Anfängerprojekt Eschen-LB und Lessons Learned

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hermes
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Anfängerprojekt Eschen-LB und Lessons Learned

Beitrag von hermes » 18.06.2016, 00:12

Hallo liebe Bogenbauer,

hier möchte ich euch mal meine ersten Gehversuche beim Bogenbau vorstellen. Selbstverständlich (und dennoch bedauerlicherweise) gab es einige Fehler, aus denen ich lernen konnte und die ich hier zeigen möchte, damit der eine oder die andere gleich mitlernen kann. Vielleicht gibt's ja auch noch gute Tipps von den Profis hier! ;)

Mein Ziel für den ersten Bogen war ein zuggewicht von 30-35#, da ich selbst so gut wie noch nie geschossen habe. Mein erster Eschen-LB brachte jedoch nur 20# auf die Kofferwaage. Ich hatte beim Bodentiller die benötigte Steifigkeit falsch eingeschätzt und dachte "da kann noch Einiges runter". Also wollte ich danach nochmal genau so einen bauen, nur mit mehr Zuggewicht. Und dann gingen die Probleme los ...

Ausgangspunkt war ein online erworbener Stave aus Esche, der m.E. relativ dünne Jahresringe hatte (Foto).
Die Form sollte ein semipyramidaler Flachbogen mit steifem Griff werden. Die Bogenbreite wollte ich nicht überdimensionieren und habe mich an der Traditional Bowyers Bible (TBB) Vol. 1 orientiert, wo angegeben war, dass ein 50#-Bogen aus Esche eine optimale Breite von ca. 45mm hat. Optimal hieß hier: nicht zu schmal (sonst würde der WA zu dick und anfällig für Set) und nicht zu breit (sonst würde der Bogen zu langsam). Daraus habe ich geschlussfolgert, dass für 30-35# eine Breite von 35mm geeignet und hinreichend konservativ sein müsste. Länge nock-to-nock habe ich 160cm gewählt. (Breite und Länge sind gerade aus dem Gedächtnis geschrieben. Messe ich nochmal nach.)

Also habe ich losgearbeitet, dabei auch die Werkzeuge kennengelernt und erstmal nicht zu viel Wert auf optische Details gelegt (z.B. Selfnocks statt Overlays). Das Ergebnis war ein Bogen, der mir von der Form her gut gefiel.

Er hatte 32#@28" und den folgenden Tiller.
Bild

Beim Ölen der Oberfläche fielen mir außerdem oberflächliche Risse am Bauch auf. Es waren viele kurze Risse, diagonal zur Faser, nahezu parallel, über eine Länge von mehr als 10cm. Leider habe ich kein Foto. Die Stellen, wo die auftraten, waren griffnah und man sieht sie auf einem Foto weiter unten (unter der Wicklung). Deshalb bin ich von einer zu hohen Druckbelastung ausgegangen und habe mir auch (nachträglich) eingebildet, dass er sich an diesen Stellen zu stark biegt.

Als Sofort-Maßnahmen habe ich nachgetillert und dann auf die gerissenen Stellen Leinenfäden als Facing aufgeleimt und gewickelt. Außerhalb der Wicklung habe ich nun nach mehreren (ca. 8-10) Schieß-Sessions keine neuen Risse entdeckt und der Bereich der Wicklung ist auch nicht sichtbar "schwach" geworden. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Risse nicht allzu gefährlich waren und (evtl. in Kombination mit den Erste-Hilfe-Maßnahmen) nun kein Problem mehr sind. Da die Wicklung noch nicht entfernt wurde, kann ich jedoch nicht sicher sagen, wie sich die Rissbildung darunter weiterentwickelt hat.

Ein Nachteil der Flickerei ist jedoch: Im Bereich des Facings habe ich das Öl-Finish weggeschliffen, damit der Leim hält (Wäre das nötig gewesen?). Damit ist der Bogen nun allerdings nicht mehr vollständig wassergeschützt. Außerdem ist genau in diesem Bereich die Wicklung, die ja auch noch Wasser aufsaugen könnte. Fazit: Dieser Bogen ist so ungeeignet bei auch nur leichtem Regen.

