Autor hat seinen Erfahrungsschatz und sein Wissen, das er in seinem Artikel darstellt. Ein Buch kann hier die nötige (wissenschaftliche) Diskussion, was denn nun richtig(er) ist, nicht lösen.

Immerhin führt aber allein die Existenz des Buchs dazu, dass verschiedene Themen diskutiert werden können. Denn gerade Widersprüche (die möglicherweise nur scheinbarer Natur sind), sind sonst zu weit verstreut, als dass sie wirklich auffallen würden. Hier werden sie kompakt präsentiert und ermöglichen womöglich sogar neue Ansätze.
Der Pfeil fliegt hoch, der Pfeil fliegt weit.
Warum nicht - er hat ja Zeit!
-- Modifiziert nach einer Vorlage von Heinz Erhardt

Benutzeravatar
Kyujin
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 719
Registriert: 16.03.2004, 10:01

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von Kyujin » 08.08.2009, 17:12

the_Toaster:

Es gibt, so glaube ich, einen prinzipiellen Grund, warum Informationen über den Bau japanischer Bögen nur unvollständig und in Andeutungen zu bekommen sind:

Die wenigen, die damit Geld verdienen (ob das jetzt die Japaner sind oder das kleine Häuflein westlicher Bogenbauer, die sich da versuchen) haben schon aus banalen ökonomischen Gründen kein besonderes Interesse daran, dieses Wissen jedermann systematisch zugänglich zu machen. Außerdem ist die Form der Traditionsvermittlung direkt - der Schüler lebt und arbeitet mit dem Meister und absorbiert das Wissen und Können eher, als daß er unterrichtet wird. Ich kann mich täuschen, wäre aber nicht überrascht, wenn die Informationen, nach denen du fragst, auch auf japanisch nicht schriftlich vorliegen (es gibt allerdings Texte über die Auswahlkriterien von Gerät aus der Sicht des Schützen). Dazu kommt die traditionelle Tendenz in der japanischen Kultur, die Geheimnisse der eigenen Traditionslinie nicht außerhalb der Familie oder Schule zu verbreiten. Wenn das doch geschieht, wie in den Bogenbaukursen, die SHIBATA Kanjuro bei Dick gegeben hat, ist der Kreis klein und der Preis hoch. Das ist überhaupt nicht spezifisch für den Bogenbau und gerade die Kampfkünste sind durch die historische Entwicklung in ihrer Mehrzahl sogar deutlich mehr demokratisiert worden als andere Traditionen. (Versuche einmal, ernsthaft chadō oder kadō zu lernen, oder das Töpfern und Brennen von raku-Schalen...)

Ernsthafte und kompetente Leute wie Fritz Eicher (der sich überhaupt nicht als Bogenbauer versteht, sondern als forschender kyūdōka!) wissen eben auch, daß es immer noch eine lebende Tradition von Bogenbau gibt, an deren Qualität sie sich unter den oben beschriebenen kulturellen Rahmenbedingungen messen müssen. Zwar wissen wir als kyūdōka, daß nicht alle Bogenbauer gleich gut sind, und sogar die guten auch mal Mist verzapfen, ja daß sogar nur wenige Bögen in den Läden wirklich interessant sind - aber deswegen können wir es noch nicht besser machen. (Das "wir" ist hier ein wenig großspurig - gemeint ist die versammelte Kompetenz der Kyūdō-Szene, der ich angehöre.)

Stell dir vor, die türkischen oder die englischen Bogenbauer hätten seit dem Mittelalter eine ungebrochene Tradition, niemand müßte diese Bögen rekonstruieren, um sie schießen zu können, auch die Frage "Zuerst Sehne oder zuerst Horn?" wäre geklärt (bzw. es gäbe die seit 1529 in bitterem Streit liegenden Schulen der Zuerstsehnekleber und  der Zuersthornkleber  ;D  ) - einigermaßen erfahrene Bogenschützen würden sicher wissen, wer gute und wer weniger gute Bögen baut und wer überhaupt nur so tut.
Zuletzt geändert von Kyujin am 08.08.2009, 18:05, insgesamt 1-mal geändert.
Johannes Kolltveit Ibel
Oslo Kyūdō Kyōkai オスロ弓道協会

Benutzeravatar
the_Toaster (✝)
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 3706
Registriert: 28.09.2007, 19:29

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von the_Toaster (✝) » 08.08.2009, 18:58

@ Kyuijn

Min Jung, ich les Dich immer wieder gerne. Selbst wenn Du mal einen derberen Anfall über Schiesstechniken verlauten lässt...  ;)

Du bringst es genau auf den Punkt.