Während des Nachtillerns fiel mir noch eine Ungleichmäßigkeit beider Wurfarme auf. Insgesamt musste ich den Bogen auf 26# herunterarbeiten und er hatte danach das folgende Tillerprofil:
Bild

Da er schon deutlich unter dem gewünschten Zuggewicht und nahe am ersten Bogen (20#) lag, wollte ich nur so weit heruntertillern, bis es "gerade so passt". Ich dachte, dies wäre hiermit der Fall gewesen.

Tiller nach dem Einschießen:
Bild

(Die oben beschriebene Wicklung + Facing wurde erst nach dem Einschießen angebracht, ist daher auf dem Foto noch nicht vorhanden.)

Hier habe ich sich anbahnende Probleme nicht gesehen....

Nach den 8-10 Schieß-Sessions, die der Bogen nun hinter sich hat, wollte ich mal das Zuggewicht prüfen. Er hat jetzt nur noch 24#@28", was noch okay wäre. ABER, als ich mir das Tillerprofil angeschaut habe, haben sich meine Nackenhaare aufgestellt:
Bild

Am unteren (linken) WA hat sich eine heftige Schwachstelle ausgebildet, sodass der ganze WA nun deutlich schwächer geworden ist als der andere und nicht mehr einen leichten, sondern einen starken Knick hat. Nachdem ich das gesehen habe, ist mir auch erst aufgefallen, dass dieser Knick (wenn auch in schwächerer Form) bereits nach dem Einschießen da war (siehe Foto oben). Hätte also durch gründlicheren Tiller evtl. vermieden werden können.


So. Was habe ich daraus gelernt:
1. Gerade für ein Anfängerprojekt lieber robust auslegen als geschwindigkeitsoptimiert (Wurfarme lieber zu breit als zu schmal)
2. Sehr sorgfältig tillern
  • Langsam vorgehen, damit das Zuggewicht nicht zu sehr sinkt
  • Hilfsmittel benutzen: Foto + Bildauswertung, gerades Holzstück zum Prüfen der Gleichmäßigkeit der Biegung
  • Insbesondere zu schwache Bereiche ("Knicke") vermeiden
3. Den Tiller gerade in der Einschießzeit regelmäßig prüfen, z.B. nach jeder Schießsession. So können evtl. auftretende Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden. Und nicht erst, wenn eine kleine zu einer großen Schwachstelle geworden ist.
4. Die FC-Community frühzeitig während der Bauphase um Rat fragen ;)
5. Schleifen und erste Öl-Auftragung nach dem Bau. Aber weitere Öl-Auftragung und -Trocknung macht wohl erst nach dem Einschießen Sinn, weil ggf. noch Nacharbeiten notwendig sein können.

An die lieben Profis: Was sollte ich noch aus diesem Bogenbauversuch gelernt haben?

Und: Gibt es eine sinnvolle Möglichkeit, den Bogen noch zu retten, ohne das Zuggewicht zu reduzieren? Oder bleibt ihm nur noch das Schicksal, ein Kinder-/Jugendbogen, Deko-Gegenstand oder Brennholz zu werden?


Übrigens: Der erste Eschenbogen mit 20# Zuggewicht hat bisher nicht solche Probleme. Er hatte aber auch einen gleichmäßigeren Tiller. Bislang hat er sich gut als Einstiegsbogen für meine Frau bewährt.


P.S. Weitere Lesson Learned: Mein "nullter" Gehversuch war übrigens mitte Februar ein Bogen aus einem selbstgesammelten Haselast. Dieser wurde grob im Form gebracht, entrindet, Hirnholz versiegelt und dann im Keller zur Trocknung gelagert. Nach einer Woche war jedoch ein Riss im Holz, der es unbrauchbar gemacht hat. Vermutlich ist der Keller zu warm zum beschleunigten Trocknen (Heizrohre etc.). Daraufhin habe ich beschlossen, erstmal mit fertig abgelagerten Staves anzufangen.

Besten Dank schonmal im Voraus für eure Antworten.