Als in der westlichen Welt noch kein Patentrecht existierte waren die Verhältnisse ja sehr ähnlich. Jeder Handwerker und jede Zunft war sehr streng darauf bedacht ihre Kenntnisse und Techniken anderen gegenüber durch Geheimnistuerei zu schützen.
Das hörte eigentlich erst mit dem Patentrecht auf. Die waren ja ursprünglich dafür gedacht wissenschaftliche und technische Entwicklung durch eine Veröffentlichungsverpflichtung zu fördern. Im Gegenzug bekam der Patentinhaber für eine gewisse Zeit einen staatlich verbürgten Schutz für seine Neuerung. Während der Schutzzeit hat aber jeder das Recht sich Informationen beim Patentamt einzuholen und dieses Wissen für wissenschaftliche unkommerzielle Zwecke zu nutzen. Erst wenn kommerzielle Interessen berührt werden müssen die Rechte des Patentinhabers beachtet werden.
Leider ist es heute wohl in vielen Bereichen so, dass der Patentschutz auf eine ziemlich unproduktive Weise ausgenutzt wird.
Eine positive Gegenströmung ist die GPL der zum Beispiel Produkte wie Linux unterliegen.
Da es sich bei den Fertigungsmethoden der japanischen Bögen aber um schon vorher bekanntes Wissen handelt, sind diese nicht mehr patentierbar. Von daher verstehe ich durchaus, dass die wenigen noch vorhandenen Bogenbauer, auch aus ihrer Tradition heraus, eher zögerlich ihr Wissen verbreiten.
Das bedeutet aber nicht, dass ich deshalb nicht ein wenig frustriert sein darf, gell.

So, das war jetzt echt Off Topic, musste aber raus...
Zuletzt geändert von the_Toaster (✝) am 08.08.2009, 19:01, insgesamt 1-mal geändert.
Es hat keinen Sinn zu versuchen einen Sinn im Versuchen des Menschen zu erkennen.

Es ist traurig zu glauben, dass der Mensch stets schlecht sei.

Benutzeravatar
Snake-Jo
Global Moderator
Global Moderator
Beiträge: 8691
Registriert: 10.10.2003, 11:05

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von Snake-Jo » 09.08.2009, 15:13

@Toaster: Soweit ich informiert bin, gibt es in Deutschland kaum einen oder keinen Profi-Yumibauer, der auch gleichzeitig in der Lage ist, darüber zu schreiben. Jedenfalls hat der Verlag wohl keinen gefunden bzw. es würde auch den Rahmen des Buches sprengen, wenn man für jeden Typ von Reflexbogen gleich eine Bauanleitung beigibt. Ansonsten ja, schade, würde ich auch begrüßen, so eine detaillierte Anleitung.

@Royal Judge: Gut recherchiert! Ich kann mich dem  nicht verschließen und stimme zu! Das ist auch meine Ansicht, wobei der Weg dahin ein anderer war! Aber das sind Interna, die ich hier nicht schreiben kann. Was das Thema "zuerst Sehne oder zuerst Horn" angeht, habe ich dies ja begründet. Man kann beides machen und ich persönlich kann auch beides in der Praxis durchführen. Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile, für den Anfänger eignet sich besser die von mir vorgestellte; deswegen hat die andere ihre gleiche (historische) Berechtigung.  Es gehört aber wohl zur Philosophie des Verlages, auch mehrere Meinungen nebeneinander stehen zu lassen und dem Leser ein eigenes Urteil zuzutrauen ;D
Gruß an deine Frau!  :-[

@Kyujin: Ja, so würde ich das auch sehen mit der Yumi-Bogenbauerszene.
Da nun mal hier zur Rezension eine Diskussion möglich ist (ist ja sonst nicht üblich), eben auch mal mein Kommentar dazu. Oder ich lese nur heimlich mit.
Zuletzt geändert von Snake-Jo am 09.08.2009, 15:21, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Ursus maximus
Full Member
Full Member
Beiträge: 234
Registriert: 29.12.2007, 11:05

Re: Buchrezension „Reflexbogen: Geschichte und Herstellung“

Beitrag von Ursus maximus » 09.08.2009, 16:10

Hi leut,
ich will mir demnächst das Buch kaufen, aber nach euren Darstellungen bin ich etwas unschlüssig geworden oder ich habe manches nicht ganz verstanden was ihr beschriebt, weil ich etwas schnell darübergelesen habe als zwischen den Zeilen zu lesen.

Meine Erwartung an diesem Buch ist viel mehr die Geschichte des Reflexbogens als das selber bauen eines Bogens. Dazu habe ich einfach nicht die Zeit, lust schon und 10 linke Daumen habe ich auch gerade nicht.  ;D

Ist in dieser hinsicht auch einiges beschrieben Geschichte, Aufbau, Merkmale, Entwicklung der verschieden Arten?????? So das das Buch für mich auch seinen reiz hat und das Geld Wert ist.

Die Japanischen Bögen haben für mich zwar auch Ihren Reiz und fastination. Aber dass ist für mich momentan nicht wichtig. Da meine ich dass ich (wenn es mal soweit ist) dann ein seperates Buch zu kaufen. Da wie ich meine der Schiessstiel doch etwas andererster ist. Oder verwechsle ich hier dass so genannte meditatve schiessen mit dem echten schiessstiel????????

Gruß Andreas

Antworten

Zurück zu „Bogenbau“