Viele Grüße
Hermes

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Re: Anfängerprojekt Eschen-LB und Lessons Learned

Beitrag von schnabelkanne » 18.06.2016, 13:30

Servus,
Kompressionsrisse am Bauch treten bei Esche recht oft auf und ist oft nicht zu vermeiden, ev. ein Traping machen um den Bauch zu entlasten.
Man kann aber auch mit den Rissen am Bauch damit Schiessen, meine Bögen halten jetzt doch schon einige Jahre mit kleineren Rissen am Bauch.
Pkt. 4 den du erwähnt hast, kann ich nur voll zustimmen, hat mir schon oft geholfen und einige Bögen gerettet.
Zu deinem Bogen, ich würde den rechten WA ab Mitte noch etwas mehr biegen lassen, dieser Bereich ist doch etwas zu steif.
Aber wirklich nur ganz wenig mit der Ziehklinge und dann ein Foto reinstellen.
Ich versiegle meine Bögen immer mit Leinölfirnis gegen Feuchtigkeit, ist billig - leicht zu beschaffen und geht auch über Wicklungen.
gruss Thomas
The proof of the pudding is in the eating!

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Re: Anfängerprojekt Eschen-LB und Lessons Learned

Beitrag von Rotzeklotz » 18.06.2016, 13:46

hermes hat geschrieben:Und: Gibt es eine sinnvolle Möglichkeit, den Bogen noch zu retten, ohne das Zuggewicht zu reduzieren? Oder bleibt ihm nur noch das Schicksal, ein Kinder-/Jugendbogen, Deko-Gegenstand oder Brennholz zu werden?

Widme dich lieber nem neuen Bogen, dieser hier wurde genug gequält - wichtiger als ein tipitopi Bogen sind ohnehin die Erfahrungen, die du damit gemacht hast. Gut, dass du am Ball geblieben bist. Ein paar wichtige Lektionen hast du ja schon mitgenommen.
Die Querrisse, Knitterfalten, Kompressionsrisse oder wie man sie nennen mag, sind wie du richtig erkannt hast durch eine Überlastung des Bauches entstanden. Die hohe Druckbelastung war nicht nur eingebildet, sondern ziemlich real. Der Bogen hat griffnah VIEl zu stark gebogen - da kann auch die Esche nichts für, das musste knittern.
Achte bei deinen nächsten Bögen verstärkt darauf, dass sich auch die äußeren Drittel der WAs mitbiegen.
Und noch ein Tipp: Lass deine Bögen nicht mehr bei so weitem Auszug aufgespannt fürs Foto - damit kriegst du auch den schnellsten Bogen ruckizucki weichgekocht. Entweder mit Umlenkrolle, weniger Auszug und/oder jemand anders fotografiert schnell (max 1-2Sek).
Weitermachen! (das wird, bei mir sah das alles am Anfang noch viel schlimmer aus, ein bischen Brennholz gehört dazu. Die meisten Fehler macht man nicht zweimal...)
Gruß
Jonas

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Re: Anfängerprojekt Eschen-LB und Lessons Learned

Beitrag von hermes » 18.06.2016, 15:03

Das mit dem Nicht-aufgespannt-lassen ist ein guter Punkt. Bei meinem aktuellen Robinienprojekt habe ich die Kamera (Handy) hingestellt und 10sec Auslöser eingestellt. Während dieser Zeit gehe ich zum Tillerstock und ziehe den Bogen aus. Nach dem Foto entlaste ich ihn wieder sofort, sodass er nur einige Sekunden voll ausgezogen ist.

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Re: Anfängerprojekt Eschen-LB und Lessons Learned

Beitrag von Boryze » 25.06.2016, 23:03

Um die Zeit des gespannten Bogens für ein Foto zu verkürzen, kann ich nur dazu raten eine kleine Umlenkrolle unten am Tillerstock anzubringen. So kannst du mit einer weiteren reißfesten schnur oder einer zweiten Sehne aus gewisser Distanz den Bogen spannen und gleichzeitig das Foto knipsen. Außerdem lässt er sich so besser beim biegen beobachten.
Wenn man nur vom Zuschauen ein Handwerk erlernen könnte, wäre jeder Hund ein Metzgermeister.

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